Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 4. April 2002
Aktenzeichen: 14 S 2326/01
(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 04.04.2002, Az.: 14 S 2326/01)
Für die Streitwertfestsetzung und die hieran anknüpfende Erhebung der Gerichtsgebühren ist in den bei Inkrafttreten des KostREuroUG bereits anhängigen (Rechtsmittel-)Verfahren die bis dahin geltende Fassung des Gerichtskostengesetzes maßgeblich.
Gründe
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, hier anwendbar in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.11.1996, BGBl. I S. 1626, vgl. Art. 1 Nr. 28 und Art. 7 d. G. vom 20.12.2001, BGBl. I, 3987), auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf einen Verfahrensmangel in Form eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gestützten Anträge der Kläger auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Antragsschrift die Frage auf, ob "für den Fall der Gewerbeuntersagung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides oder aber auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgehoben werden müsse". Mit dieser Fragestellung wird indessen die angestrebte Berufung nicht eröffnet, weil insoweit kein Klärungsbedarf - mehr - besteht. In der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.2.1982, GewArch 1982, 232; seitdem st. Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.4.1997, GewArch 1999, 72) ist geklärt, dass bei der im Gewerbeuntersagungsverfahren gebotenen Prognoseentscheidung über ein künftig ordnungsgemäßes Verhalten des Gewerbetreibenden allein auf die Situation im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen ist. Treten, wie es die Kläger vorliegend für sich in Anspruch nehmen, nachträgliche Umstände auf, die eine für den Gewerbetreibenden günstigere Beurteilung ermöglicht hätten, können diese demgemäss nur in einem späteren Verfahren auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung gemäß § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden. Dass, wie die Kläger in der Antragsschrift vortragen, in ihrem Fall zwischen dem Erlass des Widerspruchsbescheids und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung ganz erhebliche Veränderungen eingetreten seien, gibt dem Senat für sich genommen keine Veranlassung, diese Problematik im angestrebten Berufungsverfahren erneut zu erörtern.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 31.10.2000 - 14 S 1211/00 -) im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.6.2000 (VBlBW 2000, 392) jedenfalls dann gegeben, wenn ein die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung in der Antragsschrift mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Dies ist indessen vorliegend nicht der Fall.
Zur Begründung dieses Zulassungsgrunds hebt die Antragsschrift darauf ab, dass das Verwaltungsgericht bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme verschiedene Gesichtspunkte außer Acht gelassen habe. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass die Kläger - abgesehen von den Säumniszuschlägen - alle öffentlich-rechtlichen Forderungen beglichen hätten und demgemäss zum jetzigen Zeitpunkt ein Anspruch auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung bestehe. Auch komme im Fall des Klägers Ziff. 2 die Gewerbeuntersagung in ihren praktischen Auswirkungen einem Berufsverbot gleich, obwohl er aufgrund seines bereits höheren Alters (über 60 Jahre) das Einkommen für sich und seine Familie allein mit einer selbstständigen Tätigkeit absichern könne und allein hierdurch auch eine weitere Zurückführung der noch offenen Steuerforderungen (Säumniszuschläge) ermöglicht werde. Mit diesen Ausführungen wird jedoch nicht dargetan, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verkannt habe. Von einem gegen den Kläger Ziff. 2 ausgesprochenen "Berufsverbot" kann vorliegend schon deshalb keine Rede sein, weil § 35 Abs. 6 GewO, wie schon erwähnt, bei Wegfall der die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden begründenden Umstände ausdrücklich einen Anspruch auf Wiedergestattung des Gewerbes vorsieht. Dass der Kläger Ziff. 2 als Folge der angefochtenen Gewerbeuntersagungsverfügung bis dahin an einer Fortsetzung seiner bisherigen Tätigkeit gehindert ist, ist rechtlich unbedenklich. Denn nach dem Schutzzweck des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO kommt dem öffentlichen Interesse an der Redlichkeit des Wirtschaftsverkehrs Vorrang vor dem Interesse eines Betroffenen zu, durch Ausübung eines Gewerbes seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.1982, GewArch 1982, 303, 304; Beschluss vom 25.3.1991, DÖV 1991, 651) ist geklärt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Gewerbeuntersagungsverfügung allenfalls in extremen Ausnahmefällen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 GG widerspricht. Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) enthält zwar auch die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung, auszuüben (vgl. BVerfGE 21, 261, 266; BVerfGE 50, 290, 362). Eine bei Vorliegen der Voraussetzungen ausgesprochene Gewerbeuntersagung ist jedoch grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig. Da die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO an die (mangelnde) Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden und damit an die subjektive Zulassungsschranke "Zuverlässigkeit" (vgl. hierzu Model-Müller, GG, Art. 12 RdNr. 13) anknüpft, ist ein in dieser Form erfolgter Eingriff in das Grundrecht bereits dann zulässig, wenn er zu dem angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis steht. Hiervon ist indessen regelmäßig auszugehen. Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt in seiner Rechtsprechung (Beschluss vom 25.3.1985, BVerfGE 69, 232, 244), dass im Falle grober Verstöße gegen berufsrechtliche Verpflichtungen eine derartige Einschränkung der Berufsfreiheit in Betracht kommt. Auch unter Berücksichtigung der Einwendungen in der Antragsschrift ist deshalb nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht bei seiner die Untersagungsverfügung bestätigenden Entscheidung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verkannt oder unzureichend berücksichtigt habe.
