Landgericht Mannheim:
Urteil vom 16. März 2010
Aktenzeichen: 2 O 212/09
(LG Mannheim: Urteil v. 16.03.2010, Az.: 2 O 212/09)
Tenor
I.1. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, es zu unterlassen,
Empfänger eines digitalen Übertragungssystems (insbesondere MP2-Empfänger bzw. Empfänger mit DVB-Funktion zum Empfangen des digitalen Fernsehens)
im Inland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen ,
wenn- das digitale Übertragungssystem einen Sender und einen Empfänger umfasst, zum Aussenden eines digitalen Breitbandsignals mit einer bestimmten Abtastfrequenz F s , beispielsweise eines digitalen Audiosignals, über ein Übertragungsmittel, und zum Empfangen dieses Signals,
- der Sender mit einer Eingangsklemme zum Empfangen des digitalen Breitbandsignals versehen ist, und die Eingangsklemme mit einem Eingang einer zum Sender gehörenden Signalquelle gekoppelt ist, die zum Erzeugen eines zweiten Digitalsignals und zum Zuführen dieses zweiten Digitalsignals zu einem Ausgang eingerichtet ist,
- das zweite Digitalsignal aus aufeinander folgenden Rahmen aufgebaut ist, wobei jeder Rahmen aus einer Anzahl von Informationspaketen (IP) aufgebaut ist, und jedes Informationspaket N bits enthält, wobei N größer als 1 ist,
- der Empfänger mit einem Decoder mit einem Eingang zum Empfangen des zweiten Digitalsignals versehen ist, und der Decoder mit einem Ausgang versehen ist, der mit einer Ausgangsklemme zum Abgeben des digitalen Breitbandsignals gekoppelt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass- wenn P in der Gleichung
eine ganze Zahl ist, die Anzahl B der Informationspakete (IP) in einem Rahmen gleich P ist, wobei BR gleich der Bitgeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals und n s die Anzahl der Abtastungen des digitalen Breitbandsignals ist, dessen entsprechende zum zweiten Digitalsignal gehörende Information sich in einem Rahmen des zweiten Digitalsignals befindet,
und dass- wenn P keine ganze Zahl ist, die Anzahl der Informationspakete (IP) in einer Anzahl der Rahmen gleich P' ist, wobei P' die erste P folgende niedriger liegende Ganzzahl ist, und die Anzahl der Informationspakete in den anderen Rahmen gleich P'+1 ist, so dass genau die Bedingung erfüllt wird, dass die mittlere Rahmengeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals im Wesentlichen gleich F s /n s ist,
und dass- ein Rahmen aus wenigstens einem ersten Rahmenteil (FD1) mit Synchronisationsinformation aufgebaut ist
( Anspruch 21 i.V.m. Anspruch 1 EP 402 973 B1 ),
insbesondere wenn
der erste Rahmenteil (FD 1) weiter Information enthält, die zur Anzahl der Informationspakete im Rahmen in Zusammenhang steht ( Anspruch 21 i.V.m. Anspruch 2 und 1 ).
I.2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß Ziffer I.1 wird den Beklagten jeweils Ordnungsgeld bis EUR 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft im Falle der Beklagten Ziffer 1 an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist.
I.3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin bzw. den nachstehend genannten Unternehmen allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin und/oder der A Inc. (Virginia USA) und/oder den Patentinhabern P (Niederlande), F (Frankreich), T (Frankreich), I (München) durch die Handlungen gemäß Ziffer I.1 seit dem 1.1.1995 entstanden ist und noch entsteht, und zwar mit der Maßgabea) die Beklagten sind als Gesamtschuldner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der der Klägerin und/oder der A Inc. (Virginia USA) und/oder den Patentinhabern P (Niederlande), F (Frankreich), T (Frankreich), I (München) durch die Handlungen der Beklagten Ziffer 1 gemäß Ziffer I.1 entstanden ist und noch entsteht
b) der Beklagte Ziffer 2 ist ferner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der der Klägerin und/oder der A Inc. (Virginia USA) und/oder den Patentinhabern P (Niederlande), F (Frankreich), T (Frankreich), I (München) durch seine Handlungen gemäß Ziffer I.1 entstanden ist und noch entsteht.
I.4. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, der Klägerin schriftlich in geordneter Form (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie und/oder die Beklagte Ziffer 1 die zu I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 1.1.1995 begangen haben und zwar unter Angabea) der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen und Lieferscheine) mit aa)Liefermengen, Zeiten und Preisen, bb)Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalenwie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer, cc)den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, b) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit aa)Angebotsmengen, Zeiten und Preisen, bb)Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalenwie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer, cc)den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, c) der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Kosten sowie des erzielten Gewinns, d) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse.
I.5. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, die in ihrem mittelbaren oder unmittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I.1 zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten des jeweiligen Beklagten an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben.
II. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 1.379,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2009 zu bezahlen.
III. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von- 40.000 EUR bezüglich Ziffer I.1. (Unterlassung)- 2.500 EUR im Hinblick auf Ziffer I.4. (Auskunft)- 2.500 EUR im Hinblick auf Ziffer I.5. (Vernichtung)- 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags im Hinblick auf Ziffer II. (Zahlung) und IV. (Kosten).
