Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. August 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 80/99
(BPatG: Beschluss v. 11.08.2000, Az.: 25 W (pat) 80/99)
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Beschwerde der aus der Marke 2 034 683 "Juviton" Widersprechenden bleibt dahingestellt.
Gründe
I.
Die Bezeichnung JUVITAL ist am 9. Dezember 1996 ua für "Nahrungsergänzungsmittel und Diätetika für medizinische Zwecke; pharmazeutische Erzeugnisse und Präparate für die Gesundheitspflege; Vitaminpräparate, Präparate, enthaltend Mineralien und Spurenelemente..." in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 10. März 1997. Im Beschwerdeverfahren hat die Inhaberin der angegriffenen Marke das Warenverzeichnis auf "Nahrungsergänzungsmittel und Diätetika für medizinische Zwecke; Vitaminpräparate und Mineralien- und Spurenelementpräparate" beschränkt.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 8. Juni 1953 ua für "Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, pharmazeutische Drogen..." eingetragenen Marke 639 534 Juvental-Hennigund die Inhaberin der am 19. April 1993 für "chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege" eingetragenen Marke 2 034 683 Juviton.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren die Einrede der Nichtbenutzung hinsichtlich beider Widerspruchsmarken erhoben und diese nach jeweiliger Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer Benutzung aufrechterhalten.
1.) Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluß ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 639 534 "Juvental-Hennig" und unter Berücksichtigung der nach Registerlage möglichen Warenidentität eine Verwechslungsgefahr bejaht und wegen dieses Widerspruchs die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Der kennzeichnende Schwerpunkt der Widerspruchsmarke liege in dem Bestandteil "Juvental", da es sich bei "Hennig" um den Herstellernamen der Widersprechenden handele, der abweichend von dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Gesamtbezeichnung für den Gesamteindruck in seiner kennzeichnenden Bedeutung im allgemeinen gegenüber den weiteren Bestandteilen in den Hintergrund trete, sofern diese nicht kennzeichnungsschwach seien. Der Verkehr werde deshalb auch vorliegend sein Augenmerk mehr auf den nicht beschreibenden und die Widerspruchsmarke prägenden Bestandteil "Juvental" richten, zumal der Anfang eines Wortes erfahrungsgemäß mehr beachtet werde als der Rest. Die einzig in der jeweils unbetonten Wortmitte abweichenden Markenworte "JUVITAL" und "Juvental" unterschieden sich aber in klanglicher Hinsicht nicht hinreichend, da die Vokale "i" und "e" eng klangverwandt seien und es sich bei dem allein in der Widerspruchsmarke vorhandenen "n" um einen klangschwachen Konsonanten handele, der besonders bei etwas undeutlicher Sprechweise nahezu nicht zu vernehmen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, soweit wegen des Widerspruchs aus der Marke 639 534 "Juvental-Hennig" die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen seien nicht geeignet, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Die auf den Faltschachteln, Beipackzetteln und Gebrauchsinformationen abgebildeten Bezeichnungenzeigten, daß die Widerspruchsmarke nur in der verkürzten Form "Juvental" benutzt werde, während der Bestandteil "Hennig" wegen seiner deutlich getrennten und äußerst kleinen Schreibweise in Verbindung mit der zwischengestellten Dosierungsangabe nicht mehr als der Produktkennzeichnung zugehörig aufgefaßt werde. Durch diese Weglassung werde der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke in erheblichem Maße verändert. Im übrigen bestehe aufgrund der im Beschwerdeverfahren erklärten Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke nur noch eine bedingte Warenähnlichkeit, selbst wenn man eine rechtserhaltene Benutzung für ein zur Behandlung von "funktionellen Herz- und Kreislaufbeschwerden, Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck" dienendes Arzneimittel zuerkenne. Eine Verwechslungsgefahr sei deshalb bereits aufgrund eines geringen Zeichenabstandes ausgeschlossen. Hierzu genüge bereits der Firmenzusatz "Hennig", der unter Berücksichtigung der nach der eingetragenen Form bewußt gewählten Verknüpfung auch nicht als völlig unbeachtlicher Markenteil weggelassen werden könne. Der Verkehr werde nämlich durch den Bindestrich dazu angeleitet, die Marke immer vollständig zu benennen. Aber auch wenn man der jüngeren Marke nur den Bestandteil "Juvental" gegenüberstelle, sei angesichts der nunmehr nur geringen Warenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr anzunehmen, zumal der Bestandteil "VITAL" in der angegriffenen Marke als begriffliche Stütze verwechslungsmindernd wirke.
