Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 7. Februar 2005
Aktenzeichen: 3 W 14/05
(OLG Hamburg: Beschluss v. 07.02.2005, Az.: 3 W 14/05)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 14. Januar 2005 abgeändert.
Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens Euro 250.000.- ; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)
verboten,
im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "WM 2006" für die Dienstleistungen
"Werbung, Geschäftsführung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten, Telekommunikation"
zu benutzen, insbesondere solche Dienstleistungen unter dem Zeichen anzubieten oder zu erbringen und/oder das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung für diese Dienstleistungen zu benutzen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die Kosten der Beschwerde.
Der Streitwert der Beschwerde wird ebenfalls auf Euro 100.000.- festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 15 Abs. 2 und 4, § 5 Abs. 2 MarkenG.
Der Antragsgegner setzt durch die Anmeldung der Wortmarke "WM 2006" für die Dienstleistungen "Werbung, Geschäftsführung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten, Telekommunikation" die unmittelbar drohende Gefahr dafür, diese Bezeichnung für solche Aktivitäten auch alsbald zu benutzen, sog. Begehungsgefahr. Die von der Antragstellerin unter der Bezeichnung "WM 2006" veranstaltete Fußballweltmeisterschaft findet im nächsten Jahr statt. Die Anmeldefrist für den Kartenvorverkauf hat - wie man der Tagespresse entnehmen kann - gerade begonnen. Wirtschaftlich machen die Benutzung des Zeichens und dessen Aufmerksamkeitsausbeutung eigentlich nur im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld und zeitgleich zur Veranstaltung der Fußballweltmeisterschaft Sinn. Aus diesem Grunde ist die Angelegenheit auch besonders dringlich. Die Antragstellerin muss sich nicht auf die Durchsetzung des Anspruchs im Hauptsacheverfahren verweisen lassen.
Der Antragstellerin, die ihren Antrag ausdrücklich nicht auf eine für sie eingetragene Marke stützt, geht es ausweislich ihres Sachvorbringens nicht darum, die sicherlich interessante Rechtsfragen klären zu lassen, ob die von ihr im Jahre 2006 veranstaltete Fußballweltmeisterschaft ein dem Titelschutz zugängliches Werk darstellt. Sie will vielmehr im konkreten Fall Kennzeichenschutz für die Veranstaltung als solche gegen die drohende Benutzung einer als verletzend beanstandeten Marke durchsetzen.
Der Antragstellerin steht an der Bezeichnung "WM 2006" für die im Jahre 2006 in Deutschland von ihrem Unternehmen veranstaltete Fußballweltmeisterschaft der Schutz als besondere Geschäftsbezeichnung nach § 5 Abs. 2 MarkenG zu.
Nach dieser Vorschrift sind Unternehmenskennzeichen auch Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs benutzt werden. Diesen besonderen Bezeichnungen stehen Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen gleich, die innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Kennzeichen gelten, § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG.
Nach den Voraussetzungen der Norm können also besondere Geschäftsbezeichnungen unabhängig von der Firma des Unternehmens entstehen und neben dieser geführt werden. Sie weisen anders als Name und Firma nicht auf den Träger des Unternehmens hin, sondern auf das Objekt als organisatorische Einheit (siehe nur: Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2.Aufl./2003, Rz. 26 zu § 5 MarkenG). Die besonderen Bezeichnungen nach § 5 Abs. 2, Satz 1 MarkenG unterscheiden sich von den in Satz 2 der Vorschrift genannten Geschäftsabzeichen und sonstigen Bezeichnungen dadurch, dass nach § 5 Abs. 2, Satz 2 MarkenG auch von Haus aus nicht unterscheidungskräftige Bezeichnungen kraft Verkehrsdurchsetzung als besondere Geschäftsbezeichnungen zu Kennzeichen werden können.
Tatbestandliche Voraussetzung für das Bestehen von Kennzeichenschutz als besondere Geschäftsbezeichnung ist zunächst, dass es aus Sicht des Verkehrs ein Objekt gibt, das unabhängig von der Firma des veranstaltenden Unternehmens Träger eines Kennzeichens sein kann. Dies ist bei der im Jahre 2006 in Deutschland stattfindenden Fußballweltmeisterschaft der Fall. Es handelt sich nämlich um ein zeitlich und räumlich abgrenzbares sportliches und kulturelles Großereignis mit eigener Organisation, die nicht nur den Austragungsmodus und die Spielregeln sowie den organisatorischen Rahmen für die eigentliche Sportveranstaltung bestimmt, bereitstellt und überwacht, sondern die dieses Ereignis für das Publikum erkennbar auch in vielfältigen Ausprägungen des Sponsoring und sonstiger Rechtevermarktung werblich kommuniziert. Das Ereignis "Fußballweltmeisterschaft 2006" beschränkt sich in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit keineswegs darauf, dass einige Teams junger Männer unter sich ausspielen, welche Mannschaft den Weltpokal gewinnt. Es ist im Bewusstsein Fußball spielender Völker eine Veranstaltung von eminenter Bedeutung, was sich unter anderem etwa darin zeigt, dass auch der Bundeskanzler mit nach Genf gefahren war, um die deutsche Bewerbung für das Turnier zu unterstützen und die man schließlich in ihrer Bedeutsamkeit für die teilnehmenden Nationen an der Begeisterung der Griechen bei Gewinn der Europameisterschaft - also eines vergleichbaren Turniers - ablesen kann.
