Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. November 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 59/06
(BPatG: Beschluss v. 08.11.2006, Az.: 28 W (pat) 59/06)
Tenor
Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsgegner ist Inhaber der seit dem 17. Dezember 2002 für die Waren
"Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Schmuck aus Leder und/oder Stein, Lederbündchen; Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle, Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"
eingetragenen Wortmarke 302 43 908 Escapulario.
Der Antragsteller hat die teilweise Löschung der Marke für die Waren
"Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Schmuck aus Leder und/oder Stein, Lederbändchen"
beantragt und sich dabei auf die Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 MarkenG gestützt. Hintergrund des Löschungsantrags ist eine vom Markeninhaber gegen den Antragsteller erhobene Unterlassungsklage, nachdem dieser Andachtsbändchen unter der Bezeichnung "Escapulario" vertrieben hatte. Der Löschungsantrag wurde damit begründet, dass es sich bei der angegriffenen Marke um die international übliche Bezeichnung für Schmuck mit Heiligenbildern handle. Sie stelle im Hinblick auf die fraglichen Waren eine unmittelbar beschreibende Sachangabe dar, die auch im Inland als solche gebräuchlich sei. Auch dem Antragsgegner sei als Importeur der hier einschlägigen Waren der beschreibende Charakter der Bezeichnung bekannt gewesen, trotzdem habe er die Marke angemeldet und gehe nun in großem Umfang mit Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen gegen Privatleute vor, die ihre Escapularios bei A... verkaufen wollten.
Der Markeninhaber hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und zur Begründung vorgetragen, die angegriffene Marke könne keinesfalls als Gattungsbezeichnung angesehen werden. Das Wort "Escapulario" stelle in der christlichen Welt des romanischen Sprachraums den generischen Begriff für Andachtsbändchen bzw. Skapuliere dar, im Inland seien aber ausschließlich diese beiden Begriffe zur Benennung der hier einschlägigen Waren maßgeblich. Die angegriffene Marke könne vor diesem Hintergrund im Inland durchaus kennzeichnungsrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen. Auch der EuGH habe in seiner "MATRATZEN"- Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, dass fremdsprachige Bezeichnungen grundsätzlich schutzfähig seien. Da der angegriffenen Marke weder die erforderliche Unterscheidungskraft fehle noch ein Freihaltungsbedürfnis an ihr bestehe, müsse der Löschungsantrag scheitern.
Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 1. Februar 2006 die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang angeordnet. Im Hinblick auf die fraglichen Waren sei der Begriff "Escapulario" ein Fachbegriff mit beschreibendem Charakter. Es spreche einiges dafür, dass der Begriff insoweit auch im Inland als Fachbegriff üblicherweise verwendet wird und insofern auch bekannt sei. Letztlich könne die Frage, ob dies bei einem markenrechtlich relevanten Teil der inländischen Verbraucher der Fall sei, jedoch dahingestellt bleiben, da es für die Bejahung eines Freihaltebedürfnisses i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausreiche, dass die Mitbewerber den fraglichen Begriff beim Ex- und Import oder beim inländischen Warenvertrieb einschlägiger Waren zur Beschreibung benötigen. Dem Wettbewerb müsse es unbenommen bleiben, beim Im- oder Export der fraglichen Waren die Angabe "Escapulario" ungehindert von Monopolrechten Dritter einsetzen zu können. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass den Mitbewerbern hierfür möglicherweise noch andere Begriffe zur Verfügung stehen könnten. Soweit der Antragsteller geltend gemacht habe, dass der Markeninhaber bei der Anmeldung des angegriffenen Zeichens bösgläubig gehandelt habe, seien hinreichende Anhaltspunkte dafür jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
Gegen diesen Beschluss hat der Markeninhaber und Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, die Wertung der Markenabteilung, dass es für ein Freihaltungsbedürfnis ausreichen solle, wenn die Mitbewerber den fraglichen Begriff beim Ex- und Import oder beim inländischen Warenvertrieb einschlägiger Waren zur Beschreibung benötigten, sei nach der "Matratzen" -Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2004 nicht mehr haltbar. Aus der Entscheidung könne ohne weiteres geschlossen werden, dass eine fremdsprachliche Gattungsbezeichnung dann markenrechtlichen Schutz im Inland erlangen könne, wenn sie dort keine Gattungsbezeichnung sei. Der EuGH gehe zudem in seiner Entscheidung mit keinem Wort auf die Frage ein, ob die Mitbewerber den fraglichen Begriff beim Ex- und Import benötigen könnten. Daher sei ohne weiteres davon auszugehen, dass diese Frage für den EuGH für die Eintragungsfähigkeit einer Marke ohne Bedeutung sei. Maßgebend für die markenrechtliche Beurteilung des Löschungsantrags sei vielmehr ausschließlich die Frage, ob das entsprechende Markenwort im deutschen Sprachgebrauch verwendet werde, was im Fall des Begriffs "Escapulario" zu verneinen sei. Den inländischen Verkehrskreisen sei er allenfalls dann verständlich, wenn diese ausnahmsweise über besonders gute Spanischkenntnisse verfügen würden. Auch der BGH habe in seiner "RIGIDITE II" -Entscheidung strenge Kriterien für die Frage aufgestellt, wann ein Freihaltungsbedürfnis an fremdsprachigen Begriffen bejaht werden könne, die von den Mitbewerbern beim Ex- und Import benötigt würden. Danach sei ein Freihaltungsbedürfnis im Regelfall eher abzulehnen.
