Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juli 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 147/02
(BPatG: Beschluss v. 29.07.2003, Az.: 27 W (pat) 147/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Marke 399 76 686 Ecosandie neben Waren der Klasse 9 für die Waren Wasch und Bleichmittel; Putz-, Polier- und Fettentfernungsmittel; Seifen; Reinigungsmittel insbesondere für gewerbliche Endverbraucher; Reinigungsmittel für Maschinen; Reinigungsmittel für Geschirrspülmaschinen; Klarspülmittel für Maschinen; Handspülmittel; Reinigungsmittel für Oberflächen; Reinigungsmittel für Haut und insbesondere Hände; Desinfektionsmittel; Reinigungsmittel mit desinfizierender Wirkung; Desinfektionsmittel für Haut und Hände"
eingetragen ist, hat die Inhaberin der am 25. November 1954 für die Waren
"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Hautreinigungsmittel, kosmetische Creme, Hautschutzsalben"
eingetragenen Marke 667 120 Estolan Widerspruch erhoben.
Die Markeninhaberin hat auf den Widerspruch erklärt, daß sie die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware "Hautschutz- und Hautpflegecreme" anerkenne. Für alle weiteren Waren hat sie die Benutzung mit Nichtwissen bestritten.
Die Markenstelle hat den Widerspruch durch Beschluss vom 30. April 2002 zurückgewiesen, weil eine Verwechslungsgefahr der Marken nicht bestehe. Die angegriffene Marke halte den unter Berücksichtigung der teilweisen Warenidentität und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen beachtlichen Abstand zu der älteren Marke ein. Im klanglichen Gesamteindruck wichen die Markenwörter trotz identischer Silbenzahl und Vokalfolge wegen der markannten Konsonantenunterschiede deutlich voneinander ab. Da sich die Unterschiede zudem am grundsätzlich stärker beachteten Wortanfang befänden, könnten sie nicht unbemerkt bleiben. Auch schriftbildlich bestehe keine Gefahr von Verwechslungen, weil die unterschiedlichen Konturen der Buchstaben "C/ST" sowohl bei Groß- als auch bei Kleinschreibung der Marken deutlich sichtbar in Erscheinung träten.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde beantragt die Widersprechende die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klassen 3 und 5. Den Widerspruch gegen die Waren der Klasse 9 der angegriffenen Marke hat sie im Beschwerdeverfahren zurückgenommen.
Zur Begründung trägt sie vor, daß in Anbetracht der teilweisen Warenidentität und im übrigen hochgradigen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren der Abstand der Marken nicht ausreiche, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß die Ähnlichkeiten der Marken von größerer Bedeutung seien als die Abweichungen, werde das angesprochene breite Verbraucherpublikum nicht in der Lage sein, die in Silbenzahl, Vokalfolge und Sprechrhythmus und damit den wesentlichen Klangmerkmalen übereinstimmenden Marken auseinanderzuhalten, zumal es beim Zeichenvergleich auf sein meist ungenaues Erinnerungsbild angewiesen sei, das ihm von einer früheren Begegnung mit den Marken verblieben sei. Die Widersprechende hat sich ferner auf zwei Beschlüsse der Markenstelle gestützt, in denen jeweils eine Wort-Bildmarke "ECOSAN" wegen klanglicher Verwechslungsgefahr mit der Marke "Estolan" teilweise gelöscht worden ist.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hält die Zurückweisung des Widerspruchs durch die Markenstelle für zutreffend und macht ergänzend geltend, daß der Wortanfang "ECO" aufgrund seines bekannten und in zahlreichen Drittmarken enthaltenen Sinngehalts der Gefahr von Markenverwechslungen zusätzlich entgegenwirke.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn die Markenstelle hat den Widerspruch zu Recht wegen mangelnder Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen (§§ 9 Abs 1 Nr 2, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).
