Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 20. März 2014
Aktenzeichen: 3 U 96/13
(OLG Hamburg: Urteil v. 20.03.2014, Az.: 3 U 96/13)
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, ZK 27, vom 11. April 2013, Az.: 327 O 63/13, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in dem Unterlassungstenor zu I. b) der Beschlussverfügung vom 11. Februar 2013 die Angabe "Werkzeugs/" gestrichen wird.
Die Kosten der Berufung fallen der Antragsgegnerin zur Last.
Gründe
A.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Heilmittelwerbe- und Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine von der Antragstellerin als unlauter erachtete Werbemaßnahme der Antragsgegnerin gegenüber Ärzten (Anlage A 7).
Die Parteien sind Mitbewerber auf dem Markt der Blutzuckermesssysteme, die von Diabetikern zur Blutzuckermessung genutzt werden. Die Antragstellerin vertreibt u. a. die Blutzuckermesssysteme C.® N. U. und C.® XT mit den entsprechenden Teststreifen, den sog. Sensoren (Anlage AG 3). Die Antragsgegnerin vertreibt ihre Blutzuckermesssysteme unter der Marke A.®. Die entsprechenden Teststreifen bietet sie unter der Bezeichnung A.® Av. an (Anlage AG 2). Bei den Produkten der Parteien handelt es sich um Medizinprodukte.
Nach Preissenkungen der Antragstellerin für deren Blutzuckersensor C.® N. zum 1. Oktober 2012 (Anlagen A 2 und A 3) und nachfolgend der Antragsgegnerin für deren Blutzuckerteststreifen A.® Av. (Anlage A 4) sind die Produkte der Parteien im Rahmen der Arzneimittellieferverträge zwischen dem Deutschen Apothekerverband einerseits und dem Verband der Ersatzkassen (VDEK) bzw. der Barmer GEK andererseits jeweils in dieselbe Preiskategorie, nämlich von der höherpreisigen Kategorie A bzw. 1 in die niedrigpreisigere Kategorie B bzw. 2 eingeordnet worden. Der Betrag, welcher dem Apotheker bei Abgabe von Teststreifen der Preisgruppe A bzw. 1 erstattet wird, ist damit höher als der Erstattungsbetrag, der bei Abgabe von Teststreifen der Preisgruppe B bzw. 2 gezahlt wird.
Neben den vorgenannten Arzneimittellieferverträgen zwischen dem Deutschen Apothekerverband einerseits und dem VDEK bzw. der Barmer GEK, den sog. Ersatzkassen, andererseits verhandeln auch verschiedene regionale Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK), die sog. Primärkassen, Arzneimittellieferverträge mit Apothekerverbänden. Zwei dieser AOK differenzieren - wie die Ersatzkassen - bei der Erstattung zwischen zwei Erstattungspreisgruppen, wobei die Produkte der hiesigen Parteien jeweils der höheren Preisklasse zugeordnet sind. Die übrigen AOK kennen jeweils nur einen einheitlichen Erstattungspreis (Anlage A 6).
Im Januar 2013 verschickte die Antragsgegnerin Werbemitteilungen in Form eines Geschenkkartons an Ärzte, mit welchen für die Verordnung der Teststreifen des Blutzuckermesssystems A.® geworben wurde. Die Box zeigte auf dem Deckel den Aufdruck "Mit freundlichen Grüßen A.®". Ihr Inhalt bestand aus einer Werbekarte der im Unterlassungsantrag zu 1. a) eingeblendeten Art. Dort hieß es in Form einer Überschrift "Hammerpreise schonen Ihr Budget!". Weiter hieß es dort "Qualität zum Hammerpreis". In dem Geschenkkarton befand sich ein handelsüblicher Hammer (300 Gramm/DIN 1041) der im Unterlassungsantrag zu 1. b) eingeblendeten Art. Hinsichtlich der näheren Gestaltung des Geschenkkartons und seines Inhalts wird auf die Anlage A 7 verwiesen.
Am 28. Januar 2013 erhielt die Rechtsabteilung der Antragstellerin Kenntnis von dieser Werbemaßnahme der Antragsgegnerin.
