Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Oktober 2010
Aktenzeichen: 23 W (pat) 309/08

(BPatG: Beschluss v. 12.10.2010, Az.: 23 W (pat) 309/08)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 10, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010, Beschreibung wie erteilt unter Streichung von Absatz [0032] und Zeichnung (Figuren 1 bis 4), wie erteilt.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse G08C des Deutschen Patentund Markenamts hat auf die am 20. Oktober 2003 eingereichte Patentanmeldung das am 21. April 2005 veröffentlichte Patent 103 49 242 mit der Bezeichnung "Vorrichtung und Verfahren zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information" (Streitpatent) erteilt.

Die Einsprechende erhebt gegen die Patenterteilung mit Schriftsatz vom 21. Juli 2005 fristgerecht Einspruch. Sie führt aus, dass das Patent nach § 21 PatG zu widerrufen sei, da der Streitpatentgegenstand -bezüglich Vorrichtung und Verfahren -nicht patentfähig sei. Zur Begründung nennt sie neben den im Prüfungsverfahren berücksichtigten Veröffentlichungen D1 DE 44 46 779 C2, D2 DE 42 40 238 C2, D3 DE 196 53 522 A1, D4 DE 100 53 373 A1, D5 BEEK van de, u. a.; "Low-Complex Frame Synchronization in OFDM Systems"; in Proc. IEEE Int. Conf. Universal Personal Commun, Nov. 1995, pp. 982-986, D6 BENYOUCEF, D. u. a.; "Spectral spreading by linear block codes for OFDM in Powerline Communications"; in: 7th international OFDM-Workshop 2002, Hamburg, 10-11.09.2002 und D7 Timothy M. SCHMIDL u. a.; "Robust Frequency and Timing Synchronization for OFDM"; in: IEEE Trans. on Communications, Vol. 45, No. 12, 1997, S. 1613-1621 in ihrer Einspruchsbegründung die weiteren Druckschriften E1 WO 89/10030 A1, E2 GB 1 592 971 A, E3 EP 1 324 507 A1 sowie E4 WO 02/51089 A2.

In der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010 verteidigt die Patentinhaberin das Streitpatent nach Hauptantrag mit den dort überreichten Patentansprüchen 1 bis 10, hilfsweise mit den jeweiligen Patentansprüchen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 aus dem Schriftsatz vom 19. August 2010.

Die Einsprechende führt zu den Ansprüchen nach Hauptantrag aus, dass bereits die technische Lehre der Druckschrift E2 dem Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich entgegenstünde; zumindest jedoch beruhe die entsprechende Vorrichtung bzw. das im Anspruch 8 nebengeordnet beanspruchte Verfahren unter Berücksichtigung der Druckschriften D3, E1, E2 und E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 10, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010, Beschreibung wie erteilt unter Streichung von Absatz [0032] und Zeichnung (Figuren 1 bis 4), wie erteilt.

Hilfsweise beantragt sie, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten: Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Schriftsatz vom 19. August 2010, Beschreibung wie erteilt unter Streichung von Absatz [0032] und Zeichnung (Figuren 1 bis 4), wie erteilt (Hilfsantrag 1).

Weiter hilfsweise beantragt sie, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Schriftsatz vom 19. August 2010, Beschreibung wie erteilt unter Streichung von Absatz [0032] und Zeichnung (Figuren 1 bis 4), wie erteilt (Hilfsantrag 2).

Weiter hilfsweise beantragt sie, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Schriftsatz vom 19. August 2010, Beschreibung wie erteilt unter Streichung von Absatz [0032] und Zeichnung (Figuren 1 bis 4), wie erteilt (Hilfsantrag 3).

Weiter hilfsweise beantragt sie, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Schriftsatz vom 19. August 2010, Beschreibung wie erteilt unter Streichung von Absatz [0032] und Zeichnung (Figuren 1 bis 4), wie erteilt (Hilfsantrag 4).

Weiter hilfsweise beantragt sie, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 und 2 gemäß Schriftsatz vom 19. August 2010, Beschreibung wie erteilt unter Streichung von Absatz [0032] und Zeichnung (Figuren 1 bis 4), wie erteilt (Hilfsantrag 5).