Soweit die Antragsschrift darüber hinaus (unter 2.) im angefochtenen Urteil nicht hinreichend berücksichtigt sieht, dass die ursprüngliche Steuerforderung (in Höhe von 144.000,-- DM) nur auf vorläufigen Schätzungen des Finanzamts beruht habe, die auch nur deshalb notwendig gewesen seien, weil die für die Abgabe der Steuererklärungen notwendigen Unterlagen zum damaligen Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt gewesen seien, wird schon nicht deutlich, auf welchen Zulassungsgrund im Sinn des § 124 Abs. 2 VwGO hiermit abgestellt wird. Es kann jedoch offen bleiben, ob die Zulassungsanträge damit bereits deshalb - wegen eines Verstoßes gegen das Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO a.F.) - unzulässig sind. Denn selbst wenn man diese Einwände der Kläger als die Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes im Sinne einer Gehörsrüge (§ 124 Abs. 2 Ziff. 5 VwGO) deutete, hätten deren Zulassungsanträge insoweit keinen Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht ist zwar grundsätzlich verpflichtet, einen von den Beteiligten vorgetragenen entscheidungserheblichen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.7.1997, NVwZ-Beilage 1/1998, S. 1; BVerwG, Beschluss vom 25.11.1999, Buchholz 310, § 138 Ziff. 3 VwGO, Nr. 64; Beschluss vom 15.10.2001, NVwZ-RR 2002, 150). Der Umstand, dass die in der Antragsschrift genannten Gesichtspunkte im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich angesprochen und erörtert sind, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Gericht diese nicht in seine Erwägungen einbezogen hatte. Nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, auf die in diesem Zusammenhang abzustellen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.10.2001, a.a.O.; Beschluss vom 25.11.1999, a.a.O.), kam es nämlich hierauf nicht an. Das Verwaltungsgericht geht insoweit erkennbar von der Annahme aus, dass ein Gewerbetreibender im Rahmen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung verpflichtet ist, vollziehbaren Steuerforderungen - bis zum Erfolg eines hiergegen eingelegten Rechtsmittels - nachzukommen. Das Verwaltungsgericht sah demnach den Vorwurf der Unzuverlässigkeit der Kläger bereits aufgrund der bestehenden und nicht rechtzeitig erfüllten Steuerforderungen als begründet an, ohne sich - in Konsequenz seiner rechtlichen Ausgangslage - näher mit den Gründen für die Höhe der Steuerschuld zu befassen. Geht man, wie es rechtlich geboten ist, von der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts aus, waren die in der Antragsschrift angesprochenen Gesichtspunkte (überhöhte Steuerschuld aufgrund der Schätzungen, kein schuldhafter Verstoß gegen die Erklärungspflichten) für die rechtliche Würdigung des Vorgangs jedenfalls nur von untergeordneter Bedeutung. Das Außerachtlassen dieser Gesichtspunkte in den Entscheidungsgründen stellt sich damit nicht als Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar.
Auch sonst greift die von den Klägern erhobene Rüge eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht durch.