Unter dem 29. Januar 2013 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Hinblick auf diese Werbemaßnahme unter Fristsetzung zum 31. Januar 2013 abmahnen. Dazu wurde ausgeführt, dass die Antragsgegnerin mit den Aussagen "Hammerpreise schonen Ihr Budget!" sowie "Qualität zum Hammerpreis" den Eindruck erwecke, durch eine Verordnung der Teststreifen A.® Av. schone der angesprochene Arzt grundsätzlich und für jeden Fall sein Arzneimittelbudget. Dies sei jedenfalls im Hinblick auf Patienten, die bei einer Primärkasse versichert seien, unzutreffend. Darüber hinaus stelle der beiliegende Hammer, welcher in Baumärkten zu einem Preis von € 5,00 bis € 10,00 angeboten werde, eine unzulässige Werbegabe gemäß § 7 Abs. 1 HWG dar (Anlagen A 9 und AG 1).
Mit Antwortschreiben vom 31. Januar 2013 (Anlagen A 12 und AG 8) ließ die Antragsgegnerin die geltend gemachten Ansprüche zurückweisen und nahm dabei u.a. auf eine vorangegangene Werbemaßnahme der Antragstellerin (Anlage A 10) Bezug, welche das Landgericht Köln - und nachfolgend des OLG Köln - für wettbewerblich unbedenklich angesehen hatten (Anlagen A 11 und A 13). Zudem ließ die Antragsgegnerin unter dem 31. Januar 2013 eine entsprechende Schutzschrift beim Landgericht Hamburg hinterlegen (Aktenzeichen 396 OH 51/13).
Mit Beschluss vom 11. Februar 2013 hat das Landgericht Hamburg der Antragsgegnerin auf Antrag der Antragstellerin vom 4. Februar 2013 bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten,
innerhalb des geschäftlichen Verkehrs zu Zwecken des Wettbewerbs,
a. für Teststreifen des Blutzuckermesssystems A.® Av. mit der Aussage "Hammerpreise schonen Ihr Budget!" zu werben und/oder werben zu lassen wie nachfolgend wiedergegeben:
und/oder
b. Teststreifen des Blutzuckermesssystems A.® Av. unter Versendung der Werbegabe eines Werkzeugs/Hammers zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie nachfolgend wiedergegeben:
Hiergegen richtete sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch vom 21. Februar 2013.
Zur Begründung ihres Widerspruchs hat sich die Antragsgegnerin auf die Schutzschrift vom 31. Januar 2013 bezogen.
Sie hat weiter ausgeführt, dass die von ihrer Werbemaßnahme angesprochenen Ärzte die Aussage "Hammerpreise schonen Ihr Budget!" nicht dahingehend verstünden, dass mit jeder Verordnung der beworbenen A.® Av.-Teststreifen das Budget der Ärzte geschont werde. Selbst im Falle eines solchen Verständnisses der beanstandeten Werbeaussage durch die angesprochenen Ärzte sei die Aussage inhaltlich zutreffend und nicht zu einer Irreführung geeignet, denn die Verkaufspreise der Blutzuckerteststreifen der Antragsgegnerin lägen - unstreitig - stets unter den für verschiedene Konkurrenzprodukte verlangten (Höchst-)Preisen.
Zudem zeige eine weitere Werbemaßnahme der Antragstellerin, in welcher sie auf einem Sparschwein mit der Angabe "wirtschaftlich verordnen!" für ihre C.® N.-Produkte werbe (Anlage AG 9), und deren rechtliche Einschätzung als wettbewerbsrechtlich unbedenklich durch das Landgericht Hamburg (Anlagen AG 10 und AG 11), dass auch die hier vorliegende Werbung nicht irreführend sei.
Die Antragsgegnerin hat weiter ausgeführt, dass der Unterlassungstenor zu I. b) bereits deshalb unzulässig sei, weil er auch zulässige Werbeformen umfasse. Ein Per-se-Verbot für die Zugabe von Werkzeugen und Hämmern sei nicht gerechtfertigt.
Die Abgabe des Hammers sei nicht zu beanstanden. Es handele sich bereits um eine geringwertige Sache, deren Wert weiter durch den darauf befindlichen Werbeaufdruck der Antragsgegnerin gemindert sei. Von einer Geringwertigkeit gemäß § 7 HWG sei in Übereinstimmung mit dem Regelwerk der freiwilligen Selbstkontrolle für die Zusammenarbeit von Ärzteschaft und Industrie (FSA-Kodex), denen sich die Parteien unterworfen hätten, auszugehen, wenn die Schwelle von € 5,00 nicht überschritten werde. So sei es hier. Es habe sich um einen Hammer einfachster Bauart gehandelt, welcher im Internethandel bereits zu einem Preis von knapp über € 1,00 erworben werden könne (Anlage AG 5). Zudem sei der Hammer auch zur Verwendung in der ärztlichen Praxis, etwa zur Durchführung kleinerer Reparaturen, bestimmt.