Tatbestand
Die Klägerin erhebt Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung sowie Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen angeblicher Patentverletzung und begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Die Klägerin macht Rechte aus dem Europäischen Patent Nr. 0 402 973 betreffend ein digitales Übertragungssystem, Sender und Empfänger zur Verwendung im Übertragungssystem und Aufzeichnungsträger, der aus dem Sender in Form einer Aufzeichnungseinrichtung erhalten wird (im Folgenden: Klagepatent) geltend. Die Erteilung des Klagepatents - zu dessen benannten Vertragsstaaten Deutschland gehört - wurde am 30.11.1994 bekannt gemacht. Das Klagepatent steht in Deutschland in Kraft. Die Ansprüche 1, 2 und 21 des Klagepatents lauten in der deutschen Übersetzung gem. DE 690 14 422 T 2 (ohne Bezugsziffern):
1. Digitales Übertragungssystem mit einem Sender und einem Empfänger zum Aussenden eines digitalen Breitbandsignals mit einer bestimmten Abtastfrequenz F S , beispielsweise eines digitalen Audiosignals über ein Übertragungsmittel und zum Empfangen dieses Signals, wobei der Sender mit einer Eingangsklemme zum Empfangen des digitalen Breitbandsignals versehen ist, und die Eingangsklemme mit einem Eingang einer zum Sender gehörenden Signalquelle gekoppelt ist, die zum Erzeugen eines zweiten Digitalsignals und zum Zuführen dieses zweiten Digitalsignals zu einem Ausgang eingerichtet ist, das aus aufeinander folgenden Rahmen aufgebaut ist, wobei jeder Rahmen aus einer Anzahl von Informationspaketen (lP) aufgebaut ist, jedes Informationspaket N Bits enthält, wobei N größer als 1 ist, der Empfänger mit einem Decoder mit einem Eingang zum Empfangen des zweiten Digitalsignals versehen ist, der Decoder mit einem Ausgang versehen ist, der mit einer Ausgangsklemme zum Abgeben des digitalen Breitbandsignals gekoppelt ist,
dadurch gekennzeichnet , dass, wenn P in der Gleichung
eine ganze Zahl ist, wobei BR gleich der Bitgeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals, und n s die Anzahl der Abtastungen des digitalen Breitbandsignals ist, dessen entsprechende zum zweiten Digitalsignal gehörende Information sich in einem Rahmen des zweiten Digitalsignals befindet, die Anzahl B der Informationspakete (IP) in einem Rahmen gleich P ist, und dass, wenn P keine ganze Zahl ist, die Anzahl der Informationspakete (IP) in einer Anzahl der Rahmen gleich P ist, wobei P die erste folgende niedriger liegende Ganzzahl ist, und die Anzahl der Informationspakete in den anderen Rahmen gleich P+1 ist, so dass genau die Bedingung erfüllt wird, dass die mittlere Rahmengeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals im wesentlichen gleich F S /n S , dass ein Rahmen aus wenigstens einem ersten Rahmenteil (FD1) mit Synchronisationsinformation aufgebaut ist.
2. Übertragssystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet , dass der erste Rahmenteil (FD1) weiter Information enthält, die zur Anzahl der Informationspakete im Rahmen in Zusammenhang steht.
21. Empfänger des Übertragungssystems nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 16.
Inhaber des deutschen Teils des Klagepatents sind folgende Unternehmen:
- P,- F,- T,- I.
Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Unterlizenz am Klagepatent, die ihr von der ausschließlichen Lizenznehmerin A Inc., Virginia/USA, mit Zustimmung der Patentinhaber erteilt wurde. Der sachliche Umfang dieser Lizenz erfasst den hier interessierenden Bereich von Empfängern, die nach den einschlägigen Standards ISO/IEC 11172-3 oder ISO/IEC 13818-3 komprimierte Audiosignale, insbesondere mp2-Signale, zu decodieren ausgebildet sind.
Die Beklagte Ziffer 1, deren Geschäftsführer der Beklagte Ziffer 2 ist, vertreibt, wie aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K 4 ersichtlich ist, über das Internet DVB-Receiver der Marke E, zum Beispiel das Modell E 3&. Solche Geräte sind technisch so ausgebildet, dass sie komprimierte digitale Audio-Dateien, die dem internationalen Standard ISO/IEC 11172-3 - MPEG-1 - (nachfolgend: Standard), dort Teil 3, der die Audio-Daten betrifft (vgl. Anlage K 5), entsprechen, empfangen und gemäß den Vorgaben des Standards decodieren können, um eine Replik des ursprünglich digitalen Breitbandsignals zu erzeugen. Auf diesen Standard wird nämlich im Wesentlichen auch im Audioteil des Standards ISO/IEC 13818-3 - MPEG-2 - verwiesen, nach dessen Videoteil (Teil 2) das Format der komprimierten Bilddateien des digitalen Fernsehens spezifiziert ist und dessen Teil 3 (vgl. Anlage K 10) wiederum das Format der Audiodaten des digitalen Fernsehens bestimmt. Dabei sind die angegriffenen Geräte so ausgebildet, dass sie standardgemäße Audiosignale der beim digitalen Fernsehen eingesetzten Ausbaustufe layer II decodieren und anschließend wiedergeben können.
