Amtsgericht Hamburg-Mitte:
Beschluss vom 26. April 2006
Aktenzeichen: 67c IN 312/05

(AG Hamburg-Mitte: Beschluss v. 26.04.2006, Az.: 67c IN 312/05)

I. Ein Einstellungsantrag gemäß § 212 InsO ist von sämtlichen organschaftlichen Vertretern der Gemeinschuldnerin zu stellen.

II. Der gemäß § 37 KWG von der BaFin eingesetzte Abwickler, der bereits Insolvenzantrag mit der Folge der Insolvenzeröffnung gestellt hat, bleibt organschaftlicher Vertreter, auch wenn der zugrundeliegende Bescheid wieder BaFin gemäß § 80 Abs. 4 VwGO im eröffneten Insolvenzverfahren außer Vollziehbarkeit gesetzt wird.

III. Es gehört nicht zu den Aufgaben eines abwickelnden Vorstandes i. S. v. §§ 265 Abs. 1, 268 AktG nach Auflösung einer Komplementär-AG in Folge eines Beschlusses gemäß § 26 InsO (Abweisung mangels Masse) im Insolvenzverfahren der KG einen Antrag gemäß § 212 InsO mit dem Ziel der Fortsetzung der Geschäftstätigkeit zu stellen.

IV. Ein zulässiger Einstellungsantrag gemäß § 212 InsO erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung nebst Glaubhaftmachung mit den Fortfführungsaussichten der Gemeinschuldnerin unter Darlegung der im Zeitpunkt der Antragstellung gegebenen Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und dem Nicht-Vorhandensein der Gefahr drohender Zahlungsunfähigkeit.

V. Hinsichtlich einer fortbestehenden, nicht aufgehobenen Abwicklungsverfügung der BaFin gemäß § 37 KWG sind im Überschuldungsstatus einer Anlegerfonds-Gesellschaft Rückstellungen in Höhe von mindestens 50 % der Einlegerforderungen zur möglichen Befriedigung der Einleger für den Fall der verwaltungsgerichtlichen Bestätigung des Bescheides zu bilden.

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]

Gründe

I. Das vorliegende Insolvenzverfahren wurde auf Antrag des vom BaFin gem. § 37 KWG mit Bescheid v. 15.6.2005 eingesetzten Abwicklers RA H. am 12.09.2005 eröffnet (AG Hamburg, ZInsO 2005, 1003=ZIP 2005, 1748). Der Eröffnungsbeschluss ist derzeit noch nicht rechtskräftig; es schwebt nach Bestätigung durch das LG Hamburg mit Beschluß v. 4.10.2005 (Aktz. 326 T 95/05, n.v.) ein Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH.

Unter dem 22.03.2006 stellten die RAe Dr. S. pp. im Auftrage des Vorstandes der Komplementärin, der D. AG, für die Gemeinschuldnerin einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens gem. § 212 InsO wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes.

Dieser Antrag gründet sich auf die mit Schreiben des BaFin vom 03.03.2006 ausgesprochene Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Untersagungs- und Abwicklungsverfügung vom 15.06.2005, welche zur Folge habe, dass mögliche Rückzahlungsverpflichtungen der Schuldnerin gegenüber den Anlegern in Höhe von EUR 42.632.623,93 entfallen würden, wobei der Hess. VGH in einem als Parallelfall zu wertenden Verfahren (Aktz. 6 TG 1447/05) mit Entscheidung v. 14.2.2006 (bisher n.v.) im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz eine dort im Streit befindliche Abwicklungsverfügung der BaFin nicht bestätigt habe. Mögliche spätere Rückzahlungsverpflichtungen seien nicht zu berücksichtigen, da prozessbefangene Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus insbesondere dann nicht zu berücksichtigen seien, wenn diese erst zu einer Überschuldung des Unternehmens führen. Die Gemeinschuldnerin sei daher nunmehr weder zahlungsunfähig noch überschuldet.