Zudem handele es sich bei dem Hammer lediglich um eine humorvolle Ergänzung und Unterstreichung der Werbung mit "Hammerpreisen". Nicht der überlassene Hammer, sondern die Botschaft, dass die Preise der Antragsgegnerin "Hammerpreise" seien, stehe im Mittelpunkt der Werbung.
Die Antragsgegnerin hat weiter ausgeführt, dass das Vorgehen der Antragstellerin im Hinblick auf deren Werbemaßnahme gemäß Anlage AG 9 ("Sparschwein") rechtsmissbräuchlich sei.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Beschluss - einstweilige Verfügung - der Kammer vom 11. Februar 2013 aufzuheben und den auf seinen Erlass gerichteten Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die einstweilige Beschlussverfügung der Kammer vom 11. Februar 2013 zu bestätigen.
Die Antragstellerin hat ausgeführt, dass die beanstandete Werbeaussage zu 1. a) irreführend und damit unlauter gemäß § 5 a Abs. 1 UWG sowie den §§ 3 Abs. 1, 5 Nr. 2 UWG sei.
Die Antragsgegnerin spiegele dem angesprochenen Arzt der Wahrheit zuwider vor, die Verordnung ihrer Teststreifen führe ohne Einschränkungen hinsichtlich jedes einzulösenden Rezepts dazu, das Budget des Arztes zu entlasten.
Sie hat ihren Vortrag aus dem Erlassverfahren vertieft und ergänzend vorgetragen, dass die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin nicht hinreichend zwischen den Abgabepreisen einerseits und den Erstattungspreisen andererseits unterscheide. Die beanstandete Werbeaussage "Hammerpreise schonen Ihr Budget!" der Antragsgegnerin werde von den angesprochenen Ärzten allein auf die Erstattungspreise der Krankenkassen bezogen, d. h. den Betrag, den eine Krankenkasse bei der Verordnung eines Sensors bzw. Teststreifens dem Apotheker bzw. bei Privatpatienten dem Diabetiker erstatte, da nur diese Erstattungspreise für das Arzneimittelbudget der angesprochenen Ärzte relevant seien. Irrelevant und für die angesprochenen Verkehrskreise von der beanstandeten Werbeaussage nicht thematisiert sei hingegen das Preisgefüge zwischen dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU), dem Apothekeneinkaufspreis (AEP) und dem Apothekenverkaufspreis (AVP).
Schließlich sei die Versendung der Werbegabe eines Hammers an Ärzte gemäß den §§ 3 Abs. 1, 4 Ziff. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 HWG auch deshalb unzulässig, weil diese Werbegabe nicht zur Verwendung in der ärztlichen Praxis bestimmt sei. Entsprechende Hämmer kosteten im Internethandel zwischen € 4,00 und € 89,00 (Anlage A 8). Sie seien nicht unter € 5,00 zu haben (Anlage A 14). Zudem müssten die Versandkosten hinzuaddiert werden. Der Werbeaufdruck befinde sich auf einer leicht ablösbaren Folie, so dass er den Wert des Hammers nicht beeinträchtige.
Ihr Vorgehen sei zudem nicht rechtmissbräuchlich. Sie, die Antragstellerin, habe in ihrer eigenen Werbung gemäß Anlage A 10 (Broschüre "B. informiert") ausdrücklich auf die Eingruppierung ihres Sensors in eine niedrigere Klasse von Erstattungspreisen nur gegenüber den Mitgliedskassen des VDEK und der Barmer GEK hingewiesen und nicht undifferenziert einen "Hammerpreis" beworben. Auch die "Sparschweinwerbung" gemäß Anlage AG 9 sei wettbewerbsrechtlich unbedenklich, zumal der Übergabe des Sparschweins jeweils entsprechende mündliche oder schriftliche Hinweise vorausgegangen seien.
Mit Urteil vom 11. April 2013, Az. 327 O 63/13, hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung vom 11. Februar 2013 bestätigt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung, die sie frist- und formgemäß eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags begründet hat.