Einen - insoweit ausdrücklich geltend gemachten - Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs sehen die Kläger darin begründet, dass das Verwaltungsgericht sein Urteil bereits vor Ablauf einer in der mündlichen Verhandlung den Beteiligten eingeräumten Äußerungsfrist verkündet habe, mit der Folge, dass eine den Klägern günstige Aussage der Beklagten in deren nachgereichtem Schriftsatz vom 4.9.2001 bei der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden habe. Insoweit ist das Vorbringen der Kläger in der Aussage missverständlich. Denn das Urteil des Gerichts wurde vorliegend nicht verkündet, sondern entsprechend einem ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 29.8.2001 gefassten Beschluss durch Zustellung erlassen. Wird - wie hier - statt der Verkündung die Zustellung eines aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenen Urteils beschlossen, wird das Urteil nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 12.3.1999 - A 14 S 1361/97 -, VBlBW 1999, 262) mit der Übergabe des Urteils bzw. des Tenors der Entscheidung (§ 117 Abs. 4 VwGO) an die Geschäftsstelle wirksam und für das Gericht bindend. Dieser Vorgang ist grundsätzlich förmlich zu beurkunden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.8.1973, NJW 1974, 1399). Der Einwand der Kläger über eine vorzeitige Verkündung des Urteils ist deshalb sachgerecht dahin zu verstehen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits vor Ablauf der beiden Beteiligten eingeräumten Schriftsatzfrist von sieben Tagen ab der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zugeleitet worden sei. Hierbei gehen die Kläger zutreffend davon aus, dass insoweit eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs in Betracht kommt. Räumt nämlich das Gericht einem der Verfahrensbeteiligten eine Frist zur Äußerung ein, verletzt es grundsätzlich dessen Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es die selbst gesetzte Äußerungsfrist nicht abwartet und vor deren Ablauf entscheidet (BVerwG, Urteil vom 10.3.2000 - 9 C 40.99 -, Buchholz 310, § 139 Abs. 3 VwGO Nr. 7; Beschluss vom 14.2.1996, Buchholz 310, § 138 Ziff. 3 Nr. 43). Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn feststeht, dass der betroffene Beteiligte die Äußerungsfrist versäumt hat, ohne durch das Gericht von einer Äußerung abgehalten worden zu sein (BVerwG, Beschluss vom 14.2.1996, a.a.O.). So liegt der Sachverhalt hier indessen nicht, weil beide Beteiligte innerhalb der Schriftsatzfrist dem Gericht Schriftsätze nachgereicht hatten. Fraglich könnte allerdings sein, ob eine Verletzung des rechtlichen Gehörs eines Verfahrensbeteiligten auch dann zu bejahen ist, wenn das Gericht ein dem Verfahrensgegner eingeräumtes Schriftsatzrecht missachtet hat, etwa deshalb, weil - wie auch die Kläger geltend machen - im nachgereichten, wegen der Verletzung des Schriftsatzrechtes aber unbeachtet gebliebenen Schriftsatz des Verfahrensgegners eine für den Verfahrensbeteiligten günstige Aussage enthalten war, die nunmehr aber bei der Entscheidung unberücksichtigt blieb. Ein Fall dieser Art liegt hier insoweit vor, als die Kläger als nachteilige Folge des Gehörsverstoßes gerade den Umstand hervorheben, dass die im nachgereichten Schriftsatz der Gegenseite enthaltene Bestätigung ihres eigenen früheren Sachvortrags in der Entscheidung des Gerichts unberücksichtigt geblieben sei. Ob die Missachtung eines Äußerungsrechts auch in einem Fall dieser Art als Gehörsverstoß gerügt werden kann, bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Denn die geltend gemachte Gehörsrüge hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil nicht dem Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO a.F.) entsprechend aufgezeigt wird, dass überhaupt vor Ablauf der Äußerungsfrist entschieden wurde. Hierfür fehlt es schon in tatsächlicher Hinsicht an hinreichenden Anhaltspunkten.