Finanzgericht Köln:
Beschluss vom 5. Juli 2010
Aktenzeichen: 10 Ko 4058/09

(FG Köln: Beschluss v. 05.07.2010, Az.: 10 Ko 4058/09)

Tenor

Die zu erstattenden Kosten werden auf 1.071,24 € festgesetzt.

Die zu erstattenden Kosten sind ab dem 25.08.2009 (Eingang des Kostenfest-setzungsantrages bei Gericht) mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen (§ 155 Finanzgerichtsordnung i. V.m. § 104 Abs. 1 Zivilprozessordnung).

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Erinnerungsführer.

Gründe

I.

Die Beteiligten stritten ursprünglich in einem Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 3 K 1878/05 um die Frage, in welcher Höhe in den Jahren 1998-2000 Kosten für ein Arbeitszimmer des Erinnerungsgegners anzuerkennen waren. Der Erinnerungsgegner war als selbständiger Unternehmensberater tätig und in diesem Rahmen vorsteuerabzugsberechtigt, seine Ehefrau (die Erinnerungsgegnerin) erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Erinnerungsführer vertrat insoweit die Auffassung, dass die Kosten für das Arbeitszimmer nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden könnten, da dieses nicht im Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Erinnerungsgegners darstelle. Die Erinnerungsgegner, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, begehrten demgegenüber die Anerkennung der Kosten für ein Arbeitszimmer als Betriebsausgaben in voller Höhe.

Dem Antrag der Kläger und Erinnerungsgegner wurde mit Urteil vom 27.05.2009 vollumfassend stattgegeben. Insoweit wurde formlos ein Streitwert von 4.474,- € mitgeteilt.

Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Erinnerungsgegner vom 24.08.2009 erging am 26.08.2009 ein Kostenfestsetzungsbeschluss, mit welchem die Kosten antragsgemäß festgesetzt wurden. Dieser Beschluss wurde dem Erinnerungsführer am 31.08.2009 und den Erinnerungsgegnern am 13.08.2009 zugestellt Am 03.09.2009 legten die Erinnerungsgegner gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss eine Erinnerung ein und reichten zur Begründung einen korrigierten Kostenfestsetzungsantrag ein. In diesem korrigierten Kostenfestsetzungsantrag beantragten sie die Festsetzung einer 1,6 Verfahrensgebühr in Höhe von 518,70 € gemäß §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV, erhöht um 0,3 auf 1,9 gemäß § 7 RVG i. V. m. Nr.1008 VV, ausgehend von einem Streitwert von 4.474,- €. Darüber hinaus beantragten sie die Festsetzung von Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV in Höhe von 185,88 €. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.09.2009 wurden die Kosten wie von den Erinnerungsgegnern beantragt in Höhe von 1.164,18 € festgesetzt. Dieser Beschluss wurde dem Erinnerungsführer am 14.09.2009 und den Erinnerungsgegnern am 11.09.2009 zugestellt.

Hiergegen wandte sich der Erinnerungsführer mit einer Erinnerung vom 23.09.2009. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen gemäß §§ 7 RVG i. V. m. Nr. 1008 VV nicht vorlägen. Gegenstand der Klage sei die steuerliche Berücksichtigung des Arbeitszimmers des Erinnerungsgegners gewesen. Die Erinnerungsgegnerin sei lediglich insoweit betroffen gewesen, als sie mit dem Erinnerungsgegner zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurde. Insoweit sei lediglich eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,6 anzusetzen gewesen. Weiterhin sei der Erinnerungsgegner für den Klagezeitraum vorsteuerabzugsberechtigt gewesen. Eine Betriebsaufgabe sei erst im Jahr 2001 erfolgt. Daher bestünde für die Umsatzsteuer kein Erstattungsanspruch. Diese könne der Erinnerungsgegner im Rahmen einer Umsatzsteuererklärung als Vorsteuer geltend machen.

Der Erinnerungsführer beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.09.2009 dahingehend abzuändern, dass lediglich eine Verfahrensgebühr in Höhe von 436,80 € angesetzt wird sowie auf den Ansatz von Umsatzsteuer in Höhe von 185,88 € verzichtet wird.

