Landgericht Köln:
Urteil vom 28. Mai 2013
Aktenzeichen: 87 O (Kart) 8/06
(LG Köln: Urteil v. 28.05.2013, Az.: 87 O (Kart) 8/06)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger, der wie Herr H, O-Straße, ...1 Z, Gründungsaktionär und früherer Vorstand der A AG ist, verlangt aus eigenem sowie aus - abgetretenem, während des Verfahrens zurückabgetretenem - Recht des Herrn H von der Beklagten im Hinblick auf deren von ihm als missbräuchlich erachteten Datenkostenpraxis bei der Überlassung von Teilnehmerdaten an die A AG bzw. deren Tochtergesellschaft F GmbH in der Zeit von Oktober 1997 bis Ende 2004 Schadensersatz wegen Verwässerung und Unterbewertung der von ihm und Herrn H als Gründungsaktionären gehaltenen Anteile an der A AG in Höhe von zuletzt insgesamt geltend gemachten 611.700.000,00 € und zwar durch Zahlung von 298.300.000,00 € an ihn und durch Zahlung von 313.400.000,00 € an Herrn H jeweils nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit. Bezüglich der - umstrittenen - Abtretung von Ansprüchen durch Herrn H verweist der Kläger auf eine von ihm mit der Klagebegründung vom 06.10.2005 als Anlage K 21 vorgelegte, von ihm im Original unterschriebene Kopie einer schriftlichen Abtretungserklärung durch Herrn H vom 20.10.2004 bis zu einem Betrag von 160.000.000,00 €; ergänzend legt er dazu mit Schriftsatz vom 07.01.2008 als Anlage 1 eine von ihm und Herrn H im Original unterschriebene bestätigende Erklärung vom 29.08.2007 vor. Soweit er mit Schriftsatz vom 10.07.2007 außerdem eine mündliche Abtretungsvereinbarung vom 03.12.2005 mit Herrn H über Rechtshängigkeitszinsen aus dem abgetretenem Betrag von 160.000.000,00 € sowie über einen weiteren Betrag von 17.953.195,46 € bzw. einen schriftlichen Abtretungsvertrag vom 16.05.2007 über einen weiteren Betrag bis zu 20.000.000,00 € behauptet hatte, legt er im Schriftsatz vom 07.01.2008 unter Bezugnahme auf die beigefügten von ihm und Herrn H im Original unterschriebenen Abtretungserklärungen vom 16.05.2007 und 06.07.2007 letztlich weitere Abtretungen durch Herrn H in Höhe von "40.000,00" € (richtig: 40.000.000,00 €) insgesamt also "200.000.000,00" € sowie in Höhe von 113,4 Mio €, insgesamt also "313,4 Mio (€) zzgl. Zinsen" dar. Darüber hinaus beruft sich der Kläger im Schriftsatz vom 17.05.2006 für den Fall, dass es sich bei den von ihm geltend gemachten Ansprüchen auf Schadensersatz wegen reduzierter Emissionserlöse um einen Anspruch der A AG handeln sollte, auf eine vorsorgliche Abtretung durch die A AG in Höhe von "74.831,19" € und "85.349,268" €; ergänzend führt er dazu im Schriftsatz vom 09.01.2008 aus, die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf eine anderweitige Rechtshängigkeit der Schadensersatzansprüche wegen der Unterbewertung "verlorener" Aktien in Höhe von 46,8 Mio € und 49,1 Mio €. Bezüglich der Rückabtretung durch Herrn H verweist der Kläger schließlich auf die von ihm mit Schriftsatz vom 13.11.2012 als Anlage 1 vorgelegte Kopie eines Abtretungsvertrags vom 06.11.2012.
Im Einzelnen liegt dem Streit der Parteien folgendes zugrunde:
Die Beklagte bietet Sprachtelefoniedienstleistungen für die Öffentlichkeit an und vergibt Rufnummern an Endnutzer. Sie erhebt und verwaltet im Rahmen ihrer Tätigkeit Teilnehmerdaten. Sie speichert Daten ihrer Teilnehmer einschließlich vertrags- und abrechnungstechnischer Informationen in einer Datenbank "Andi" (Anmeldedienst). Von dort wurden bzw. werden diejenigen Daten, die in Auskunftsdienste oder Teilnehmerverzeichnisse aufgenommen werden sollen, in die Datenbank "Budi" (Buchdienst) - später "DaRed" (Datenredaktion, im Folgenden einheitlich: "DaRed") - übertragen und entsprechend aufbereitet. Diese Datenbank umfasst neben den Basisdaten (Name, Adresse und Telefonnummer) und Zusatzdaten (Beruf, Branche, Art des Anschlusses oder Mitbenutzer) der eigenen Sprachtelefoniekunden der Beklagten auch Teilnehmerdaten, welche die Beklagte von Wettbewerbern zum Zwecke der Bereitstellung eines Telefonauskunftsdienstes und von Teilnehmerverzeichnissen überlassen werden (sog. Carrierdaten). Der Datenbestand aus der Datenbank "DaRed" wird schließlich in eine Datenbank "NDIS" (National Directory Inquiry System) übertragen, die über eine Software zur intelligenten Datensuche (Suchmaschine) verfügt. Die Beklagte bietet den Herausgebern von Telefonverzeichnissen und Betreibern von Telefonauskunftsdiensten entgeltlich offline die Datenbank "DaRed" und Letzteren alternativ einen online-Zugriff auf ihre Datenbank "NDIS" an.