Dem Insolvenzverwalter und dem Abwickler wurde der Antrag vom 22.03.2006 zur Stellungnahme zugeleitet. Eine Stellungnahme erfolgte mit Schreiben vom 18.04.2006 bzw. 24.4.2006.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Unzulässigkeit wegen fehlender Antragsbefugnis

Der Bescheid v. 15.6.2005 gem. § 37 KWG ist durch das Schreiben des BaFin v. 3.3.2006 (Anl. S 1) gegenüber der Gemeinschuldnerin bzw. ihrer Komplementärin mit Schreiben v. 1.3.2006 (Anl. S 2) nur einstweilig im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausgesetzt worden. Der Bescheid v. 15.6.2005 bleibt aber grundsätzlich wirksam (BVerwGE 13, 1; 24, 92; 66, 218).

Das hiesige Verfahren ist auf Antrag des Abwicklers, der gem. § 37 KWG von der BaFin eingesetzt wurde, am 12.9.2005 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet worden (AG Hamburg, ZInsO 2005, 1003=ZIP 2005, 1748). Der Einstellungsantrag v. 22.3.2005, den nunmehr die organschaftlichen Vertretung der Komplementärin der Gemeinschuldnerin stellt, ist unzulässig, denn der Einstellungsantrag kann nur von sämtlichen organschaftlichen Vertretern gestellt werden (HmbKomm-Weitzmann, InsO, § 212 Rz.3; MünchKomm-Hefermehl, InsO, § 212 Rz.7).

Auftraggeber des hiesigen Antrages auf Einstellung gem. § 212 InsO ist gem. des Schriftsatzes v. 22.3.2005 der Vorstand der Komplementärin D. AG, Herr ..., der auch die dem Gericht für den Einstellungsantrag geltende, eingereichte Verfahrensvollmacht v. 30.3.2006 unterzeichnet hat. Die Komplementärin der Gemeinschuldnerin ist jedoch aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des AG Hamburg v. 5.1.2006 zum Aktz. 67c IN 314/05, da dort Abweisung mangels Masse erfolgte, aufgelöst (§ 262 Abs.1 Nr.4 AktG). Mithin ist der Vorstand der Komplementärin bestenfalls noch abwickelnd tätig (MünchKomm-Hüffer, 2.Aufl. AktG, § 262 Rz.54) und zwar nur solange, wie keine Löschung im Handelsregister erfolgt ist (§ 273 Abs.1 S.2 AktG; MünchKomm-Hüffer, aaO, § 265 Rz.6), wozu der Antragsteller nichts vorgetragen hat. Zu diesem Aufgabenbereich gehört der hier streitgegenständliche Antrag nicht, denn er zielt auf die Fortsetzung (dazu: OLG Celle, ZInsO 2000, 558 als Antragsziel des Antrages gem. § 212 InsO) der aufgelösten Gesellschaft und der hiesigen Gemeinschuldnerin (Erklärung des Vorstandes der Komplementärin und Geschäftsführers der D. A. AG, ... , gem. FAZ v. 9.3.2006). Ein solches Ziel der "Abwicklung" ist unzulässig (MünchKomm-Hüffer, aaO, § 262 Rz.54; § 274 Rz.20 m.w.N.). Ziel der Auflösung der Komplementärin durch den insolvenzrechtlichen Abweisungsbeschluß ist die Beendigung laufender Geschäfte (MünchKomm-Hüffer, aaO, § 268 Rz.16). Die Einleitung neuer Verfahren muß der Beendigung schwebender Geschäfte bzw. der Realisierung bestehenden Vermögens bzw. bestehender Forderungen dienen (MünchKomm-Hüffer, aaO, § 268 Rz.23, 24).

Daneben bleibt weiterhin der Abwickler, der gem. § 37 KWG eingesetzt wurde, im Amt. Der einstweilige Rechtsschutz aufgrund einer Aussetzung der Vollziehung bedeutet nicht, daß das einmal eingeräumte Amt erloschen ist. Der Verwaltungsakt wird nur nicht weiter, also mit neuen Beschwernissen für die Betroffene, vollzogen (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz ..., 1998, Rn. 793; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz, 1988, 1307). Die BaFin hat in Kenntnis, daß der Abwicklungsbescheid bereits weitgehend durch die hiesige Insolvenzantragstellung des Abwicklers vollzogen ist, diese Vollziehung gerade nicht analog § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO aufgehoben, was sie in dieser Fallkonstellation, hätte das hiesige Insolvenzverfahren betroffen werden sollen, hätte tun müssen (Sodan/Ziekow-Puttler, VwGO, 2.Aufl., § 80 Rz.104 zu dieser Fallgestaltung).