Die Erinnerungsgegner beantragen (sinngemäß),

die Erinnerung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass § 7 RVG i.V.m. Nr. 1008 VV RVG Anwendung finde, da einhellige Meinung sei, dass es sich bei Eheleuten um zwei Auftraggeber handele. Es sei die festgesetzte Steuer streitig gewesen, für die beide Eheleute Gesamtschuldner seien.

Darüber hinaus sei der Erinnerungsführer 2009 kein Unternehmer mehr. Daher sei er wegen der Festsetzungsverjährung der Streitjahre endgültig mit der Umsatzsteuer belastet.

II.

Die Erinnerung ist teilweise begründet.

Soweit in dem Kostenfestsetzungsbeschluss von einem Ansatz von 1,9 Verfahrensgebühren ausgegangen wird, ist die Erinnerung unbegründet. Insoweit ist der Kostenfestsetzungsbeschluss rechtmäßig und verletzt den Erinnerungsführer nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Gemäß § 7 RVG i. V. m. Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) erhöht sich - soweit in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber sind - die Verfahrensgebühr für jede weitere Person um 0,3. Die Anwendung des § 7 RVG setzt einen einheitlichen Gegenstand der Tätigkeit voraus. Dies kann eine einheitliche Schuld in gemeinschaftlicher Trägerschaft, also eine Gesamtschuld sein (Brandis in Tipke/Kruse, FGO, § 139 FGO, Rz. 51). Eine Mehrheit von Auftraggebern kann auch dann vorliegen, wenn die Kläger zusammenveranlagte Eheleute sind (BFH vom 11. Mai 1976 VII B 79/74, BFHE 119,14, BStBl II 1976, 574; FG Bremen vom 10. August 1977 I 81/77 ER, EFG 19977, 563 - beide Entscheidungen zur BRAGO).

Zusammenveranlagte Ehegatten werden aus einem Steuerbescheid als Gesamtschuldner in Anspruch genommen (§ 44 Abgabenordnung -AO-). Zusammen veranlagten Ehegatten steht es frei, ob sie gegen einen Steuerbescheid, den sie für rechtswidrig halten, den zulässigen Rechtsbehelf gemeinsam als Streitgenossen geltend machen oder ob nur der Ehegatte klagt, der seine Einkünfte als nicht zutreffend ermittelt ansieht (FG Bremen vom 10. August 1977 I 81/77 ER, EFG 19977, 563). Klagen beide Ehegatten, stellen sie eine einfache Streitgenossenschaft dar (BFH vom 14. Juni 1994 VIII R 79/93, BFH/ NV 1995, 225).

Nach diesen Grundsätzen haben die Erinnerungsgegner zu Recht den Ansatz einer um 0,3 erhöhten Verfahrensgebühr in Höhe von 518,70 € beantragt. Aufgrund der Zusammenveranlagung sind beide Ehegatten hinsichtlich der festgesetzten Steuerschuld als Gesamtschuldner anzusehen. Damit waren beide Ehegatten durch den Verwaltungsakt, den sie für rechtswidrig hielten, belastet. Insoweit kann dahinstehen, ob es ausreichend gewesen wäre, wenn allein der Ehemann, dessen betriebliche Einkünfte streitig waren, geklagt hätte. In ihrer Eigenschaft als Gesamtschuldner steht beiden Ehegatten frei, sich auch als Streitgenossen gegen die Steuerfestsetzungen zu wenden. Im Hauptsacheverfahren hat das Gericht lediglich die Zulässigkeit und Begründetheit der Klagen zu prüfen, nicht aber, ob die Klage eines Ehegatten "überflüssig" ist, weil das mit der Klage erstrebte Urteil sich auch auf einen nicht klagenden Ehegatten in seiner Eigenschaft als Gesamtschuldner im Rahmen der gemeinsamen Steuerfestsetzung erstreckt hätte. Bei einer gemeinsamen Klage tragen auch beide Ehegatten das Prozessrisiko mit allen Folgen gemeinsam. Insoweit ist auch in kostenrechtlicher Hinsicht von einer Mehrheit von Auftraggebern auszugehen, wenn beide Ehegatten gegen die gemeinsame Steuerveranlagung klagen. In diesem Fall sind die Voraussetzungen des § 7 RVG, Nr. 1008 VV erfüllt, sodass im Rahmen der Kostenfestsetzung eine Erhöhung der Verfahrensgebühr um 0,3 anzunehmen ist.