Die A AG betreibt seit 1996 einen operatorgestützten Telefonauskunftsdienst und zwar bis zur Abschaltung der früheren Rufnummer ...2 für den Auskunftsdienst der Beklagten und der damit zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen einhergehenden Verlosung neuer Rufnummern für Auskunftsdienste im Jahre 1997 unter der Rufnummer ...3, seitdem unter der ihr zugelosten Rufnummer ...4; im Rahmen dieses Dienstangebots bietet die A AG ihren Auskunftskunden außerdem die Weitervermittlung zur erfragten Zielrufnummer an. Hierzu stellte die Beklagte ihr auf der Grundlage des Vertrages vom 08.11.1996, geändert durch Verträge vom 21.10.1997 und 27.05.1998 einen Netzzugang für Dienstanbieter zur Verfügung. Die zum Betrieb ihres Telefonauskunftsdienstes benötigten Teilnehmerdaten erlangte die A AG dabei zunächst - auf der Basis der Anlage 2 zum Vertrag vom 08.11.1996 ("NDIS"-Vertrag) - mittels (online-) Zugriffs auf die Auskunftsdatenbank "AKS", später "NDIS" der Beklagten. Seit Ende 1999/Anfang 2000 betreibt die A AG ein eigenes, von ihr am 04.03.1999 bestelltes "NDIS"-Datensuch-System, und bezieht dafür gemäß Vertrag vom 06./19.04.1999 ("DaRed"-Vertrag vom 06./19.04.1999) die Teilnehmerdaten von der Beklagten offline in Gestalt der Datenbank "DaRed".
Der F GmbH, die seit 2000 den Teilnehmerdatenbestand für den Auskunftsdienst der A AG als ihrer Muttergesellschaft verwaltet, stellt die Beklagte den in der Datenbank "DaRed" gespeicherten Datenbestand auf der Basis des am 11./31.10.2000 abgeschlossenen Vertrages ("DaRed"-Vertrag vom 11./31.10.2000) zur Verfügung.
Sowohl die A AG als auch die F GmbH haben für die von ihnen in der Zeit von 1998 bis Ende 2004 für Auskunftsdienste genutzten Teilenehmerdaten vertragsgemäß Entgelte von insgesamt69.498.397,93 € an die Beklagte gezahlt; der Gesamtbetrag verteilt sich für die Zeit von 1998 bis 2001 mit 44.010.040,96 € auf Zahlungen der A AG und für die Zeit von 2000 bis 2004 mit 25.488.356,97 € auf solche der F GmbH.
Inzwischen ist die Beklagte allerdings verurteilt worden, die von der A AG und der F GmbH geleisteten Zahlungen in Höhe von 38.467.080,24 € + 25.488.356,97 € = 63.955.437,21 € zurückzuzahlen:
Die A AG hat zunächst gemäß Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 - VI - U (Kart) 4/02 OLG Düsseldorf = 91 O 72/00 LG Köln - für die Zeit von Januar bis September 1999 die Rückzahlung von insgesamt 4.251.711,49 € an Entgelten für die Nutzung der Auskunftsdatenbank "NDIS" bzw. von Geldern, die die Beklagte im Rahmen eines Inkassoauftrags für die A AG vereinnahmt hatte, zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen erstritten. Weiter ist die Beklagte durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 2/11 OLG Düsseldorf = 91 O 230/04 - LG Köln - für den - in der Zeit vom 01.01.1998 bis 22.01.2001 in Rechnung gestellten - Abrechnungszeitraum vom 01.10.1997 bis zum 22.01.2001 zur Erstattung von überteuert geleisteten Vergütungsteilen verurteilt worden und zwar im Wege kartellrechtlichen Schadensersatzes in Höhe von 38.467.080,24 € abzüglich des Betrages von 4.251.711,49 € gemäß Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 - VI - U (Kart) 4/02 OLG Düsseldorf - = 34.215.368,75 € und bereicherungsrechtlich in Höhe von 76.178,03 €; hinzukommen Rechtshängigkeitszinsen und Ersatz für Zinsnutzungen.
Der F GmbH ist mit Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 1/11 OLG Düsseldorf = 91 O 229/04 - LG Köln - als Bereicherungsausgleich die Rückzahlung in der Zeit von November 2000 bis Oktober 2004 gezahlten Entgelts in Höhe von insgesamt 25.488.356,97 € nebst Rechtshängigkeitszinsen und Nutzungsersatz zugesprochen worden.
Wegen aller Einzelheiten der zugrunde liegenden Sachverhalte und der zur Begründung der Entscheidungen ausgeführten Gründe wird auf die Urteile des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 - VI - U (Kart) 4/02 OLG Düsseldorf -, vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 2/11 OLG Düsseldorf - und vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 1/11 OLG Düsseldorf -, die sämtlich rechtskräftig geworden sind, verwiesen.
Darüber hinaus begehrt im Parallelverfahren 87 O 7/06 LG Köln die A AG unter anderem wegen der ihr und der F GmbH in der Zeit von Oktober 1997 bis 2004 zu Unrecht abverlangten Datenkosten weiteren Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns in Höhe von 84,97 Mio €, während im vorliegenden Verfahren seitens des Klägers geltend gemacht wird, dass die Beklagte auch verpflichtet sei, den ihm und Herrn H als Gründungsaktionären der A AG entstandenen Schaden zu ersetzen.
Zur Begründung heißt es dazu seitens des Klägers in der Klagebegründung von 06.10.2005, die über viele Jahre hinweg erfolgte rechtsmissbräuchliche Erhebung von Datenkosten habe dazu geführt, dass die A AG sich in ihrer Gründungsphase und den ersten Jahren danach stets an der Grenze zur Insolvenz befunden habe. Ihre Gründungsaktionäre seien daher von Anfang an gezwungen gewesen, die rechtsmissbräuchlich erhobenen Datenkosten durch die Aufnahme neuen Kapitals und die Ausgabe neuer Aktien auszugleichen. Dadurch seien die Aktien der Gründungsaktionäre erheblich verwässert worden: diese prozentuale Anteilsverringerung sei als eigener Schaden der Aktionäre qualifizierbar, der als Verwässerungsschaden anerkannt sei, § 117 I 2 AktG, bzw. in § 246 a IV AktG sogar normiert worden sei; auch seien die Aktien beim Börsengang der A AG zu niedrig bewertet worden:
Die Kapitalbeschaffung durch Kapitalerhöhungen sowie die unentgeltliche Übertragung und Verkäufe von Aktien - deren Erlöse nach dem weiteren Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 17.05.2006 ungeschmälert der A AG zugeführt worden seien - hätten dazu geführt, dass am 31.03.1999 bei der Vorbereitung des Börsengangs er - der Kläger - statt mit 37,72 % nur noch mit 9,66 % und Herr H statt mit 43,02 % nur noch mit 11,21 % am Grundkapital der A AG beteiligt gewesen seien. Diese Kapitalbeschaffung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Beklagte statt der völlig utopischen Summe von 90 Mio € von Anfang an nur ein gesetzeskonformes Entgelt verlangt hätte. Zudem hätten die bei der Bewertung der A AG zum 22.04.1999 für den Börsengang berücksichtigten überhöhten Datenkosten einen um 198.406.791,00 € zu geringen Zufluss von Emissionserlösen bei den Altaktionären zur Folge gehabt.