Der hiesige Fall ist mithin demjenigen vergleichbar, daß ein Geschäftsführer von mehreren Insolvenzantrag gestellt hat und die übrigen Geschäftsführer anschließend den Antrag zurücknehmen wollen. Dies wird in der Literatur zu Recht abgelehnt, da Meinungsverschiedenheiten oder interne Machtkämpfe über die Frage der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung innerhalb eines gesellschaftsrechtlichen Leitungsorganes nicht auf dem Rücken der Gläubigerschaft ausgetragen werden sollen (FK-Schmerbach, 4.Aufl. InsO, § 15 Rz.20; MünchKomm-Schmahl, InsO, § 15 Rz.58, 59) oder die Möglichkeit zur Beendigung eines Insolvenzantragsverfahrens nicht zu lasten der Gefahr weiterer Verminderung der zur Verfügung stehenden Masse eingeräumt werden sollte ( KP-Pape, InsO, St.24.Lfg., § 13 Rz.122). Den Geschäftsführern, die die Eröffnungsgründe vor der gerichtlichen Eröffnungsentscheidung als nicht gegeben erachten, wird eingeräumt, dies vor der Eröffnungsentscheidung darzulegen. Eine Kompetenz zur Beendigung des Verfahrens wird ihnen damit aber nicht überantwortet.

Nach Eröffnung der Insolvenzverfahrens stellt sich die vorgenannte Interessenberücksichtigungsfrage noch intensiver: Die Einstellung eines eröffneten Verfahrens darf nur erfolgen, wenn eine mögliche künftige Schädigung der Gläubiger ausgeschlossen ist, weshalb auch die zu erbringenden Glaubhaftmachungen streng zu bewerten sind (HmbKomm-Weitzmann, § 212 Rz. 4). Vorgelagert ist jedoch die Frage nach der Kompetenz zur Stellung eines solchen Einstellungsantrages. Dieser muß im wohlverstandenen Interesse von Gesellschaft und Gläubigern gestellt werden.

Im Falle der erfolgten Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann daher ein Antrag gem. § 212 InsO nur zulässig sein, wenn alle organschaftlichen Vertreter ihn gestellt haben, um von vornherein Anträge, die die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger stören wollen, auszuscheiden (HmbKomm-Weitzmann, aaO, § 212 Rz. 3). Zwar sind die ehemaligen Geschäftsführer der insolventen Gemeinschuldnerin antragsbefugt (offengelassen von OLG Celle, ZInsO 2000, 558), da sie durch die Eröffnung nicht vollends aus dem Amt verdrängt werden, jedoch nur, wenn sie gemeinsam handeln (KP-Pape, aaO, § 212 Rz. 3). Im vorliegenden Fall ist daher ein Zusammenwirken mit dem Abwickler erforderlich, da dieser trotz der Vollziehungsaussetzung noch wirksam im Amt ist (s.o.). Da der vorliegende Antrag nicht von dem gem. § 37 KWG eingesetzten Abwickler unterstützt wird, ist er nicht aktivlegitimiert gestellt. Gegebenenfalls müssten die Vertretungsorgane der Komplementärin, wäre diese nicht erloschen, den Abwickler, würde er sich einer entsprechenden Aufforderung zur Mit-Stellung des Antrages nach § 212 InsO widersetzen, gerichtlich auf Zustimmung in Anspruch nehmen.

Solange die vorgenannten Mängel nicht beseitigt sind, ist der Antrag bereits mangels Aktivlegitimation unzulässig.

2. Unzulässigkeit wegen nicht ausreichender Glaubhaftmachung der Einstellungsgründe i.S. v. § 212 S. 2 InsO.

Die Einstellungsgründe gem. § 212 InsO sind vom Antragsteller in der Weise glaubhaft zu machen, daß er konkret darzulegen hat, daß sämtliche in Betracht kommenden Insolvenzgründe einschließlich der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen sind (OLG Celle ZInsO 2000, 558 = ZIP 2000, 1943; OLG Dresden DZWIR 2004, 476). Anderenfalls ist der Antrag ohne Einleitung des Verfahrens nach § 214 InsO durch das Gericht zurückzuweisen.