Die Klägerin hat die Beklagten aus diesem Grund durch ihre Prozessbevollmächtigten vor Klageerhebung wegen Patentverletzung abmahnen lassen.
Die Klägerin trägt vor, ihr seien alle Schadensersatzansprüche der Patentinhaber und der A Inc. für die Vergangenheit abgetreten worden, was aus dem als Anlage K 7 vorgelegten Agreement and Acknowledgement hervorgehe, auf dessen Inhalt hier wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Zur Geltendmachung der Unterlassungsansprüche sei sie als ausschließliche Lizenznehmerin ohnehin berechtigt.
Die Klägerin meint, ein nach dem Standard arbeitendes digitales Übertragungssystem verwirkliche die Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents. Der Vorrichtungsanspruch 21 werde von den angegriffenen DVB-Receivern wortsinngemäß verwirklicht. Dem Erschöpfungseinwand der Beklagten hingegen sei insbesondere entgegenzuhalten, dass allein der Tuner der angegriffenen Geräte noch nicht die Merkmale des Vorrichtungsanspruchs 21 aufweise.
Zuletzt hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ein Gerät des Typs E A& V& beschafft, welches neben dem Tuner, der ausweislich seiner Stanzung angeblich von der Firma S stammen soll, einen eigenen MPEG-Decodierchip zum Decodieren des vom genannten Tuner extrahierten MPEG-2 - Transportstreams aufweise. Ferner habe die Klägerin ein Gerät des Typs A& m& untersucht, bei dem ein anderer Tuner verbaut sei, der jedenfalls nicht als solcher der Firma S gekennzeichnet sei. Die Klägerin nimmt Bezug auf den als Anlage K 11 vorgelegten Auszug aus dem Internetangebot der Beklagten Ziffer 1, das insbesondere auch Varianten der Typen A& V& und A& m& enthalte. Die Ausführungen der Beklagten zur angeblichen Erschöpfung seien daher schon nicht für alle angegriffenen Ausführungsformen verallgemeinerungsfähig.
Die Klägerin b e a n t r a g t ,
I.1. wie unter I.1. erkannt;
I.2. wie unter I.2. erkannt;
I.3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin und/oder der A Inc. (Virginia USA) und/oder den Patentinhabern P (Niederlande), F (Frankreich), T (Frankreich), I (München) durch die Handlungen gemäß Ziffer I.1 seit dem 1.1.1995 entstanden ist und noch entsteht, und zwar mit der Maßgabe
a) die Beklagten sind als Gesamtschuldner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der der Klägerin und/oder der A Inc. (Virginia USA) und/oder den Patentinhabern P (Niederlande), F (Frankreich), T (Frankreich), I (München) durch die Handlungen der Beklagten Ziffer 1 gemäß Ziffer I.1 entstanden ist und noch entsteht
b) der Beklagte Ziffer 2 ist ferner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der der Klägerin und/oder der A Inc. (Virginia USA) und/oder den Patentinhabern P (Niederlande), F (Frankreich), T (Frankreich), I (München) durch seine Handlungen gemäß Ziffer I.1 entstanden ist und noch entsteht;
hilfsweise zu I.3. :
wie unter I.3. erkannt;
I.4. wie unter I.4. erkannt;
I.5. wie unter I.5. erkannt;
II. wie unter II. erkannt.
Die Beklagten b e a n t r a g e n ,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, die angegriffenen Geräte seien erschöpft. Die Beklagte Ziffer 1 beziehe diese bei der Firma X GmbH, welche sie von einem chinesischen Hersteller importiere. Der chinesische Hersteller baue die Geräte mit Ausnahme der in den fertigen Geräten verwendeten Tuner mit der Typenbezeichnung P&. Diese beziehe der Hersteller von der S Group. Die Geräte würden ohne Tuner in das Bundesgebiet importiert. Separat würden auch die einzelnen Tuner importiert. Im Bundesgebiet würden dann die Tuner in das Gerätegehäuse eingebaut. In sämtlichen streitgegenständlichen Geräten seien ausnahmslos Tuner der Firma S eingebaut.
Der genannte Tuner sei der klagepatentgemäße Empfänger nach Anspruch 21 der angegriffenen Ausführungsform, da ausschließlich dieses Bauteil den Empfang und die Codierung/Decodierung bewirke. Die S Group sei berechtigt, diese - bereits lizenzierten - Tuner weltweit, auch in das Bundesgebiet zu exportieren bzw. zu verkaufen. Hierfür zahle die S Group auch Lizenzgebühren an die Klägerin. Die S Group sei entgegen dem Vortrag der Klägerin keineswegs dahingehend eingeschränkt, dass deren Lizenzverträge nur berechtigen, selbst Endprodukte herzustellen.
Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Es fehle an einer erforderlichen Ermächtigung zur Geltendmachung der Rechte aus dem Patent durch die Lizenzgeber. Eine Abtretung ergebe sich aus der vorgelegten Urkunde nicht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2010 (ABl. 44) Bezug genommen. Der Beklagtenvertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.02.2010 ein Bauteil zu den Akten gereicht, bei dem es sich um einen Tuner der oben genannten Art handele, wie er auch in den angegriffenen DVB-Geräten verwendet werde.
Am letzten Tag der Schriftsatzfrist des schriftlichen Verfahrens haben die Beklagten eine Drittwiderklage gegen die S Deutschland GmbH eingereicht, die der Klägerin und der Drittwiderbeklagten formlos übermittelt worden ist.
Gründe
Die zulässige Klage ist größtenteils begründet. Lediglich der Feststellungsantrag Ziffer I.3. war in seiner Hauptfassung als unbegründet abzuweisen. Der diesbezügliche Hilfsantrag hat jedoch Erfolg.
I.
Die Beklagten machen von der Lehre des Klagepatents in Anspruch 21 wortsinngemäß Gebrauch.
1. Das Klagepatent geht nach seiner Beschreibung von einem im Stand der Technik bekannten digitalen Übertragungssystem aus, bei dem aufgrund psychoakustischer Überlegungen im Sender und im Empfänger einander entsprechende Teilbandcodiersysteme verwendet werden. Hiervon ausgehend liegt der Erfindung nach der Beschreibung des Klagepatents die Aufgabe zugrunde, für das Übertragungssystem einige Maßnahmen, insbesondere durch Wahl eines Formats zu schaffen, um ein flexibles und mehr oder weniger universell verwendbares Übertragungssystem zu erhalten, das für die Umsetzung unterschiedlicher Ausgangs-Breitbandsignale geeignet ist. Der Empfänger soll dabei die Möglichkeit haben, aus diesem zweiten Datensignal wieder das richtige Format des Breitbandsignals abzuleiten.
Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
a) Ein digitales Übertragungssystem, das aus einem Sender und einem Empfänger besteht.
b) Das digitale Übertragungssystem dient zum Aussenden eines digitalen Breitbandsignals mit einer bestimmten Abtastfrequenz F S beispielsweise eines digitalen Audiosignals, über ein Übertragungsmittel und zum Empfangen dieses Signals.
c) Der Sender ist mit einer Eingangsklemme zum Empfangen des digitalen Breitbandsignals versehen.
d) Die Eingangsklemme ist mit einem Eingang einer zum Sender gehörenden Signalquelle gekoppelt.
e) Die Signalquelle ist zum Erzeugen eines zweiten Digitalsignals und zum Zuführen dieses zweiten Digitalsignals zu einem Ausgang eingerichtet.
f) Das zweite Digitalsignal ist aus aufeinander folgenden Rahmen aufgebaut.
g) Jeder Rahmen ist aus einer Anzahl von Informationspaketen (lP) aufgebaut.
h) Jedes Informationspaket (IP) enthält N Bits, wobei N größer als 1 ist.
i) Der Empfänger ist mit einem Decoder mit einem Eingang zum Empfangen des zweiten Digitalsignals versehen.
j) Der Decoder ist mit einem Ausgang versehen, der mit einer Ausgangsklemme zum Abgeben des digitalen Breitbandsignals gekoppelt ist.
dadurch gekennzeichnet, dass:
k) Wenn P in der Gleichung
eine ganze Zahl ist, ist die Anzahl B der Informationspakete (IP) in einem Rahmen gleich P, wobei
(1) BR gleich der Bitgeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals und
(2) n s die Anzahl der Abtastungen des digitalen Breitbandsignals ist, dessen entsprechende zum zweiten Digitalsignal gehörende Information sich in einem Rahmen des zweiten Digitalsignals befindet.
l) Wenn nach der genannten Gleichung P keine ganze Zahl ist, ist die Anzahl B der Informationspakete (IP) in einer Anzahl Rahmen gleich P, wobei P die erste P folgende niedriger liegende Ganzzahl ist.
m) Wenn die Anzahl B der Informationspakete (lP) einer Anzahl Rahmen gleich P ist, ist die Anzahl der Informationspakete (IP) in den anderen Rahmen gleich P+1 und zwar so, dass genau die Bedingung erfüllt wird, dass die mittlere Rahmengeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals im wesentlichen gleich F S /n S ist.
n) Ein Rahmen ist aus wenigstens einem ersten Rahmenteil (FD1) mit Synchronisationsinformation aufgebaut.
Der klagegegenständliche nebengeordnete Vorrichtungsanspruch 21 des Klagepatents lehrt einen Empfänger eines solchen Übertragungssystems.