Unter Zugrundelegung eines Emissionspreises von 27 € pro Aktie bzw. eines Emissionserlöses von 343.710.000,00 € für 12.730.000 emittierte Aktien habe die Verwässerung seines - des Klägers - Anteils am Grundkapital um 28,06 % zu einer um 96.448.879,00 € geringeren Beteiligung am Emissionserlös geführt. Außerdem seien ihm 37,72 % des um 198.406.791,00 € zu geringen Zuflusses von Emissionserlösen, also 74.831.928,00 € entgangen. Von dem ihm somit zum Börsengang am 22.04.1999 entstandenen Gesamtschaden von 171.280.807,00 € seien jedoch die Erlöse durch die aufgrund von Liquidationsbedarf erzwungenen Verkäufe seiner Anteile in Höhe von 18.606.987,91 € abzuziehen, sodass sich der Gesamtschaden letztlich auf 152.673.818,79 € ermäßige. Die Verwässerung des Anteils von Herrn H am Grundkapital um 31,08 % habe zu einer um 109.310.178,00 € geringeren Beteiligung am Emissionserlös geführt. Außerdem seien Herrn H 43,02 % des um 198.406.791,00 € zu geringen Zuflusses von Emissionserlösen, also 85.349.268,00 € entgangen. Von dem Herrn H somit zum Börsengang am 22.04.1999 entstandenen Gesamtschaden von 194.659.446,00 € seien jedoch die Erlöse durch die aufgrund von Liquidationsbedarf erzwungenen Verkäufe seiner Anteile in Höhe von 18.706.253,52 € abzuziehen, sodass sich der Gesamtschaden letztlich auf 175.953.195,46 € ermäßige. Letztlich - so der Kläger im Schriftsatz vom 17.05.2006 - seien bei dieser Schadensberechnung auch die von ihm und Herrn H der A AG zugewendeten Erlöse durch die Aktienverkäufe als Schadensposten insoweit berücksichtigt, als diese zweimal, nämlich bei der geringeren Beteiligung am Emissionserlös sowie dem geringen Zufluss von Emissionserlösen heraus zu rechnen seien, weil die verkauften Anteile weder zur Anteilsverwässerung noch zur Entwertung der Anteile beigetragen hätten.
Zur Begründung der Klageerweiterung um insgesamt 283.072.985,00 € auf insgesamt 611.700.000,00 € gemäß Schriftsatz vom 10.07.2007 führt der Kläger gestützt auf das von ihm mit diesem Schriftsatz als Anlage 1 vorgelegte Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T GmbH vom 30.05.2007, sodann - von seinem früheren Vorbringen abweichend - weiter aus, unter Berücksichtigung der für den ihn und Herrn H als Gründungsgesellschafter geltenden einjährigen Veräußerungssperre sei ihm ein Gesamtschaden von 298.300.00,00 € und Herrn H ein Gesamtschaden von 313.400.000,00 € entstanden:
Insgesamt habe die Quote der erzwungenen Verwässerungen bzw. Reduzierungen um Kapitalanteile der A AG bei ihm 19,45 % und bei Herrn H 20,41 % betragen. Nach Ablauf der Sperrfrist seien er und Herr H durch die mit der 3. Kapitalerhöhung, der Beteiligung an U, der 4. Kapitalerhöhung und der Kapitalerhöhung zur Vorbereitung des Börsengangs verbundenen Transaktionen an der A AG mit 2.087.426 Aktien bzw. 2.190.943 Aktien weniger beteiligt gewesen. Durch Multiplikation der Anzahl der verwässerten und im Rahmen von Notverkäufen abgegebenen und damit "verlorener" Aktien mit dem - gegenüber dem Ausgabekurs bei der Gründung der Gesellschaft am 07.08.1996 in Höhe von 7,70 € - bis zum 25.04.2000 auf 123,00 € gestiegenen Kurs der A-Aktie ergebe sich nach Abzug der zuvor bereits erzielten Erlöse von jeweils 5,2 Mio € für ihn bzw. Herrn H ein Verwässerungsschaden in Höhe von rund 251,5 Mio € bzw. rd. 264,3 Mio €.
Noch darüber hinaus gehend knüpft eine alternative, vom Kläger im Schriftsatz vom 13.11.2012 ausgeführte weitere Schadensberechnung daran an, dass er bzw. Herr H im Zuge der mehrheitlichen Übernahme der A AG durch die C im Mai 2000 die "verlorenen" Aktien bei einem Kurs von 150,00 € hätten veräußern können. Da die Beklagten gemäß § 252 BGB den ihm bzw. Herrn H durch den Aktienverlust entgangenen Gewinn zu ersetzen habe, belaufe sich der Verwässerungsschaden unter Abzug der Erlöse aus den Aktienverkäufen an U sogar auf 307.895.803,00 € bzw. 323.423.353.00 €, insgesamt also auf 631.319.156,00 €.
