Landgericht Bonn:
Urteil vom 1. August 2007
Aktenzeichen: 2 O 591/05
(LG Bonn: Urteil v. 01.08.2007, Az.: 2 O 591/05)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 7.956,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2006 Zug um Zug gegen Herausgabe des Zeichnungsscheines und Abtretung der damit verbundenen Rechte zu zahlen.
Wegen der weiteren Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 22 % und die Beklagte
zu 78 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger begehren Rückzahlung eines Geldbetrages, den sie der Beklagten als Anleger zur Verfügung gestellt haben.
Die Beklagte ist eine in der Türkei ansässige Aktiengesellschaft. Sie wird ebenso wie andere Gesellschaften mit dem Namensbestandteil " Z " von zahlreichen türkischen Mitbürgern vor deutschen Gerichten verklagt.
Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Sie erhielten am 12.12.1998 von Herrn E ein Schriftstück in türkischer Sprache (Bl. 11 d.A., deutsche Übersetzung Bl. 126 d.A.), das unter dem Namenzug der Beklagten die Überschrift "Aktienübertragung und Zustimmungsvereinbarung" aufwies. Herr E hatte sich unter Vorlage einer Visitenkarte mit Überschrift " Z Holding" vorgestellt. Die Adresse ist gleichlautend mit der der Beklagten.
E ist jedenfalls seit 2006 Vorstandsmitglied der Beklagten. Bei dem Schriftstück (im folgenden als Zeichnungsschein genannt) handelte sich um einen Formularvordruck, in den unter die Bezeichnung "Übernehmer" die Namen der Kläger und unter die Bezeichnung "Überträger" Herr E handschriftlich eingetragen wurden. Als Gegenstand der Übernahme waren 52 Anteile zum Preis von je 385,- DM eingetragen. Die Zeilen unter den Unterschriften enthielten wiederum vorgedruckt eine Zustimmungserklärung der Beklagten. Diese war nicht ausgefüllt. Jedoch schrieb die Beklagte die Kläger fortan als ihre Anleger an.
Am 01.01.2000 erhielten die Kläger nach unbestrittenem Vortrag im Hinblick auf ihre Anlage von Herrn E 4.459,-DM.
Seitdem erfolgten keine Zahlungen mehr. Die Beklagte unterrichtete die Kläger in mehreren Schreiben, dass wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Situation Zahlungen an Anleger derzeit nicht erfolgen könnten.
Die Kläger behaupten, sie seien durch einen Nachbarn, einen Landsmann, auf eine Anlagemöglichkeit bei Z aufmerksam gemacht worden. Herr E habe sie zu Hause aufgesucht, sich als Mitarbeiter vorgestellt und erklärt, Z biete eine Geldanlage an, die mit dem islamischen Zinsverbot vereinbar sei. - Gegen das Zinsverbot verstoßen nicht Beteiligungen an Unternehmen, bei denen Dividenden an die Anleger fließen. - Auch könne durch die Geldanlage die türkische Wirtschaft unterstützt werden. Herr E habe ihnen weiter erklärt, die Rendite für eine Anlage betrage 20 % im Jahr, sie werde jährlich ausgezahlt. Sie könnten den Anlagebetrag jederzeit zurückverlangen. Spätestens binnen drei Monaten nach einem Rückzahlungsverlangen werde der Betrag zurückgezahlt. Unterlagen seien ihnen mit Ausnahme des Zeichnungsscheines nicht übergeben worden. Über die Möglichkeit des Verlustes ihrer Anlage sei nicht gesprochen worden, E habe insoweit erklärt, die Anlage sei zu 100 % sicher. Aufgrund seiner Erklärungen hätten sie am 12.12.1998 in ihrer Wohnung an Herrn E 20.020,-DM (= 10.236,06 €) in bar ausgehändigt.