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts selbst enthält in seinem Rubrum nur einen Hinweis auf die der Entscheidung zugrunde liegende mündliche Verhandlung, jedoch weder eine zeitliche Aussage über den Zeitpunkt der Beschlussfassung (zur Beweiskraft dieser Angabe vgl. Beschluss des Senats vom 31.1.2002 - A 14 S 1253/00 -) noch einen Vermerk der Geschäftsstelle über den Zeitpunkt des Eingangs der Entscheidung bei dieser. Aus der Zustellungsverfügung des Geschäftsstellenbeamten vom 6.9.2001 ergibt sich allein, dass das Urteil spätestens zu diesem Zeitpunkt der Geschäftsstelle vorlag. Ein Anhaltspunkt dafür, dass das Urteil bereits vor Ablauf der am 5.9.2001 endenden Äußerungsfrist der Geschäftsstelle zugeleitet - und damit für das Gericht bindend - geworden ist, besteht insoweit nicht. Auch die Paginierung der Gerichtsakte und die Reihenfolge der Einheftung der Vorgänge in die Gerichtsakte gibt entgegen der Ansicht der Kläger ebenfalls keinen Anhaltspunkt für eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts vor Ablauf der gerichtlich gesetzten Äußerungsfrist. Denn da - abgesehen vom eigenen Schriftsatz der Kläger vom 5.9.2001 - nahezu alle nach der mündlichen Verhandlung bis zum 5.9.2001 eingegangenen Schriftsätze der Beteiligten noch vor dem Urteil des Verwaltungsgerichts - und der sich unmittelbar anschließenden Verfügung der Geschäftsstelle vom 6.9.2001 - in die Gerichtsakte eingeheftet sind und darüber hinaus auch eine niedrigere Seitenzahl als das Urteil aufweisen, gibt auch der Inhalt der Gerichtsakte und die darin vorgenommene Paginierung keinerlei Bestätigung für die behauptete vorzeitige Entscheidung vor Ablauf der Äußerungsfrist am 5.9.2001. Der insoweit behauptete Gehörsverstoß ist damit nicht dem Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO a.F.) entsprechend aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO und entspricht hinsichtlich der Quotelung der unterschiedlichen Bedeutung der jeweiligen Beteiligung am Rechtsstreit.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes, wobei die Festsetzung - unter Umrechnung des festgesetzten Betrags in Euro - hinsichtlich beider Rechtszüge auf der Grundlage der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1975, BGBl. I, 3047 - GKG a.F. - vorzunehmen ist.
Diese Feststellung ergibt sich bezüglich des erstinstanzlichen Verfahrens aus dessen Abschluss noch vor Inkrafttreten der Neufassung des GKG am 01.01.2002 aufgrund des Euro-Kostenrechtsumstellungsgesetzes vom 27.4.2001 (BGBl. I, S. 751 - KostREuroUG -), gilt aber in gleicher Weise auch für das vor diesem Zeitpunkt bereits beim Senat anhängig gewordene Berufungszulassungsverfahren. Das KostREuroUG enthält in Art. 10 keine Regelung über seine Anwendbarkeit auf die bei seinem Inkrafttreten bereits anhängigen Verfahren bzw. eingelegten Rechtsmittel. Die - je nach Wertstufe des einzelnen Verfahrens - nicht unerheblichen Auswirkungen dieses Gesetzes auf das Kosten- und Gebührenrecht nötigen jedoch dazu, nach den in den betroffenen Gesetzen vorgesehenen Übergangsvorschriften (z.B. § 73 GKG, § 161 KostO, § 134 BRAGO) zu verfahren (so auch Heitland, Euroumstellungen im Kostenrecht, NJW 2001, 2305, 2306), mithin vorliegend bei der Bestimmung des Streitwerts im Berufungszulassungsverfahren § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG anzuwenden (a.A. insoweit VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7.1.2002 - 13 S 2155/01 -, VBlBW 2002, 81). Das KostREuroUG stellt sich insoweit als Gesetzesänderung im Sinne dieser Bestimmung dar, so dass vorliegend bei der Streitwertbemessung - und der hieran anknüpfenden Gebührenerhebung (vgl. § 11 Abs. 2 GKG und Anlage 2 zum GKG) - die bis zum 31.12.2001 geltende Rechtslage zugrunde zu legen ist. Denn das mit dem KostREuroUG bei der Umstellung des Gebührenrechts von DM auf Euro verfolgte Ziel, die Eurobeträge nicht mehr als unbedingt nötig von dem früheren DM-Wert abweichen zu lassen (so die Begründung der Bundesregierung vom 9.10.2000, BT-Drs. 14/4222, S. 1 und 26), wurde vom Gesetzgeber nur partiell verwirklicht und insgesamt der Erwägung untergeordnet, das Gesamtaufkommen an Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren aufkommensneutral zu gestalten. Bei der Ermittlung der den jeweiligen Wertstufen zugeordneten Gebührensätze wurde deshalb auch die - allerdings nur anhand der zivilrechtlichen Verfahren ermittelte - Häufigkeitszahl der einzelnen Wertstufen (vgl. hierzu BT-Drs., a.a.O., S. 27, 31) berücksichtigt. Dass sich im Ergebnis bei Verfahren mit bestimmen Wertstufen erhebliche Abweichungen in der Gebührenhöhe gegenüber dem früheren Recht ergeben können, war dem Gesetzgeber bewusst und wird in den Gesetzesmotiven eigens hervorgehoben ("dass in einem konkreten Fall bei einem ganz bestimmten Wert erheblich höhere Gebühren entstehen oder die Gebühren erheblich sinken", BT-Drs. a.a.O., S. 27/31).