Die Antragsgegnerin führt im Hinblick auf den Unterlassungstenor zu I. a) aus, dass die Angabe "Hammerpreise schonen Ihr Budget!" nicht die Behauptung enthalte, dass ein Arzt sein Budget durch die Verschreibung der Produkte der Antragsgegnerin "stets und in jedem Fall" schonen könne. Der angesprochene Arzt werde lediglich zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Budgetschonung im Zusammenhang mit der Verschreibung der beworbenen Produkte der Antragsgegnerin möglich sei. Die Werbeaussage sei lediglich schlagwortartig und plakativ gewesen. Sie habe nicht den Eindruck erweckt, dass sie vollumfänglich und abschließend informiere. Sie habe den Arzt lediglich dafür gewinnen sollen, sich im Einzelnen über die bestehenden Möglichkeiten zu informieren, das Budget durch die Verschreibung der beworbenen Teststreifen zu schonen. Zudem habe es sich - anders als das Sparschwein der Antragstellerin - nicht um eine permanente, sondern lediglich um eine Werbemaßnahme zur einmaligen Kenntnisnahme im Zusammenhang mit dem Empfang des beigelegten Hammers gehandelt. Über diesen einmaligen mit dem Wortspiel "Hammer/Hammerpreise" verbundenen Werbeeffekt hinaus bleibe bei dem angesprochenen Arzt jedenfalls nicht die Information hängen, dass die Teststreifen der Antragsgegnerin stets und in jedem Fall geeignet seien, das Arzneimittelbudget zu schonen. Eine Irreführung scheide somit aus.
Im Hinblick auf den Unterlassungstenor zu I. b) führt die Antragsgegnerin aus, dass ein Hammer, wie jedes andere übliche Werkzeug auch, dazu geeignet sei, in einer Arztpraxis benutzt zu werden. Er sei deshalb auch dazu bestimmt, in der ärztlichen Praxis verwendet zu werden. Zudem sei diese Werbegabe nicht geeignet, bei den angesprochenen Ärzten ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung der Teststreifen der Antragsgegnerin zu wecken. Der Hammer lande vielmehr in der "Werkzeugschublade" und sei dann "aus dem Blick".
Die Antragsgegnerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. April 2013, Az. 327 O 63/13, abzuändern und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 11. Februar 2013 unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
Ergänzend führt sie aus, dass das Kriterium "Arzneimittelbudget" neben dem Kriterium "Messgenauigkeit" aktuell der entscheidende Aspekt im Zusammenhang mit der ärztlichen Verordnung von Blutzuckermessteststreifen sei. Die einmalige Adressierung einer irreführenden Werbung sei gleichwohl irreführend.
Da es sich bei den beworbenen Teststreifen um Medizinprodukte handele, sei die Humanarzneimittelrichtlinie nicht anwendbar. Sie sei daher bei der Auslegung von § 7 HWG nicht heranzuziehen.
Im Versandhandel fielen beim Erwerb der hier streitgegenständlichen Hämmer zusätzlich Versandkosten zwischen € 3,00 und € 4,10 an (Anlage BE 1), welche für die Bemessung des Wertes des Hammers für den Arzt berücksichtigt werden müssten. Zum Beleg des Umstandes, dass die Werbeangaben auf dem Hammer auf einer leicht abnehmbaren Folie aufgebracht gewesen seien, hat die Antragstellerin entsprechende Lichtbilder zur Akte gereicht (Anlage BE 2).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Schutzschrift vom 31. Januar 2013 sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 27. Februar 2014 Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu 1. a) ist gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 5 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 S. 1 HWG begründet.
1.
Mit dem Unterlassungstenor zu I. a) ist der Antragsgegnerin verboten worden,
innerhalb des geschäftlichen Verkehrs zu Zwecken des Wettbewerbs,für Teststreifen des Blutzuckermesssystems A.® Av. mit der Aussage "Hammerpreise schonen Ihr Budget!" zu werben und/oder werben zu lassen wie nachfolgend wiedergegeben:
Das Verbot ist, das zeigt die Formulierung "wie nachfolgend wiedergegeben", auf die konkrete Verletzungsform beschränkt. Probleme hinsichtlich der Bestimmtheit des Antrages bzw. des erlassenen Verbots bestehen damit nicht.
2.
Die Werbeaussage "Hammerpreise schonen Ihr Budget!" gegenüber Ärzten ist in Bezug auf die Teststreifen der Antragsgegnerin, A.® Av., irreführend.
a)
Das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Fachverkehrs, hier: Ärzte, vermögen die Mitglieder des Senats, die sich hierbei auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung stützen können, selbst zu beurteilen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnisses von Ärzten oder Apothekern durch die Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Arzt die deutsche Sprache anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein wissenschaftliches Studium absolviert hat (OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204).
b)
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes verstehen die angesprochenen Ärzte die Angabe im Rahmen der Werbekarte dahin, dass durch eine Verordnung der beworbenen Teststreifen ihr Arzneimittelbudget geschont werde. Eine inhaltliche Einschränkung, etwa dahingehend, dass eine Schonung lediglich möglich, nicht jedoch sicher zu erwarten sei, findet sich auf der Werbekarte der Antragsgegnerin nicht.