Mit der am 27.12.2005 eingereichten und am 23.06.2006 zugestellten Klage haben die Kläger zunächst Zahlung von 10.236,06 € verlangt. Vorsorglich haben sie in der Klageschrift die Kündigung des nach ihrer Behauptung zwischen ihnen und der Beklagten bestehenden Vertragsverhältnisses erklärt und haben hilfsweise ihre Erklärungen vom 12.12.1998 wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.11.2006 haben sie die Klage um den Betrag von 4.459,- DM = 2.279,85 € zurückgenommen.
Die Kläger beantragen nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.956,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 12.12.1998 zu zahlen.
Hilfsweise beantragen sie,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Geschäftsjahre 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 durch Vorlage der Bilanz Rechnung zu legen und ihnen Auskunft über die Gewinn- und Verlustanteile aus dem Anlagenvertrag vom 12.12.1998 per 31.12.2004 zu erteilen;
2. falls erforderlich, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu versichern;
3. an die Kläger ein nach Auskunftserteilung zu bezifferndes Auseinandersetzungsguthaben aus dem Anlagevertrag per 31.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie rügt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Sie behauptet, es bestehe keine konzernrechtliche Verbindung zwischen ihr und der Z Gruppe. Der Name " Z " komme in der Provinz A häufig vor.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1. und ihre Passivlegitimation. Mit Nichtwissen bestreitet sie, dass die Kläger Herrn E Geld gegeben haben. Die Beklagte behauptet, sie habe weder in Deutschland noch in einem anderen Land über Mitarbeiter verfügt, die ihre Aktien vermarktet hätten.
Die Beklagte meint, ein Schaden sei nicht nachgewiesen. Sie bestreitet die Wertlosigkeit der Aktien.
Sie sieht sich schließlich wegen des in der Türkei bestehenden Verbots der Rücknahme von Aktien an einer Erstattung gehindert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte Landgericht Bonn 2 0 197/05 Rechtsstreit der Eheleute B gegen die Beklagte ist beigezogen worden.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Die internationale Zuständigkeit folgt aus den allgemeinen Grundsätzen der Zivilprozessordnung über die örtliche Zuständigkeit, weil es an Sonderregelungen fehlt. Die EG-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ist nicht anwendbar, weil die Türkei kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist. Mit der Türkei bestehen auch keine Abkommen betreffend die internationale Zuständigkeit.
Die örtliche Zuständigkeit kann sich nur aus besonderen Gerichtsständen ergeben.
Eine Zuständigkeit nach § 29c ZPO scheidet jedoch aus, weil die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 HaustürWG in der 1998 geltenden Fassung von den Klägern nicht hinreichend dargetan sind. Die Kläger haben zwar nach ihrem Vortrag am 12.12.1998 ein Anlagengeschäft in der Wohnung getätigt. Jedoch ergeben sich aus ihrer Schilderung in der mündlichen Verhandlung Anhaltspunkte dafür, dass sie Herr E um einen Besuch in der Wohnung gebeten hatten. Die Kläger hatten über ihren Nachbarn von den Anlagemöglichkeit gehört und ihn gefragt, ob er sie benachrichtigen könne, wenn Herrn E wieder zu Besuch komme. Die Initiative zu dem Hausbesuch ging nicht von Herrn E aus.
Das Landgericht Bonn ist jedoch gemäß § 32 ZPO zuständig. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist begründet, weil die Kläger das Vorliegen einer unerlaubten Handlung schlüssig behauptet haben.
Das angerufene Gericht darf den Sachverhalt aber nur auf Ansprüche aus dem Deliktsrecht prüfen. Eine umfassende Prüfungskompetenz, wie sie nach § 17 Abs. 2 GVG für die Rechtswegzuständigkeit gilt, besteht für die internationale Zuständigkeit nicht (vgl. zuletzt BGH NJW-RR 2005, 581 ff.). Ob die Kläger ordnungsgemäß gekündigt haben oder sie ihre Erklärungen wegen arglistiger Täuschung anfechten konnten, darf nicht geprüft werden, weil dies nur bei Ansprüchen aus Vertrag relevant wäre.