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 (Vorrichtung) und 8 (Verfahren) gemäß Hauptantrag entsprechen den erteilten Ansprüchen 1 und 8 und haben folgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information von einem ersten Teil auf ein relativ zum ersten Teil bewegliches Teil, wobei das erste Teil einen Primärleiter umfasst, der an eine Wechselspannungsoder Wechselstromquelle mit einer ersten Frequenz angeschlossen ist, wobei der bewegliche Teil eine Sekundärwicklung umfasst, die an den Primärleiter elektromagnetisch gekoppelt ist, dadurch gekennzeichnet, dass auf den Primärleiter zusätzlich Signale mit einer höheren Frequenz als die erste Frequenz aufgekoppelt oder aufmoduliert sind, und dass in Zeitbereichen, innerhalb derer die Werte des Stromes im Primärleiter betragsmäßig kleiner sind als ein kritischer Stromwert I_krit, ein oder mehrere Synchronisationspulse zusätzlich auf den Primärleiter aufgekoppelt oder aufmoduliert sind."

"8. Verfahren zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information von einem ersten Teil auf ein relativ zum ersten Teil bewegliches Teil, wobei das erste Teil einen Primärleiter umfasst, durch den ein Wechselstrom mit einer ersten Frequenz geleitet wird, wobei der bewegliche Teil eine Sekundärwicklung umfasst, die an den Primärleiter elektromagnetisch gekoppelt ist, dadurch gekennzeichnet, dass auf den Primärleiter zusätzlich Signale mit einer höheren Frequenz als die erste Frequenz aufgekoppelt oder aufmoduliert werden, und dass in Zeitbereichen, innerhalb derer der Strom im Primärleiter kleiner ist als ein kritischer Stromwert I_krit, ein oder mehrere Synchronisationspulse zusätzlich auf den Primärleiter aufgekoppelt oder aufmoduliert werden."

Die geltenden abhängigen Ansprüche nach Hauptantrag unterscheiden sich von den Erteilten durch eine Umformulierung der Ansprüche 4 und 10, welche jetzt folgenden Wortlaut haben:

"4. Vorrichtung nach einem der vorangegangenen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Vorzeichenwechsel des Stroms im Primärleiter zur Generierung der Synchronisationspulse verwendet wird."

"10. Verfahren nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Vorzeichenwechsel des Stroms im Primärleiter zur Generierung der Synchronisationspulse verwendet wird."

Sowie durch die Änderung des Rückbezugs des erteilten Anspruchs 5 von "Vorrichtung nach einem der vorangegangenen Ansprüche" in "Vorrichtung nach Anspruch 3".

Wegen der nach Hauptantrag unverändert geltenden erteilten Unteransprüche 2, 3, 6, 7 und 9 wird auf das Streitpatent verwiesen.

Die jeweils nebengeordneten Vorrichtungsund Verfahrensansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 unterscheiden sich von den Ansprüchen 1 und 8 nach Hauptantrag durch die sukzessive Aufnahme von Merkmalen der erteilten Unteransprüche. Wegen deren Wortlaut wird auf den Schriftsatz der Patentinhaberin vom 19. August 2010 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das anhängige Einspruchsverfahren wurde gemäß § 147 Abs. 3, 1. Alternative PatG i. d. F. vom 1. Januar 2002 an das Bundespatentgericht abgegeben. Diese zeitlich bis zum 30. Juni 2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit hat der BGH als nicht verfassungswidrig beurteilt (BGH GRUR 2009, 184 -"Ventilsteuerung" m. w. N.).

Demnach besteht eine vor dem 1. Juli 2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG fort.

III.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die Vorrichtung nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 8 gemäß Hauptantrag patentfähig ist.

Daher kann in Folge die Zulässigkeit und die Patentfähigkeit der entsprechenden Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 dahinstehen.

a Die -von der Patentinhaberin im schriftlichen Verfahren bestrittene -Zulässigkeit des Einspruchs ist vom Patentamt und Gericht auch ohne abschließenden Antrag der Patentinhaberin von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59, Rdn. 160), da ein unzulässiger, einziger Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl. hierzu Schulte, PatG, 8. Auflage, § 61, Rdn. 29; BGH GRUR 1987, 513, II.1. -"Streichgarn").