Ein Vergleich der Gerichtsgebühren nach den bisherigen und den neuen Gebührensätzen unter Einbeziehung der Auswirkungen der Neuregelung auf die Rechtsanwaltsgebühren (vgl. hierzu §§ 8 Abs. 1, 9 BRAGO) ergibt danach Abweichungen teils im Bagatellbereich, bei höheren Streitwerten - wie hier - aber auch von erheblichem Gewicht. Nimmt man als Vergleichsgröße im Anschluss an die Umstellung des Auffangwerts in § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG den halbierten DM-Betrag in Euro, liegt die Abweichung der Gerichtsgebühren im Verfahren mit einem Streitwert von 30.000,-- DM im Bagatellbereich von ca. 1,-- Euro/2,-- DM (Gerichtsgebühren 473,32 DM statt 475,-- DM, Rechtsanwaltsgebühr 1.107,-- DM statt 1.105,-- DM). Anders liegt der Fall jedoch etwa bei einem Verfahren mit einem Streitwert von 50.000,-- DM - wie etwa hier -. Hier beträgt die Verminderung der Gerichtsgebühr ca. 47,-- DM (608,26 DM statt 655,-- DM), die der Rechtsanwaltsgebühr ca. 83,-- DM (1.341,69 DM statt 1.425,-- DM). In Verfahren mit einem Streitwert von 100.000,-- DM vermindert sich die Gerichtsgebühr um 63,14 DM, die Rechtsanwaltsgebühr um ca. 79,-- DM (2.045,80 DM statt 2.125,-- DM). Bei höheren Streitwerten, etwa bei 200.000,-- DM, treten die Abweichungen noch deutlicher hervor.
Die sich aus diesen Abweichungen ergebende Problematik wird auch nicht dadurch beseitigt, dass als Vergleichsgröße in Euro nicht der jeweils halbierte DM-Betrag, sondern der echte Umrechnungskurs des angenommenen Streitwerts zugrunde gelegt wird. In diesem Fall ergibt sich bei einem Streitwert von 50.000,-- DM eine um 10,-- DM erhöhte Gerichtsgebühr (664,98 DM statt 655,-- DM) und eine um 57,-- DM erhöhte Rechtsanwaltsgebühr. Bei einem Streitwert von 100.000,-- DM wächst die Gerichtsgebühr um 132,-- DM, die Rechtsanwaltsgebühr um 71,-- DM an. Während die Änderung der Höhe der Gerichtsgebühr außerhalb des Bagatellbereichs im Verlauf eines anhängigen Verfahrens allenfalls bei einer Erhöhung, nicht aber bei einer Verminderung rechtliche Probleme aufwerfen dürfte, ist die nachträgliche Änderung einer Rechtsanwaltsgebühr in einem anhängigen Verfahren im Hinblick auf die Erstattungspflicht des Gegners (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die (zivilrechtliche) Haftung des Mandanten für angefallene Gebühren in der im Zeitpunkt der Entstehung maßgeblichen Höhe wegen der unterschiedlichen Interessenlage ein komplexer Vorgang, der sowohl im Falle der Erhöhung als auch der Absenkung rechtlichen Bedenken (Art. 14 GG) begegnet. Dies ist auch bei Auslegung des KostREuroUG und der Frage seiner Anwendbarkeit auf anhängige Verfahren zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die teils erheblichen Abweichungen in den Gebührensätzen ist deshalb im Ergebnis davon auszugehen, dass es sich bei Erlass dieses Gesetzes um eine Gesetzesänderung im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 1 GKG handelt. Nicht nur auf das erstinstanzliche, sondern auch auf das vorliegende, bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits anhängige Berufungszulassungsverfahren findet die Neuregelung des GKG und der ihm beigefügten Anlage 2 danach keine Anwendung.
Nach §§ 13 Abs. 1, 14 GKG war der Streitwert der Gewerbeuntersagung mit 20.000,-- DM, der für die Maßnahme nach § 35 Abs. 7a GewO und für die erweiterten Gewerbeuntersagungen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO mit jeweils 10.000,-- DM zu bemessen (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 11.3.1994 - 14 S 2886/93 -). Der Senat hat demgemäß auch den Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG von Amts wegen geändert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 04.04.2002
Az: 14 S 2326/01
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