Die Klage ist mit Ausnahme der Zinsforderung auch begründet.
Die Kläger haben einen Anspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB gegen die Beklagte auf Rückzahlung des von ihnen zur Verfügung gestellten Geldes.
Es ist deutsches und nicht türkisches Recht anwendbar. Gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist bei unerlaubten Handlungen zwar grundsätzlich das Recht des Landes anwendbar, dem der Ersatzpflichtige angehört. Jedoch kann der Verletzte nach Satz 2 der Vorschrift die Anwendung des Rechts verlangen, das am Ort des Erfolgseintritts gilt. Die Kläger sind durch die unerlaubte Handlung in ihrem in Deutschland befindlichen Vermögen geschädigt worden, sie berufen sich auch auf die Verletzung deutscher Rechtsvorschriften.
Die Kläger sind aktivlegitimiert, das gilt auch für die Klägerin zu 1. Sie ist, was die Beklagte übersehen haben dürfte, in dem Zeichnungsschein ebenfalls mit Vornamen benannt.
Nach ihrem Vortrag sind die Kläger durch Herrn E über die Risiken einer Investition bei der Beklagten getäuscht worden. Er hat ihnen erklärt, sie könnten mit jährlich 20 % Rendite rechnen, wenn sie sich an der Beklagten beteiligten. Es sei stets ein Gewinn zu erwarten, weil überall Geschäfte seien. Das investierte Geld könne jederzeit zurückverlangt werden, sie müssten nur 15 Tage vorher Bescheid sagen. Sie könnten das Geld sogar in Deutschland abholen, zu der Zeit habe es in M ein Möbelhaus " Z " und in I ein Kaufhaus mit diesem Namen gegeben. Gleichlautende Erklärungen hat Herr E nach Darstellung der Kläger einer Vielzahl von in Deutschland lebenden türkischen Landsleuten gegeben.
Nach diesem Vortrag sind die Kläger von Herrn E nicht darüber aufgeklärt worden, dass eine Unternehmensbeteiligung auch die Teilnahme an Verlusten bedeutet und keineswegs ein Gewinn in gleichbleibender Höhe erwartet werden darf. Es hat auch keine Aufklärung darüber stattgefunden, dass eine Aktiengesellschaft Einlagen nicht zurückgewähren darf. Eine dem § 57 AktG ähnliche Vorschrift gilt auch in der Türkei.
Die Täuschung über die Risiken der Anlage hat bei den Klägern den Irrtum hervorgerufen, ein Verlust ihres Geldes könne nicht eintreten, zudem könne das investierte Geld jederzeit zurückverlangt werden. Aufgrund des Irrtums haben die Kläger Herrn E 20.020,- DM ausgehändigt. Da die Beklagte sich bislang weigert, den Anlagebetrag in voller Höhe zurückzuerstatten, sind die Kläger geschädigt worden.
Aus dem Vortrag der Kläger ergibt sich auch ein vorsätzliches Vorgehen des Herrn E in der Absicht, von Anlegern erhebliche Geldbeträge für eine angeblich sichere Anlage zu erlangen.
Die Beklagte ist passivlegitimiert. Als juristische Person hat die Beklagte nicht selbst gehandelt, sie muss sich aber das Verhalten des Herrn E wie ihr eigenes zurechnen lassen.
Ob die Zurechnung über § 31 BGB erfolgt, muss offen bleiben. Es ist nicht bekannt, ob Herr E am 12.12.1998 im Vorstand der Beklagten war. Sie hat nur eingeräumt, dass Herrn E derzeit Vorstand ist, hat aber die Frage des Gerichts, seit wann er Vorstand ist, hier ebenso wie vor anderen Gerichten nicht beantwortet.
