Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 15. September 2008
Aktenzeichen: I-24 U 223/07
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 15.09.2008, Az.: I-24 U 223/07)
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufungen beider Parteien im Beschlussver-fahren (§ 522 Abs. 2 ZPO) zurückzuweisen. Die Parteien erhalten Gelegen-heit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung die-ses Beschlusses schriftsätzlich Stellung zu nehmen.
2. Der für den 16. September 2008 anberaumte Senatstermin wird aufgeho-ben.
Gründe
I.
Die von beiden Parteien eingelegten Rechtsmittel haben keine Erfolgsaussicht, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
1. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von Anwaltshonorar in Höhe von 21.023,38 EUR nebst Zinsen verurteilt, so dass seine dagegen uneingeschränkt geführte Berufung unbegründet ist. Die vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Beklagten günstigere Entscheidung.
a) Das Landgericht hat den Beklagten wie folgt verurteilt:
Tabelle (Tab)
Zeile Position Beträge/EUR
01 I. Grundstücksangelegenheit R-str. 76, Düsseldorf 02 1,3 Geschäftsgebühr (§§ 2,13 RVG, Nr. 2400 VV RVG) 14.814,80 03 Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 04 16% MwSt (Nr. 7008 VV RVG) 2.373,57 05 Honorar 17.208,37 06 II. 3 Angelegenheiten (vgl. Honorarnote v. 23.08.2006) 07 220,17 € +2.939,67 € + 655,17 € 3.815,01 08 III. Gesamthonorar 21.023,38
b) Die addierten Positionen (Tab, Zeile 07) greift der Beklagte nicht an und Rechtsfehler zu seinem Nachteil sind auch nicht ersichtlich, so dass es keine Veranlassung gibt, sich mit diesem Teil des angefochtenen Urteils näher auseinanderzusetzen.
c) Die Pos Tab, Zeile 02 greift der Beklagte an mit der Begründung, die dort angesetzte 1,3-Geschäftsgebühr sei zu hoch; Aufgabe der Klägerin sei es nur gewesen, geringfügige Änderungen an dem ihr vorliegenden notariellen Vertragsentwurf vorzunehmen. Mit diesem Einwand dringt der Beklagte nicht durch. Die Gewichtung der für die gebührenrechtliche Bewertung der Rechtsanwaltstätigkeit maßgeblichen Kriterien führt zu einem durchschnittlich gelagerten Fall, so dass der Ansatz der 1,3-Geschäftsgebühr nicht zu beanstanden ist.
Geht es wie bei der hier anzuwendenden Kostenbestimmung Nr. 2400 VV Satz 1 RVG (in der hier maßgeblichen, bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung, künftig VV RVG 2004) um den Ansatz einer Geschäftsgebühr im Rahmen von 0,5 bis 2,5 (Rahmengebühr), richtet sich deren Angemessenheit gemäß § 315 Abs. 1 BGB, § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten, nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Auftraggebers, wobei gemäß Nr. 2400 VV Satz 2 RVG 2004 eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war (vgl. BGH NJW 2004, 1043 sub Nr. II.3; Senat OLGR 2006, 171 jew. zu §§ 118 Abs. 1, 12 Abs. 1 BRAGO).
aa) Die Bedeutung der Angelegenheit war für den Beklagten, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, überdurchschnittlich. Denn es ging immerhin um einen Vermögenswert von rund 3,25 Mio EUR.
bb) Das Gleiche gilt für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, obwohl die Parteien zu diesem Bewertungskriterium des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht konkret vorgetragen haben. Aus den Umständen, nämlich dass der Beklagte mit Grundstücken handelt und Geschäftsführer einer Grundstückshandelsgesellschaft (A-GmbH) ist, kann aber angenommen werden, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse eher überdurchschnittlich (gewesen) sind. Daran ändert nichts der Umstand, dass Anlass für die Mandatierung der Klägerin gewesen ist, seine Inanspruchnahme aus dem notariell (wirksam) beurkundeten Grundstückskaufvertrag vom 15. Dezember 2004 nur aus dem Grund zu verhindern, weil ihm liquide Mittel zur Kaufpreisfinanzierung nicht ausreichend zur Verfügung gestanden hatten. Der Mangel an liquiden Mitteln in einem Umfang von 3,25 Mio EUR besagt nichts über die gewöhnlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten.