Zu den Verwässerungsschäden hinzu komme - so der Kläger weiter im Schriftsatz vom 10.07.2007 - die Unterbewertung der A AG, die bezogen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Sperrfrist am 20.04.2000 bei insgesamt 240,3 Mio € mit 46,8 Mio € auf ihn bzw. 49,1 Mio € auf Herrn H entfalle - die Addition dieser Beträge mit dem im Schriftsatz vom 10.07.2012 auf 251,5 Mio € bzw. 264,3 Mio €. berechneten Verwässerungsschaden ergibt die streitgegenständlichen Gesamtschäden von 298.300.00,00 € bzw. 313.400.000,00 €.
Zum Haftungsgrund vertritt der Kläger dabei die Auffassung, die Beklagte habe sich sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB verhalten und schulde daher ihm und Herrn H Schadensersatz.
Sie habe gegenüber dem Bundeskartellamt bewusst wahrheitswidrige Angaben über ihre Kosten gemacht. Dies habe dazu geführt, dass sie entgegen § 12 TKG a.F. einen exorbitant über dem zulässigen Entgelt liegenden Preis habe verlangen können. Damit habe sie zugleich den Zweck verfolgt, Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt für Telefonauskunftsdienst- und Teilnehmerverzeichnisdienstleistungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Beklagte habe ferner die Strategie der Kosten-Preis-Schere verfolgt; mit den von ihr für dem Vorleistungszugang verlangten Entgelten habe sie ihre Wettbewerber gezwungen, ihren Endkunden auf dem nachgelagerten Markt höhere Entgelte zu berechnen, als die Beklagte ihren Endkunden auf den nachgelagerten Markt berechnete. Auch sei das der Preispolitik der Beklagten zugrunde liegende Preis-Leistungs-Verhältnis als sittenwidrig zu beurteilen. Gleiches gelte im Hinblick darauf, dass die Beklagte von ihrer Konzern-Tochter P für die Überlassung von Teilnehmerdaten de facto kein Entgelt eingezogen habe.
Die Beklagte habe daher die geltend gemachten Schadenspositionen, bei denen es sich nicht um sogenannte Reflexschäden, sondern um originäre, neben der Vermögenseinbuße der Kapitalgesellschaft zu ersetzende Aktionärsschäden handele, als von ihr unmittelbar verursachte, zurechenbare Schäden zu ersetzen.
Neben der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung habe sich die Beklagte im Übrigen unter Verstoß gegen § 823 I BGB der Verletzung der ihm und Herrn H zustehenden Mitgliedschaftsrechte an der A AG sowie eines Verstoßes gegen § 12 I TKG a.F. als eines zugunsten auch von Aktionären geltenden Schutzgesetzes i.S.d. § 832 II BGB schuldig gemacht.
Ferner beruft sich der Kläger auf §§ 19 IV Nr. 4 i.V.m. § 33 GWB, §§ 19 IV Nr. 1-3 GWB 1999 i.V.m. § 33 GWB (§ 22 IV i.V.m. § 35 GWB a.F.) sowie §§ 1, 3 UWG i.V.m. § 9 UWG und §§ 823II BGB, 263, 253 StGB.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
a) an ihn 298.300.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz jeweils ab Zustellung
und
b) an Herrn H O-Straße, ...1 Z 313.400.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz jeweils ab Zustellung
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte sieht in der Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 10.07.2007 eine unzulässige Klageänderung; soweit der Kläger statt des ursprünglich entgangenen Emissionserlöses eine Unterbewertung des Aktienkurses für hypothetisch gehaltene Anteile geltend mache, betreffe dies einen anderen Streitgegenstand.
Weiter hebt die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren hervor, dass es der A AG mit dem seit Ende 1997 von ihr unter der Rufnummer ...4 betriebenen telefonischen Auskunftsdienst gelungen sei, nach der Liberalisierung des Auskunftsmarkts innerhalb kürzester Zeit zur unangefochtenen Nummer 2 im Markt zu werden. Die A AG habe durch massive Werbung schnell an Marktpräsenz gewonnen. Die Rufnummer der A AG habe nach deren eigener Aussage einen Bekanntheitsgrad von 95 %. Quasi aus dem Stand heraus habe sie nach gut einem Jahr einen Marktanteil von mehr als 20 % erreicht. Die A AG sei nach eigener Aussage schon 2001 der erfolgreichste unabhängige Auskunftsdienstleister Europas gewesen.
Davon ausgehend bestreitet die Beklagte im Verfahren 87 O 7/06 LG Köln den Anspruch der A AG auf Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns dem Grunde und der Höhe nach.
Die Urteile des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 - VI - U (Kart) 4/02 OLG Düsseldorf -, vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 2/11 OLG Düsseldorf - und vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 1/11 OLG Düsseldorf - hält sie für unzutreffend: sie tritt ihnen weiterhin entgegen und macht geltend, dass die von ihr - der Beklagten - verlangten Entgelte sowohl im Rahmen des "NDIS"-Vertrages als auch des "DaRed"-Vertrages immer den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe; auch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der A AG bzw. der F GmbH seien nicht erfüllt; insbesondere könne ihr von Seiten der A AG bzw. der F GmbH kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.
Darüber hinaus tritt die Beklagte im vorliegenden Verfahren dem Schadensersatzverlangen des Klägers wegen Verwässerung und Unterbewertung der von ihm und Herrn H als Gründungsgesellschaftern gehaltenen Anteile an der A AG entgegen und bestreitet auch dieses dem Grunde und der Höhe nach:
Die Beklagte macht geltend, hinsichtlich der Ansprüche aus abgetretenem Recht fehle dem Kläger bereits die Aktivlegitimation. Die Ansprüche gingen der Höhe nach über die in der vom Kläger mit der Klagebegründung vom 06.10.2005 als Anlage K 21 vorgelegte Abtretungserklärung vom 20.10.2004 hinaus; außerdem sei die Abtretungserklärung dem Grunde und der Höhe nach unbestimmt und damit unwirksam. Weiter betreffe die vom Kläger vorgetragene vorsorgliche Abtretung durch die A AG in Höhe von "74.831,19" € und "85.349,268" € - richtig wohl insgesamt rund 160.000.000,00 € - den bereits anderweitig, nämlich im Parallelverfahren 87 O 7/06 LG Köln geltend gemachten entgangenen Gewinn; der Börsenpreis bzw. der Emissionserlös für die Ausgabe von Unternehmensanteilen bilde die erwarteten Zukunftsgewinne und den daraus abgeleiteten Wert des Unternehmens ab. Letztlich bestreitet die Beklagte alle vom Kläger zuletzt behaupteten Abtretungen. Auch die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozessstandschaft lägen nicht vor.