Das Handeln des Herrn E ist der Beklagten aber gemäß § 831 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Die Beklagte hatte ihn nach Überzeugung des Gerichts eingeschaltet, um in Deutschland Aktionäre für sich zu gewinnen. Ob Herr E dabei als Handelsvertreter vorging oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig wurde, kann offen bleiben, weil dies für die Anwendung des § 831 Abs. 1 BGB unerheblich ist. Entscheidend ist ein Tätigwerden mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn und eine Weisungsabhängigkeit des Verrichtungsgehilfen. Davon muss hier nach den Umständen ausgegangen werden.
Die Beklagte behauptet zwar, es habe zwischen ihr und Herrn E keinen unmittelbaren Kontakt gegeben, sie habe ihn auch nicht beauftragt, den Klägern Aktien bzw. Zeichnungsscheine vorzulegen. Gegen ein Tätigwerden des Herrn E im Auftrag der Beklagten mag der Inhalt der Urkunde sprechen, wonach E als Verkäufer Aktien auf die Kläger übertrug, wozu die Beklagte Zustimmung erteilen sollte. Jedoch können bei der Bewertung der Urkunde und des Prozessvortrages der Beklagten die objektiven Umstände nicht unbeachtet bleiben:
Wenn es sich um ein Alleingeschäft des Herrn E gehandelt hätte, wäre dieser kein Kleinaktionär der Beklagten und müsste ihr bekannt sein. Allein bei der Kammer waren bis zum Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 13.12.2006 folgende weitere Anteilsverkäufe an der Beklagten durch Herrn E bekannt geworden:
Anteile für 16.170,- DM an Herrn F am 06.02.1998 (Anlage zum Ss. der Kläger vom 04.12.2006),
Anteile für 48.895,- DM für Herrn P am 03.07.1998 (Anlage wie vor),
Anteile für 42.000,- DM an Herrn N am 05.07.1998 (Anlage wie vor),
Anteile für 50.020,- DM an Eheleute B am 12.12.1998 (2 O 197/05).
Darüber hinaus hat das Landgericht Dortmund am 21.11.2006 über einen Sachverhalt entschieden, in denen E Anteile an der Beklagten von 65.065,- DM verkauft hatte (Bl. 207 ff, vorgelegt mit Ss. vom 26.01.2007).
Wenn Herr E diesen erheblichen Aktienbesitz gehabt haben sollte, den er im Jahre 1998 an verschiedene Personen verkauft haben soll, ist nicht verständlich, weshalb die Beklagte sich zur Person des Herrn E nicht äußert. Sie behauptet, sie habe mit Herrn E nichts zu tun gehabt. Allein der Umstand, dass er jedenfalls später ihr Vorstandsmitglied wurde, lässt aber auf eine Nähebeziehung zu ihm schließen.
Gegen ein von der Beklagten unabhängiges Eigengeschäft des Herrn E spricht auch, dass die Beklagte die Käufer der Anteile als ihre Aktionäre behandelt hat. Außerdem: Welchen Grund sollte Herr E gehabt haben, den Klägern Jahre nach dem Verkauf 4.459,- DM auszuhändigen€ In dem vom Landgericht Dortmund entschiedenen Fall hatte Herr E dem Käufer nach dessen Schilderung sogar nach einem Jahr 15.000,- DM ausgehändigt.