cc) Die Behauptung, der Umfang der Tätigkeit sei nicht, wie das Landgericht angenommen habe, durchschnittlich, sondern unterdurchschnittlich gewesen, ist unrichtig. Der Beklagte übersieht, dass die Klägerin nicht nur den Auftrag hatte, auf der Grundlage der in Rede stehenden notariellen Urkunde einen Entwurf für den angestrebten Vertragsneuabschluss zu für den Beklagten günstigeren Konditionen zu fertigen (vor allem Mitverpflichtung eines weiteren finanzstarken Erwerbers). Sie hatte vielmehr, wie das Landgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat, den Auftrag, den Beklagten vor einer Inanspruchnahme des Grundstücksveräußerers (künftig: Veräußerer) zu bewahren, sei es vor dessen Inanspruchnahme auf Kaufpreiserfüllung, sei es auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Mit Schadensersatzforderungen musste der Beklagte von vornherein rechnen, nachdem er den am 31. Januar 2005 fälligen Kaufpreis aus den schon genannten Gründen nicht bezahlt hatte und sich damit bereits seit Anfang Februar 2005, also schon vor Mandatsbeginn im April 2005 im (mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsenden) Zahlungsverzug befunden hatte. Dementsprechend hat die Klägerin dann auch auftragsgemäß die Inanspruchnahme des Beklagten abzuwehren versucht, zunächst (im Innenverhältnis) gegen die geltend gemachten Erfüllungsansprüche mit der Ausarbeitung eines neuen Vertragsentwurfs, später (dann auch im Außenverhältnis) mit der Abwehr von Schadensersatzansprüchen, nachdem der Veräußerer (erwartungsgemäß) vom notariellen Vertrag vom 15. Dezember 2004 zurückgetreten war.
dd) Zuzugeben ist dem Beklagten allerdings, dass die Rechtsbesorgung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von eher unterdurchschnittlicher Schwierigkeit gewesen ist. Denn nach der eigenen Darstellung der Klägerin waren die Tatsachen- und Rechtslage klar, einfach strukturiert und urkundlich belegt; der Beklagte war zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet und konnte sich nach dem Rücktritt auch nicht den Schadensersatzansprüchen entziehen. Anzuwenden war das gewöhnliche bürgerliche Recht und keine abgelegene Rechtsmaterie (vgl. Senat OLGR 2006, 171).
ee) Unter Abwägung aller maßgeblichen Kriterien kommt der Senat mit dem Landgericht zu einem insgesamt durchschnittlich gelagerten Fall, der ein Unterschreiten der angesetzten Gebühr von 1,3 nicht rechtfertigt (vgl. Senat aaO).
d) Schließlich rechnet der Beklagte gegen das zuerkannte Honorar in Höhe von 17.208,31 EUR mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe auf, den er daraus herleitet, dass es die Klägerin "unstreitig" und unter Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO versäumt habe, ihn bei Mandatserteilung darauf hinzuweisen, dass sich das für ihre Tätigkeit einzufordernde Honorar nach dem Gegenstandswert der zu bearbeitenden Angelegenheit richtet (künftig: Hinweispflicht). Auch damit dringt der Beklagte nicht durch.
aa) Schon die aufgestellte Prämisse, die Klägerin habe ihre Hinweispflicht "unstreitig" verletzt, ist unzutreffend. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 23. November 2006 vielmehr schon erstinstanzlich nicht nur darauf hingewiesen, dass sie belehrt hat, sondern sie hat auch die näheren Umstände geschildert, wie sie den Beklagten belehrt und wie er darauf reagiert hat. Damit ist die Klägerin der von ihr zu fordernden (sekundären) Substanziierungslast nachgekommen, so dass der Beklagte nach allgemeinen Regeln mit dem Beweis der von ihm behaupteten fehlenden Belehrung belastet ist (vgl. BGH NJW 2008, 371 = AnwBl 2008, 68 m. w. N.). Beweis hat der Beklagten indes weder im ersten noch im zweiten Rechtszug angeboten, so dass er beweisfällig ist.