Der Antragsteller hat die Zurückweisung der Beschwerde und die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens beantragt. Die Bezeichnung "Escapulario" sei für bandförmige Schmuckwaren, die mit Heiligenbildern versehen seien, üblich und gebräuchlich. Der angefochtene Beschluss der Markenabteilung habe deshalb den Begriff zutreffend als beschreibende Angabe gewertet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenabteilung und auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Marke stellt sich im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Waren auch für den Senat als bloße sachbezogene Warenbezeichnung dar, die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freizuhalten ist.
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Eintragung von Marken entgegen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung wesentlicher Merkmale der beanspruchten Waren dienen können, wie etwa ihrer Art oder Beschaffenheit (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE). Dies gilt grundsätzlich auch für Marken, die aus fremdsprachigen Wörtern bestehen, wobei in diesen Fällen ein Freihaltebedürfnis allerdings nur dann anzunehmen ist, wenn die beschreibende Bedeutung der Marke von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres erkannt wird, oder wenn die Mitbewerber das Markenwort für den Import/Export bzw. für den inländischen Absatz zur ungehinderten beschreibenden Verwendung benötigen (vgl. BGH 1992, 515 - Vamos).
Bei einem Escapulario handelt es sich um ein ursprünglich vor allem in Brasilien sehr populäres, um das Handgelenk oder am Hals getragenes Andachtsbändchen. Es besteht aus zwei an einer Schnur befestigten, medaillonförmigen Heiligenbildern und soll seinem Träger Schutz und Glück bringen. Losgelöst von diesem Hintergrund haben Escapularios in den letzten Jahren zuerst in den USA und später auch in Europa als Accessoires eine weitgehende Verbreitung gefunden und einen viel beachteten Modetrend ausgelöst. Nach den Feststellungen des Senats wurde der spanische Sachbegriff "Escapulario" bereits zum Eintragungszeitpunkt im Inland als beschreibende Angabe für diese Art von Modeschmuck verwendet. Dafür sprechen neben den vom Antragsteller vorgelegten Artikeln auch Internetauszüge der Homepage des Markeninhabers selbst. Auf diesen Seiten beschreibt der Antragsgegner etwa unter der Überschrift "Ein neuer Trend schwappt nach Europa" den geschichtlichen Hintergrund der Escapularios ("Das Escapulario... ist in Lateinamerika bereits zum Kultobjekt avanciert.", "Heute erhält man das Escapulario als Dank der Karmelitermönche für erbrachte Spenden..."). Des Weiteren weist er darauf hin, dass Escapularios das "Modethema Nummer eins im Accessoire-Bereich" seien und preist sie zusammen mit Pulseiras (eine ebenfalls aus Südamerika stammende Modeschmuckart) als "die hippsten Glücksbringer weltweit" an, die sich auch in Deutschland und Europa einer ständig wachsenden Fangemeinde erfreuten. Die in der mündlichen Verhandlung erörterten Internetseiten mit Stand vom Juni und November 2002, die der Senat über die Suchfunktion "Wayback" des Internet-Archivdiensts "archive.org" ermitteln konnte, belegen, dass auch der Markeninhaber vor der Eintragung der angegriffenen Marke den Begriff "Escapulario" seinen angesprochenen Kunden gegenüber ausschließlich im Sinne einer Gattungsbezeichnung und nicht etwa markenmäßig verwendet hat. Soweit der Markeninhaber darauf hinweist, im Inland seien zur Benennung der beschwerdegegenständlichen Waren ausschließlich die Begriffe "Skapulier" oder "Andachtsbändchen" gebräuchlich, setzt er sich damit in einen klaren Widerspruch zu seiner eigenen Vorgehensweise. Zudem lässt er dabei unberücksichtigt, dass dem spanischen Begriff "Escapulario" zwar abstrakt betrachtet der allgemeine Bedeutungsgehalt "Skapulier, geweihtes Band" zukommt (vgl. Wörterbuch der spanischen und deutschen Sprache, Slaby/Grossmann/Illig, 4. Aufl., 1994), dass er aber auf dem hier maßgeblichen (Mode-)Schmucksektor eine ganz bestimmte Art von Andachtsbändchen bezeichnet, die sich von anderen Varianten dieser breit gefassten Produktkategorie klar unterscheiden. Auf dem Schmuck- und Accessoires-Bereich erfolgt - wie etwa auch im Bekleidungssektor - in aller Regel keine "Übersetzung" von fremdsprachigen Begriffen, mit denen spezielle Produktvarianten bzw. Modetrends bezeichnet werden. Vielmehr werden diese Begriffe beim inländischen Warenvertrieb und in der Werbesprache übernommen, unabhängig davon, ob entsprechende deutschsprachige Wörter zur Verfügung stehen oder nicht.