Die Rechtsauffassung der Kammer, wonach die Beklagte verpflichtet ist, sich zur Person des Herrn E zu erklären, verstößt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen das Verbot der Ausforschung und die Grundsätze der Darlegungslast einer Partei. Die darlegungspflichtige Partei trifft zwar primär die Behauptungslast. Bei Vorgängen, die außerhalb ihres Einflussbereiches liegen und über die sie keine nähere Kenntnis haben und auch nicht ermitteln kann, trifft aber die gegnerische Partei eine sekundäre Behauptungslast, wenn sie die Kenntnisse hat und nähere Angaben dazu zumutbar sind (Zöller/Greger, 26. Aufl. § 138 ZPO Rn. 8b). Die Kläger haben keinen Einblick in die Unternehmensstruktur der Beklagten. Sie hat auch keine Anstalten gemacht, in diesem oder anderen Rechtsstreiten den Anlegern Informationen zu geben. Die Beklagte kann hingegen ohne weiteres ermitteln, wie es dazu kam, dass E ihre Anteile übertragen hat. Der Hinweis der Beklagten, sie sei zur Geheimhaltung verpflichtet, trägt nicht. Woraus sollte sich eine solche Pflicht gegenüber dem eigenen Aktionär ergeben€
Die Kammer folgt insgesamt dem Vortrag der Kläger, einer Beweisaufnahme bedarf es mangels erheblichem Verteidigungsvorbringen nicht.
Das Prozessverhalten der Beklagten ist davon bestimmt, dass sie reflexartig die Behauptungen der Kläger bestreitet, anstatt ihrer Pflicht zum vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrag nachzukommen.
Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass Herr E Geld von den Klägern erhalten hat, und behauptet, eine Zahlung sei ihr nicht bekannt. Dieses Bestreiten ist unbeachtlich, weil es mit ihrem Verhalten in Widerspruch steht. Die Beklagte hat die Kläger nach dem 12.12.1998 als ihre Aktionäre angeschrieben, hat sie zu Jahreshauptversammlungen eingeladen bzw. darüber informiert. Ohne eine Beteiligung der Kläger an ihrem Vermögen hätte die Beklagte dies nicht getan.
Die Beklagte behauptet, sie habe mit der Z-Gruppe nichts zu tun. Es sei Zufall, dass sie den Namensbestandteil " Z " trage, viele Firmen in A trügen den Namen. Gegen einen Zufall und die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten spricht aber, dass andere Unternehmen wie die Z Holding C , die Z A J O Q ve U C und die Z Holding G R T ve U C die selbe Anschrift wie die Beklagte haben. Ebenso wie bei der Beklagten heißt deren Vorstandsvorsitzender V . Alle Unternehmen werden vor deutschen Gerichten durch den selben Prozessbevollmächtigten vertreten.
Die Beklagte bestreitet die Erklärungen des Herrn E mit Nichtwissen. Dies ist unbeachtlich. Wie dargelegt, muss sich die Beklagte die Erläuterungen ihres Vermittlers E als eigene zurechnen lassen. Insofern trifft die Beklagte eine Erkundigungspflicht, welche Äußerungen Herr E gegenüber Anlegern gemacht hat. Damit wird der Beklagten keine sekundäre Darlegungslast aufgebürdet, es wird ihr nur die Erfüllung der in § 138 ZPO normierten Pflicht zum vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrag abverlangt. Dieser Pflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Der Anspruch der Kläger aus §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 263 StGB ist nicht zu kürzen im Hinblick auf mögliche Steuervorteile. Die Kläger verlangen nur den investierten Betrag zurück, aber keine Gewinnanteile. Insoweit scheidet die Abschöpfung von (möglichen) Vorteilen aus.
Der Anspruch ist auch nicht zu kürzen wegen Mitverschuldens gemäß § 254 BGB. Die Beklagte sieht ein Mitverschulden der Kläger darin, dass sie die Erklärungen des Herrn E nicht hinterfragt haben. In der Tat erstaunt das vertrauensselige Verhalten der Kläger. Ihr Haftungsanteil tritt aber hinter das Verschulden der Beklagten zurück. Sie hat davon profitiert, dass die Kläger auf die Worte ihres vorsätzlich handelnden Landsmannes vertraut haben.
Die von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung greift nicht. Der Anspruch der Kläger ist nicht verjährt.
