Bundesgerichtshof:
Urteil vom 8. November 2012
Aktenzeichen: VII ZR 191/12

(BGH: Urteil v. 08.11.2012, Az.: VII ZR 191/12)

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 19. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten es zu unterlassen, eine in ihren vorformulierten Vertragsbestimmungen enthaltene Klausel beim Abschluss von Verträgen über die Errichtung von Häusern und Eigentumswohnungen mit Verbrauchern zu verwenden.

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher wahrzunehmen, und er ist in die beim Bundesministerium der Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. 1 Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Häuser und Eigentumswohnungen errichtet. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit verwendet sie ihren Kunden gegenüber ein von ihr vorformuliertes Vertragsmuster, das in § 6 unter der Überschrift "Zahlungsplan" folgende Regelung enthält:

"Zahlungen sind gemäß folgendem Zahlungsplan zu leisten:

Nach Fertigstellung des ersten Entwurfs 7%

...

Die angegebenen Prozentsätze beziehen sich auf die Gesamtsumme des zu zahlenden Pauschalpreises."

Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten stattgegeben, die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht spricht dem Kläger die Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klausel und auf Erstattung der Abmahnkosten zu. Die beanstandete Klausel sei nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. 3 Die Klausel unterliege nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle, weil in ihr die vom Unternehmer nach § 632a Abs. 3 BGB auch ohne Verlangen des Bestellers zu leistende Sicherheit in Höhe von 5 % des Vergütungsanspruchs nicht zum Ausdruck komme, und nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Überprüfung auf Intransparenz.

Die Klausel sei deswegen intransparent, weil in ihr - abweichend vom Gesetzestext in § 632a Abs. 3 BGB - die vom Unternehmer zu leistende Sicherheitsleistung in Höhe von 5 % nicht erwähnt sei. Für den baurechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden sei daher unklar, ob er den Anspruch auf Sicherheitsleistung behalte, ob er die Abschlagszahlung im Hinblick darauf wegen seines Zurückbehaltungsrechts verweigern könne oder ob sich aus dieser Klausel eine Vorleistungspflicht des Bestellers für die erste Abschlagszahlung ergebe oder die Klausel die Sicherheitsleistung sogar gänzlich ausschließe.

Die Klausel benachteilige den Kunden auch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar sei. Der Unternehmer eines Werkvertrages sei grundsätzlich vorleistungspflichtig. Dieser Nachteil würde durch die in § 632a Abs. 1 BGB geregelten Abschlagszahlungen abgefedert. Allerdings habe der Gesetzgeber in § 632a Abs. 3 BGB für Verbraucher eine Schranke in Form einer Pflicht des Unternehmers zur Sicherheitsleistung in Höhe von 5 % des Vergütungsanspruchs eingebaut. Abweichend von diesem gesetzlichen Leitbild bestimme die angegriffene Klausel eine Vorleistungspflicht des Bestellers für die erste Abschlagszahlung. Dies ergebe der im Unterlassungsklageverfahren anwendbare Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung. 7 II.

Das hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Dem Kläger steht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG ein Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klausel in Verträgen mit Verbrauchern zu.

1. Der Kläger ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 4 UKlaG anspruchsberechtigte Einrichtung. Das nimmt die Revision hin.

2. Der Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht, weil die beanstandete Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhält.

a) Bei der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich um eine von der Beklagten vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Entgegen der Ansicht der Revision ist die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eröffnet. Bei der beanstandeten Klausel handelt es sich um eine kontrollfähige Preisnebenabrede (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2005 - VII ZB 84/05, BGHZ 165, 332; Urteile vom 13. Januar 2011 - III ZR 78/10, NJW 2011, 1726, vom 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380, 383 und vom 7. Mai 1991 - XI ZR 244/90, BGHZ 114, 330, 333; jeweils m.w.N.), die die Höhe und die Fälligkeit der ersten Abschlagszahlung festlegt und damit die gesetzliche Regelung in § 632a Abs. 1 BGB ergänzt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 632a Rn. 3; Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 307 Rn. 75, 76). Von der Kontrollfähigkeit solcher Klauseln ist auch im Gesetzgebungsverfahren ausgegangen worden (BT-Drucks. 16/511, S. 15). 10 b) Die Klausel könnte den Besteller schon deshalb unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligen, weil sie eine Pflicht zur Abschlagszahlung vorsieht, wenn der erste Entwurf fertiggestellt ist. Es könnte fraglich sein, ob der Besteller allein durch die Fertigstellung einen Wertzuwachs erlangt hat. § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB soll sicherstellen, dass der Unternehmer immer, aber nur dann eine Abschlagszahlung verlangen kann, wenn der Besteller einen festen Wert bekommen hat. Voraussetzung ist, dass eine Teilleistung für den Besteller bereits einen Wert darstellt und ihm in einer nicht mehr entziehbaren Weise zur Verfügung gestellt wird (BT-Drucks. 16/511, S. 14 und 16/9787, S. 18).

Problematisch ist auch die Höhe der Abschlagszahlung, wenn - was hier nicht weiter geklärt werden muss - die verlangten 7 % der Auftragssumme nicht dem Wertzuwachs beim Besteller entsprechen.