2. Die angegriffenen Geräte der Beklagten mit DVB-Wiedergabefunktion verwirklichen alle diese Merkmale des Anspruchs 21 wortsinngemäß. Die Klägerin hat in der Klageschrift die Verwirklichung aller Merkmale des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, insbesondere die entsprechenden Vorschriften der genannten Standards jeweils den Merkmalen des Klagepatents gegenüber gestellt. Sie hat insbesondere erklärt, dass jedes nach dem Standard (Layer II bei der hier in Rede stehenden DVB-Funktion) codierte Signal die für das zweite Datensignal nach der Lehre des Klagepatents vorgesehenen Merkmale denknotwendig aufweisen muss. Dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Vielmehr gehen auch sie davon aus, dass die angegriffenen Geräte vom Anspruch 21 des Klagepatents Gebrauch machen.
II.
Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg auf Erschöpfung berufen.
Erschöpfung der Rechte aus einem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patent tritt ein, wenn das geschützte Erzeugnis durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staat in Verkehr gebracht worden ist. Das Inverkehrbringen außerhalb dieses Raumes begründet keine Erschöpfung der Patentrechte für die Bundesrepublik Deutschland (BGH GRUR 2000, 299 - Karate ; Benkard/ Scharen , PatG, 10. A., 2006, § 9 Rn 22).
Die Beklagten machen nicht geltend, die fertigen DVB-Geräte würden von einem Lizenznehmer der Klägerin in Verkehr gebracht. Sie stellen vielmehr darauf ab, dass bereits die in diesen verbauten Tuner Empfänger im Sinne des Patentanspruchs 21 seien. Lediglich diese Tuner sollen von einem Lizenznehmer der Klägerin stammen und somit durch ihren separaten Vertrieb erschöpft sein. Die Beklagten, die für den patentrechtlichen Erschöpfungseinwand die Darlegungs- und Beweislast tragen (BGH GRUR 2000, 299 - Karate ), haben aber insoweit die von der Klägerin bestrittenen tatsächlichen Voraussetzungen der Erschöpfung weder nachvollziehbar dargelegt noch hinreichend unter Beweis gestellt.
1. Dies gilt bezüglich aller Geräte, auf die sich die Ausführungen der Beklagten zur Erschöpfung des Tuners mit der Typenbezeichnung P& beziehen oder beziehen sollen.
a) Selbst wenn man den zuletzt gehaltenen Vortrag der Beklagten zur Erschöpfung in Bezug auf bestimmte Geräte unterstellt, so ist dem ein Inverkehrbringen des geschützten Erzeugnisses mit Zustimmung des Patentinhabers in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staat nicht zu entnehmen. Denn die Beklagten legen nicht, zumindest aber nicht substantiiert dar, auf welche Weise und insbesondere durch wen die angeblich patentgemäßen Tuner in dem maßgeblichen Raum in den Verkehr gebracht wurden.
Ein Inverkehrbringen im Inland kann insbesondere im Import der patentgemäßen Vorrichtung liegen (Benkard/ Scharen , PatG, 10. A., 2006, § 9 Rn 17, 44). Die Tuner werden vorliegend nach dem Vorbringen der Beklagten in China hergestellt. Voraussetzung der Erschöpfung wäre nun ein Vortrag, dem zu entnehmen ist, dass eine hierzu berechtigte Lizenznehmerin der Klägerin die Tuner in den maßgeblichen Wirtschaftsraum einführt oder die Einfuhr von einer sonstigen Zustimmung der Klägerin gedeckt ist. Lizenznehmerin soll vorliegend die S Group sein, die zur Einführung in das Bundesgebiet berechtigt sei. Die Beklagten legen aber nicht dar, dass es gerade dieses Unternehmen, dessen Rechtsform und Anschrift sie im übrigen nicht nennen, sei, welches die besagten Tuner ins Inland, einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einen dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staat einführt.
Die Tuner sollen nach ihrem Vortrag durch den namentlich nicht benannten, chinesischen Hersteller der DVB-Geräte von der S Group bezogen werden. Ferner behaupten die Beklagten, die Tuner würden separat importiert. Ein lizenzierter Import durch die S Group könnte in dieser Konstellation nur vorliegen, wenn der chinesische Hersteller sich die Tuner von der S Group in den maßgeblichen Raum liefern ließe. Dies geht aber aus dem Vortrag der Beklagten nicht hervor und ist im übrigen wohl auch nicht gemeint. Denn es soll die Firma X GmbH sein, welche freilich nicht der chinesische Hersteller ist, die die DVB-Geräte (ohne Tuner) von dem chinesischen Hersteller importiert. Nachdem also offenbar die X GmbH die Geräte ohne Tuner beim chinesischen Hersteller aus dem Ausland bezieht, kann nicht angenommen werden, dass parallel der chinesische Hersteller in Deutschland operiert und sich direkt von der S Group hierhin Tuner übersenden lässt, um diese sodann in die - bereits vom Ausland aus an die X GmbH vertriebenen (!) Geräte - einzubauen oder - anders als das Gehäuse und die übrigen Teile der DVB-Geräte - vom Inland aus an die X GmbH weiterzuveräußern. Der Vortrag, separat würden auch die einzelnen Tuner importiert, kann damit nur so zu verstehen sein, dass diese ins Inland an die Firma X GmbH oder allenfalls ein weiteres, zwischengeschaltetes Unternehmen geliefert werden. Andererseits soll aber die Firma X GmbH gerade keine direkte Vertragsbeziehung zur S Group haben und die Tuner vielmehr vom chinesischen Hersteller bei der S Group bezogen werden. Offenbar wollen die Beklagten geltend machen, nachdem der chinesische Hersteller die Tuner von der S Group erhalten habe und sodann selbst in das Inland eingeführt habe, seien diese erschöpft. Dies kann aber schon aus Rechtsgründen nicht zutreffen.
