Landgericht Mannheim:
Urteil vom 8. Mai 2015
Aktenzeichen: 7 O 166/13

(LG Mannheim: Urteil v. 08.05.2015, Az.: 7 O 166/13)

Hat ein Fernsehsender Nutzungsrechte an dem von einem Dritten produzierten Basissignal (hier: betreffend die Live-Berichterstattung über Fussballspiele) nur bezogen auf die Übertragungswege Kabel und Satellit sowie terrestrische Verbreitung, nicht aber für die Übertragung über IPTV, WEB-TV und Mobilfunk erhalten, so steht ihm nicht das Recht zu, die öffentliche Wahrnehmbarmachung des über IPTV übertragenen Basissignals in Gaststätten zu verbieten.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt einen Pay-TV-Sender. Auf dem Programm €[€] Sport€ überträgt sie Sport- und Fußballsendungen, darunter Live-Spiele der deutschen Fußball-Bundesliga. Die Live-Übertragungen basieren auf dem Basissignal der [A.]. Die Klägerin fügt dem im Rahmen ihrer Sendungen Live-Kommentare und weitere multimedial und redaktionell gestaltete Zusatzelemente hinzu und veranstaltet eine Vor-, Halbzeit- und Nachberichterstattung. Sie hat nach ihrer Behauptung von der [A.] das ausschließliche Recht erhalten, das Basissignal in Gaststätten öffentlich wiederzugeben. Die Klägerin vergibt Abonnementverträge an Gaststätten, wobei sich das Nutzungsentgelt nach der vereinbarten Nutzungsdauer und der Größe der Gasträume richtet. Die Mindestlaufzeit der von der Klägerin angebotenen Abonnementverträge beträgt zwölf Monate.

Die Beklagte hat in der [€]straße [€] in [€] die Gaststätte €[€]€ betrieben. Sie hat dort am 17. September 2011 um 18:13 Uhr in Anwesenheit zweier Gäste mittels eines Fernsehers die Vorberichterstattung der ersten Fußball-Bundesliga des Internet-Fernsehsenders €[€]€ öffentlich wahrnehmbar gemacht. Die Ausstrahlung der Sendung erfolgte über IPTV auf der Grundlage des [B.]-Internetangebots €[€]€. Die Beklagte hat keinen Abonnementvertrag für Gaststätten bei der Klägerin abgeschlossen.

Die Klägerin sieht in der Ausstrahlung der Sendung eine Verletzung ihrer Urheberrechte und nimmt die Beklagte auf Schadensersatz, Auskunft, Feststellung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. der Internet-Fernsehsender €[€]€ basiere, ebenso wie die Fußballendungen der Klägerin, auf dem von der [A.] zur Verfügung gestellten Basissignal, an dem die Klägerin ausschließliche Rechte habe. Auf die Technik und den Übertragungsweg komme es insoweit nicht an. Insbesondere sei sie alleinige Inhaberin des €Gaststättenrechts€. Sie beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.268,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche konkrete Größe in Quadratmeter der Gastraum in der Betriebsstätte in [€] [€], [€] straße [€], hat und an welchen konkreten Tagen die Beklagte Live-Fußballsendungen der deutschen Fußball Bundesliga über den Sender [€] ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich wahrnehmbar gemacht hat.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist, dass die Beklagte Live-Fußballsendungen der deutschen Fußball Bundesliga über den Sender [€] ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich wahrnehmbar gemacht hat, und der nach abschließender Berechnung des auf der Grundlage der von der Beklagten nach Maßgabe des Antrags zu Ziffer 3 erteilten Auskünfte zu berechnenden Lizenzschadens über den Betrag hinausgeht, den die Klägerin mit dem Klageantrag Ziffer 1 als Mindestschaden geltend gemacht hat.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.005,40 EUR zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 14,00 EUR für die außergerichtlichen Aufwendungen für die Auskunft beim Gewerbeamt zu zahlen.

Die Beklagte ist im Verhandlungstermin vom 6. März 2015 säumig geblieben. Die Klägerin hat daraufhin beantragt, durch Versäumnisurteil zu erkennen.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Klägervorbringens wird auf die aktenkundigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten urheberrechtlichen Schadensersatz- und Folgeansprüche (§ 97 UrhG i.V. mit § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 4 UrhG) auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens nicht zu. Dies führt zur Abweisung der Klage trotz Säumnis der Beklagten (Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., Rn. 11 vor § 330).

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annimmt, dass die Beklagte im Rahmen der Vorberichterstattung der ersten Fußball-Bundesliga das Basissignal der [A.] über das IPTV-Signal des €[€]€-Angebots der [B.] in ihrer Gaststätte öffentlich ausgestrahlt hat, hat sie dadurch keine ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin verletzt.