Die Widersprechende zu 1 hat keinen Antrag gestellt und sich in der Sache nur auf die Vorlage von Unterlagen sowie einer eidesstattlichen Versicherung vom 13. Juli 1999 zur Glaubhaftmachung einer Benutzung der Widerspruchsmarke für einen Betarezeptorenblocker mit dem Anwendungsbereich "funktionelle Herz- und Kreislaufbeschwerden, Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck" beschränkt.
2.) Den weiteren Widerspruch aus der Marke 2 034 683 "Juviton" hat die Markenstelle mangels bestehender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die unterschiedlichen Endungen sorgten in klanglicher Hinsicht für eine hinreichend verschiedene Klangfärbung der Markenwörter. Auch im Schriftbild seien wegen der unterschiedlichen Umrißcharakteristika der Endbestandteile Verwechslungen nicht zu erwarten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden zu 2 mit dem (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Marke 2 034 683 "Juviton" zurückgewiesen worden ist und die Löschung der angegriffenen Marke wegen dieses Widerspruchs anzuordnen.
Es bestehe wegen der nahezu identischen Marken unmittelbare, insbesondere aber auch mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens, da die Widersprechende Inhaberin einer mit der besonders hervortretenden und zugleich auf den Firmennamen "J..." hinweisenden Anfangs- silbe "Ju" gebildeten Zeichenserie sei (JuProstan, JuDorm, JuCalcetten usw), deren Zeichen wie die angegriffene Marke in ihren weiteren Bestandteilen typische, warenbeschreibende oder völlig farblose Abwandlungsformen enthielten. Der Verkehr werde deshalb die jüngere Marke für ein weiteres Zeichen der Widersprechenden halten.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke "Juviton", da die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen nur eine Verwendung zur Kennzeichnung einer zur Stärkung von Herz und Kreislauf bestimmten Kräuterkur "JuViton" belege, welche als ein aus Kräutern und Pflanzenauszügen zusammengesetzter alkoholischer Auszug nicht unter die für die Widerspruchsmarke geschützten "chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege" subsumiert werden könne. Im übrigen bestehe weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Verwechslungsgefahr.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
1.) Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Senats besteht auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren maßgeblichen Warenlage zwischen der angegriffenen Marke "JUVITAL" und der Widerspruchsmarke 639 534 "Juvental-Hennig" Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Markenstelle hat deshalb zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
a.) Soweit die Inhaberin der jüngeren Marke hinsichtlich dieser Widerspruchsmarke zulässig die Einrede der Nichtbenutzung erhoben hat (§ 43 Abs 1 MarkenG), ist die in diesem Zusammenhang allein problematische und zwischen den Parteien im Streit stehende Frage, ob die von der Eintragung abweichende Benutzungsform den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen Marke "Juvental-Hennig" verändert oder noch als rechtserhaltende Benutzung im Sinne des § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG anerkannt werden kann, letztlich zugunsten der Widersprechenden zu bejahen, auch wenn es sich vorliegend insoweit um einen Grenzfall handeln mag.