Es fehlt bei Unterstellung dieses Vortrages nämlich an einem Inverkehrbringen durch den angeblichen Lizenznehmer im Inland oder einem anderen in Betracht kommenden Staat. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb ein Inverkehrbringen im Inland durch Dritte schon deshalb von einer Zustimmung der Klägerin gedeckt sein sollte, weil ein Lizenznehmer das betreffende Produkt zuvor bereits im nicht-europäischen Ausland in Verkehr gebracht hat. Es mag vertragsrechtlich möglich sein und auch wirtschaftlich unter Umständen nicht völlig fern liegen, eine solche Zustimmung zu Benutzungshandlungen Dritter in Bezug auf vom Lizenznehmer im Ausland hergestellte und in Verkehr gebrachte Vorrichtungen vorzusehen. Dass die Klägerin mit der S Group eine solche Vereinbarung zu Gunsten Dritter getroffen hat, legen die Beklagten aber nicht im Ansatz dar. Hiervon kann auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden (vgl. zur markenrechtlichen Erschöpfung EuGH GRUR 2002, 156 - Davidoff ; GRUR Int 2010, 135 - Diesel-Schuhe ). Die Beklagten stellen vielmehr auf ein angebliches, lizenzvertraglich geregeltes Einfuhrrecht der S Group ab, wofür diese Lizenzgebühren zahle. Dem pauschalen Vortrag, die Tuner mit der Typenbezeichnung P& seinen bereits lizenziert, sind weitergehende vertragliche Regelungen oder sonstige (konkludente) Zustimmungserklärungen der Klägerin nicht zu entnehmen.
b) Im übrigen haben die Beklagten, sollte ihr Vortrag doch dahin zu verstehen sein, dass Tuner von der S Group direkt ins Bundesgebiet eingeführt werden, nicht unter Beweis gestellt, dass gerade diese angeblich von S stammenden Tuner in die angegriffenen Geräte eingebaut werden (von wem€). Die Benennung des Zeuge Sun Woo Lee von der S Deutschland GmbH beizieht sich offenbar nur auf die Benutzungsrechte der S Group und jedenfalls nicht auf die Lieferkette nach der Übernahme der Tuner durch den chinesischen Hersteller oder einen anderen Zwischenhändler. Es wäre auch nicht ersichtlich, welche Kenntnis der Zeuge darüber haben sollte, woher die Beklagte Ziffer 1 oder insbesondere die X GmbH ihre DVB-Geräte oder separate Tuner bezieht, nachdem jedenfalls eine Direktbelieferung der X GmbH durch die S Group nach dem Vortrag der Beklagten nicht vorliegt.
c) Der noch in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2010 gehaltene Vortrag der Beklagten, die Tuner würden von der Firma S unter Lizenz zu einem griechischen Unternehmen geliefert, welches die anderen Bauteile von einem anderen chinesischen Hersteller geliefert bekomme, kann der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden, weil er durch die dazu in Widerspruch stehenden, jüngeren Ausführungen im Schriftsatz vom 19.02.2010 überholt ist. Im übrigen ist schon ein Beweisangebot für einen angeblichen Import von Tunern durch die Firma S nach Griechenland nicht ersichtlich.
2. Keiner Entscheidung bedarf somit, ob die Ausführungen der Beklagten zur Erschöpfung schon deswegen nicht zur Klageabweisung führen könnten, weil sie jedenfalls nicht auf die von ihnen möglicherweise auch angebotene Ausführungsform Argus mini zutreffen oder weil die Beklagten nicht unter Beweis stellen, dass jeder einzelne Tuner bei von ihnen angebotenen DVB-Geräten von einem Lizenznehmer der Klägerin stamme. Dem Patentverletzungsvorwurf der Klägerin sind die Beklagten nämlich allein mit ihrem - nach den obigen Ausführungen ohnehin unerheblichen - Vortrag zur Erschöpfung entgegengetreten, so dass eine die Verurteilung rechtfertigende Patentverletzung festzustellen war, ohne dass es auf den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 23.02.2009 ankam. Dem Schriftsatz vom 23.02.2009 ist auch kein neuer Patentverletzungsvorwurf im Rahmen einer Klageerweiterung auf weitere angegriffene Ausführungsformen zu entnehmen. Die Klägerin will darin nämlich erkennbar lediglich ergänzenden Vortrag zu ihrer Ansicht nach schon mit der Klageschrift angegriffenen DVB-Receivern halten.
Ferner kann offen bleiben, ob die Beklagten schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt haben, dass die angeblichen Tuner des Typs P& der S Group bereits alle Merkmale des Anspruchs 21 des Klagepatents aufweisen und ob die Klägerin in einem eventuellen Lizenzvertrag mit der S Group einen isolierten Vertrieb solcher Tuner durch den Lizenznehmer ausgeschlossen hat.