Weiter liege - wie von ihr bereits im Verfahren 87 O 7/06 LG Köln ausgeführt - kein Verstoß gegen Entgeltvorschriften vor. Aber auch im Übrigen bestehe kein Schadensersatzanspruch, da es vor allem am erforderlichen Verschulden und einem ersatzfähigen Schaden fehle:
Abgesehen davon, dass die Beklagte meint, sie habe auf die Nichtregulierung der "NDIS"-Entgelte und die Vorgaben des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation bzw. des Bundeskartellamtes zur Höhe der umlagefähigen Kosten der Datenbank "DaRed" vertrauen dürfen, führt sie insoweit aus, dass dem Kläger kein Anspruch wegen einer angeblich datenkostenbedingten Reduzierung seiner Anteile vor dem Börsengang zustehe, da es sich um freiwillige Gewinnmitnahmen handele und die Entgelte für die "NDS"-Mitbenutzung nicht kausal für eine etwaige Veräußerung von Anteilen gewesen seien; auch könne der Kläger keinen Anteil an einem angeblich entgangenen Gewinn der A AG verlangen, den er als Minderung des Wertes seiner Aktien ansehe, da dies zu einer Vervielfachung von Ansprüchen führen würde. Nichts anderes soll nach den Ausführungen der Beklagten offensichtlich für Herrn H gelten.
Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien ausgeschlossen, weil die A AG selbst keinen Schaden erlitten habe.
Außerdem bestreitet die Beklagte jegliche, vom Kläger behauptete Anteilsverwässerung wie auch den angeblich bestehenden Kausalzusammenhang zwischen dieser und den von ihr verlangten Entgelten für die "NDIS"-Nutzung bzw. den Kapitalerhöhungen und Anteilsverkäufen des Klägers und Herrn H. Die A AG sei in der Lage gewesen, sämtliche Entgelte für für die "NDIS"-Nutzung an ihre Kunden weiterzugeben. Die Kapitalerhöhungen hätten ihre Ursache in der von vorneherein unzureichenden Kapitalausstattung der A AG gehabt. Die vermeintlich unentgeltliche Übertragung von Aktien an die B Vermögensverwaltung GmbH und Co. KG beruhe auf Vorgängen vor dem 25.07.1997, während Entgelte für die "NDIS"-Mitbenutzung erstmals 1998 angefallen seien. Die Anteilsverkäufe durch den Kläger und Herrn H seien äußerst lukrativ gewesen. Durch sie sei der A AG auch kein Kapital zugeführt worden.
Die Entgelte für die "NDIS"-Nutzung hätten auch nicht zu einer Unterbewertung der A AG beim Börsengang geführt. Dazu verweist die Beklagte gegenüber dem vom Kläger vorgelegten Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T GmbH vom 30.05.2007 auf die von ihr eingeholte, mit Schriftsatz vom 18.10.2007 als Anlage B26 vorgelegte gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfergesellschaft Y & Q vom 17.10.2007 und führt weiter aus, dass sowohl der vermeintliche Unterbewertungsschaden als auch der vermeintliche Verwässerungsschaden den Kläger bzw. Herrn H nicht unmittelbar getroffen hätten, sondern dass es sich dabei typische (aktienrechtliche) Reflexschäden handele; ein mit solchen verbundener Vermögensnachteil treffe ausschließlich die Aktiengesellschaft und könne von dieser bzw. für diese, nicht aber zusätzlich von ihren Aktionären als eigener Schaden geltend gemacht werden.
Schließlich tritt die Beklagte auch der zum Haftungsgrund vertretenen Auffassung des Klägers entgegen und erhebt die Einrede der Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten schriftlichen Unterlagen sowie den nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 15.02.2013 nebst Anlagen Bezug genommen. Auch wird auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 15.04.2013 sowie die darauf erfolgte, ebenfalls nicht nachgelassene Erwiderung des Klägers vom 17.05.2013 hingewiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Soweit der Kläger die Klage letztlich auf insgesamt 611.700.000,00 € gemäß Schriftsatz vom 10.07.2007 erweitert hat, handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO, sondern um Änderungen im Sinne des § 264 I Nr. 1, 2 ZPO, die ohne weiteres zulässig sind; denn die Klageerweiterung stellt sich als eine in Anlehnung an das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T GmbH vom 30.05.2007 lediglich vorgenommene Neuordnung der klägerischen Schadensberechnung mit dem Ergebnis eines allerdings höheren Schadens und der daraus resultierenden Erhöhung der Hauptsumme dar. Der Kläger leitet den nach seiner Beurteilung ihm bzw. Herrn H entstandenen Schaden seit der Klagebegründung vom 06.10.2005 unverändert von der Verwässerung ihrer Beteiligungen an der A AG in der Zeit seit der 3 Kapitalerhöhung bis zum Börsengang am 22.04.1999 ab: die in der Klagebegründung auf 28,6 % bzw. 31,08 % bezifferte Differenz zwischen ihrer ursprünglichen und ihrer verwässerten Beteiligung will er nur zum Emissionspreis bewerten, was nicht zugleich bedeutet, dass er eine Beteiligung am Emissionserlös verlangt, der der A AG aus den anlässlich des Börsengangs ausgegeben neuen Aktien zufloss; gleiches gilt für die vom Kläger vorgetragene zu niedrige Bewertung der Aktien: der dadurch entgangene Emissionserlös ist lediglich Maßstab für die seitens des Klägers neben der Verwässerung als von der Beklagten zu ersetzender Schaden geltend gemachte Entwertung der ursprünglich von ihm und Herrn H gehaltenen Beteiligung an der A AG von 37,72 % bzw. 43,2 % um 28,6 % bzw. 31,08 % auf 9,66 % bzw. 11,21 %. Demgegenüber beinhaltet die zur Bewertung der Verwässerung im Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T GmbH vom 30.05.2007 schrittweise vorgenommene Berechnung der Minderbeteiligung des Klägers bzw. Herrn H‘s in Höhe von 19,4541 % oder 2.087.426 "verlorener" Aktien bzw. 20,4189 % oder 2.190.943 "verlorener" Aktien bei gleichzeitiger Zugrundelegung eines Aktienkurses von 123,00 € statt eines solchen von 27,00 € nur eine andere, zu einem höheren Schadensbetrag führende Berechnung des Verwässerungsschadens; gleiches gilt für den im Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T GmbH vom 30.05.2007 festgestellten Unterbewertungsschaden von 46,8 Mio € bzw. 49,1 Mio statt zunächst gemäß der Klagebegründung vom 06.10.2005 in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 17.05.2006 verlangten 74.831.928,00 € abzüglich 18.606.987,91 € = 56.224.940,09 € bzw. 85.349.268,00 € abzüglich 18.706.253,52 € = 66.643.014,48 €.