2.1 Der Abwicklungsbescheid der BaFin v. 15.6.2005 ist durch die Aussetzung der Vollziehung nicht aufgehoben worden. Mithin muß die Gemeinschuldnerin nach wie vor damit rechnen, daß dieser Bescheid im Widerspruchsverfahren und im ggfs. sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Der Insolvenzverwalter hat diesbezüglich nicht Nicht-Vergleichbarkeit des hiesigen Sachverhaltes mit demjenigen, der der Entscheidung des Hess.VGH v. 14.2.2006 (Aktz. 6 TG 1447/05) in mehreren Punkten erläutert. Die Gemeinschuldnerin hat deshalb Rückstellungen für den Fall zu bilden, daß sie aufgrund eines bestätigten Abwicklungsbescheides oder einer Aufhebung der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit, die jederzeit angeordnet werden könnte (Sodan/Ziekow, VwGO, 2.Aufl., § 80 Rz. 104), die Anleger durch Auszahlung befriedigen müßte.

Diese Rückstellungen sind im Überschuldungsstatus einzubeziehen. Da es sich um eine schwebend wirksame mögliche Rückforderung handelt, die streitbefangen ist, ist die Höhe der Rückstellung nach der Wahrscheinlichkeit ihres Fälligkeitseintrittes zu bewerten (Uhlenbruck, ZInsO 2006, 338; Schmidt/Roth, ZInsO 2006, 236). Vorliegend muß die Rückstellungsquote bei mindestens 50% liegen, da bereits eine Entscheidung, nämlich der Vorgenannte Bescheid der BaFin, in der Welt ist, gegen den die Gemeinschuldnerin vorgehen muß (zu solchen Fallgestaltungen: Schmidt/Roth, aaO, 239, 240). Muß die Gemeinschuldnerin demgemäß eine Rückstellung in Höhe von 50% der 43, 4 Mio. EUR ( = 21, 7 Mio. EUR) Einlagenforderung bilden, ist sie fortdauernd überschuldet, wie auch mindestens drohend zahlungsunfähig.

2.2 Der Einstellungsantrag macht auch in weiterer Hinsicht einen Wegfall der Eröffnungsgründe nicht glaubhaft. Der Insolvenzverwalter hat diesbezüglich folgende Erwägungen und Tatsachen in seiner Stellungnahme hervorgehoben:

2.2.1 Besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags ist gemäß § 212 Satz 2 InsO die Glaubhaftmachung mit den Mitteln des § 294 ZPO, daß das Fehlen von Eröffnungsgründen überwiegend oder sogar ganz überwiegend (so Uhlenbruck in: Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, 12. Aufl. 2003, § 212 Rn. 7 und Pape in: Kübler/Prütting, Kommentar zur InsO, § 212 Rn. 7) wahrscheinlich ist. Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 5 Abs. 1 InsO gilt im Rahmen des Verfahrens nach § 212 InsO nicht (Uhlenbruck a.a.O., sondern erst im Verfahren gem. § 214 InsO, so HmbKomm-Weitzmann, § 214 Rz.5). Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unzulässig (§ 294 Abs. 2 ZPO).

Die Antragstellerin hat geeignete Unterlagen im Sinne der §§ 212 InsO, 294 ZPO nicht vorgelegt. Damit das Insolvenzgericht eine ausreichende Prüfung der Zahlungsunfähigkeit, drohenden Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung vornehmen kann, muß der Schuldner nicht nur einen aktuellen Finanz- und Überschuldungsstatus vorlegen, sondern auch einen Finanz- bzw. Liquiditätsplan für die Zukunft, aus dem ersichtlich ist, daß der Schuldner auch seinen künftigen Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachkommen kann (Hefermehl in: Münchener Kommentar zur InsO, § 212 Rn. 6; Uhlenbruck a.a.O., § 212 Rn. 7). Demgegenüber beschränkt sich die Antragstellerin allein auf Rechtsausführungen dahingehend, daß der für die Verfahrenseröffnung seinerzeit maßgebende Grund nunmehr beseitigt sei.

2.2.2 Diese Annahmen tatsächlicher Art sowie die daraus abgeleiteten Rechtsfolgen sind in mehrfacher Hinsicht unzutreffend.