Die Patentinhaberin macht zur Frage der Einspruchszulässigkeit geltend, dass die Einsprechende in ihrer Begründung des Einspruchs pauschal auf umfangreiche Druckschriften verweist, welche keinerlei Bezug zum patentierten Gegenstand hätten. Sie führt weiter aus, dass insbesondere nicht ausgeführt worden sei, wo die Einsprechende meint, das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1, wonach in Zeitbereichen, innerhalb derer Werte des Stromes im Primärleiter betragsmäßig kleiner sind als ein kritischer Stromwert I_krit, ein oder mehrere Synchronisationsimpulse zusätzlich auf den Primärleiter aufgekoppelt sind, in den entgegengehaltenen Druckschriften aufgefunden zu haben.

Dieser Argumentation ist nicht beizutreten. Denn die Einsprechende führt auf Seite 2, vorletzter Absatz zum richtig benannten Oberbegriff aus, dass dieser aus der Druckschrift E1 -dortige Beschreibungsseite 36 und Anspruch 1 -vorbekannt sei. Den im Einspruchsschriftsatz im seitenübergreifenden Absatz der Seiten 2 und 3 richtig wiedergegebenen kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 legt sie im darauf folgenden Absatz (Seite 4, zweiter Absatz) in eigenen Worten aus. Zum Nachweis der ausgelegten Merkmale wird von der Einsprechenden beispielsweise auf die Druckschrift E3, im Einzelnen auf die Figur 1 i. V. m. Fig. 5 und zugehöriger Beschreibung ab Spalte 3, verwiesen (vgl. Einspruchsbegründung, Seite 3, 4. Abs).

Die Einsprechende hat daher mit ihrer Einspruchsbegründung den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und dem Stand der Technik beispielsweise nach den vorstehend genannten Druckschriften hergestellt (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, liSp., Abs. 1 -"Epoxidation"; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 91 bis 97)

und hierdurch innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 die Widerrufsgründe der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und die Tatsachen im einzelnen angegeben, die den Einspruch rechtfertigen sollen (vgl. Schulte PatG, 8. Auflage, § 59 Abs. 1 Satz 4).

Ob die von der Einsprechenden vorgenommene Auslegung der kennzeichnenden Merkmale des Anspruchsgegenstands durch die technische Lehre des Streitpatents gedeckt ist und ob die vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist dabei nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH GRUR 1987, 513, 514, liSp., Abs. 2.a) -"Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz -"Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 99).

Daher ist der Einspruch hinreichend substantiiert und somit zulässig.

b) Nach erteilter Beschreibung betrifft das Streitpatent eine Vorrichtung und ein Verfahren zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information (vgl. Streitpatent Abs [0001]).

Aus dem im Streitpatent genannten Stand der Technik sind verschiedene Vorrichtungen und Verfahren zur berührungslosen Energieund Datenübertragung von einem stationären auf einen beweglichen Teil bekannt. Allerdings sind diese Vorrichtungen aufwändig konstruiert bzw. weisen aufgrund einer Datenübertragung außerhalb der Schaltflanken des Trägersignals Störspannungspulse auf, die dann zu fehlerhafter Datenübertragung führen (vgl. Streitpatent Abs. [0005] bis [0008]).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung und ein Verfahren zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information weiterzubilden, wobei Information vom stationären auf das bewegliche Teil übertragbar sein soll, insbesondere einfach und kostengünstig (vgl. Streitpatent Abs [0009]).

Dies wird gemäß dem geltenden Hauptantrag durch die Vorrichtung des erteilten Patentanspruchs 1 und dem Verfahren gemäß Anspruch 8 gelöst.

