Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. Mai 2004
Aktenzeichen: 4 U 45/04
(OLG Hamm: Urteil v. 13.05.2004, Az.: 4 U 45/04)
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wrid das am 18. Dezember 2002 verkündete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Die Beschlußverfügung des Landgerichts Dortmund vom 18. November 2003 wird mit der Maßgabe bestätigt, daß am Ende des Verbostenors folgende Worte eingefügt werden:
Wie in der nachfolgend abgelichteten Werbeanzeige geschehen.
- Kopie S. 115 -
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Antragsgegnerin warb in der Ausgabe der Zeitschrift x1 vom 13. September 2003 mit einer Werbebeilage, in der es u.a. heißt:
"Nur diesen Samstag 13.09., von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr! Ausstellungsstücke Restposten Einzelstücke, 60 Markenfernseher - 40 %"
Wegen des Inhaltes der Werbeanzeige im einzelnen wird auf die in das Senatsurteil aufgenommene Fotokopie der Werbeanzeige verwiesen.
Die Antragstellerin hat in dieser Werbeanzeige einen Verstoß gegen § 1 UWG gesehen, weil die Entschließungsfreiheit des Kunden in einem derartigen Maß unsachlich beeinflußt werde, daß er seine Entscheidung nicht mehr nach dem Leitbild des Leistungswettbewerbs im Hinblick auf die Preiswürdigkeit und Qualität der Ware, sondern im Hinblick auf den ihm gewährten oder in Aussicht gestellten Vorteil treffe. Unzulässig seien daher insbesondere übersteigerte zeitgebundene Angebote, die den potentiellen Kunden unter starken Zeitdruck setzen sollen, um ihn so zu einem schnellen, unüberlegten Kaufentschluß zu bewegen. Hier reduziere die Antragsgegnerin den Zeitraum, innerhalb dessen es zum Verkauf von einer kontigentierten Stückzahl von Markenfernsehern kommen solle, auf die Dauer von 4 Stunden. Bei einer derartigen Angebotsgestaltung hätten die angesprochenen Käufer keine Möglichkeit, sich ausreichend über die Angebote anderer Konkurrenten zu informieren und die Preisgestaltung zu vergleichen.
Das Landgericht hat durch Beschlußverfügung vom 18. November 2003 der Antragsgegnerin antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten,
zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr in der an den Letztverbraucher gerichteten Werbung in Zeitungsanzeigen oder sonstigen öffentlichen Mitteilungen für Fernseher mit Preisreduzierungen von 40 % zu werben, wenn diese Preisreduzierung nur an einem Samstag in der Zeit von 14:00 Uhr - 18:00 Uhr Gültigkeit haben soll und die Werbung am selben Tage veröffentlicht worden ist.
Im Widerspruchsverfahren hat sich die Antragstellerin zusätzlich darauf berufen, daß die beanstandete Werbeanzeige auch gegen § 7 UWG verstoße unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Sonderveranstaltung. Nach wie vor liege es außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs auch von Einzelhandelsgeschäften der Art und des Zuschnitts der Antragsgegnerin, derartige preisreduzierte Markenfernseher am selben Tag für einen eingeschränkten Zeitraum, der kürzer als die regelmäßigen Ladenöffnungszeiten an diesem Tag sei, zu bewerben.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 18. Dezember 2003 auf den Widerspruch der Antragsgegnerin die Beschlußverfügung aufgehoben und den ihr zugrundeliegenden Erlaßantrag zurückgewiesen. Die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Käuferkreise werde nicht unangemessen beeinträchtigt, so daß kein übertriebenes Anlocken vorliege. Es bleibe trotz der zeitlichen Befristung die Möglichkeit eines ausreichenden Preisvergleichs. Es liege auch keine unzulässige Sonderveranstaltung vor. Vielmehr handele es sich um ein erlaubt beworbenes Sonderangebot. Dieses unterliege nicht nur einer zahlenmäßigen, sondern auch einer zeitlichen Begrenzung.
Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages hält die Antragstellerin nach wie vor die beanstandete Anzeige für die Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung. Zudem liege ein Fall des übertriebenen Anlockens vor. Das für die Sonderveranstaltung maßgebliche Kriterium der Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs sei hier deshalb erfüllt, weil hier mit einer Preisreduzierung von 40 % bei Fernsehern ein ganz außergewöhnlicher Preisvorteil geboten werde, den der Verkehr typischerweise nur auf einer privilegierten Sonderveranstaltung oder bei Räumungsverkäufen erwarte. Zudem sei die Begrenzung auf 4 Stunden extrem kurz und entgegen der Darstellung des Landgerichts für einen abgewogenen Kaufentschluß nicht ausreichend. Insgesamt müsse der Verkehr davon ausgehen, daß es sich um eine außergewöhnliche Verkaufsaktion handele, die ihm so schnell nicht wieder begegnen werde. Deshalb sei es überflüssig, nach vergleichbaren Produkten bei Wettbewerbern zu suchen.