Nach der Registerlage können die von dem Widerspruch noch angegriffenen Waren der jüngeren Marke mit der Ware "Hautschutz- und Hautpflegecreme", für die unstreitig eine Benutzung der Widerspruchsmarke erfolgt ist, zwar teilweise identisch sein; im übrigen besteht enge Warenähnlichkeit. In Wechselwirkung dazu und in Anbetracht der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muß ein deutlicher Abstand zwischen den Marken vorliegen, um die Gefahr von Verwechslungen ausschließen zu können, zumal es sich bei den von den Marken erfaßten Waren um Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs handelt, die sich an das breite Verbraucherpublikum wenden. Allerdings ist nach der Rechtsprechung nicht von besonders flüchtigen, sondern von durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchern auszugehen (EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BHG GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND), denen die Kennzeichen im allgemeinen auch nicht unter ungewöhnlich schlechten akustischen oder optischen Übermittlungsbedingungen begegnen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände können die Unterschiede der Marken als ausreichend erachtet werden, um ein Nebeneinanderbestehen im Geschäftsverkehr ohne eine noch ins Gewicht fallende Gefahr von Verwechslungen zu ermöglichen. In klanglicher Hinsicht hat die Markenstelle zu Recht auf den deutlichen Konsonantenunterschied am betonten Wortanfang der Marken abgestellt, wobei gerade die Lautverbindung "st" eine der markantesten des gesamten Alphabets darstellt. Sie verleiht dem Gesamteindruck der Widerspruchsmarke ein von der angegriffenen Marke unüberhörbar abweichendes Klanggepräge und zwar auch dann, wenn das Wort "Estolan" nicht - wie bei flüssiger Sprechweise nächstliegend - mit kurzem Anlaut "E" und scharf betontem "s" wie "Eßtolan" wiedergegeben wird (entsprechend Estrich, Estragon), sondern die drei Silben deutlich akzentuiert wie "E-sto -lan" aufgegliedert werden. Der Ansicht der Widersprechenden, Silbenzahl, Vokalfolge und Sprechrythmus seien die klangbestimmenden Merkmale eines Wortes kann jedenfalls dann nicht gefolgt werden, wenn erhebliche Konsonantenunterschiede vorliegen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 182 mwNachw).
Es ist auch nicht gerechtfertigt, ausgehend von dem Grundsatz, daß Übereinstimmungen stärker im Erinnerungsbild haften bleiben als die Unterschiede (vgl BGH GRUR 1993, 118, 119 - Corvaton/Corvasal; 1999, 587, 589 - Cefallone), die bloßen Klangmerkmale der Markenwörter gegeneinander abzuwägen, ohne gleichzeitig den Sinngehalt zu berücksichtigen, den die jüngere Marke "Ecosan" für einen beachtlichen, wenn nicht den überwiegenden Teil des Verkehrs erkennbar aufweist. Bei dem Kurzwort "Eco" (= engl. öko) handelt es sich um einen Begriff, der dem Verkehr im Zusammenhang mit dem Umweltschutz häufig begegnet. Auch die Endung "san" ist im Bereich der Produkte für die Gesundheitspflege als Hinweis auf die gesundheitsfördernde Wirkung der Waren sehr bekannt und gebräuchlich. Insgesamt wird daher ein großer Teil der verständigen Verbraucher mit der jüngeren Marke begriffliche Vorstellungen verbinden, sei es, daß er beide Bestandteile in ihrer Bedeutung erfaßt oder zumindest einen von ihnen. Der Sinngehalt bildet aber - was von der Markenstelle in den von der Widersprechenden zitierten Beschlüssen vom 3. Januar 2002 (Az 359 30 319.2) und vom 18. Oktober 1999 (Az 395 30 321.4) neben den Klangunterschieden nicht ausreichend berücksichtigt worden ist - eine die Unterscheidung der Marken wesentlich erleichternde Orientierungshilfe, denn wer einen ihm bekannten Begriff in einer anderen Marke wiederzufinden sucht, unterliegt von Haus weniger der Gefahr, daß er vorhandene Abweichungen überhört oder übersieht. Unter diesen Umständen hält der Senat die Zahl der Fälle, in denen der Verkehr der Gefahr von Verwechslungen unterliegt, weil er sich nur undeutlich an die in einen gleichen Wortaufbau eingebundene Lautfolge "E - o - an" erinnert, die im übrigen im Warenbereich der Klassen 3 und 5 häufig vorkommt und daher für sich kaum aussagekräftig ist, nicht mehr für entscheidungsrelevant.
Erst recht ist die Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen zu verneinen, weil die Buchstabenunterschiede in Verbindung mit dem Sinngehalt der jüngeren Marke bei der optischen Wahrnehmung der Marken nicht übersehen werden können.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG bestand kein Anlaß.
Dr. Schermer Dr. van Raden Friehe-Wich Pü
BPatG:
Beschluss v. 29.07.2003
Az: 27 W (pat) 147/02
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