Weiter ist die vom Kläger vorgetragene Abtretung und Rückabtretung des von ihm für Herrn H geltend gemachten Schadensersatzanspruchs in Höhe von 313.400.000,00 € nebst Zinsen durch die von ihm teils als Kopie, teils im Original vorgelegten schriftlichen Erklärungen vom 20.10.2004, 29.08.2007, 16.05.2007, 06.07.2007 und 06.11.2012 hinreichend belegt, sodass auch gegen die Prozessführungsbefugnis des Klägers für Herrn H keine Bedenken bestehen.
In der Sache selbst hat die Klage aber keinen Erfolg und ist daher als unbegründet abzuweisen.
Der vom Kläger im eigenen Namen geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 298.300.000,00 € sowie der vom Kläger für Herrn H geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 313.400.000,00 € sind nicht berechtigt, weil ungeachtet der Hinweise der Kammer vom 30.11.2012 nach dem Vorbringen der Klägers nicht nachvollziehbar ist, dass die der Beklagten aufgrund ihrer Datenkostenpraxis bei der Überlassung von Teilnehmerdaten in der Zeit von Oktober 1997 bis Ende 2004 an die A AG bzw. deren Tochtergesellschaft F GmbH möglicherweise anzulastende Schadensersatzpflicht in zurechenbarer Weise auch die vorliegend eingeklagten, nicht die A AG oder die F GmbH, sondern den Kläger und Herrn H betreffenden angeblichen Vermögenseinbußen infolge der umstrittenen Verwässerung und Unterbewertung der von ihnen gehaltenen Anteile an der A AG umfasst; dementsprechend entfallen auch die als Nebenansprüche geltend gemachte Zinsansprüche.
Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 2/11 OLG Düsseldorf = 91 O 230/04 - LG Köln - davon auszugehen ist, dass die Beklagte der A AG gemäß §§ 35 I 1, 26 II 1 GWB 1989 bzw. §§ 33 S. 1, 20 I GWB 1998 im Hinblick auf die von dieser für den Abrechnungszeitraum vom 01.10.1997 bis zum 22.01.2001 und darüber hinaus von der F GmbH bis zum 31.12.2004 für die Nutzung von Teilnehmerdaten gezahlten Entgelte dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist. Dementsprechend mag auch insbesondere dahinstehen, ob sich aufgrund des Schriftsatzes der Beklagten vom 22.11.2012 neue Aspekte ergeben, die zu einer anderen Beurteilung der bereits vom Oberlandesgericht Düsseldorf mit dem Ergebnis der Bejahung einer kartellrechtlichen Schadensersatzpflicht der Beklagten abgehandelten prozessualen und materiellrechtlichen Fragen führen könnten und bei der Entscheidungsfindung im vorliegenden Verfahren erneut zu berücksichtigen wären, da das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.06.2011 die Haftung der Beklagten dem Grunde nach nicht mit Rechtskraftwirkung auch für das vorliegende Verfahren festgestellt hat; mithin kann die Kammer auch von jeglicher Prüfung der von der Beklagten mit dem Schriftsatz vom 22.11.2012 exklusiv für das Gericht vorgelegten Unterlagen absehen.
Ebenso mag aber auch dahinstehen, ob die mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.06.2011 festgestellte kartellrechtliche Schadensersatzpflicht der Beklagten in gleicher Weise wie gegenüber der A AG und der F GmbH dem Grunde nach auch gegenüber dem Kläger und Herrn H als deren Gründungsaktionären besteht; gleiches gilt für eine - vom Kläger vorliegend vorgetragene - Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß § 826 BGB, § 823 I BGB, § 823 II BGB i.V.m. § 12 I TKG a.F., §§ 1, 3 UWG i.V.m. § 9 UWG oder §§ 823 II BGB, 263, 253 StGB bzw. - wie im klägerischen Schriftsatz vom 15.02.2013 ausgeführt - gemäß § 823 II BGB i.V.m Art. 86 EGV (Maastrichter Fassung) jeweils i.V.m. §§ 249ff: BGB - Zweifel an einer solchen Haftung der Beklagten bestehen schon deshalb, weil sich die vom Kläger zur Ausfüllung des jeweiligen haftungsbegründenden Tatbestands herangezogene Datenkostenpraxis der Beklagten bei der Überlassung von Teilnehmerdaten in der Zeit von Oktober 1997 bis Ende 2004 ausschließlich auf das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der A AG bzw. der F GmbH bezieht. Denn nur auf dieses Vertragsverhältnis erstreckte sich das Handeln der Beklagten und nur in diesem Rahmen bestanden von der Beklagten zu beachtende besondere vertragliche und deliktische Schutzpflichten, in die der Kläger und Herr H aufgrund ihrer Stellung als Gründungsaktionäre der A AG als außenstehende Dritte zumindest nicht ohne Weiteres einbezogen waren; auch gewähren die vom Kläger herangezogenen Anspruchsgrundlagen keine besonders für Aktionäre geltende aktienrechtliche Schutzwirkung.
