Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Mai 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 125/00
(BPatG: Beschluss v. 16.05.2002, Az.: 25 W (pat) 125/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. April 2000 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 2 106 014 zurückgewiesen worden ist.
Die Löschung der angegriffenen Marke 395 37 607 im Markenregister wird angeordnet.
G r ü n d e:
I.
Die Bezeichnung Aminocellist am 15. Januar 1996 für
"Arzneimittel; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke hauptsächlich bestehend aus Vitaminen, Eiweiß und Aminosäuren "
eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke erfolgte am 20. April 1996.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 22. September 1999 für
"Biologische und chemische Mittel zur Gesundheitspflege, nämlich Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel; alle vorgenannten Waren ausschließlich zur oralen Aufnahme"
eingetragenen Marke 2 106 014 AMINORELL.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 18. April 2000 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.
Die Markenstelle geht in ihrem Beschluss von einer möglichen Warenidentität und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Da die Waren jedoch wegen des Einflusses auf die Gesundheit mit einer gewissen Sorgfalt erworben würden, dürften an den zu fordernden Warenabstand keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Der erforderliche Markenabstand werde eingehalten. Es sei zu beachten, dass der Verkehr sein Augenmerk bei der angegriffenen Marke auf die Marke insgesamt richte und nicht auf einen der Bestandteile, da "Amino" ein beschreibender Hinweis auf Aminosäuren sei und "cell" für Zelle stehe. Der klangliche Unterschied zwischen den Marken werde auffallen. Der klangliche Unterschied zwischen dem klangstarken Spreng- und Zischlaut "c" und dem klangschwachen Konsonanten "r" verhindere eine Verwechslungsgefahr. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit sei auf Grund der unterschiedlichen Umrisscharakteristik von "c" und "R" zu verneinen. Eine handschriftliche Wiedergabe, die etwas verwechslungsträchtiger sein könne, spiele heutzutage nahezu keine Rolle mehr.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag,
- den angefochtenen Beschluss aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke 395 37 607.6/5 Aminocell und der Widerspruchsmarke 2 106 014 AMINORELL zu bejahen und die Löschung der Marke 395 37 607.6/5 anzuordnen,
- hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Es bestehe eine teilweise Übereinstimmung der Waren bzw. enge Warenähnlichkeit. Die Widerspruchsmarke genieße zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft. In der Gesamtheit seien die Marken "AMINOCELL" und "AMINORELL" sowohl klanglich als auch schriftbildlich so ähnlich, dass eine hochgradige Verwechslungsgefahr bestehe, da sie sich lediglich in den Buchstaben "C" und "R" unterschieden. Der Verkehr werde die Marken so auffassen, wie sie ihm entgegen treten und inhaltlich nicht hinterfragen. Der gemeinsame Bestandteil Amino dürfe nicht unberücksichtigt bleiben.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und beantragt sinngemäß, eine Entscheidung nach Lage der Akten zu treffen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats besteht wegen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und der Ähnlichkeit der jeweiligen Waren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass auf den nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobenen Widerspruch aus der Marke Nr. 2 106 014 die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen war.
Die sich gegenüberstehenden Waren liegen in einem engen, zumindest aber mittleren Ähnlichkeitsbereich.
Die nichtmedizinischen Nahrungsergänzungsmittel der angegriffenen Marke und die Nahrungsergänzungsmittel zur Gesundheitspflege der Widerspruchsmarke können weitgehend die selben Inhaltsstoffe haben und sich auch im äußeren Erscheinungsbild gleichen. Bei vermeintlich identischer Kennzeichnung wird der Verkehr daher annehmen, sie stammten vom gleichen Hersteller. Allein der beabsichtigte Verwendungszweck, nämlich dass die Nahrungsergänzungsmittel der angegriffenen Marke einen nichtmedizinischen Zweck haben, führt - wenn überhaupt - jedenfalls nicht zu einem entscheidungserheblichen Warenabstand, da die gleichen Stoffe (Vitamine, Eiweiß und Aminosäuren) auch zur Gesundheitspflege eingesetzt werden können. Ebenso besteht zwischen den Waren der Widerspruchsmarke und den Arzneimitteln der angegriffenen Marke eine erhebliche Ähnlichkeit, da hier ebenfalls in Zusammensetzung und Abgabeform Übereinstimmungen vorliegen können und beide Warengruppen dem Gesundheitsbereich angehören.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke (in ihrer Gesamtheit) aus, da Anhaltspunkte, die in eine andere Richtung weisen, nicht ersichtlich sind.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände, insbesondere der Warenlage, der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch Laien gehören, und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind die an den Markenabstand zur Vermeidung der Kollisionsgefahr zu stellenden Anforderungen hier nicht mehr erfüllt. Die Marken sind nach Auffassung des Senats im Gesamteindruck, bei dem auch der gemeinsame Bestandteil "Amino" trotz seines beschreibenden Gehalts nicht völlig unberücksichtigt bleiben kann, so stark angenähert, dass eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht gewährleistet und die Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen ist.
Der für die Beurteilung insoweit maßgebliche klangliche Gesamteindruck wird dadurch verwechselbar ähnlich gestaltet, dass die Marken "Aminocell" und "AMINORELL" bei gleicher Sprechsilbenzahl und gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus bis auf den Anfangskonsonanten der jeweils vierten Silbe ("c" bzw. "r") identisch übereinstimmen. Sie haben damit einen ohnehin regelmäßig besonders beachteten gemeinsamen Wortanfang (vgl. BGH GRUR 1999, 735, 736 "MONOFLAM/POLYFLAM"; GRUR 1995, 50 "Indorektal/Indohexal") sowie einen identischen Wortausklang.
Angesichts dieser weit überwiegenden Gemeinsamkeiten vermag der isoliert betrachtet durchaus deutliche Klangunterschied zwischen den Konsonanten "c" bzw. "r" der jeweils vierten Sprechsilben das Gesamtklangbild der Marken nicht hinreichend anders zu gestalten. Denn auch wenn beide Wörter üblicherweise auf den vierten Silben betont werden, tritt dieser Unterschied im regelmäßig weniger auffälligen Wortinneren nicht derart deutlich hervor, dass sich daraus bereits ein nicht verwechselbarer Gesamteindruck ergäbe. Berücksichtigt man schließlich, dass sich die Markenwörter regelmäßig nicht gleichzeitig gegenübertreten, so dass sich die Verkehrsauffassung meist nur aufgrund eines eher undeutlichen Erinnerungseindrucks bildet, kann eine klangliche Verwechslungsgefahr unter den hier vorliegenden Gesamtumständen nicht verneint werden.
Im Schriftbild kommen sich die Marken besonders deutlich verwechselbar nahe. Die angegriffene Marke ist der Widerspruchsmarke so stark angenähert, dass der figürliche Unterschied zwischen den einzigen abweichenden Buchstaben "c" bzw. "r" im Wortinneren die Unterscheidbarkeit der Wörter nicht gewährleistet. Bei der Widerspruchsmarke ist nicht nur die Schreibweise in Versalien zu berücksichtigen, da auch eine Schreibweise wie "Aminorell" eine verkehrsübliche Wiedergabeform ist. Bei einer solchen Wiedergabe sind die Zeichen auch im Umrissbild identisch, da weder "c" noch "r" eine Unter- oder Oberlänge haben.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle, soweit der Widerspruchs aus der Marke 2 106 014 zurückgewiesen worden ist, auf die Beschwerde der Widersprechenden aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.
Kliems Brandt Bayer Ju
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Beschluss v. 16.05.2002
Az: 25 W (pat) 125/00
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