Wesentliche Merkmale der erfindungsgemäßen Vorrichtung sind eine berührungslose Übertragung elektrischer Leistung und Information von einem ersten Teil auf ein relativ zum ersten Teil bewegliches Teil, wobei das erste Teil einen Primärleiter umfasst, der an eine Wechselspannungsoder Wechselstromquelle mit einer ersten Frequenz angeschlossen ist, wobei der bewegliche Teil eine Sekundärwicklung umfasst, die an den Primärleiter elektromagnetisch, insbesondere magnetisch, gekoppelt ist und wobei auf den Primärleiter zusätzlich Signale mit einer höheren Frequenz als die erste Frequenz aufgekoppelt oder aufmoduliert sind. In Zeitbereichen, innerhalb derer der Werte des Stromes im Primärleiter kleiner ist als ein kritischer Stromwert I_krit, sind zusätzlich ein oder mehrere Synchronisationspulse auf den Primärleiter aufgekoppelt oder aufmoduliert. Zum Wert des kritischen Stroms I_krit führt die Beschreibung des Streitpatents aus, dass dieser derart gewählt ist, dass der Synchronisationspuls betragsmäßig deutlich größer ist als der Wert des Stromes, damit ein genügend großer Signal-Rausch-Abstand vorhanden ist (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0027], le Satz).

Das gewählte Synchronisationsverfahren soll gemäß geltender Beschreibung dazu führen, dass bei im Burst-Modus übertragenen Daten, diese eine höhere Nutzzeit aufweisen, weil die Verzugszeit im Burst-Modus aufgrund einer fehlenden Notwendigkeit einer ständigen Adressierung verringert ist (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0012]). Hierdurch sind alle Transformationen verwendbar, die einen Zeit-Nullpunkt zur korrekten Hinund Rücktransformation -beispielsweise das in der Beschreibung genannte OFDM-Verfahren -benötigen (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0013], le Satz).

Die ebenfalls die Aufgabe lösenden Verfahrensmerkmale des Anspruchs 8 entsprechen den jeweiligen Vorrichtungsmerkmalen des Anspruchs 1.

Die Aufgabe wird gemäß den geltenden Hilfsanträgen 1 bis 5 ebenfalls durch die jeweiligen nebengeordneten Vorrichtungsund Verfahrensansprüche gelöst, welche die vorstehend beschriebene technische Lehre durch die sukzessive Aufnahme von Merkmalen der abhängigen Ansprüche weiter konkretisieren.

c) Die Ansprüche 1 bis 10 nach Hauptantrag sind zulässig.

Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der unverändert verteidigten Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. BGH Mitt 1995, 243, Leitsatz 2 - "Aluminium-Trihydroxid"). Bei einer Verteidigung des Patents mit geänderter Fassung ist die Zulässigkeit dieser Fassung ohne Beschränkung auf die gesetzlichen oder die geltend gemachten Widerrufsgründe zu prüfen (vgl. BGH BlPMZ 1998, 282, Leitsatz - "Polymermasse").

Der erteilte und nach Hauptantrag unverändert verteidigte Anspruch 1 weicht vom ursprünglichen Anspruch 1 durch das Streichen der fakultativen Merkmale "insbesondere an eine mittelfrequente Wechselspannungsoder Wechselstromquelle" bzw. "insbesondere magnetisch" im Oberbegriff ab. Da beide Merkmale den Anspruchsgegenstand nicht einschränken ist diese Änderung zulässig.

Für den nebengeordneten Verfahrensanspruch 8 gilt sinngemäß das Gleiche.

Das Merkmal des Anspruchs 2 entspricht dem gestrichenen ersten fakultativen Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 1. Der Anspruch 2 ist daher ebenfalls zulässig.

Die Änderung der Ansprüche 4 und 10 schränkt die erteilten und ursprünglich offenbarten Ansprüche auf die zweite ursprünglich beanspruchte Ausführungsform ein. Die Änderung ist daher zulässig.

Auch die Änderung des Rückbezugs des Anspruchs 5 ist zulässig.

Die restlichen abhängigen Ansprüche entsprechen -bis auf eine angepasste Nummerierung und den entsprechenden Rückbezug -den ursprünglich eingereichten Ansprüchen. Sie sind daher ebenfalls zulässig.

d) Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Vorrichtung des nach Hauptantrag geltenden Patentanspruchs 1 wie auch das hierzu nebengeordnete Verfahren nach Anspruch 8 sind patentfähig.

aa) Die Vorrichtung zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information nach Anspruch 1 sowie das Verfahren nach Anspruch 8 sind im Hinblick auf die im Verfahren befindlichen Druckschriften neu.