Selbst wenn nämlich im Zusammenhang mit der Datenkostenpraxis der Beklagten bei der Überlassung von Teilnehmerdaten in der Zeit von Oktober 1997 bis Ende 2004 an die A AG bzw. die F GmbH eine allgemeine schadensersatzrechtliche Haftung der Beklagten auch gegenüber dem Kläger und Herrn H - insbesondere gemäß § 826 BGB - dem Grunde nach in Betracht zu ziehen wäre, so könnten doch der Kläger und Herr H daraus von der Beklagten jedenfalls keinen Schadensersatz wegen ihrer vorliegend als Verwässerungsschaden und als Unterbewertungsschaden geltend gemachten Vermögensnachteile verlangen; denn diese Vermögensnachteile stellen sich als Reflex des Vermögensnachteils dar, den die A AG und die F GmbH durch das Handeln der Beklagten erlitten haben und für den die A AG, teils über die F GmbH als ihrer Tochtergesellschaft nach Maßgabe der Urteile des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 - VI - U (Kart) 4/02 OLG Düsseldorf -, vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 2/11 OLG Düsseldorf - und vom 08.06.2011 - VI - U (Kart) 1/11 OLG Düsseldorf - auch bereits Schadensersatz zugesprochen bekommen hat.
Zwar kann grundsätzlich jeder, der durch eine sittenwidrige Handlung unmittelbar oder mittelbar geschädigt worden ist, gegen den Schädiger den Anspruch gemäß § 826 BGB geltend machen. Um die Haftung jedoch nicht uferlos auszuweiten, muss sich die Handlung im Sinne eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs auch im Verhältnis zum mittelbar Geschädigten als sittenwidrig erweisen. Insoweit gilt bei der sittenwidrigen Schädigung juristischer Personen die Besonderheit, dass einem Gesellschafter dann, wenn gleichzeitig die Gesellschaft geschädigt wird und der Schaden des Gesellschafters in der Wertverringerung seines Anteils besteht, ein Anspruch nur dann zustehen kann, sofern sich die Handlung auch unmittelbar gegen ihn gerichtet hat. Denn der Anspruch der geschädigten Gesellschaft muss vorrangig behandelt werden, da sonst das Trennungsprinzip und die zu verteilende Vermögensmasse einseitig zugunsten eines klagenden Gesellschafters durchbrochen würden (Spindler, Beck´scher Online-Kommentar BGB, § 826 Rdn 13, 14). Wird die Gesellschaft geschädigt, vermindert sich zwangsläufig auch der Wert der einzelnen Aktie; der Aktionär erleidet mittelbar einen Schaden. Für diesen Reflexschaden gilt indes selbst der gemäß §§ 117 I 2, 317 I 2 AktG zugunsten von Aktionären besonders normierte Schadensersatzanspruch anerkanntermaßen nicht; § 246 a IV AktG rechtfertigt angesichts seines besonderen Schutzcharakters keine andere Beurteilung. Der Schaden ist vielmehr alleine durch Leistung an die Gesellschaft zu ersetzen, was dann allerdings naturgemäß wiederum im Reflex auch dem Aktionär zu Gute kommt. Nur der unabhängig von einem solchen Schaden der Gesellschaft unmittelbar selbst geschädigte, beispielsweise der durch eine unrichtige Verlautbarung der Gesellschaft zum Verkauf seiner Aktien unter Wert verleitete Aktionär ist gemäß § 117 I 2 AktG selbst anspruchsberechtigt (Spindler, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 117 AktG, Rdn 52, 53). Dies gilt als verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke auch für andere Anspruchsgrundlagen (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1986 - II ZR 140/85 - bei juris, Rdn 25, ferner BGH, Urteil vom 20.03.1995 - II ZR 205/94 - bei juris, Rdn 66 und BGH, Urteil vom 04.03.1985 - II ZR 271/83 - bei juris, Rdn 9, 10, jeweils m.w.N.).
Davon ausgehend ist vorliegend ein ersatzfähiger Schaden, der unmittelbar beim Kläger bzw. bei Herrn H entstanden wäre, jedoch nicht zu erkennen. Durch die Datenkostenpraxis der Beklagten bei der Überlassung von Teilnehmerdaten in der Zeit von Oktober 1997 bis Ende 2004 an die A AG bzw. die F GmbH ist unmittelbar gegebenenfalls die A AG - auch als Muttergesellschaft der F GmbH - geschädigt worden. Die A AG hatte die von der Beklagten verlangten Entgelte aufzuwenden; das betrifft letztlich auch die von der F GmbH als ihrer Tochtergesellschaft an die Beklagte gezahlten Beträge. Soweit der daraus resultierende Kapitalbedarf den Vorstand der A AG von Anfang an gezwungen haben sollte, die rechtsmissbräuchlich erhobenen Datenkosten durch die Aufnahme neuen Kapitals und die Ausgabe neuer Aktien bis hin zum Börsengang am 22.04.1999 mit der dabei getroffenen Vereinbarung einer einjährigen Veräußerungssperre für Altaktionäre auszugleichen, minderte dies den inneren Wert der vom Kläger bzw. von Herrn H gehaltenen Beteiligung. Zum einen kam es durch die Kapitalerhöhungen zu Verwässerungen ihrer Aktien; zum anderen hat der Kläger eine Unterbewertung der A AG zum Börsengang am 22.04.1999 in Höhe von 198.406.791,00 € bzw. bezogen auf den Ablauf der Sperrfrist am 20.04.2000 in Höhe von 240,4 Mio € dargelegt. Der damit für den Kläger und Herrn H verbundene Vermögensnachteil trat indes nur mittelbar ein. Sein Ausgleich hat ausschließlich gegenüber der A AG bzw. der F GmbH zu erfolgen; dabei kommt es auch nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Kläger bzw. Herr H an dieser nach wie vor beteiligt sind.