Bedenken könnten auch deshalb bestehen, weil nicht deutlich ist, was unter "erstem Entwurf" zu verstehen ist.

c) Der Senat muss diesen Bedenken nicht nachgehen. Denn die beanstandete Klausel ist schon aus anderen Gründen unwirksam.

Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmers enthaltene Klausel, die isoliert die Fälligkeit und die Höhe der ersten Abschlagszahlung in einem Werkvertrag mit einem Verbraucher über die Errichtung oder den Umbau eines Hauses regelt, ohne auf die nach § 632a Abs. 3 BGB gesetzlich geschuldete Sicherheitsleistung des Unternehmers einzugehen, ist unwirksam, § 307 Abs. 1 BGB.

aa) Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich ist. Vielmehr gebieten es Treu und Glauben auch, dass die Gefahr von Missverständnissen oder Fehldeutungen durch eine unklare, mehrdeutige oder unvollständige Fassung der Klausel möglichst vermieden wird. Weiter ist eine Klausel auch dann unwirksam, wenn der Vertragspartner durch die Formulierung der Klausel davon abgehalten wird, seine berechtigten Ansprüche oder Gegenrechte dem Verwender gegenüber geltend zu machen. Dagegen ist der Verwender nicht verpflichtet, aus dem Gesetz oder aus der Rechtsnatur eines Vertrages folgende Rechte ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210; vom 5. November 1998 - III ZR 226/97, NJW 1999, 276; jeweils m.w.N.).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die beanstandete Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Klausel ist so formuliert, dass sie den Verbraucher von der Geltendmachung seines Rechts auf Sicherheitsleistung gemäß § 632a Abs. 3 BGB abhalten kann.

(1) § 632a BGB regelt abweichend von der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des Unternehmers im Werkvertragsrecht die Möglichkeit, Abschlagszahlungen zu verlangen. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift ist dann, wenn der Besteller ein Verbraucher ist und der Vertrag die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat, dem Besteller bei der ersten Abschlagszahlung eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentliche Mängel in Höhe von 5 vom Hundert des Vergütungsanspruchs zu leisten. 19

(2) Der Gesetzgeber hat damit zwischen dem Anspruch auf Abschlagszahlung des Unternehmers aus § 632a Abs. 1 BGB und dem Recht des Verbrauchers auf Sicherheitsleistung bei erster Abschlagszahlung aus § 632a Abs. 3 BGB eine untrennbare Verknüpfung vorgenommen. Er hat ein tatsächliches Bedürfnis gesehen, dem Verbraucher eine Absicherung für seinen Erfüllungsanspruch zu verschaffen. Der Gesetzgeber hat sich daher für ein Konzept des engen Zusammenhangs zwischen der ersten Abschlagszahlung und der Erfüllungssicherheit entschieden (vgl. BT-Drucks. 16/511, S. 15). Die Sicherheit ist vom Unternehmer bei der Abschlagszahlung zu leisten; im Fall der Nichtgestellung der Sicherheit steht dem Besteller jedenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht zu (BT-Drucks. 16/511, aaO).

Diese enge Verknüpfung von erster Abschlagszahlung und Erfüllungssicherheit trennt die beanstandete Klausel und nimmt ein für den Verbraucher sehr bedeutsames Segment aus dem Sachzusammenhang heraus. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Verbraucher davon abgehalten wird, sich auf sein Recht auf Sicherheitsleistung zu besinnen, den Unternehmer auf seine Verpflichtung zur Sicherheitsleistung hinzuweisen oder sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht zu berufen. Durch die Trennung von nach dem gesetzlichen Konzept zusammenhängenden, eng verknüpften Rechten kann der im Werkvertragsrecht nicht vorgebildete Durchschnittskunde, auf den abzustellen ist, in die Irre geleitet und dadurch davon abgehalten werden, seine ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte geltend zu machen. Damit ist die Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11, 25; vom 27. September 2000 - VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203, 234).

3. Die für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor. Aus der vertraglichen Einbeziehung der Allge-22 meinen Geschäftsbedingungen in der Vergangenheit resultiert die tatsächliche Vermutung ihrer zukünftigen Verwendung und ihrer Anwendung bei Vertragsdurchführung (BGH, Urteile vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, NJW 2012, 3023; vom 18. April 2002 - III ZR 199/01, NJW 2002, 2386; vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98, NJW-RR 2001, 485; vom 10. Dezember 1991 - XI ZR 119/91, NJW 1992, 1108; jeweils m.w.N.). Diese Vermutung hat die Beklagte, die ihre Klausel für rechtmäßig erachtet und verteidigt, nicht widerlegt.

4. Der Kläger kann gemäß § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auch Ersatz der Kosten der ersten Abmahnung verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Kartzke Vorinstanzen:

LG Kiel, Entscheidung vom 28.10.2011 - 5 O 117/11 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 19.06.2012 - 2 U 11/11 - 25






BGH:
Urteil v. 08.11.2012
Az: VII ZR 191/12


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