1. Die von der Einsprechenden als neuheitsschädlich angeführte Druckschrift E2 offenbart ein ortsfestes Haustechniksystem, bei welchem einzelne elektrisch zu schaltende Komponenten i. d. R mit Primärund Sekundärspulen enthaltenden Transformatoren durch Umstecken in vorhandene Steckdosen zwar beweglich ausgestaltet sind (vgl. E2, Seite 1, Zeilen 57 bis 61, "...at least one of the transmitter and slave unit being releasably coupled to a power outlet of the main so as to be usable optionally at various places with the building."). Im System sind Steuersignale vorgesehen, welche mit einer höheren Frequenz und bevorzugt nahe des Nulldurchgangs der Hauptspannung aufgekoppelt sind (vgl. E2, Seite 2, Zeilen 34 bis 54).

Druckschrift E2 offenbart jedoch keine Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1, insbesondere keine Vorrichtung zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information mit einem ersten Teil mit Primärleiter und einen zum ersten Teil beweglichen Teil, welches eine Sekundärwicklung umfasst, wobei die Sekundärwicklung elektromagnetisch an den Primärleiter gekoppelt ist. Auch das letzte kennzeichnende Merkmal, wonach in Zeitbereichen, innerhalb derer der Strom im Primärleiter kleiner ist als ein kritischer Stromwert I_krit, ein oder mehrere Synchronisationspulse zusätzlich auf den Primärleiter aufgekoppelt oder aufmoduliert werden, ist aus der E2 nicht zu entnehmen. Denn anstelle eines oder mehrerer Synchronisationspulse werden bei der Lehre der E2 Steuersignale aufgekoppelt wobei die Aufkopplung in Relation zur Spannung und nicht zum Strom erfolgt. Die Druckschrift E2 nimmt daher den nach Hauptantrag verteidigten Gegenstand nicht neuheitsschädlich vorweg.

Die technische Lehre der Druckschrift E1 offenbart den Oberbegriff des Anspruchs 1 (vgl. E1, beispielsweise Fig. 1 a und b mit zugehöriger Beschreibung, Seite 9, Zeile 5ff), jedoch fehlt es der technischen Lehre der E1 an den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1. So offenbart die E1 keine auf den Primärleiter aufgekoppelte oder aufmodulierte zusätzlichen Signale mit einer höheren Frequenz als die erste Frequenz (vgl. E1, Seite 9, Zeilen 14 bis 18). Auch fehlt es der technischen Lehre der E1 am Merkmal, dass in Zeitbereichen, innerhalb derer der Strom im Primärleiter kleiner ist als ein kritischer Stromwert I_krit, ein oder mehrere Synchronisationspulse zusätzlich auf den Primärleiter aufgekoppelt oder aufmoduliert werden (vgl. Seite 15, Zeile 5ff).

Die von der Einsprechenden angeführte Druckschrift E4 offenbart ein Verfahren zur Übertragung von Daten auf wenigstens einer elektrischen Energieversorgungsleitung -beispielsweise in Gleichspannungs-Bahnstromversorgungen. Der technischen Lehre der E4 fehlt es somit an den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 hinsichtlich einer berührungslosen Übertragung von elektrischer Leistung und Information. Zwar offenbart die E4 eine Synchronisation des verwendeten Übertragungsstandards (OFDM-Verfahren) jedoch erfolgt diese Synchronisation im relevanten Ausführungsbeispiel durch periodische Störsignale, welche beim Gleichrichten der Versorgungsspannung entstehen (vgl. E4, Seite 3, Zeilen 25 bis 27 i. V. m. Seite 1, zw. Abs.). Folglich fehlt es der Lehre der E4 auch an den beiden kennzeichnenden Merkmalen des nach Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1.

Die technische Lehre der Druckschrift D4 beschreibt eine Vorrichtung zur berührungslosen Übertragung von elektrischer Leistung und Energie wobei das Datensignal durch Amplitudenund oder Phasenmodulation des Trägersignals außerhalb der Schaltflanken des Trägersignals vorgenommen wird. Die Verwendung von Synchronisationspulsen - insbesondere in der Ausgestaltung des zweiten kennzeichnenden Merkmals der nach Hauptantrag verteidigten Vorrichtung -lehrt die Druckschrift D4 jedoch nicht (vgl. D4, u. a. Patentanspruch 1).