Für die nach § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG zu beantwortende Frage, ob eine den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen Marke verändernde Benutzung vorliegt, kommt es darauf an, ob der Verkehr die eingetragene und die benutzte Form als dieselbe Marke ansieht (vgl Althammer/Ströbele, Markenrecht, 9. Aufl, § 26 Rdn 54; BGH GRUR 1997, 744, 747 - ECCO I). Danach ist der Gesichtspunkt der Willkürlichkeit von Änderungen der Markenform, wie er insbesondere auch hinsichtlich der Trennung eingetragener Marken nach früherer - als zu streng empfundenen - Rechtsprechung zum WZG vertreten wurde, nicht mehr maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die eingetragene Marke auch in der benutzten Form ohne weiteres erkennbar bleibt und der Verkehr beide Formen ihrem Gesamteindruck nach einander gleichsetzt (vgl auch Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 26 Rdn 81) oder ob die eingetragene Marke durch die konkrete Art der Benutzung ihren spezifischen Charakter verloren hat, was maßgebend von der kennzeichnenden Wirkung ihrer Bestandteile und deren Bedeutung für den Gesamteindruck abhängt (vgl auch BGH GRUR 1997, 744, 746 - ECCO I; BGH WRP 1998, 1081, 1082 - Holtkamp; WRP 1998, 1083, 1085 - Karolus-Magnus).
Allerdings kann nach Auffassung des Senats hinsichtlich des für den kennzeichnenden Charakter maßgeblichen Gesamteindrucks der Widerspruchsmarke nicht bereits allein darauf abgestellt werden, ob einzelne Markenbestandteile - wie vorliegend "Juvental" - isoliert kollisionsbegründend sind und deshalb eine Weglassung bzw wesentliche Veränderung eines weiteren Markenbestandteils auch für die Frage einer rechtserhaltenden Benutzung unschädlich ist (vgl auch Fezer, Markenrecht, 2. Aufl, § 26 Rdn 105). Auch in diesen Fällen spricht vielmehr einiges dafür, daß abweichende Gestaltungen der Marke bzw weiterer Bestandteile einer Anerkennung der Benutzung entgegenstehen können (vgl hierzu auch BGH GRUR 1997, 744, 747 - ECCO I), wie andererseits auch bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr je nach der Kollisionslage und Art der Gegenmarke beim Markenvergleich der eine oder der andere Bestandteil von größerer Bedeutung sein kann (zur Berücksichtigung situationsbedingter und warenspezifischer Umstände sowie zur Möglichkeit einer geteilten Verkehrsauffassung siehe BPatGE 36, 262, 265 f - GOLDWELL-JET; BPatG GRUR 1998, 821, 822 f - Tumarol / DURADOL Mundipharma) und insbesondere der Schutzbereich einer mehrgliedrigen Marke sich nicht nur auf ihre dominierenden, allein kollisionsbegründenden Bestandteile beschränkt, sondern im Hinblick auf andere Marken, die ihr auch in ihren weiteren, ggf kennzeichnungsschwachen Bestandteilen nahekommt, zugleich auch auf die hierdurch hervorgerufene Gesamtwirkung erstreckt.
