Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Dezember 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 102/07
(BPatG: Beschluss v. 11.12.2007, Az.: 27 W (pat) 102/07)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Widersprechende hat gegen die am 18. Februar 2005 veröffentlichte Eintragung der am 25. November 2004 angemeldeten Marke Nr. 304 67 103 die nach Verzicht auf die ursprünglich auch für "Spielwaren" beanspruchten Waren noch geschützt ist für Klasse 16: Druckereierzeugnisse Klasse 25: Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen Klasse 28: Spiele, Spielzeug, Gesellschaftsspiele, Unterhaltungsspiele, Beschäftigungsspiele, Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten Widerspruch eingelegt aus ihrer am 7. September 1963 angemeldeten und seit 4. August 1964 für Klasse 28: Spielwareneingetragenen Marke eingetragenen Nr. 792 572 Lumpi.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Widerspruchsverfahren die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, die Nichtbenutzungseinrede aber, nachdem die Widersprechende Benutzungsunterlagen vorgelegt hatte, denen zu folge die Widerspruchsmarke für eine Hundefigur verwendet wird, nicht mehr aufrechterhalten.
Die Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 26. April 2007 den Widerspruch zurückgewiesen, weil selbst bei Warenidentität und hochgradiger klanglicher Zeichenähnlichkeit die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu gering sei, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen, denn bei dem Markenwort "Lumpi" handele es sich um einen häufig verwendeten Hundenamen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie räumt zwar eine Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke ein, meint aber, dass diese durch die Warenidentität ausgeglichen würde. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sich nahezu klangidentische Marken gegenüberstünden, was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Annahme der Verwechslungsgefahr ausreiche.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. April 2006 aufzuheben und die Marke Nr. 304 67 103 wegen des Widerspruchs aus der eingetragenen Marke Nr. 792 572 zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie stellt eine Warenidentität in Abrede, nachdem die angegriffene Marke nicht mehr für "Spielwaren" geschützt sei; im Übrigen sei zwar eine Warenähnlichkeit gegeben, diese sei aber wegen des geringen Schutzbereichs der Widerspruchsmarke nicht ausschlaggebend. Zudem würden die betroffenen Waren weitgehend auf Sicht gekauft, so dass eine mögliche Klangnähe keine Rolle spiele.
Ihren Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende nach der Terminsbestimmung mit Schriftsatz vom 27. November 2007 zurückgenommen.
II. A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen, da der Grad der Kennzeichnungskraft und der Zeichenähnlichkeit selbst im Bereich identisch beanspruchter Waren zu gering ist, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
1. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei der geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion, zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).
2.2. Nach diesen Grundsätzen liegt eine Verwechslungsgefahr hier nicht vor.
a) Die für die angegriffene Marke weiterhin geschützten Waren "Spielzeug" sind mit den "Spielwaren" der Widerspruchsmarke identisch; selbst wenn man aufgrund der tatsächlichen Benutzung nur "Stofftiere" berücksichtigen würde, läge wegen der üblichen gemeinsamen Herstellungs- und Vertriebsorte sowie angesichts derselben funktionalen Bedeutung (Kinderspielsachen) eine hochgradige Warenähnlichkeit vor.
b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist, wie die Widersprechende ausdrücklich selbst einräumt, deutlich geschwächt. Da das Markenwort "Lumpi" - wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat und was auch die Widersprechende nicht in Abrede gestellt hat - für Hunde ausgesprochen häufig ist und Spieltiere, welche Hunde darstellen, unter das Warenverzeichnis fallen, ist von einer sehr geringen Kennzeichnungskraft auszugehen. Für eine Stärkung der Kennzeichnungskraft infolge Benutzung ist weder etwas vorgetragen noch anderweitig ersichtlich; angesichts der mitgeteilten geringen Umsätze kann sie sogar ausgeschlossen werden.
c) Selbst unter Zugrundelegung von Warenidentität könnte eine Verwechslungsgefahr angesichts des am unteren Rand liegenden geringen Grades an Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nur angenommen werden, wenn der Grad der Zeichenähnlichkeit überdurchschnittlich wäre. Dies lässt sich allerdings nicht feststellen.