Die restlichen, im Übrigen in der mündlichen Verhandlung von den Parteien nicht aufgegriffenen, Druckschriften, offenbaren Einzelmerkmale der verteidigten Vorrichtung nach Anspruch 1. Deren technische Lehren stellen jedoch einen weiter entfernt liegenden Stand der Technik dar als die zuvor genannten Druckschriften und weisen insbesondere nicht das zweite kennzeichnende Merkmal der verteidigten Vorrichtung auf, wonach in Zeitbereichen, innerhalb derer die Werte des Stromes im Primärleiter betragsmäßig kleiner sind als ein kritischer Stromwert I_krit, ein oder mehrere Synchronisationspulse zusätzlich auf den Primärleiter aufgekoppelt oder aufmoduliert sind.

Somit nimmt keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften den nach Hauptantrag verteidigten Gegenstand des Anspruchs 1 vollständig vorweg. Die entsprechende Vorrichtung zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Energie ist daher neu.

2. Die Merkmale des im Anspruch 8 nach Hauptantrag verteidigten Verfahrens entsprechen denen der Vorrichtung nach Anspruch 1. Vorstehende Ausführungen gelten daher in analoger Weise. Die Vorrichtung nach Anspruch 8 gemäß Hauptantrag ist ebenfalls neu.

bb) Die Vorrichtung nach Anspruch 1 wie auch das nebengeordnete Verfahren des Anspruchs 8 gemäß Hauptantrag beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns. Dieser ist als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von berührungslosen Energieund Datenübertragungssystemen vertrauter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit Fachhochschulabschluss zu definieren.

1. Wie vorstehend zur Neuheit ausgeführt, offenbart keines der im Verfahren befindlichen Druckschriften das zweite kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 nach Hauptantrag, so dass sich die nach Hauptantrag verteidigte Vorrichtung auch nicht aus einer Merkmalskombination der entsprechenden technischen Lehren ergibt.

Das Vorsehen des im Stand der Technik in allen Druckschriften fehlenden Merkmals bei der nach Hauptantrag verteidigten Vorrichtung ist für den Fachmann aus seinem Fachwissen heraus nicht nahegelegt. Denn bei der Synchronisation von übertragenen Informationen steht dem Fachmann eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. Die im Streitpatent gewählte technische Lösung hebt sich in vorteilhafter Weise von dieser Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten dadurch ab, dass die Synchronisationspulse nur in Zeitbereichen gesendet werden, in denen der Wert des Stromes unter einem gewählten kritischen Stromwert I_krit liegt, so dass ein, für eine störungsfreie Synchronisation vorteilhafter, großer Signal-Rausch-Abstand vorhanden ist (vgl. Streitpatent, Abs. [0027]). Dies allein begründet bereits die erfinderische Tätigkeit des zuständigen Fachmanns bei der Vorrichtung des Anspruchs 1 nach Hauptantrag.

2. Da die Merkmale des im Anspruch 8 nach Hauptantrag verteidigten Verfahrens denen der Vorrichtung nach Anspruch 1 entsprechen, beruht auch das nach Hautantrag verteidigte nebengeordnete Verfahren auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

cc) Die nach Hauptantrag verteidigte Vorrichtung nach Anspruch 1 sowie das hierzu nebengeordnet verteidigte Verfahren nach Anspruch 8 sind somit patentfähig.

e) An den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag können sich die geltenden Unteransprüche 2 bis 7, an den Patentanspruch 8 nach Hauptantrag können sich die Ansprüche 9 und 10 anschließen, da diese allesamt vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten der Vorrichtung nach dem geltenden Anspruch 1 bzw. des Verfahrens nach dem geltenden Anspruch 8 betreffen.

f) In der geltenden Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben und die beanspruchte Vorrichtung zur berührungslosen Übertragung elektrischer Leistung und Information sowie das zugehörige Verfahren sind anhand der Zeichnungen ausreichend erläutert.

Das Streitpatent ist somit im Umfang des Hauptantrags rechtsbeständig und daher in diesem Umfang aufrechtzuerhalten.

Dr. Strößner Dr. Hock Maile Dr. Friedrichprö






BPatG:
Beschluss v. 12.10.2010
Az: 23 W (pat) 309/08


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