Soweit im Kostenfestsetzungsbeschluss Umsatzsteuer in Höhe von 185,88 € enthalten ist, ist die Erinnerung teilweise begründet.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss verletzt den Erinnerungsführer insoweit in seinen Rechten, als Umsatzsteuer über den Betrag von 92,94 € hinausgehend angesetzt worden ist.

Aus § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO, der gemäß § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, folgt, dass eine Erstattung von Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren dann nicht in Betracht kommt, wenn der zur Kostenerstattung Berechtigte selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Richtet sich ein finanzgerichtliches Verfahren gegen die Festsetzung von Steuern, die aus dem betrieblichen Bereich resultieren, besteht für die insoweit anfallenden Verfahrenskosten ein Recht zum Vorsteuerabzug. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger vor oder während dem finanzgerichtlichen Verfahren sein Unternehmen beendet. Insoweit handelt es sich bei den Verfahrenskosten hinsichtlich der Betriebssteuern um Kosten der Abwicklung des umsatzsteuerpflichtigen Unternehmens. Ebenso, wie eine Unternehmereigenschaft im umsatzsteuerlichen Sinne anzunehmen ist, wenn mit Vorbereitungshandlungen vor dem Beginn der eigentlichen Umsatztätigkeit begonnen wird, so endet die Unternehmereigenschaft auch erst nach Beendigung der Abwicklungsphase. Die im Zusammenhang mit der Abwicklung einer unternehmerischen Tätigkeit bezogenen Leistungen - hier die Rechtsanwaltsleistungen im Prozess um Unternehmenssteuern - berechtigen auch nach Beendigung des Unternehmens noch zum Vorsteuerabzug (FG Köln vom 06.05.2010 10 Ko 4314/08, JURIS m. w. N.). Dass der Erinnerungsgegner sein Unternehmen 2001 aufgegeben hat, steht also einer Berechtigung zum Vorsteuerabzug für die Beratungsleistungen, die die Streitjahre 1998-2000 betreffen, nicht entgegen. Für das Jahr der Entstehung der Vorsteuer - 2009 - ist auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Das Recht zum Vorsteuerabzug besteht allerdings nicht, soweit sich der Kostenerstattungsanspruch auf die Erinnerungsgegnerin erstreckt, denn diese ist unstreitig nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt und hat insoweit einen Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch in Bezug auf den auf sie entfallenden Teil der angefallenen Kosten. Da die Erinnerungsgegner in der Hauptsache als Gesamtschuldner klagten, geht das Gericht davon aus, dass auch in Bezug auf die Kosten eine Aufteilung des Kostenerstattungsanspruchs nach Kopfteilen sachgerecht ist (vgl. OLG Stuttgart vom 28. Juli 1995 8 W 148/94, Rpfleger 1996, 82; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, VV 1008, Rz. 300f.). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 25. Oktober 2005 VI ZB 58/04, BFH/NV 2006, Beilage 2, 215, wonach die volle Vorsteuer zu erstatten ist, wenn die Erstattungsberechtigten im Innenverhältnis bestimmt haben, dass der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Streitgenosse den zum Vorsteuerabzug berechtigten Streitgenossen von ggf. anfallenden Kosten freistellen soll, denn eine solche Abrede ist im hier zu entscheidenden Fall weder vorgetragen noch erkennbar. Demgemäß können die Erinnerungsgegner vom Erinnerungsführer Umsatzsteuer nur in hälftiger Höhe, also 92,94 € erstattet verlangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.

Die zu erstattenden Kosten errechnen sich wie folgt:

1, 6 Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV),

erhöht um 0,3 auf 1,9 (Nr. 1008 VV);Streitwert 4.474€ 518,70

1,2 Terminsgebühr (3202 VV); Streitwert 4.474€ 327,60

Gerichtstermin 19.02.2008, 120 Km 36,00

Abwesenheitsgeld 19.02.2008 20,00

Gerichtstermin 27.05.2009, 120 Km 36,00

Abwesenheitsgeld 27.05.2008 20,00

Pauschale Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV) 20,00

Summe 978,30

Umsatzsteuer zu 50 % (Nr. 7008 VV) 92,94

Summe 1071,24 €

Auf den Erinnerungsgegner entfallen: 489,15 €

Auf die Erinnerungsgegnerin entfallen: 582,09 €






FG Köln:
Beschluss v. 05.07.2010
Az: 10 Ko 4058/09


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