Diese Werbeaussage ist in Bezug auf Patienten, die bei den zwei Allgemeinen Ortskrankenkassen versichert sind, welche zwei verschiedene Preiskategorien für die hier streitgegenständlichen Teststreifen, A.® Av., vorsehen, unzutreffend. Insofern ist auf den sog. Erstattungspreis abzustellen, da sich nur dieser auf das Arzneimittelbudget des angesprochenen Arztes auswirkt. Da das Produkt der Antragsgegnerin - unstreitig - der teureren der zwei Preiskategorien zugeordnet ist, kann mit einer Verordnung von A.® Av.-Teststreifen eine Schonung des Arzneimittelbudgets des Arztes wegen des höheren Erstattungspreises nicht einhergehen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Eine Irreführung liegt darüber hinaus auch hinsichtlich der behaupteten Budgetschonung durch die Verordnung der A.® Av.-Teststreifen gegenüber Patienten vor, die bei den 15 weiteren AOK versichert sind. Bei diesen Versicherungen wird keine Unterscheidung in zwei Preiskategorien vorgenommen, der Erstattungsbetrag ist für alle Teststreifen gleich hoch. Damit scheidet eine Budgetschonung durch die Verordnung der A.® Av.-Teststreifen auch hier aus.
Somit liegt eine Irreführung vor.
Dem kann die Antragsgegnerin nicht entgegen halten, dass es sich lediglich um eine Werbemaßnahme zur einmaligen Kenntnisnahme im Zusammenhang mit dem Empfang des beigelegten Hammers gehandelt habe. Zum einen ist die Werbekarte - ebenso wie der Hammer - durchaus geeignet, aufbewahrt zu werden. Zum anderen muss auch eine lediglich einmalig wahrzunehmende Werbemaßnahme zutreffend sein. Auch der Umstand, dass die Werbemaßnahme durch das Zusammenspiel der Bewerbung von Hammerpreisen einerseits und der Beilegung eines Hammers andererseits auch einen humoristischen Charakter aufweist, steht der Irreführung nicht entgegen. Denn auch insoweit muss die Werbung hinsichtlich der humorvoll transportierten Werbebotschaft zutreffend sein.
Mithin ist der Unterlassungsantrag zu 1. a) gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 5 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 S. 1 HWG begründet.
II.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu 1. b) ist gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz UWG i.V.m. den §§ 3 Abs. 1 und 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 7 Abs. 1 HWG begründet.
1.
Mit dem Unterlassungstenor zu I. b) ist der Antragsgegnerin verboten worden,
innerhalb des geschäftlichen Verkehrs zu Zwecken des Wettbewerbs,
Teststreifen des Blutzuckermesssystems A.® Av. unter Versendung der Werbegabe eines Werkzeugs/Hammers zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie nachfolgend wiedergegeben:
Das Verbot ist, das zeigt der Bestandteil "wie nachfolgend wiedergegeben", auf die konkrete Verletzungsform beschränkt.
Soweit im Tenor auf die Werbegabe eines "Werkzeugs/Hammers" abgestellt worden ist, hat die Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform dazu geführt, dass streitgegenständlich nur das im Rahmen der Werbemaßnahme verwendete Werkzeug, d.h. ein Hammer streitgegenständlich war. Dementsprechend hat die Antragstellerin in der Berufungsverhandlung vom 27. Februar 2014 klarstellend - und damit kostenneutral - eine Streichung des Antragsbestandteils "Werkzeugs" vorgenommen.
Zweifel an der ausreichenden Bestimmtheit dieses Antrags bestehen nicht. Nach § 253 Abs. 2 ZPO muss ein Verbotsantrag so deutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts erkennbar abgegrenzt sind und die Entscheidung darüber, was verboten ist, nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (BGH, GRUR 2003, 958 - Paperboy; BGH, GRUR 2005, 604 - Fördermittelberatung, jew. m. w. N.).
Angesichts der Beschränkung des Verbots auf die konkrete Verletzungsform bestehen hier keine Bedenken, denn damit ist für die Antragsgegnerin hinreichend klar, was ihr verboten ist.
2.