Die Antragstellerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beschlußverfügung des Landgerichts Dortmund vom 18. November 2003 zum Aktenzeichen 13 O 195/03 zu bestätigen und zwar mit der Maßgabe, daß es zusätzlich heißt: "Wie in der Werbung der Antragsgegnerin gemäß Anlage A 1 (Bl. 7 der Akten)."
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Antragsgegnerin der Ansicht, daß die angegriffene Werbung mit dem befristeten Angebot den Verkehr nicht in sittenwidriger Weise einschränke. Es liege auch keine unzulässige Sonderveranstaltung vor. Im übrigen sei das Landgericht auch in der ursprünglichen Beschlußverfügung nicht von einer Sonderveranstaltung ausgegangen. Das folge daraus, daß das Landgericht die Werbung nicht schlechthin verboten habe, sondern das Verbot - entgegen dem Antrag der Antragstellerin - an die Veröffentlichung der Anzeige am Tag des Verkaufs geknüpft habe. Wenn die Antragstellerin nunmehr eine Wiederherstellung der Beschlußverfügung begehre, passe das nicht zu der Argumentation der unzulässigen Sonderveranstaltung. Tatsächlich sei auch nur eine begrenzte Anzahl von TV-Geräten stark verbilligt angeboten worden. Da es sich um einen zahlenmäßig sehr begrenzten Warenvorrat gehandelt habe, sei die Befristung des Angebotes kaufmännisch vernünftig gewesen.
Gründe
Die Berufung der Antragstellerin ist begründet.
Die Antragstellerin verlangt zu Recht die Wiederherstellung der Beschlußverfügung vom 18. November 2003. Das Landgericht hat diese Beschlußverfügung zu Unrecht durch das angefochtene Urteil aufgehoben.
Der Verbotsanspruch der Antragstellerin folgt aus § 7 Abs. 1 UWG. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfinden, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und den Eindruck besonderer Kaufvorteile hervorrufen, anzukündigen oder durchzuführen. Eine solche unzulässige Sonderveranstaltung hat die Antragsgegnerin hier mit der beanstandeten Anzeige angekündigt. Diese Anzeige bewirbt eine Verkaufsaktion im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs. Es geht nicht um Sonderangebote i.S.d. § 7 Abs. 2 UWG, weil die Fernseher pauschal beworben worden sind. Es fehlt die Kennzeichnung nach Güte oder Preis (Köhler/Piper UWG 3. Auflage § 7 Rdzif. 49).
Im Ergebnis wollte die Antragsgegnerin mit den Ausstellungsstücken und Restposten schwerer verkäufliche Waren absetzen, für die die Kunden nicht mehr bereit sind, den üblichen Neupreis zu bezahlen (sogenannte "Ladenhüter"). Dies geschieht grundsätzlich durch einen Abverkauf, indem der Preis gesenkt wird, falls erforderlich auch mehrmals, bis die "Ladenhüter" verkauft sind. Üblich ist also ein Abverkauf, der sich über einen potentiell längeren Zeitraum erstreckt. Nicht üblich ist hierbei die Beschränkung auf den Verkauf innerhalb nur weniger Stunden. Denn bei einer solchen zeitlich befristeten Verkaufsaktion kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß tatsächlich alle "Ladenhüter" wie gewünscht abverkauft werden. Hier liegt eine solche ungewöhnliche Verkaufsaktion vor. Denn nach der Anzeige muß der Verbraucher damit rechnen, daß am Montag der beworbene Preisvorteil nicht mehr gilt, die Ladenhüter dann also wieder zu teureren Preisen verkauft werden.