Die Fußballweltmeisterschaft 2006 wird von der Antragstellerin mit einer eigens dafür geschaffenen Organisationskommission unter Assistenz des nationalen Verbandes und dessen eigens gebildeter Organisationskommission durchgeführt. Aus Sicht des Publikums ist die Veranstaltung also ein organisatorisch abgegrenzter Teil des Unternehmens der Antragstellerin, die daneben auch noch diverse andere Veranstaltungen durchführt, als da etwa sind: die Ausscheidungsrunden für die WM 2006, der Konföderationen Pokal, die Junioren-, U 17-, Frauenfußball und Hallenfußballweltmeisterschaften.
Die Begriffskombination "WM 2006" bezeichnet in Deutschland allein die Fußballweltmeisterschaft 2006. Möglicherweise mag das Begriffspaar von Haus aus für dieses Ereignis nicht unterscheidungskräftig gewesen sein, da in diesem Jahr in Deutschland auch andere Sportarten ihre Weltmeisterschaften hätten austragen können und dies möglicherweise sogar tun. Die Antragstellerin hat mit der im Herbst 2003 durchgeführten Meinungsbefragung aber dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie mit dieser Bezeichnung kraft Verkehrsdurchsetzung Kennzeichenschutz erlangt habe. Jedenfalls ist dies überwiegend wahrscheinlich. So hat die Umfrage einen Bekanntheitsgrad von 69 % aller Befragten und 99 % der Fußballinteressierten, einen Kennzeichnungsgrad von 67 % aller Befragten und 96 % der Fußballinteressierten und einen Zuordnungsrad von 58 % aller Befragten und 92 % der Fußballinteressierten ergeben. Damit hält es der Senat für überwiegend wahrscheinlich, dass die streitgegenständliche Kombination aus der Abkürzung des Wortes "Weltmeisterschaft" mit der Jahreszahl eine Veranstaltung dergestalt individualisiert, dass sie für das Publikum von anderen Ereignissen gleicher Art unterscheidbar wird. Dies reicht für die Entstehung einer besonderen Geschäftsbezeichnung nach § 5 Abs. 2 MarkenG aus.
Nicht erforderlich ist, dass das Zeichen "WM 2006" auf die Antragstellerin als Inhaberin des damit bezeichneten Geschäftsbetriebs hinweist. Es reicht aus, dass die so bezeichnete Veranstaltung - wie hier - die einzige ist, die unter dieser Bezeichnung stattfindet. Überdies wäre nach Auffassung des Senats sogar die Herkunftshinweisfunktion dieser Bezeichnung für das Unternehmen der Antragstellerin gegeben. Die Leute wissen nämlich, dass es im Fußball - anders als etwa beim Berufsboxen - nur einen Weltverband gibt, der alle vier Jahre wieder Weltmeisterschaften ausrichtet.
Die Markenanmeldung des Antragsgegners stammt vom 4. August 2004. Sie ist also prioritätsschlechter als das Kennzeichen der Antragstellerin.
Hinsichtlich der Dienstleitungen "Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten" besteht Branchenidentität. Die Leute werden also solche Dienstleistungen, wenn sie mit "WM 2006" bezeichnet sind, unmittelbar dem so bezeichneten Geschäftsbetrieb der Antragstellerin zuordnen. Hinsichtlich der Bereiche "Werbung, Geschäftsführung und Telekommunikation" besteht bei Verwendung eines identischen Zeichens jedenfalls Verwechslungsgefahr insoweit, als das Publikum wegen des ihm geläufigen Phänomens des Sponsoring bei solchen Großveranstaltungen annehmen wird, dass der Gebrauch der Marke von dem Veranstalter der "WM 2006" im Wege der Lizenzierung erlaubt worden sein wird. Auf die Frage, ob das jedenfalls stark kennzeichnungskräftige Zeichen "WM 2006" schon zum Kollisionszeitpunkt Bekanntheitsschutz beanspruchen konnte, kommt es also noch nicht einmal an.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und die Kostenentscheidung auf § 91 ZPO.
OLG Hamburg:
Beschluss v. 07.02.2005
Az: 3 W 14/05
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