Oberlandesgericht München:
Urteil vom 18. März 2010
Aktenzeichen: 29 U 5513/09

(OLG München: Urteil v. 18.03.2010, Az.: 29 U 5513/09)

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 18. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer I. und Ziffer II. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,€ Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.

Die Beklagte vermittelt im Bereich der Baufinanzierung Kreditverträge. Am 16. Oktober 2008 unterzeichneten die Eheleute F. im Zusammenhang mit einem von ihnen beabsichtigten Bauvorhaben einen Kreditvermittlungsauftrag (vgl. Anlage K 3), in dem angegeben war, dass die Beklagte nicht von den Auftraggebern, sondern von der Bank entlohnt werde, sowie einen Auftrag zur Bewertung ihrer Liegenschaften (vgl. Anlage K 4), in dem ein vom Erfolg des Kreditvermittlungsauftrags unabhängiges Honorar auf der Grundlage der HOAI vereinbart war. Die Beklagte hatte zuvor die Erstellung einer solchen Bewertung zur Voraussetzung für eine erfolgreiche Kreditvermittlung gemacht. Für die von der Beklagten erstellte Liegenschaftsbewertung (vgl. Anlage K 5) bezahlten die Eheleute F. den von der Beklagten berechneten Betrag von 1.905,12 Euro. Zur Vermittlung eines Kredits kam es nicht, weil das von der Beklagten nachgewiesene Darlehen dem Bedarf der Auftraggeber nicht entsprach.

Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin, eine qualifizierte Einrichtung i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und des § 3 Abs. 1 Nr. 3 UKlaG, zwei Unterlassungsansprüche und den Ersatz ihrer pauschalierten Abmahnkosten eingeklagt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Am 18. November 2009 hat das Landgericht folgendes Urteil erlassen, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, sich im Zusammenhang mit einem Kreditvermittlungsauftrag zur Baufinanzierung vom Verbraucher einen Auftrag zur Bewertung der die Baufinanzierung betreffenden Liegenschaft erteilen zu lassen, für den ein Entgelt unabhängig davon zu entrichten ist, ob es zum Abschluss des gewünschten Kreditvertrags kommt.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, sich im Zusammenhang mit einem Kreditvermittlungsauftrag zur Baufinanzierung vom Verbraucher zur Bewertung einer Liegenschaft beauftragen zu lassen und dabei das Entgelt wie folgt zu vereinbaren:

... Nach der Honorartafel zu § 34 Abs. 1 HOAI ... Normalstufe, niedrigster Satz, zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 8 % und zzgl. MwSt. ...

III. (Ordnungsmittelandrohung)

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 178,50 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5. Juni 2009 zu bezahlen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie ist der Auffassung, die Vorschriften der §§ 655a ff. BGB seien im Streitfall nicht anwendbar, weil kein entgeltlicher Kreditvermittlungsauftrag vorliege; deshalb sei auch das Umgehungsverbot des § 655e BGB nicht anwendbar. Da die HOAI entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht personen-, sondern leistungsbezogen gelte und die Leistung der Grundstücksbewertung ausdrücklich in § 34 HOAI geregelt sei, liege ein Ausnahmefall nach § 9 Abs. 8 Nr. 3 PAngV vor. Sie beantragt,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2010 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Verurteilung der Beklagten in Ziffer I. des angegriffenen Urteils ist zu Recht erfolgt. Der Klägerin steht der entsprechende Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG und § 2 Abs. 1 UKlaG, jeweils i. V. m. § 655d Satz 1, § 655e Abs. 1 BGB zu, weil die Beklagte im Zusammenhang mit einem Darlehensvermittlungsvertrag ein erfolgsunabhängiges Entgelt vereinbarte.

a) Gemäß § 655d Satz 1 BGB darf bei einem Darlehensvermittlungsvertrag der Vermittler für Leistungen, die mit der Vermittlung eines Verbraucherdarlehensvertrags oder dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines solchen Vertrags zusammenhängen, außer der erfolgsabhängigen Vergütung nach § 655c Satz 1 BGB kein Entgelt vereinbaren. Darlehensvermittlungsvertrag ist gemäß § 655a BGB ein Vertrag, nach dem es ein Unternehmer unternimmt, einem Verbraucher gegen Entgelt einen Verbraucherdarlehensvertrag zu vermitteln oder ihm die Gelegenheit zum Abschluss eines solchen Vertrags nachzuweisen.

17§ 655a Satz 1 BGB setzt lediglich voraus, dass der vermittelnde Unternehmer ein Entgelt erhält. Dem Wortlaut der Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass der Unternehmer das Entgelt vom Verbraucher erhalten müsse. Eine entsprechend einschränkende Auslegung widerspräche dem Gesetzeszweck des Verbraucherschutzes. Für die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 655a ff. BGB genügt es daher, wenn der Unternehmer vom Darlehensgeber bezahlt wird (so wohl nun auch Sprau in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 655a Rz. 4).

Jedenfalls aber stellte die von der Beklagten vorgenommene Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäfts, auf das die Schutzvorschriften der § 655a ff. BGB anwendbar wären, in mehrere Einzelverträge, auf die diese Vorschriften keine Anwendung finden sollten, eine Umgehung i. S. d. § 655e Abs. 1 Satz 2 BGB dar (vgl. auch BT-Drs. 16/13669S. 124), die zur Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 655a ff. BGB führte.

b) Im Streitfall handelte die Beklagte § 655d Satz 1 BGB zuwider, weil sie für Leistungen, die mit der Vermittlung des Darlehensvertrags zusammenhängen, ein über die erfolgsabhängige Vergütung des § 655c Satz 1 BGB hinausgehendes Entgelt vereinbarte.