Die Klägerin hat auch auf entsprechenden Hinweis des Gerichts vom 2. Februar 2015 (Bl. 28) nicht schlüssig darzulegen vermocht, dass sie ausschließliche Nutzungsrechte an dem von der [A.] produzierten Basissignal € dessen urheberrechtliche Schutzfähigkeit unterstellt € für die Übertragung über IPTV erworben hat. Aus dem von der Klägerin hierfür in Anspruch genommenen Urteil des Landgerichts Köln vom 10. November 2011 (Anlage K 7) ergibt sich dies nicht. Im Gegenteil wird dort auf Seite 2 unten in erster Linie festgestellt, dass die Klägerin Exklusivrechte für die Übertragung nur per Kabel und Satellit erworben hat. Bei der im Anschluss daran getroffenen Aussage, die €Gaststättenrechte, d.h. die Berechtigung, Unterlizenzen zur öffentlichen Wiedergabe der Übertragungen in Gaststätten einzuräumen€, gälten €für alle Übertragungswege€ (Seite 2/3), die die Klägerin offenbar zum Gegenstand ihres Vortrags machen will, handelt es sich lediglich um eine Rechtsbehauptung, die der Geständnisfiktion (§ 331 Abs. 1 ZPO) nicht zugänglich ist. Diese Rechtsbehauptung ist substanzlos und unschlüssig, denn eine €Unterlizenz€ kann im Allgemeinen nur im Umfang der Hauptlizenz erteilt werden, dem Lizenzgeber aber keine weitergehenden Rechte verschaffen. Ob der Umfang der Gaststättenrechte im Verfahren vor dem Landgericht Köln, wie die Klägerin geltend macht, unstreitig gestellt war, bedarf hier keiner näheren Betrachtung, weil dieses Urteil nicht zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ergangen ist.

Dass die Klägerin u.a. für die betreffende Spielzeit Rechte nur für die Übertragung per Kabel und Satellit erworben hatte, deckt sich im Übrigen mit den Erkenntnissen der Kammer aus dem Verfahren 7 O 270/12 ([Klägerin] ./. [Z.]). Dort ist der Kammer durch die vorgelegten Ausschreibungsunterlagen bekannt geworden (§ 291 ZPO), dass die Klägerin ausschließliche Nutzungsrechte an dem von der [A.] produzierten Basissignal nur bezogen auf die Übertragungswege Kabel und Satellit sowie möglicherweise terrestrische Verbreitung, nicht aber für die Übertragung über IPTV, WEB-TV und Mobilfunk erhalten hat. Eine solche Beschränkung der Übertragung von Nutzungsrechten ist dinglich wirksam (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 31 Rn. 29, 46).

Auf dieser Grundlage steht der Klägerin nicht das Recht zu, die öffentliche Wahrnehmbarmachung des über IPTV übertragenen Basissignals in Gaststätten zu verbieten. Eine solche Übertragung greift nicht in das der Klägerin von der [A.] eingeräumte ausschließliche Nutzungsrecht ein. Die Klägerin selbst wäre nicht berechtigt, das [A.]-Basissignal über IPTV zu verbreiten, weder in Gaststätten noch sonst. Daraus ergibt sich, dass sie Dritten die Übertragung auf diesem Wege nicht untersagen kann. Denn das Verbotsrecht besteht nur in den Grenzen der dem Nutzungsberechtigten eingeräumten Ausschließlichkeitsrechte (§ 31 Abs. 3 UrhG); die Aktivlegitimation im Verletzungsprozess reicht nur so weit wie die räumlichen, sachlichen und zeitlichen Nutzungsbefugnisse (Dreier in Dreier/Schulze, aaO, § 97 Rn. 19).

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die [B.] nach dem Vortrag der Klägerin nicht das Recht erworben hat, IPTV-[€]sendungen in Gaststätten vorzuführen. Daraus folgt nur, dass die Rechte insoweit bei der [A.] verblieben sind, die daher auch für die Verfolgung etwa eingetretener oder drohender Rechtsverletzungen aktivlegitimiert ist. Dass die Klägerin insoweit von der [A.] ermächtigt worden wäre, hat sie nicht geltend gemacht. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 10. November 2011, wonach €ein Gaststätteninhaber, der öffentlich Spiele der Fußball-Bundesliga ausstrahlt, einen Abonnementvertrag für Gewerbe und Gaststätten mit der Klägerin abschließen muss€. Diese Rechtsauffassung war auch in dem Verfahren 7 O 270/12 ([Klägerin] ./. [Z.]) in einem Schreiben der [A.] vom 31. Juli 2012 geäußert worden. Sie trifft insoweit zu, als die [B.] nicht dazu berechtigt und nicht dazu in der Lage ist, ihren Kunden das Recht zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung des über IPTV übertragenen Basissignals in Gaststätten zu verschaffen. Über die hier entscheidende Frage, wer im Falle von Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit IPTV aktivlegitimiert ist, sagt dies jedoch nichts aus.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 91, 709 ZPO.






LG Mannheim:
Urteil v. 08.05.2015
Az: 7 O 166/13


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