Mit der Überlassung des Hammers gewährt die Antragsgegnerin den angesprochenen Ärzten eine nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 HWG unzulässige und damit nach § 4 Nr. 11 UWG unlautere Werbegabe.
a)
Der von der Antragstellerin auf Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 UWG gestützte Unterlassungsanspruch ist nur dann begründet, wenn auf der Grundlage des gegenwärtig geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann und die Handlung auch schon zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig war (BGH, GRUR 2012, 1279 Rn. 16 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; BGH GRUR 2012, 201 Rn. 16 - Poker im Internet).
Zwar hat § 7 HWG im Verlauf des Rechtsstreits, nämlich zum 13. August 2013 eine Neuregelung erfahren. Die Norm des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG ist um die Formulierung "Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten" erweitert worden. Vorliegend steht eine Werbegabe im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Medizinprodukten in Rede. Zudem sind die hier einschlägigen Vorschriften über Zuwendungen von geringem Wert bzw. geringwertigen Kleinigkeiten beibehalten worden. Somit sind keine für die Entscheidung erheblichen Änderungen der Rechtslage eingetreten.
Das Verbot von Werbegaben bei produktbezogener Werbung für Heilmittel soll der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten entgegentreten, die allerdings dann nicht besteht, wenn die so Angesprochenen die Zuwendung nicht als ein ihnen zugedachtes Werbegeschenk betrachten (BGH, GRUR 2012, 1279 Rn. 24 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT, m. w. Nachw.; BGH, GRUR 2011, 1163 - Arzneimitteldatenbank).
b)
Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG läge nicht vor, wenn es sich bei der Werbegabe um einen Gegenstand von geringem Wert oder um eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG handelte und wenn die Werbegabe gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 HWG zur Verwendung in der ärztlichen Praxis bestimmt wäre.
Ob die unentgeltliche Abgabe des Hammers den Ärzten einen lediglich geringwertigen finanziellen oder materiellen Vorteil im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG gewährt, kann vorliegend offen bleiben, denn der Hammer ist - wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 HWG zur Verwendung in der ärztlichen Praxis bestimmt.
Werbegaben für Angehörige der Heilberufe sind nur dann zulässig, wenn sie zusätzlich die Anforderungen des § 7 Abs. 1 S. 2 HWG erfüllen. Danach müssen die Werbegaben eine besondere Zweckbindung erfüllen, denn sie müssen zur Verwendung in der Praxis bestimmt sein. Darunter ist - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nicht in erster Linie der Ort der Berufsausübung, d.h. die ärztlichen Praxisräume, gemeint. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 HWG beruht auf der Umsetzung des Art. 94 Gemeinschaftskodex, der verlangt, dass die Werbegabe "für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang" sein muss. Der Wortlaut der englischen Fassung "relevant to the practice of medicine and pharmacy" zeigt, dass damit nicht ein lokaler, sondern ein funktionaler Bezug zur Berufsausübung hergestellt wird (Reese/Holtorf in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 11 Rn. 265).
Die Werbegaben müssen mithin gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 HWG dazu bestimmt sein, im Rahmen der ärztlichen Behandlungstätigkeit Verwendung zu finden. Daran fehlt es hier.
Der Hammer ist - unstreitig - nicht dazu bestimmt, bei der ärztlichen Behandlung von Patienten eingesetzt zu werden. Dass auch in einer Arztpraxis bisweilen Bilder oder gar Reklame- bzw. Informationstafeln angebracht und zu diesem Zweck mit einem Hammer Nägel in die Wand eingeschlagen oder dass auch kleinere Reparaturarbeiten mithilfe eines Hammers durchgeführt werden, begründet keine "Bestimmung€ €zur Verwendung in der ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeutischen Praxis€ in diesem Sinne. Ein hinreichender Bezug zur ärztlichen Behandlung von Patienten liegt daher nicht vor.
Wie das Landgericht im Hinblick auf die BGH-Entscheidung "DAS GROSSE RÄTSELHEFT" (GRUR 2012, 1279 ff.) zutreffend ausgeführt hat, fördert der hier als Werbegabe übersandte Hammer nicht in vergleichbarer Weise den Zweck der Praxis eines Arztes wie die im dortigen Fall überlassenen Rätselheft den Betrieb einer Apotheke.
III.
Die Werbemaßnahmen der Antragstellerin gemäß Anlagen A 10 (Broschüre) und AG 9 (Sparschwein) führen nicht dazu, die hiesige Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen. Das bedarf keiner weiteren Ausführungen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
OLG Hamburg:
Urteil v. 20.03.2014
Az: 3 U 96/13
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