Im Übrigen ist auch nicht etwa ersichtlich, dass der Kläger bzw. Herr H in anderer Weise als durch die - sich nur als mittelbare und damit als für sie selbst nicht ersatzfähige Schädigung auswirkende - datenkostenbedingte Minderung des inneren Werts ihrer Beteiligung durch die Beklagte unmittelbar geschädigt worden sein könnten.
Ebenfalls vermag die vom Kläger hilfsweise vorgetragene Abtretung durch die A AG in Höhe von "74.831,19" € und "85.349,268" € der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Abgesehen davon dass der Kläger - wie ausgeführt - keinen Anspruch wegen reduzierter Emissionserlöse erhebt, sondern sowohl den Emissionspreis als auch die der A AG vermeintlich entgangenen Emissionserlöse nur als Wertmaßstab für die ursprünglich von ihm bzw. Herrn H gehaltene Beteiligung heranziehen will, aufgrund derer der A AG keinerlei abtretbare Ansprüche zustehen, ist die vermeintliche Abtretung ist nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Es ist weder dargelegt noch anhand von Unterlagen erläutert, wann, wo und vom wem welche Erklärung abgegeben worden ist. Damit bleibt völlig unklar, an wen welche Forderung ganz oder teilweise seitens der A AG abgetreten worden ist. Denn der Kläger bezieht sich mit den genannten Beträgen von "74.831,19" € und "85.349,268" € zwar offensichtlich auf den von ihm in der Klagebegründung vom 06.10.2005 auf insgesamt 198.406.791,00 € bezifferten Schaden, aus dem er - wie ebenfalls bereits ausgeführt - zunächst eine Wertminderung von 37,72 % oder von 74.831.928,00 € für die ursprünglich von ihm und von 43,02 % oder von 85.349.268,00 € für die ursprünglich von Herrn H gehaltenen Anteile ableitet. An diesen Beträgen hält er im Weiteren aber nicht fest. Mit Schriftsatz vom 10.07.2007 beziffert er die Unterbewertung der A AG, bezogen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Sperrfrist vielmehr mit insgesamt 240,3 Mio €, von denen 46,8 Mio € auf ihn bzw. 49,1 Mio € auf Herrn H entfielen, ohne dabei aber zugleich zu erläutern, ob letztlich nicht auch nur diese Beträge seitens der A AG abgetreten worden sein sollen. Dieses Vorbingen ist nicht geeignet, eine irgendwie geartete Abtretung seitens der A AG schlüssig darzustellen. Darauf dass die Beklagte diese Abtretung zumindest nicht ausdrücklich bestreitet, sondern nur mit dem - allerdings unzutreffenden - Argument anderweitiger Rechtshängigkeit im Parallelverfahren 87 O 7/06 LG Köln zurückweist, kommt es dabei nicht an.
Demgegenüber vermag auch der nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 15.02.2013 nicht zu überzeugen:
Es mag zutreffen, dass die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung zum Nachteil der A AG bzw. deren Tochtergesellschaft F GmbH mißbraucht hat und diesen daher haftet; allein daraus ergibt sich aber nicht zugleich eine Haftung gegenüber den Aktionären bzw. Gesellschaftern. Der Kläger argumentiert auch nicht überzeugend, soweit er ausführt, die Unterbewertung der ihm bzw. Herrn H verbliebenen Aktien sei gerade nicht Gegenstand der Klage; vielmehr werde der Verlust von Aktienanteilen als Schaden geltend gemacht: dieser stelle einen eigenen Schaden der Aktionäre dar. Der Kläger verkennt, dass namentlich die Kapitalerhöhungen nicht zu Verlusten von Aktien geführt haben. Vielmehr hat sich die von ihm bzw. von Herrn H ursprünglich gehaltene Beteiligung an der A AG entsprechend der jeweiligen Kapitalerhöhung verringert, soweit er bzw. Herr H nicht daran teilgenommen haben. Soweit diesbezüglich im Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T GmbH vom 30.05.2007 von 2.087.426 "verlorenen" Aktien bzw. 2.190.943 "verlorenen" Aktien die Rede ist, handelt es sich nur um eine bildhafte Umsetzung der Verwässerungsquoten, die der Kläger bzw. Herr H nach ihrer Darstellung haben hinnehmen müssen. Ein wirklicher Verlust von Aktien ist mit deren Verwässerung durch eine Kapitalerhöhung nicht verbunden. Nach wie vor wird schließlich im Schriftsatz des Klägers vom 15.02.2013 auch nicht erkennbar, inwieweit der Kläger bzw. Herr H konkret einen eigenen, über die Minderung des inneren Wertes ihrer Anteile hinausgehenden unmittelbaren Schaden erlitten haben könnten bzw. dass sie konkret in ihnen zuzuordnenden geschützten Rechtsposition durch das Handeln der Beklagten unmittelbar verletzt worden wären, was zugleich einen entsprechenden unmittelbaren Schaden indizieren würde.
Dementsprechend kommt auch eine Beweisaufnahme nicht in Betracht; allein die Beweisantritte des Klägers vermögen das Fehlen einer hinreichend substantiierten Anspruchsbegründung nicht zu ersetzen.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 15.04.2013 bedarf schließlich nach allem keiner Erörterung; insbesondere gibt auch er keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Gleiches gilt für die - im Fax sowie im Original für das Gericht auf den 17.05.2013, in den Abschriften für die Beklagten aber auf den 21.05.2013 datierte - Erwiderung des Klägers, zumal neues tatsächliches Vorbringen in diesem ebenfalls nicht nachgelassenen Schriftsatz gemäß § 296 a ZPO außer Betracht zu bleiben hat.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 S. 1, 2 ZPO.
Streitwert: 30.000.000,00 € gemäß § 39 II GKG, §§ 22 II 1, 23 I 1 RVG
LG Köln:
Urteil v. 28.05.2013
Az: 87 O (Kart) 8/06
Link zum Urteil:
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