Dies bedarf jedoch vorliegend keiner Vertiefung, da auch nach dieser Auffassung in der Benutzung der von der eingetragenen Form der Widerspruchsmarke abweichenden Gestaltung keine wesentliche Veränderung ihres kennzeichnenden Charakters zu sehen ist. Der Verkehr ist daran gewöhnt, daß Arzneimittelmarken häufig aus mehreren Bestandteilen bestehen, insbesondere neben einer speziellen Produktkennzeichnung auch Herstellerangaben (Firmenschlagworte) und beschreibende Zusätze zur Dosierung, Wirkstoff, Packungsgröße usw enthalten oder derartige Angaben hinzugefügt werden (vgl auch Fezer, aaO, § 26 Rdn 111), und daß diese auf den Warenverpackungen nicht immer in gleicher Schriftgröße und unmittelbar aneinander gereiht erscheinen. Andererseits werden solche Angaben - schon aufgrund entsprechender Bezeichnungsvorschriften - vielfach verwendet ohne Markenbestandteil zu sein, was sich aber im Einzelfall regelmäßig der Kenntnis der Abnehmer entzieht. Wird eine mehrgliedrige Marke so verwendet, daß zwischen die kennzeichnungskräftigen Bestandteile weitere Angaben eingefügt sind, kann dies allerdings zu einer Veränderung des kennzeichnenden Charakters führen und zwar vor allem dann, wenn die eingefügten Bestandteile ebenfalls als kennzeichnend aufgefaßt werden können. Dagegen kommt eine Beurteilung als rechtserhaltende Benutzung um so eher in Betracht, je ferner es liegt, den hinzugefügten Angaben selbst die Funktion einer betrieblichen Kennzeichnung beizumessen. Zudem ist zu berücksichtigen, daß sich das Weglassen miteingetragener Markenteile grundsätzlich eher negativ auf die Frage der rechtserhaltenden Benutzung auswirkt als die Hinzufügung zusätzlicher Bestandteile zur Marke in ihrer eingetragenen Form, da Marken ohnehin nur ausnahmsweise und bei Arzneimitteln praktisch nie allein ohne weitere Angaben auf der Ware oder ihrer Verpackung in Erscheinung treten (vgl auch zur arzneimittelrechtlichen Bedeutung einer Erweiterung der Marke um den Hinweis auf die Darreichungsform OLG Hamburg GRUR 2000, 159, 160 - Bonefos).
Deshalb werden auch vorliegend die beteiligten Verkehrskreise in dem mit "Juvental" jedenfalls noch in hinreichendem räumlichen Zusammenhang stehenden Firmenschlagwort "Hennig" trotz der hinzugefügten Dosierungsangabe und der unterschiedlichen Schriftgrößen einen weiteren, die Produktbezeichnung ergänzenden Markenbestandteil sehen, zumal "Hennig" - anders als bei der gleichfalls auf den Verpackungen und in den Gebrauchsanweisungen aufgedruckten Firmenbezeichnung "H... GmbH & Co KG" - jeglicher Zusatz über die Rechtsform fehlt. Letztlich gibt auch der hinzutretende Umstand, daß nur die Produktkennzeichnung mit dem auch allgemeinen Verkehrskreisen bekannten Schutzzeichen ¨ versehen ist, keinen hinreichenden Ausschlag für die von der Inhaberin der angegriffenen Marke vertretene Gegenmeinung. Denn auch aus diesem Umstand wird der Verkehr angesichts der kennzeichnenden Bedeutung des Phantasiewortes "Juvental" für den Gesamteindruck nicht folgern, daß es sich bei der verwendeten Form um eine andere als die eingetragene Marke handelt. Denn anders als bei rein beschreibenden oder kennzeichnungsschwachen Produktbezeichnungen - ist weder mit der alleinigen zeichenmäßigen Herausstellung von "Juvental" eine wesentliche Veränderung der Kennzeichnungskraft des eingetragenen Zeichens verbunden (vgl hierzu BGH GRUR 1997, 744, 746 - ECCO I; BGH WRP 1998, 1083, 1085 - Karolus-Magnus) noch hat der Verkehr Veranlassung, nur in der durch einen Bindestrich zusammengesetzten Form beider Markenbestandteile die eingetragene Marke zu sehen (vgl hierzu auch BGH aaO - Karolus-Magnus).
b.) Da die Widersprechende unbestritten eine Benutzung der Widerspruchsmarke für den auch in dem Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" unter der Hauptgruppe 27 (Betarezeptoren-, Calciumkanalblocker u. Hemmstoffe d. Renin-Angiotensin-Systems) verzeichneten Betarezeptorenblocker geltend macht (vgl RL 2000 HG 27 Nr 021), sind nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Integrationsfrage (vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; GRUR 1995, 448 ff - APISOL / Aspisol) der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis Arzneimittel der entsprechenden Hauptgruppe ganz allgemein, insbesondere auch ohne Beschränkung auf eine bestimmte Darreichungsform, enthaltene Wirkstoffe oder eine Rezeptpflicht zu berücksichtigen (allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus und GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB), die - wie auch das Präparat der Widersprechenden - ua als Herz-/Kreislaufmittel indiziert sind.