Zunächst ist zu betonen, daß im konkreten Verwaltungsrechtsstreit zur Abwicklungsanordnung der BaFin vom 15.06.2005 gegenüber der Insolvenzschuldnerin weder von einer verwaltungsgerichtlichen Klärung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage noch von einer behördlichen Letztentscheidung ausgegangen werden kann.

Vielmehr liegt in der Hauptsache noch nicht einmal die Widerspruchsentscheidung der BaFin vor. Einzige verwaltungsgerichtliche Entscheidung im konkreten Fall ist diejenige des VG Frankfurt a.M. vom 25.07.2005 im Eilverfahren, wonach sich die Abwicklungsverfügung der BaFin nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist (Az: 1 G 1938/05; veröffentlicht in ZIP 2005, 1500-1505).

2.2.3 Auch aus der von der Antragstellerin vorgelegten Entscheidung des Hessischen VGH vom 14.02.2006 in dem Parallelverfahren C.S. M. GmbH (Az. 6 TG 1447/05) lassen sich keine zwingenden Rückschlüsse auf die behördliche und letztendliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung im vorliegenden Fall ziehen. Denn die dortige Fallgestaltung ist zur hiesigen nicht vergleichbar:

Für das Gericht war dort entscheidend, daß die privaten Anleger nach der Gestaltung des Treuhand- und des Gesellschaftsvertrages über ausreichende Mitgliedschaftsrechte verfügen, die ihnen eine Mitwirkung bei der Willensbildung der Anlagegesellschaft ermöglichen. Hierzu nennt der Hessische VGH vier Rechte (Seite 11 f. der Entscheidung):

- das Recht zum Wechsel von der bloßen Treugeberstellung in eine Kommanditistenstellung

- das eigene Stimmrecht bei Gesellschafterbeschlüssen,

- das Einberufungsrecht zu außerordentlichen Gesellschafterversammlungen sowie

- ein Informationsrecht über alle wesentlichen Geschäftsvorgänge, Mitteilung der Jahresabschlüsse und Einsichtsrecht in die Bücher.

Von diesen vorgenannten vier Rechten fehlt es im Fall der hiesigen Gemeinschuldnerin an den letztgenannten Informations-, Mitteilungs- und Einsichtnahmerechten nach dem Treuhand- und Gesellschaftsvertrag vollständig.

Das Einberufungsrecht zu außerordentlichen Gesellschafterversammlungen besteht zwar formal, zudem wird es den Anlegern bereits bei einer Mehrheit von 10 % des Gesellschaftskapitals zugebilligt (§ 14 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages). Dieses Recht wird jedoch durch die Regelung in § 32 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages faktisch entwertet, wonach die Anleger keinen Anspruch auf Bekanntgabe der Daten anderer Gesellschafter haben, die über die Angaben im Handelsregister hinausgehen. Da im Handelsregister lediglich die Treuhandkommanditistin verzeichnet ist, ist für den einzelnen Anleger mangels Kenntnis der übrigen Anleger die erforderliche 10 %-Mehrheit kaum herbeizuführen.

Insgesamt weicht damit der Sachverhalt im vorliegenden Fall in den entscheidungserheblichen Gründen ganz erheblich von demjenigen in der Entscheidung des Hessischen VGH ab. Von vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten der Anleger kann daher bei dem MSF-Fonds nicht ausgegangen werden.

Im übrigen ist die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung auch mit der nun vorliegenden Entscheidung des Hessischen VGH vom 14.02.2006 keineswegs als einheitlich oder gefestigt zur in Rede stehenden Frage, inwieweit es sich um ein genehmigungsbedürftiges Bankgeschäft handelt, wenn als Kapitalanlagemodell Personenhandelsgesellschaften errichtet werden, um private Anleger anzuwerben und das von diesen eingebrachte Kapital von der Gesellschaft in Form von Aktien oder anderen Wertpapieren wieder angelegt wird, zu bezeichnen (siehe : VG Frankfurt a.M., Beschluß vom 25.07.2005, Az: 1 G 1938/05, ZIP 2005, 1500-1505 (MSF Master Star Fund Deutsche Vermögensfonds I AG & Co. KG ./. BaFin; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.10.2005, Az.: 1 E 1159/05, ZIP 2006, 415-420 (G.A.M.A.G German Asset Managers AG ./. BaFin; und letztlich: Hessischer VGH, Beschluß vom 14.02.2006, Az.: 6 TG 1447/05, bislang unveröffentlicht (C.S. Management GmbH ./. BaFin).