aa) In schriftbildlicher Hinsicht (selbst ohne Berücksichtigung der weiteren Graphik) unterscheiden sich die beiden Marken durch die abweichenden Vokale (zweimal "y" in der angegriffenen Marke; "u" und "i" in der Widerspruchsmarke) deutlich, weil dieser Unterschied bei den jeweils zweisilbigen und damit relativ kurzen Zeichen von den Verbraucher nicht unbemerkt bleiben wird.
bb) Eine semantische Ähnlichkeit scheidet aus, da es sich bei der jüngeren Marke um eine bislang unbekannte Fantasiebezeichnung handelt, während die Widerspruchsmarke einen geläufigen (Hunde-) Namen wiedergibt.
cc) Allerdings kann eine klangliche Nähe beider Zeichen nicht in Abrede gestellt werden, wobei allerdings entgegen der Ansicht der Widersprechende keine Klangidentität, sondern lediglich klanglich hochgradig ähnliche Zeichen vorliegen. Die Klangnähe ergibt sich daraus, dass der einzige klangliche Unterschied, nämlich der abweichende, in der Regel wie ein "i" oder "" ausgesprochene Buchstabe "y" in der jüngeren Marke, bei einer klanglichen Wiedergabe beider Marken allenfalls geringfügig auswirken wird, zumal es sich bei der angegriffenen Marke um kein bekanntes Wort handelt. Dass in "Lympy" das erste y als und das zweite als i gesprochen wird, ist nicht in einem Maß zu erwarten, das eine klangliche Verwechslungsgefahr ergeben könnte.
Die Klangnähe beider Zeichen begründet aber nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 21 f., 28] - SIR/Zirh). Ob die klangliche Ähnlichkeit im Einzelfall für die Annahme der Verwechslungsgefahr ausreichen kann (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] - SIR/Zirh), hängt neben den Graden der Kennzeichnungskraft und der Warenähnlichkeit nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch davon ab, welche Bedeutung der klanglichen Wiedergabe der betroffenen Marken auf dem jeweiligen Warensektor zukommt.
Dafür, dass bei den hier in Rede stehenden Spielwaren nur die klangliche Wiedergabe im Vordergrund steht, sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich. Spielwaren werden vielmehr im Allgemeinen in Spezialgeschäften oder Spezialabteilungen großer Kaufhäuser erworben, in denen die optische Präsentation der gekennzeichneten Waren (sog. "Kauf auf Sicht") und damit die optische Wahrnehmung der Marken sogar überwiegt.
Lässt sich aber wie vorliegend nicht feststellen, dass die klangliche Wiedergabe von Marken auf dem betroffenen Marktsektor im Vordergrund steht, führt die allein gegebene klangliche Ähnlichkeit, die nur einen der bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit relevanten Umstände betrifft (vgl. EuGH, a. a. O., [Rz. 21] - SIR/ZIRH), nicht dazu, dass der Grad der Markenähnlichkeit oberhalb des Durchschnitts anzusiedeln wäre. Eine allenfalls in einem mittleren Grad gegebene Zeichenähnlichkeit ist angesichts der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vorliegend aber zu gering, um selbst bei identisch beanspruchten Waren eine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu begründen.
3. Damit scheidet die Annahme einer Verwechslungsgefahr aus. Da die Markenstelle somit den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen, war der Beschwerde der Widersprechenden der Erfolg zu versagen.
B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
C. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Dies gilt auch, soweit der Senat von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 1979, 853, 854 - LILA; GRUR 1990, 367, 368 - alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 - dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 - acpharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions) zur klanglichen Verwechslungsgefahr abweicht, denn diese beruht auf der entgegenstehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der wegen Art. 234 EGV für die Bestimmung der Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ausschließlich zuständig ist, da diese Bestimmungen auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b) der Ersten Markenrechtsrichtlinie Nr. 89/104 beruhen. Damit ist die Frage, welche Bedeutung der Klangähnlichkeit von Zeichen bei fehlender optischer und semantischer Ähnlichkeit für die Annahme der Verwechslungsgefahr zukommt, weder von grundsätzlicher Bedeutung noch aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zuzuführen.
Dr. Albrecht Dr. van Raden Schwarz Ko
BPatG:
Beschluss v. 11.12.2007
Az: 27 W (pat) 102/07
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