Die Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 über die Erstellung einer Liegenschaftsbewertung (vgl. Anlage K 4) erfolgte € wie der Vertragsurkunde selbst zu entnehmen ist € im Zusammenhang mit dem Darlehensvermittlungsauftrag vom selben Tag (vgl. Anlage K 3). Die Auftraggeber der Beklagten hatten an der Bewertungserstellung auch kein eigenständiges Interesse, sondern schlossen die darauf gerichtete Vereinbarung lediglich zur Förderung des Darlehensvermittlungsgeschäfts. Die Leistung der Bewertungserstellung hing deshalb mit der Vermittlung des Darlehensvertrags zusammen. Ein Fall des § 655d Satz 2 BGB liegt nicht vor, da nicht die Erstattung von Auslagen für Fremdkosten, sondern ein eigenes Honorar der Beklagten vereinbart wurde. Die Vereinbarung eines vom Erfolg des Vermittlungsauftrags unabhängigen Entgelts war deshalb gemäß § 655d Satz 1, § 655e Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zulässig; dass die Beklagte gleichwohl ein Honorar vereinbarte, das auch dann geschuldet sein sollte, wenn der Kreditantrag zurückgezogen oder nicht positiv erledigt werde, stellt eine Zuwiderhandlung gegen diese zwingenden Vorschriften dar.

Da §§ 655a ff. BGB dazu bestimmt ist, das Marktverhalten von Darlehensvermittlern zum Schutz der Verbraucher zu regeln, stellt sich diese Zuwiderhandlung als unlauter i. S. d. § 4 Nr. 11 UWG dar.

2. Die Verurteilung der Beklagten in Ziffer II. des angegriffenen Urteils ist ebenfalls zu Recht erfolgt. Der entsprechende Unterlassungsanspruch steht der Klägerin aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG und § 2 Abs. 1 UKlaG, jeweils i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Abs. 6 Satz 1 PAngV zu.

a) Das der Vereinbarung über die Erstellung einer Liegenschaftsbewertung zu Grunde liegende Angebot der Beklagten verstößt gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Letztverbrauchern gegenüber Dienstleistungen gewerbsmäßig anbietet, die dafür zu zahlenden Endpreise anzugeben. Wo dies nicht möglich ist, ist er nach § 1 Abs. 3, Abs. 6 Satz 1 PAngV verpflichtet, die für den Verbraucher mit dem Abschluss des Vertrags verbundenen Kosten hinreichend deutlich kenntlich zu machen (vgl. BGH GRUR 2009, 1180 € 0,00 Grundgebühr Tz. 26 m. w. N.).

b) Diesen Anforderungen hat die Beklagte im Streitfall zuwidergehandelt.

Zwar hing der Endpreis nach dem von der Beklagten gewählten Vergütungsmodell von dem erst noch zu ermittelnden Grundstückswert ab und konnte daher im Vertragsangebot noch nicht angegeben werden. Die Beklagte war aber gehalten, den Angebotsadressaten die mit dem Abschluss des Vertrags verbundenen Kosten kenntlich zu machen, etwa, indem sie die Entgeltstufen in Abhängigkeit vom Grundstückswert mitteilte. Die bloße Bezugnahme auf die HOAI macht dem Adressaten eines solchen Angebots nicht klar, welche Kostenbelastung auf ihn zukommen kann.

26Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass für nach der HOAI zu vergütende Leistungen in § 9 Abs. 8 Nr. 3 PAngV eine Ausnahme vorgesehen sei, schon weil für das Angebot der Beklagten, eine Liegenschaftsbewertung vorzunehmen, die HOAI nicht gilt. Auf Anbieter, die neben oder zusammen mit anderen Leistungen € wie im Streitfall die Beklagte mit der Vermittlung von Krediten € auch Architekten- und Ingenieurleistungen erbringen, ist die HOAI nicht anwendbar (vgl. BGH NJW 1998, 1228 (1229); OLG Karlsruhe, Urt. v. 17. September 2004 € 17 U 191/01, juris, dort Tz. 41).

3. Da die klägerischen Abmahnungen nach dem soeben Ausgeführten berechtigt waren, kann die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG den Ersatz ihrer pauschalierten Abmahnkosten verlangen, gegen deren Höhe und Verzinsung die Beklagte keine Einwendungen erhoben hat.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Erstreckung der Abwendungsbefugnis auf die Hauptsache trägt dem Umstand Rechnung, dass das landgerichtliche Urteil als Folge seiner Bestätigung durch den Senat ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar wird (vgl. BGH, Beschl. v. 27. August 1993 € IV ZB 14/93, juris, dort Tz. 3; Herget in: Zöller , ZPO, 28. Aufl. 2010, § 708 Rz. 12, Hüßtege in: Thomas/Putzo , ZPO, 30. Aufl. 2009, § 708 Rz. 11; Lackmann in: Musielak , ZPO, 7. Aufl. 2009, § 708 Rz. 9).

3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO); auch der Auslegung des § 655a BGB kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da diese Frage wegen der Änderung des Gesetzes zum 11. Juni 2010 (vgl. BGBl. 2009 I S. 2355) für die Zukunft nicht mehr von Bedeutung ist (vgl. BGH NJW-RR 2006, 1719 Tz. 5 m. w. N.: Ball in: Musielak , ZPO, 7. Aufl. 2009, § 543 Rz. 5a). Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen ebenfalls nicht vor (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.).






OLG München:
Urteil v. 18.03.2010
Az: 29 U 5513/09


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