Es gilt gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB das seit dem 01.01.2002 geltende Verjährungsrecht, weil der Anspruch der Kläger bis zu dem Tag nicht verjährt war. § 852 BGB a.F. bestimmte eine dreijährige Verjährungsfrist, beginnend mit der Kenntnis von Schädiger und Schaden. Die Kläger wurden frühestens im Jahre 2002 misstrauisch, als sie auf ihre Aufforderung, ihnen Geld zu zahlen, unter Hinweis auf die derzeit schlechten Geschäfte vertröstet wurden. Ob diese Erklärung jedoch bereits ausreichend war, ihnen die Kenntnis von Schaden und Schädiger zu vermitteln, kann offen bleiben, weil es hierauf nicht ankommt.
Wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23.01.2007 (NJW 2007, 1584 ff.) klargestellt hat, ist der Fristbeginn für die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist in den Überleitungsfällen nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB zu berechnen. Die Verjährungsfrist begann frühestens mit dem Ablauf des 31.12.2002 und endete am 31.12.2005. Sie wurde gehemmt durch die am 27.12.2005 eingereichte Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Diese wurde zwar erst am 23.06.2006 zugestellt. Das ist aber gemäß § 167 ZPO unschädlich, weil der Zeitpunkt des Eintritts der Hemmung der Verjährung zurückbezogen wird auf die Tag der Klageeinreichung, denn die Zustellung erfolgte "demnächst" im Sinne der Vorschrift. Eine Rückbeziehung erfolgt, wenn der Kläger alles ihm Zumutbare für eine baldige Zustellung unternommen hat. Verzögerungen, die nicht von ihm verursacht worden sind, wirken sich nicht zu seinem Nachteil aus. Die Kläger haben rechtzeitig, nämlich innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung, den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt. Binnen gleicher Frist haben sie den Vorschuss für die Übersetzungskosten eingezahlt. Sie waren nicht verpflichtet, ohne gerichtliche Aufforderung Vorschuss zu leisten, um die Sache zu beschleunigen (vgl. BGH NJW 2003, 2380 f. zu einer Auslandszustellung). Alles weitere war ihren Einflussmöglichkeiten entzogen, die Veranlassung der Zustellung oblag dem Gericht.
Es kommt aber nur eine Verurteilung Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeichnungsscheines und Abtretung der damit verbundenen Rechte in Betracht. Darin liegt bei wirtschaftlicher Betrachtung allerdings kein Teilunterliegen der Kläger.
Der Verurteilung der Beklagten steht nicht entgegen, dass türkisches (wie deutsches) Recht die Rückgewähr von Einlagen untersagt. Der von den Klägern begehrte Schadensersatz in Form der Naturalrestitution führt zwar faktisch dazu, dass die Beklagte eigene Aktien zurückerhält. Dies ist aber hinzunehmen. Die Rückgewähr dient lediglich dazu, beim Schadensausgleich etwaige verbleibende Vorteile zu verhindern. Vorrangig geht es um Rückzahlung des Kaufpreises für die Anteile. Die Naturalrestitution hat Vorrang vor den der Kapitalerhaltung und Vermögensbindung dienenden Vorschriften wie § 57 AktG (vgl. BGH NJW 2005, 2450, 2452).
Die Zinsforderung der Kläger ist unbegründet, soweit die Kläger den ab dem 01.05.2000 geltenden gesetzlichen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.1998 begehren.
Zinsen schuldet die Beklagte nur aus Verzug gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB, dieser ist aber erst ab Rechtshängigkeit der Klage, d.h. ab dem 24.06.2006, eingetreten.
§ 849 BGB sieht eine Verzinsung im Falle einer unerlaubten Handlung zwar auch ohne Verzug vor. Die Vorschrift setzt aber die Entziehung einer Sache voraus. Sie ist zwar auch auf Geld anwendbar, nicht aber, wenn Geld freiwillig z.B. im Rahmen einer Investition, übergeben wird (OLG Karlsruhe VersR 2006, 836 ff.).
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 ZPO.
Streitwert: 10.236,06 €
LG Bonn:
Urteil v. 01.08.2007
Az: 2 O 591/05
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