2.2.4 Soweit die Antragstellerin aus dem umfassenden Verwirklichungs- und Ausnutzungsverbot der aufschiebenden Wirkung folgert, die Abwicklungsverfügung dürfe bei der Beurteilung der Eröffnungsgründe nicht berücksichtigt werden, verkennt sie die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Einstellungsverfahrens des § 212 InsO.

Die Antragstellerin hat darzulegen und zunächst glaubhaft zu machen und dann zu beweisen, daß von der sicheren Erwartung auszugehen ist, daß nicht - auch nicht aus einem anderen Grund - wieder ein Insolvenzverfahren eröffnet werden muß; die Eröffnungsgründe müssen also nachhaltig überwunden sein (Hefermehl a.a.O., § 212 Rn. 5). Hiervon kann nach dem Vorhergesagten nicht ausgegangen werden, solange der Abwicklungsbeschluß nicht aufgehoben ist. Bis dahin sind zumindest Rückstellungen zu passivieren (s.o.).

2.2.5 Zur Glaubhaftmachung der nachhaltigen Überwindung der Eröffnungsgründe gehört ferner auch die Darlegung der konkreten Umsetzung der weiteren Fortsetzung der Gesellschaft. Dies ist erforderlich, damit das Insolvenzgericht auch die Dauerhaftigkeit einer etwa nicht mehr bestehenden Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit prüfen kann. Offenbar beabsichtigt die Antragstellerin nicht, die Anlagegesellschaft zu liquidieren, sondern vielmehr das Anlagemodell fortzusetzen (FAZ v. 9.3.2006).

Hierzu fehlt es an einer Darstellung der weiteren Vorgehensweise, insbesondere auch in Hinblick auf die Gesellschafterfunktionen, da die Komplementärin aufgelöst ist (s.o.) und eine Fortführung bisher nicht eingeleitet, eventuell bei Löschung der Gesellschaft auch unmöglich geworden ist.

2.2.6 Weiterhin fehlt jeder Vortrag der Antragstellerin zu den bekannten fälligen Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der M. GmbH & Co. von 6,6 Mio. EUR.

Wie im Bericht zur ersten Gläubigerversammlung auf Seite 11 ff. und Seite 20 ausgeführt, ist die Insolvenzschuldnerin als alleinige Kommanditistin an der M.GmbH & Co. KG beteiligt. Die Pflichteinlage nach dem Gesellschaftsvertrag beläuft sich auf 18,0 Mio. EUR, die im Handelsregister für das Außenverhältnis maßgebliche Haftsumme beträgt 25,0 Mio. EUR. Bislang wurden 11,4 Mio. EUR erbracht, womit gegenüber dieser Tochtergesellschaft noch 6,6 Mio. EUR offen stehen.

Die Geschäftsführung der M. GmbH & Co. KG hat mit Schreiben vom 23.09.2005, eingegangen am 27.09.2005, diese restliche Pflichteinlage von 6,6 Mio. EUR bei der Schuldnerin bzw. beim Insolvenzverwalter eingefordert und fällig gestellt. Die Pflichteinlage ist nach § 4 des Gesellschaftsvertrages der M. GmbH & Co. KG und dem Aufforderungsschreiben vom 23.09.2005 binnen 14 Tagen nach Erhalt des schriftlichen Aufforderungsschreibens zu erbringen, d. h. hier bis zum 25.10.2005.

Das aktuelle Barvermögen der Schuldnerin von ca. 4,4 Mio. EUR deckt diese fällige Verbindlichkeit bei weitem nicht, weshalb die Schuldnerin schon allein aus diesem Grund weiterhin zahlungsunfähig im Sinne des § 17 InsO ist. Daran ändert sich nichts, wenn man zu den liquiden Mitteln auch die im Verzeichnis der Massegegenstände gemäß § 151 InsO angesetzten Rückgewähransprüche von ca. 658 TEUR hinzuzieht.