Der Preisvorteil ist mit 40 % für Markenfernseher ebenfalls ungewöhnlich hoch, und zwar so hoch, wie es der Verbraucher sonst nur von Räumungsverkäufen kennt. Was genau angeboten wird, bleibt zwar im Dunkeln, weil in der Anzeige nur allgemein auf Markenfernseher hingewiesen wird und nur beispielhaft einige Marken aufgezählt werden, nicht aber konkrete Modelle genannt werden. Gleichwohl geht der Verbraucher wegen des 40 %-igen Nachlasses von einem besonderen "Schnäppchen" aus. Dieser Eindruck wird durch die ungewohnte zeitliche Befristung noch verstärkt. Die beworbene Verkaufsaktion stellt damit gerade keinen Abverkauf im üblichen Sinne dar, wie ihn der Verbraucher kennt, sondern es wird ein bestimmtes Warensegment, gewissermaßen die "Ladenhüter", in einer besonderen Verkaufsaktion angeboten. Dieses Aktionshafte ist auch gerade gewollt. Im Vordergrund steht die allgemeine Preisreduzierung von 40 % die zusammen mit der extrem kurzen zeitlichen Befristung bei den Kunden den Eindruck erweckt, daß hier außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs, wie er normalerweise bei dem Abverkauf von Ladenhütern gepflegt wird, eine einmalige Kaufgelegenheit geboten wird. Die Gewährung besonderer Kaufvorteile liegt schon in der übermäßigen Preisreduzierung von 40 %, die mit der extremen zeitlichen Befristung auch einen besonders schnellen Warenabsatz herbeiführen sollen.
Der Senat ist für diese Entscheidung auch funktionell zuständig, §§ 937, 943, 802 ZPO (vgl. dazu Pastor/Ahrens Der Wettbewerbsprozeß 4. Auflage Kapitel 57 Rdzif. 6 ff). Denn die Frage eines Verstoßes gegen § 7 UWG durch die beanstandete Anzeige ist bereits in erster Instanz zur Entscheidung gestellt worden. Daß die Antragstellerin daneben die Anzeige auch unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG angegriffen hat, ist unschädlich. Denn eine Werbeanzeige wie die hier in Rede stehende kann unter beiden Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig angegriffen werden (Senatsurteil vom 8. April 2003 - 4 U 6/03; OLG Stuttgart WRP 1996, 832; LG Dresden WRP 2002, 261).
Ob dieser Verstoß hier zusätzlich zu dem Verstoß gegen § 7 UWG ebenfalls gegeben ist, hatte der Senat nicht mehr zu entscheiden. Denn die Berufungsbegründung stellt lediglich auf einen Verstoß gegen § 7 UWG ab. Der isolierte Satz in der Berufungsbegründung, daß zugleich sehr wohl ein übertriebenes Anlocken vorliege, kann in seiner Pauschalität nicht dazu führen, daß die beanstandete Anzeige auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt in die Entscheidung des Senats als Berufungsgericht gestellt werden sollte.
Die Vermutung der Eilbedürftigkeit nach § 25 UWG ist hier nicht widerlegt. Die Antragstellerin hat den rechtlichen Gesichtspunkt der Sonderveranstaltung nach § 7 Abs. 1 UWG zwar erst nach Erlaß der Beschlußverfügung in den Rechtsstreit eingeführt. Dies kann aber nicht als zu langes Zuwarten gewertet werden, das die Vermutung der Eilbedürftigkeit des § 25 UWG hier widerlegen würde. Denn es ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Die Antragstellerin hat sich in zeitlich nicht zu beanstandender Weise gegen die beanstandete Werbeanzeige gewandt. Wenn dies auch zunächst unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens erfolgt ist, so ist doch die Stoßrichtung die gleiche geblieben. Nach wie vor geht es der Antragstellerin um eine unsachliche Anlockung durch eine verschleiernde Verkaufsaktion, worin sie den wettbewerbsrechtlichen Unwertgehalt der beanstandete Werbeanzeige sieht. Die sachlichen Angriffe der Antragstellerin sind die gleichen geblieben, nur der rechtliche Gesichtspunkt der unzulässigen Sonderveranstaltung nach § 7 Abs. 1 UWG ist zusätzlich eingeführt worden.
Soweit die Antragstellerin auf Anregung des Senates die beanstandete Werbeanzeige als konkrete Verletzungshandlung in den Verbotstenor miteinbezogen hat, liegt lediglich eine Klarstellung des von Anfang an gewollten Verbotes vor. Insofern ist es auch unschädlich, daß die Antragstellerin in ihrer Verbotsformel auch noch aufgenommen hat, daß die Werbung nicht am selben Tage veröffentlicht worden sein darf. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Einschränkung unter dem Gesichtspunkt des § 7 UWG erforderlich gewesen wäre. Als Moment der konkreten Verletzungshandlung stellt diese Klausel jedenfalls eine zulässige Beschreibung des Verbotsinhaltes dar, ohne diesen unbestimmt zu machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 13.05.2004
Az: 4 U 45/04
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