Nach den Feststellungen der Markenabteilung und des Senats ist davon auszugehen, dass den beteiligten inländischen Verkehrskreisen nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Medienberichterstattung, die beschreibende Bedeutung des angegriffenen Markenworts bereits zum Eintragungszeitpunkt bekannt war. Da die angegriffene Marke auch ersichtlich zur beschreibenden mehrsprachigen Produktkennzeichnung im inländischen Geschäftsverkehr sowie zur beschreibenden fremdsprachigen Produktkennzeichnung im Import/Export dienen kann, trägt die Löschungsanordnung der Markenabteilung den Anforderungen, die bei der Bejahung eines Allgemeininteresses an der freien Verwendung von fremdsprachigen Marken beim Import/Export der fraglichen Waren zu stellen sind, in vollem Umfang Rechnung.
Soweit der Markeninhaber seine Beschwerde auf die Rechtsprechung des EuGH zu fremdsprachigen Begriffen stützt, vermag dies ebenfalls keine andere Wertung zu begründen. So hat der EuGH im Urteil vom 9. März 2006 (EuGH GRUR 2006, 411 - Matratzen Concord) klar zum Ausdruck gebracht, dass fremdsprachige Begriffe dann nicht eintragbar sind, wenn die beteiligten Verkehrskreise imstande sind, die Bedeutung des fraglichen Wortes zu erkennen. Dabei ist nach dem EuGH nicht nur auf die angesprochenen Durchschnittsverbraucher abzustellen, die insoweit über eher eingeschränkte Sprachkenntnisse verfügen können, sondern auch auf den Handel, also die am zwischenstaatlichen Handelsverkehr beteiligten Fachkreise (vgl. EuGH, a. a. O., Rdn. 24). Bei eindeutigen, aus einer Welthandelssprache entlehnten Sachangaben, wie dem hier angegriffenen Markenwort "Escapulario", ist aber stets davon auszugehen, dass zumindest die inländischen Fachkreise deren beschreibende Bedeutung erkennen (vgl. hierzu auch Ströbele - Keine Ruhe auf fremden Matratzen, MarkenR 2006, 433, 435). Wenn der Beschwerdeführer vorträgt, der EuGH sei in der "Matratzen"- Entscheidung aus dem Jahr 2004 (EuGH GRUR 2004, 843 - MATRATZEN) mit keinem Wort auf den Umstand eingegangen, ob Mitbewerber einen fremdsprachigen Begriff beim Ex- und Import benötigen könnten, lässt er unberücksichtigt, dass sich der EuGH in dieser Entscheidung mit der Frage des Schutzumfangs von Gemeinschaftsmarken in den einzelnen Mitgliedsstaaten, nicht aber mit Schutzfähigkeitsaspekten befasst hat. Eine Übertragung einzelner, aus dem Gesamtzusammenhang gelöster Passagen des Urteils auf das vorliegende Löschungsverfahren ist daher nicht geeignet, die Löschungsanordnung des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen.
Die angegriffene Marke ist demnach bereits wegen eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses gemäß §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in dem von der Markenabteilung angeordneten Umfang zu löschen. Ob der angegriffenen Marke zudem im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Waren jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG abzusprechen ist, konnte daher unerörtert bleiben.
Anhaltspunkte einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG) sind nicht ersichtlich. Auch der Löschungsantragsteller und Beschwerdegegner hat insoweit keine besonderen Umstände vorgetragen, so dass es bei dem Grundsatz bleibt, dass jede Partei ihre Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Der Kostenantrag der Beschwerdegegnerin konnte somit keinen Erfolg haben.
BPatG:
Beschluss v. 08.11.2006
Az: 28 W (pat) 59/06
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