Ferner übersteigt diese Verbindlichkeit gegenüber der Tochtergesellschaft auch die gesamten Vermögenswerte der Schuldnerin nach dem Verzeichnis der Massegegenstände gemäß § 151 InsO von ca. 5,1 Mio. EUR. Daher begründet allein diese Verbindlichkeit auch die Überschuldung der Gesellschaft im Sinne des § 19 InsO.

Auch bei einer eventuellen Kapitalherabsetzung bzgl. der M. KG bliebe es im übrigen bei der Außenhaftung der Schuldnerin gegenüber den Gläubigern der M. GmbH & Co. KG nach §§ 174, 172 Abs.1 HGB. Diese kann sich maximal auf die Differenz zwischen der Haftsumme von 25,0 Mio. EUR und der geleistete Einlage von 11,4 Mio. EUR belaufen, hier also auf bis zu 13,6 Mio. EUR.

Auch hierfür wären in angemessener Höhe Rückstellungen anzusetzen. Zur Prüfung dieser Position fehlt wiederum jeder Vortrag der Antragstellerin insbesondere zu der Vermögens- und Finanzsituation der M.GmbH & Co. KG.

2.2.7 Ferner sind in Hinblick auf die weitere Durchführung des Anlagekonzepts die rechtskräftige Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Treuhandkommanditistin zu berücksichtigen sowie die rechtskräftige Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse über das Vermögen der geschäftsführenden Komplementärin.

Schließlich ist den Anlegern in Anrechnung zu bringen, daß die bisherige Umsetzung des Fondskonzeptes sich nicht zuletzt durch den Verwaltungsrechtsstreit und das Insolvenzverfahren um mehrere Jahre verzögert hat. Die in den Emissionsprospekten dargestellten Planungsrechnung und Investitionspläne wurden nicht annähernd eingehalten. So hat der Fonds statt der vereinbarten Risikostreuung bis zur Abwicklung lediglich in eine Unternehmensbeteiligung investiert.

2.2.8 Mittlerweile liegen dem Insolvenzverwalter 454 Kündigungserklärungen von Anlegern in Hinblick auf ihre Beteiligungen vor. Es handelt sich um außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund. Weiterhin gibt es 412 Anfechtungserklärungen nach §§ 119 ff. BGB in Hinblick auf die von den Anlegern abgegebenen Willenserklärungen zu den Treuhandverträgen. Ferner haben 105 Anleger den Widerruf gemäß § 355 BGB erklärt. Diese Anleger haben Einlagen von zusammen mehr als 4,2 Mio. EUR geleistet.

Weiterhin haben die Anleger solche Kündigungen, Anfechtungen und Widerrufe auch gegenüber dem Insolvenzverwalter der G. Beteiligungstreuhand GmbH erklärt.

Die Anzahl dieser Erklärungen erscheint im Verhältnis zur Summe der Anleger von knapp 7.000 zunächst noch gering. Sie erscheint jedoch im Lichte des laufenden Insolvenzverfahrens nicht mehr gering, da nach §§ 87, 174 ff. InsO die Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren ihre Forderungen grundsätzlich nur durch Anmeldung zur Tabelle verfolgen können und es insofern zunächst nicht unbedingt weiterer rechtlicher Schritte gegen die Fondsgesellschaft wie Kündigung, Anfechtung oder Widerruf der Beteiligung bedarf.

Die Wirksamkeit der vorgenannten Erklärungen der Anleger hängt, insbesondere bei den Anfechtungen und Widerrufen, jeweils von den Verhältnissen des Einzelfalls ab. Die Kündigungen erscheinen aus den vom Verwalter bereits im Bericht zur Gläubigerversammlung genannten Gründen zu den Mängeln der Prospekte und der Durchführung des Anlagekonzeptes jedoch überwiegend berechtigt.