bb) Der geltend gemachte Ersatzanspruch scheitert ferner daran, dass der Beklagte keinen konkreten Schaden darlegt. Er behauptet, bei richtiger Belehrung hätte er entweder den Auftrag beschränkt oder er hätte mit der Klägerin ein Honorar vereinbart, das seine "finanzielle Belastung … in einem überschaubaren und finanziell tragbaren Rahmen gehalten hätte". Mit diesem Vortrag legt der Beklagte keinen Schaden dar. Eine Auftragsbeschränkung war, weil er sich in der Verteidigungsposition befand, gar nicht möglich, denn der Gegenstandswert wird in diesen Fällen von dem Angreifer, hier von dem Veräußerer, bestimmt, der von dem Beklagten den Kaufpreis verlangte. Mit der Honorarvereinbarung, von der im Übrigen gar nicht feststeht, dass sich die Klägerin auf eine solche eingelassen hätte, legt der Beklagte deshalb keinen konkreten Schaden dar, weil die Angabe fehlt, welches Honorar er denn zu zahlen bereit gewesen wäre, wenn die Klägerin ihn über die Höhe des gesetzlichen Honorars (zutreffend) belehrt hätte. Der Senat kann mangels der gebotenen Darlegung der Anknüpfungstatsachen (Verhandlungsbereitschaft der Klägerin, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten, seine Kreditwürdigkeit etc.) nicht feststellen, dass das hier in Rede stehende gesetzliche Honorar (17.208,31 €) für den Beklagten bei Mandatsbegründung (April 2005) finanziell nicht überschaubar und tragbar gewesen ist. Dem Beweisangebot (Parteivernehmung des Beklagten) ist nicht nachzugehen, weil das gemäß § 287 ZPO nur dann in Frage käme, wenn auf der Grundlage der dargelegten Anknüpfungstatsachen die Entstehung eines Mindestschadens ernsthaft in Betracht zu ziehen wäre, was hier nicht der Fall ist.
2. Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung von dem abgewiesenen Teil der Honorarklage (42.698,21 € - 21.023,38 € = 21.674,83 €) einen Teilbetrag von 17.208,31 EUR (nebst Zinsen) weiter verfolgt, ist auch ihr Rechtsmittel unbegründet. Auch ihre vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine der Klägerin günstigere Entscheidung.
a) Die Klägerin bekämpft mit ihrer Berufung die Feststellung des Landgerichts, dass es sich bei ihrer in der Kaufvertragssache entfalteten Tätigkeit (Tab, Zeile 01) nur um eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne handele; vielmehr handele es sich um zwei Gebührenangelegenheiten (Beratung und Vertretung gegen Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche), die mit Blick auf den identischen Gegenstandswert mit jeweils 17.208,31 EUR zu vergüten seien, so dass der Beklagte weiteres Honorar in dieser Höhe schulde. Mit diesem Angriff hat die Klägerin keinen Erfolg.
aa) Ob die zu besorgenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts eine Angelegenheit oder mehrere Angelegenheiten betreffen, wird nicht im Rechtanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt. In § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG wird nur bestimmt, dass der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit jede gesetzliche Gebühr nur einmal verlangen kann. Ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls und richtet sich maßgeblich nach dem Inhalt der vereinbarten Geschäftsbesorgung (§§ 611, 675 BGB), die der Tätigkeit des Rechtsanwalts den auftragstypischen Rahmen verleiht. Solange sich der Rechtsanwalt innerhalb dieses Rahmens bewegt, betreffen alle seine Tätigkeiten, mögen sie auch vielzählig, vielgestaltig und zeitaufwendig sein und sich auf verschiedene rechtliche Gegenstände (Rechte oder Rechtsverhältnisse) beziehen, dieselbe Angelegenheit (BGH MDR 1976, 74; 1979, 76; 1984, 561; NJW 2004, 1043 sub Nr. II.1a; Senat OLGR Düsseldorf 2001, 214; 2003, 242; 2005, 651 jew. m. w. N. und jew. zu § 13 Abs. 2 BRAGO). Die Zusammenfassung verschiedener Tätigkeiten zu einer gebührenrechtlichen Angelegenheit wird vielfach indiziert durch eine einheitliche Auftragserteilung, durch die Identität des Gegners oder Verhandlungspartners, die Verfahrensart und den Verfahrensrahmen sowie den inneren Zusammenhang der Tätigkeiten (Senat aaO).
bb) Unter Anlegung dieser Kriterien ist die Klägerin nur in einer Angelegenheit tätig geworden. Das ergibt sich aus Anlass, Weg, Ziel, Sinn und Zweck der Auftragserteilung sowie aus der Identität des Gegners. Es ging, wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt hat (vgl. oben sub Nr. I.1c,cc), darum, den Beklagten vor einer Inanspruchnahme des Veräußerers zu bewahren, sei es wegen der Kaufpreiserfüllung, sei es wegen des bereits bei der Mandatserteilung drohenden Schadensersatzes wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags. Dieses einheitliche Interesse sollte die Klägerin vertreten, und zwar unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Die Ablehnung des Abschlusses eines geänderten Vertrags durch den Veräußerer im Juli 2005 führte deshalb nicht zu einer Aufspaltung des nach diesen Maßgaben einheitlichen Auftrags.
II.
Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
III.
Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 15.09.2008
Az: I-24 U 223/07
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