Diesen Arzneimitteln stehen auf seiten der angegriffenen Marke ohne weiteres ähnliche Waren gegenüber. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren von der Inhaberin der angegriffenen Marke erklärten Beschränkung des Warenverzeichnisses auf "Nahrungsergänzungsmittel und Diätetika für medizinische Zwecke; Vitaminpräparate und Mineralien- und Spurenelementpräparate", da auch diese enge Berührungspunkte mit den bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Arzneimitteln aufweisen können. So kann es sich bei Vitamin- Mineralien-, oder Spurenelementpräparaten nicht nur um Nahrungsergänzungsmittel, sondern auch um Arzneimittel handeln. Aber auch als Nahrungsergänzungsmittel können diese ebenso wie andere Nahrungsergänzungsmittel oder auch Diätetika für medizinische Zwecke bereits aufgrund ihrer allgemeinen Merkmale wie der stofflichen Zusammensetzung, ihrer Abgabeform und Aufmachung Arzneimitteln sehr ähnlich sein (vgl hierzu und zur allgemeinen Abgrenzung Forstmann GRUR 1997, 102 ff; Klein NJW 1998, 791 ff; BPatG MarkenR 2000, 103, 105 - Netto 62 mit weiteren Hinweisen; zur empfohlenen Tagesdosis als Abgrenzungskriterium bei Vitaminpräparaten vgl Kloesel/Cyran, AMG, Kommentar, § 2, A 1.0, Anm. 83 o; zur Abgrenzung bei Fettstoffwechselpräparaten vgl auch BGH GRUR 2000, 528, 530 - L-Carnitin). Insbesondere können derartige Waren aber unter Berücksichtigung ihres Anwendungsbereichs als Adjuvans bei Hypertonie und Herzinsuffiziens zB bei Vitamin E-Präparaten (vgl hierzu PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 25 W (pat) 68/98 - Enapressat = Epressat, 25 W (pat) 210/97 Salvital = SALUSVITAL; Hellwig/Otto, Arzneimittel, 1995, Band II, 8. Aufl, Kapitel 53-32; vgl auch RL 2000 HG 84 "Vitamine" Nr 124) oder auch als Diätetika wie zB diätetische Fettstoffwechselpräparate (vgl hierzu ausführlich BGH GRUR 2000, 528, 529, 530 - L-Carnitin mit weiteren Nachweisen; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 25 W (pat) 99/97 BIOGRAN = Biocarn) zusätzlich enge funktionelle Indikationsüberschneidungen mit den Betarezeptorenblockern der Widerspruchsmarke aufweisen und diesen bereits deshalb sehr ähnlich sein, wobei regelmäßig weitere, bei derartigen Waren typische Umstände, die aus der Sicht des Verkehrs für eine gemeinsame betriebliche Zuordnung sprechen und deshalb für die Beurteilung der markenrechtlichen Warenähnlichkeit von Bedeutung sind, hinzukommen (vgl hierzu BPatG MarkenR 2000, 103, 105 - Netto 62 - mit weiteren Hinweisen).
c.) Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß für die eingetragenen Waren eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht, so daß die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELT-ZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, selbst als medizinischer Laie eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
d.) Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand auch noch insoweit strenge Anforderungen zu stellen, als die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren keine Arzneimittel sind. Selbst wenn man insoweit zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke nur durchschnittliche Anforderungen unterstellt, sind auch diese nach Auffassung des Senats von der jüngeren Marke nicht eingehalten.
Eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken nach ihrer maßgeblichen eingetragenen Form (vgl BGH MarkenR 2000 140, 143 - ATTACHÉ / TISSERAND; GRUR 1996, 775, 777 - Sali Toft) kommt vorliegend allerdings von vornherein ernsthaft nur dann in Betracht, wenn für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken dem Firmenbestandteil "Hennig" nur eine untergeordnete und dem Bestandteil "Juvental" eine den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägende und zudem selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommt. Nach Auffassung des Senats ist dies der Fall. Denn wie auch die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede gestellt hat, ist vorliegend ohne weiteres davon auszugehen, daß die auch in zahlreichen Arzneimittelkennzeichnungen verwendete Bezeichnung "Hennig" nicht nur in Fachkreisen, sondern auch einem erheblichen Teil der allgemeinen Verkehrskreise als Firmenhinweis auf die Widersprechende geläufig oder aber zumindest als solche erkennbar ist und gegenüber der reinen Phantasiebezeichnung "Juvental" jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer speziellen Produktbezeichnung in den Hintergrund tritt (vgl auch st Rspr BGH MarkenR 1999, 161, 163 mwN - LORA DI RECOARO; GRUR 1998, 927, 929 - COM-PO-SANA; GRUR 1997, 897, 899 - IONOFIL; vgl auch die Rechtsprechungsübersicht von Jaeger in MarkenR 1999, 217 ff). Der Verkehr wird sich deshalb - anders als bei kennzeichnungsschwachen Bestandteilen wie zB glatten oder deutlich erkennbaren Sachhinweisen - hauptsächlich an "Juvental" orientieren, so daß dieser Bestandteil selbständig kollisionsbegründend ist (vgl auch BGH GRUR 1998, 815, 816 - Nitrangin/Nitrangin Isis; BPatG GRUR 1998, 821, 823 - Tumarol/DURADOL Mundipharma).
Danach hält die einzig in ihrer Wortmitte von "Juvental" nur geringfügig abweichende jüngere Marke "JUVITAL" sowohl in klanglicher Hinsicht als auch im Schriftbild aus den bereits von der Markenstelle genannten Gründen keinen ausreichenden Markenabstand ein. So hat auch die Widersprechende zutreffend darauf hingewiesen, daß die sich gegenüberstehenden Vokale "i" und "e" eng klangverwandt seien und es sich bei dem allein in der Widerspruchsmarke vorhandenen "n" um einen klangschwachen Konsonanten handele, der besonders bei etwas undeutlicher Sprechweise nahezu nicht zu vernehmen sei. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn berücksichtigt wird, daß die Marken in der Regel nicht nebeneinander aufzutreten pflegen, sich deshalb dem Verbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, und er sich vielmehr auf das unvollkommene Bild verlassen muß, daß er von diesen im Gedächtnis behalten hat (st Rspr, vgl BGH GRUR 1993, 972, 974 - Sana / Schosana; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints). Auch soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke darauf abstellt, daß der nur in der jüngeren Marke mit "VITAL" enthaltenen Sinnbezug als begriffliche Stütze eine Orientierung erleichtern könne, wirkt dies einer Verwechslungsgefahr bereits deshalb nicht entscheidend entgegen, weil die Vergleichsbezeichnungen klanglich und schriftbildlich so deutlich aneinander angenähert sind, daß sie direkt füreinander gehört werden können (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 76).
Nach alledem war die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
2.) Die Entscheidung über die weitere, gleichfalls zulässige Beschwerde hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 2 034 683 "Juviton" konnte deshalb dahingestellt bleiben. Sollte die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 639 534 noch gegenstandslos werden (etwa infolge Rücknahme des Widerspruchs oder einer erfolgreichen Eintragungsbewilligungsklage), so wird über die Beschwerde hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 2 034 683 noch zu befinden sein.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Knoll Engels Pü
BPatG:
Beschluss v. 11.08.2000
Az: 25 W (pat) 80/99
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