Zwar hat nach bislang noch h. M. die Kündigung, die Anfechtung und der Widerruf eines Beteiligungsvertrages zu einer Publikums-KG nicht zur Rechtsfolge, daß dem Anleger von der Beteiligungsgesellschaft sämtliche geleistete Einlagen zurückzuzahlen sind. Vielmehr werden die Grundsätze des fehlerhaften Gesellschafterbeitritts angewandt, womit die Erklärungen nur ex nunc wirken und der Anleger sich mit einem Auseinandersetzungsguthaben nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt der Kündigung begnügen muß (Schmidt in: Schmidt/Zagel, OHG, KG und PublikumsG, Rn. 1671 ff., 1755 f., 1791 ff.; Hoppe in: Hesselmann u.a., Hdb. der GmbH & Co. KG, 19. Aufl. 2005, § 2 Rn. 263 f., 266; Wagner in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, 2. Aufl. 1997, § 23 Rn. 87). Diese Ansprüche können also definitionsgemäß nicht zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft führen, da dabei stets nur das verbleibende Gesellschaftsvermögen verteilt wird.

Jedoch ist vorliegend zu berücksichtigen, daß der BGH seine Rechtsprechung hierzu gerade ändert und für einzelne Formen von Kapitalanlagegesellschaften bereits aufgegeben hat. So werden in den von der Göttinger Gruppe initiierten Beteiligungsmodellen in Form der stillen Gesellschaft die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft vom BGH nicht mehr angewendet, wenn Schadensersatzansprüche der Anleger aufgrund von Prospektmängeln, Verletzung von Aufklärungspflichten oder sonstigen Gründen gegenüber der Gesellschaft bestehen. In diesen Fällen billigt der BGH den Anlegern einen Anspruch auf volle Rückzahlung der geleisteten Einlagen zu (vgl. BGH ZIP 2005, 2060 ff.; BGH ZIP 2005, 753 ff. - "Göttinger Gruppe"; BGH ZIP 2005, 759 ff. - "Göttinger Gruppe"; BGH ZIP 2005, 763 ff. - "Göttinger Gruppe"; BGH ZIP 2004, 1706 ff - "Real Direkt AG II"; zum Ganzen: Gehrlein WM 2005, 1489-1496).

Zu diesem gesamten Themenkomplex, der nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem laufenden Verwaltungsrechtsstreit steht, fehlt jeder Vortrag der Antragstellerin, so daß das Insolvenzgericht diesbezüglich keine Möglichkeit hat, sich davon zu überzeugen, daß auch dieser Problemkreis einer dauerhaften Beseitigung der Eröffnungsgründe nicht entgegensteht.

III. Der Hilfsantrag

Ebenso wie der Einstellungsantrag ist auch der Hilfsantrag der Schuldnerin, das Insolvenzgericht möge den Insolvenzverwalter anweisen, die Aufnahme des Widerspruchsverfahrens gegen die Abwicklungsanordnung abzulehnen und das Widerspruchsverfahren an die D. AG freizugeben, bereits unzulässig.

Der Schuldnerin fehlt für einen solchen Antrag das Rechtsschutzbedürfnis.

Entgegen der offensichtlichen Annahme der Schuldnerin ist das Widerspruchsverfahren gegen die Abwicklungsanordnung nämlich überhaupt nicht unterbrochen, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach allgemeiner Meinung nur (Verwaltungs-)Gerichtsverfahren, nicht jedoch auch behördliche Verwaltungsverfahren unterbricht, auch nicht Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO ( Uhlenbruck a.a.O., § 85 Rn. 30 m.w.N.; HambKomm-Kuleisa, § 85 Rn. 24 m.w.N.).

Der Antragstellerin steht es also frei, ihren tatsächlichen und rechtlichen Vortrag, den die BaFin aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 24 VwVfG von Amts wegen berücksichtigen muß, jederzeit in das laufende Widerspruchsverfahren einzubringen. Die Schuldnerin hätte ihre Begründung des Widerspruchs also bereits seit langem bei der BaFin vorbringen können und ist von Rechts wegen nicht daran gehindert, dies nun nachzuholen. Im übrigen hat die Schuldnerin ihre Einwendungen gegen die Abwicklungsanordnung bereits im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren umfassend vorgetragen. Das dortige Vorbringen ist von der BaFin nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 VwVfG bei ihrer Widerspruchsentscheidung selbstverständlich ebenfalls einzubeziehen und umfassend zu prüfen.






AG Hamburg-Mitte:
Beschluss v. 26.04.2006
Az: 67c IN 312/05


Link zum Urteil:
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