Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. April 2002
Aktenzeichen: 8 W (pat) 23/01

(BPatG: Beschluss v. 30.04.2002, Az.: 8 W (pat) 23/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C des Patentamts vom 15. März 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Vulkanisationsform mit Segmenten für die Herstellung von Fahrzeugluftreifen und Verfahren zur Herstellung der Segmente Anmeldetag: 30. März 1996 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 10, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 6 Blatt Zeichnungen, eingegangen am 30. März 1996.

Gründe

I Die Patentanmeldung P 196 12 829.3-16 mit der Bezeichnung "Vulkanisationsform mit Segmenten für die Herstellung von Fahrzeugluftreifen und Verfahren zur Herstellung der Segmente" ist am 30. März 1996 beim Patentamt eingegangen und von dessen Prüfungsstelle für Klasse B 29 C mit Beschluss vom 15. März 2001 zurückgewiesen worden. Zum Stand der Technik waren die 1. EP 0 691 222 A2; die 2. DE 1 865 821 U und die 3. EP 0 25 358 B1 in Betracht gezogen worden.

Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B29C hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Die Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung neugefasste Unterlagen Patentansprüche 1 bis 7 und Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 10 überreicht.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet (ohne Bezugszeichen):

"Verfahren zur Herstellung der Segmente einer Vulkanisationsform für die Herstellung von Fahrzeugluftreifen, wobei aus Blech Lamellen so gebildet werden, dass sie im fertigen Segment einem wabenförmigen Muster folgen, wobei eine Schar zickzackförmiger Hauptlamellen aus Blech gebildet und im Segment verankert wird, wobei die Haupterstreckungsrichtung aller Hauptlamellen parallel zueinander ist, wobei je zwei benachbarte Hauptlamellen achsensymmetrisch zueinander verlaufen bezüglich einer Symmetrieachse, welche parallel zur Haupterstreckungsrichtung verläuft, wobei weitere geradlinige Nebenlamellen aus Blech gebildet und im Segment verankert werden, die an die einander zugewandten Ecken benachbarter Hauptlamellen anschließen und orthogonal zur Symmetrieachse verlaufen."

Der Anmeldungsgegenstand betrifft ferner nach Patentanspruch 2 eine Vulkanisationsform für die Herstellung von Fahrzeugluftreifen, die Segmente aufweisen, wobei die Segmente ein wabenförmiges Muster von Lamellen aufweisen, wobei eine Schar zickzackförmiger Hauptlamellen aus Blech im Segment verankert ist, wobei die Haupterstreckungsrichtung aller Hauptlamellen parallel zueinander ist, wobei je zwei benachbarte Hauptlamellen achsensymmetrisch zueinander verlaufen bezüglich einer Symmetrieachse, welche parallel zur Haupterstreckungsrichtung verläuft, wobei weitere geradlinige Nebenlamellen aus Blech im Segment verankert sind, die an die einander zugewandten Ecken benachbarter Hauptlamellen anschließen und orthogonal zur Symmetrieachse verlaufen.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt gemäß Seite 2, 3. vollständiger Absatz der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung die Aufgabe zugrunde, ein günstiges Verfahren anzugeben, um ein an sich bekanntes Wabenmuster von Einschnittblechen mit 6-Ecken anzugeben und eine entsprechend herstellbare Vulkanisationsform. Das Verfahren sollte kostengünstig sein und zu einer Vulkanisationsform führen, deren Lamellenbleche zuverlässig gehalten sind und einer großen Zahl von Vulkanisationen standhalten. Dabei sollten die 6-Ecke Schenkel an Schenkel liegen und es sollten keine anderen Formen als regelmäßige 6-Ecke erzeugt werden.

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 3 bis 7 wird auf die Akten Bezug genommen.

Die Anmelderin trägt vor, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik das Anordnen von Haupt und Nebenlamellen zur Herstellung von Fahrzeugreifen nicht vorsehe, so dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Anmelderin stellte den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B29C des Patentamts vom 15. März 2001 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 7,

- Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 10, jeweils überreichtin der mündlichen Verhandlung,

- 6 Blatt Zeichnungen, eingegangenam 30. März 1996.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Gegenstand der Anmeldung stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 7 sind zulässig.

Die Patentansprüche 1 und 2 sind auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 und 2 formuliert. Die Aufnahme der Werkstoffangabe für die Segmente stellt eine zulässige Beschränkung auf einen der für die Herstellung von Segmenten möglichen Werkstoffe dar. Die Patentansprüche 3 und 4 sowie 5 bis 7 entsprechen den am Anmeldetag eingereichten Ansprüchen 3 und 4 bzw. 6 bis 8.

2. Das aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare Verfahren nach dem Patentanspruch 1 hat gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik als neu zu gelten, denn nach keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften wird das Herstellen einer Vulkanisationsform beschrieben, bei der Haupt- und Nebenlamellen so angeordnet sind, dass sie ein 6 - Eck ergeben.

So sind in der EP 0 691 222 A2 weder ein Verfahren noch eine Form zur Herstellung von Reifen mit wabenförmigem Muster beschrieben und bei der in der DE 1 865 821 U beschriebenen Form zur Herstellung von Reifen sind keine Nebenlamellen vorhanden.

3. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Gestaltung von Laufstreifenprofilen für Fahrzeugreifen hat es sich als vorteilhaft erwiesen, diese Profile mit einem Feineinschnittnetz zu versehen, das aus regelmäßigen Sechsecken besteht. Um dieses Feineinschnittnetz zu erhalten wird die Vulkanisationsform mit Segmenten versehen, die aus Haupt- und Nebenlamellen bestehen, wobei die Hauptlamellen zickzackförmig gestaltet sind und die Nebenlamellen aus geraden Blechstreifen bestehen. Werden nun die so gestalteten Hauptlamellen parallel und achssymmetrisch zueinander angeordnet und die Nebenlamellen an den zueinander zugewandten Ecken benachbarter Hauptlamellen orthogonal zur Symmetrieachse im Segment befestigt, ergeben sich die geforderten Sechsecke.

Für diese Maßnahme vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem auf dem Gebiet des Formenbaus für die Herstellung von Fahrzeugreifen versierten Maschinenbauingenieur (FH), keine Anregungen.

Aus der EP 0 691 222 A2 ist ein Fahrzeugreifen bekannt, dessen Laufstreifenbänder mit einer Vielzahl von Feineinschnitten versehen sind, die ein Netz aus n-Ecken bilden. Dabei soll als besonders vorteilhaft die Zahl n = 6 (Sp 2, Z 15) sein. Mit dieser Zahl liegt ein regelmäßiges Sechseck vor (siehe Fig 1). Wie die Blockelemente aufgebaut sind und in welcher Form sie in der Vulkanisierform verankert sind ist dieser Druckschrift nicht zu entnehmen, so dass diese Druckschrift keinen Hinweis auf das anmeldungsgemäße Verfahren geben kann.

In der DE 1 865 821 U ist ein Laufstreifenprofil beschrieben das in Umfangrichtung verlaufende wellenförmige Schlitze aufweist. Um diese Schlitze beim Vulkanisieren zu erhalten, werden wellenförmige Einsätze dergestalt in der Formoberfläche verankert, dass sie von der Oberfläche wegragen, wobei die entsprechenden konkaven und konvexen Abschnitte direkt neben einander liegen und die konvexen Abschnitte sich im wesentlichen berühren, jedoch nicht miteinander verbunden sind (PA 3 des GBM). Wie der Fig 1 zu entnehmen ist, verlaufen die Elemente achssymmetrisch zueinander und zwar bezüglich einer Symmetrieachse, welche parallel zur Haupterstreckungsrichtung sich erstreckt.

Würde man nunmehr bei der Form nach der DE 1 865 821 U ein Feinprofil vorsehen wollen, wie es bei der EP 0 691 222 A2 als vorteilhaft beschrieben ist, würde der Fachmann sicher nicht den Aufwand treiben und eine Vielzahl von Haupt- und Nebenlamellen anfertigen und diese nach einem bestimmten Muster in einer Form anordnen, sondern er würde sich die Lehre der DE 1 865 821 U zu eigen machen und die dort vorgesehenen wellenförmigen Lamellen so biegen, dass sich aus zwei Reihen von nebeneinander angeordneten Lamellen Sechsecke bilden lassen. Er würde also versuchen, die Zahl der erforderlichen Lamellen zu begrenzen. Somit führt die Lehre der DE 1 865 821 U vom Anmeldungsgegenstand weg und kann daher keinen Hinweis auf das Vorsehen und Anordnen von Haupt- und Nebenlamellen geben, damit sich ein Netz von Feineinschnitten ergibt, das aus regelmäßigen Sechsecken besteht.

Die noch im Verfahren befindliche EP 0 025 358 B1 betrifft eine sich verjüngende Faser zur Verwendung in einem Pinsel. Ein Zusammenhang zum Anmeldungsgegenstand kann nicht hergestellt werden.

Mithin ist der Patentanspruch 1 gewährbar.

4. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 2 hat als neu zu gelten.

Dies ergibt sich schon daraus, dass bei keiner der sich im Verfahren befindlichen Druckschriften zickzackförmige Hauptlamellen und gradlinige Nebenlamellen beschrieben sind.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich des Verfahrens nach dem geltenden Patentanspruch 1 ausgeführt ist, sind im genannten Stand der Technik keine Vorkehrungen beschrieben oder nahegelegt, die die Voraussetzung dafür schaffen, dass mit zickzackförmigen Hauptlamellen und geradlinigen Nebenlamellen in einem Segment einer Vulkanisationsform so angeordnet werden können, dass sich damit ein Feinschnittnetz bestehend aus regelmäßigen Sechsecken ergibt.

Da der Vorrichtungsanspruch eine Kombination von Merkmalen zum Inhalt hat, die in Anpassung an den Charakter eines Vorrichtungsanspruchs im wesentlichen mit den Merkmalen des Verfahrensanspruchs 1 übereinstimmen, ist das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

Patentanspruch 2 ist daher gewährbar, da sein Gegenstand gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Mit diesem zusammen sind auch die auf Patentanspruch 2 rückbezogenen Unteransprüche 3 bis 7 gewährbar, da sie auf Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Anspruch 2 gerichtet sind.

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BPatG:
Beschluss v. 30.04.2002
Az: 8 W (pat) 23/01


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