III.
1. Aufgrund der Verletzung des Klagepatents steht der Klägerin gegen die Beklagten ein Unterlassungsanspruch zu, der seine Grundlage in § 139 Abs. 1 PatG findet. Da die Beklagten zur Unterlassung verurteilt sind, waren ihnen gem. § 890 ZPO die gesetzlichen Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung anzudrohen.
2. Da die Beklagten im Zusammenhang mit geschehenen Verletzungshandlungen jedenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft, sind sie gemäß § 139 Abs. 2 PatG auch zum Schadensersatz verpflichtet. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten sie spätestens einen Monat nach Veröffentlichung der Mitteilung über die Erteilung des Klagepatents erkennen können und erkennen müssen, dass das Klagepatent durch die angegriffene Ausführungsform verletzt wird, weil sie verpflichtet waren, sich über die Schutzrechtslage auf dem technischen Gebiet, das sie mit ihren Produkten bearbeiten, fortlaufend zu unterrichten.
a) Die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.379,80 EUR sind ihr aus diesem Grund zu erstatten und wie zuletzt beantragt ab dem - aus dem Tenor ersichtlichen - Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen.
b) Hiervon abgesehen ist die Klägerin zu einer Bezifferung der Schadensersatzansprüche derzeit nicht in der Lage; dies rechtfertigt einen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO.
3. Um den entstandenen Schaden zukünftig beziffern zu können, besteht des weiteren ein Auskunftsanspruch, der sich aus §§ 140b PatG, 242 BGB ergibt.
4. Der geltend gemachte Vernichtungsanspruch steht der Klägerin nach § 140a PatG zu. Dass die Vernichtung unverhältnismäßig wäre, ist nicht ersichtlich.
5. Die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften des PatG folgt aus Artt. 64 und 2 Abs. 2 EPÜ.
6. Der Klägerin stehen sämtliche der genannten Ansprüche als ausschließlicher Lizenznehmerin selbst zu (vgl. Benkard/ Rogge / Grabinski , PatG, 10. A., 2006, § 139 Rn 17), soweit nicht Schäden geltend gemacht werden, die nicht der Klägerin sondern den Lizenzgebern entstanden sind.
Die sich aus den letztgenannten Schäden ergebenden Ersatzansprüche der Lizenzgeber kann die Klägerin nur als fremde Rechte im eigenen Namen geltend machen, was insoweit zur Abweisung des Hauptfeststellungsantrages als unbegründet führt. Die Klägerin kann aber insoweit im eigenen Namen Klage mit dem Antrag erheben, die Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber den Lizenzgebern festzustellen, so dass der Hilfsantrag zulässig und begründet ist.
a) Der in Anlage K 7 vorgelegten Vereinbarung ist die von den Beklagten bestrittene Abtretung dieser Ansprüche an die Klägerin nicht zu entnehmen ist. Nach dieser ist die Klägerin berechtigt, die genannten Schäden einzuklagen ( to sue for ), was über eine Ermächtigung zur Prozessstandschaft hinaus keinen Erklärungsgehalt erkennen lässt. Auch dass der Klägerin das Recht eingeräumt wird, sich diese fremden Schäden ersetzen zu lassen ( to recover damages ), bedeutet keine Anspruchsabtretung, sondern allenfalls eine Einzugsermächtigung. Somit liegt lediglich eine Ermächtigung zur gewillkürten prozessstandschaftlichen Durchsetzung der Ansprüche Dritter vor, an der die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin auch das notwendige berechtigte Interesse hat.
b) Dies rechtfertigt den Feststellungsantrag in seiner Hauptfassung nicht, mit dem die Klägerin ihr selbst auf Grund einer angeblichen Abtretung zustehende Rechte bezüglich der Schäden der Lizenzgeber geltend macht, weil diese Abtretung nicht vorliegt und somit die insoweit behaupteten eigenen Ansprüche der Klägerin nicht bestehen. Auch der nahe liegende Schluss, mit der neben die Wendung to sue for gesetzten Berechtigung, sich Schäden ersetzen zu lassen ( &, and to recover damages ), sei der Klägerin eine Einzugsermächtigung erteilt worden, kann an der Unbegründetheit des Hauptantrags nichts ändern. Wenn nämlich die fehlende Anspruchsinhaberschaft und die dem Kläger lediglich erteilte Ermächtigung offen liegen, muss er Zahlung an den Gläubiger verlangen, wobei die spätere Offenlegung dieser Umstände im Prozess der von vornherein offenen Prozessstandschaft gleichsteht (BGH NJW 1999, 2110; vgl. auch Zöller/ Vollkommer , ZPO, 28. A., 2010, Vor § 50 Rn 54).
c) Der Hilfsantrag hat jedoch wegen der mit der Anlage K 7 nachgewiesenen Ermächtigung der Klägerin Erfolg. Die Echtheit dieser Urkunde haben die Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Dass die in englischer Sprache verfasste Anlage K 7 nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt wird, steht ihrer urkundsbeweislichen Verwertung nicht entgegen. Insbesondere verbietet § 184 GVG dies nicht (vgl. BGH Beschl. v. 02.03.1988 - IVb ZB 10/88).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
V.
1. Die Drittwiderklage der Beklagten muss im vorliegenden Rechtsstreit unberücksichtigt bleiben, weil sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erhoben wurde. Für die Erhebung einer Widerklage außerhalb der mündlichen Verhandlung ist nach § 261 Abs. 2 ZPO die Zustellung des die Widerklageanträge enthaltenden Schriftsatzes notwendig. Da im vorliegenden Fall die Drittwiderklageschrift erst am 23.02.2010 bei der Kammer einging und dieser Tag ausweislich des Beschlusses der Kammer vom 09.02.2010 bereits dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprach, war eine rechtzeitige Zustellung an die Drittwiderbeklagte nicht möglich. Über die Widerklage ist daher nicht zu entscheiden. Sie wurde der Drittwiderbeklagten auch lediglich formlos übermittelt, so dass im übrigen keinesfalls die für eine Entscheidung über die Widerklage erforderliche Rechtshängigkeit gegeben ist (vgl. zum Ganzen Zöller/ Greger , ZPO, 28. A., 2010, § 296a Rn. 2a mit weiteren Nachweisen).
Damit unterscheidet sich die prozessuale Lage im übrigen auch nicht zum Nachteil der Beklagtenseite von der Rechtslage am Schluss einer (echten) mündlichen Verhandlung. Im letztgenannten Fall kann zwar eine Widerklage im Termin und somit sofort erhoben werden (§ 261 Abs. 2 ZPO), ohne dass eine Veranlassung der Zustellung durch das Gericht abgewartet werden muss und Rechtshängigkeit erst zeitlich versetzt nach Eingang des Klageantrags bei Gericht eintreten könnte. Sofortige Rechtshängigkeit kann aber entsprechend auch im schriftlichen Verfahren erreicht werden. Einen Schriftsatz, den eine Partei am letzten Tag der Schriftsatzfrist bei Gericht einreicht, kann sie nämlich zugleich von Anwalt zu Anwalt nach § 195 ZPO zustellen lassen. Auf diese Weise kann auch Widerklage rechtzeitig und ohne Vorlauf erhoben werden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. A., 2010, § 195 Rn 5). Dass dies vorliegend nicht möglich gewesen sein dürfte, weil kein Prozessbevollmächtigter der Drittwiderbeklagten bestellt ist, entspricht wiederum der Rechtslage bei mündlicher Verhandlung. Widerklage gegen einen unbeteiligten Dritten kann - schon weil dieser im Termin nicht anwesend und vertreten ist - nicht durch Geltendmachung des Anspruchs im Termin erhoben werden (vgl. zum vergleichbaren Fall einer Parteiänderung: Zöller/Greger, ZPO, 28. A., 2010, § 261 Rn 6). Schließlich kann auch § 167 ZPO nicht zur Begründung der rechtzeitigen Widerklageerhebung herangezogen werden, weil diese Vorschrift nur die Rückwirkung in Bezug auf die Fristwahrung durch Zustellung von innerhalb der Frist eingereichten Anträgen und Erklärungen betrifft. Sie kann keine Rückwirkung einer hier bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingetretenen Rechtshängigkeit der Widerklage begründen.
2. Die Kammer sieht sich unter Ausübung des ihr nach § 156 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens durch die eingereichten Drittwiderklage auch nicht veranlasst, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Dies folgt schon aus der Verfahrensverzögerung, die damit verbunden wäre (vgl. Zöller/ Greger a.a.O.). Eine solche Verzögerung ließe sich vorliegend insbesondere deswegen nicht rechtfertigen, weil die Widerklage gegen einen bisher noch nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten gerichtet ist. Auch die von den Beklagten beanspruchte Waffengleichheit gebietet die Wiedereröffnung nicht, schon weil für die Beklagten selbst im Fall des Erfolges der Widerklage und der Vollstreckung eines entsprechenden Urteils gegen die Drittwiderbeklagte, die so zu erreichende Auskunft zu spät käme, um den Erschöpfungseinwand gegen die dann ebenfalls bereits entschiedene Klage zu führen. Soweit die Beklagten meinen, zum Erschöpfungsnachweis auf die Mithilfe der Firma S angewiesen zu sein und im Unterliegensfall Regressansprüche gegen die S Group oder möglicherweise die Drittwiderbeklagte zu haben, ist nicht ersichtlich, weshalb sie nicht frühzeitig diesen den Streit verkündet haben.
3. Schließlich liegt auch im Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 23.02.2010 kein zwingender Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO. Der neue Sachvortrag zu den Geräten A& m& und A& V& ist nämlich nicht entscheidungserheblich (s.o.). Die Kammer sieht daher auch unter diesem Aspekt nach Ermessenausübung von der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ab.
LG Mannheim:
Urteil v. 16.03.2010
Az: 2 O 212/09
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