Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. April 1994
Aktenzeichen: 19 U 122/93
(OLG Köln: Urteil v. 22.04.1994, Az.: 19 U 122/93)
Vergütung des Nachlaßpflegers 1. Die dem Nachlaßpfleger gemäß den §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1836 BGB zu gewährende Vergütung ist von dem Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nach den §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1835 BGB zu unterscheiden. Die Festsetzung einer Vergütung des Nachlaßpflegers ist allein Sache des Nachlaßgerichts (§ 1962 BGB). Óber den hiervon streng zu unterscheidenden Anspruch auf Auslagenerstattung hat das Prozeßgericht zu entscheiden. 2. Nach den §§ 1915, 1835 Abs. 1 in Verbindung mit § 669 BGB ist zwar auch die Zahlung eines Vorschusses auf die Vergütung des Nachlaßpflegers möglich; diese kann der Nachlaßpfleger jedoch erst nach entsprechender Bewilligung bzw. Festsetzung durch das zuständige Nachlaßgericht beanspruchen; von sich aus kann der Nachlaßpfleger einen derartigen Vorschuß nicht fällig stellen. 3. Ausnahmsweise kann es auch genügen, wenn der Testamentserbe sich mit einer Vorschußzahlung an den Nachlaßpfleger einverstanden erklärt oder eine entsprechende Vereinbarung über eine Vorschußzahlung mit dem Nachlaßpfleger getroffen hat. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der den Vorschuß beanspruchende Nachlaßpfleger.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht
begründet.
Das Landgericht hat der Klägerin in dem angefochtenen Urteil zu
Recht einen Anspruch auf Auslagenerstattung auf der Grundlage der
von ihr erstellten Abrechnung in Höhe von 6.829,63 DM zuerkannt, da
diese Abrechnung richtig ist.
1. Die vom Beklagten beantragte Aussetzung des vorliegenden
Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren
über die Vergütungsfestsetzung vor dem Nachlaßgericht O. - 4 VI G
105/89 - auf der Grundlage des § 148 ZPO kommt nicht in Betracht.
Die dem Nachlaßpfleger gemäß den §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1836
BGB eventuell zu gewährende Vergütung ist nämlich von dem Anspruch
auf Ersatz seiner Aufwendungen nach den §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs.
1, 1835 BGB zu unterscheiden (vgl. LG Berlin MDR 1967, 128;
Palandt-Diederichsen, BGB, 53. Aufl., § 1835 Rdnr. 2). Die
Festsetzung einer Vergütung ist Sache des Nachlaßgerichts (vgl. §
1962 BGB), die hier von dem Nachlaßgericht O. in dem angeführten
Verfahren festzusetzen ist. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es
indes um den hiervon streng zu unterscheidenden Anspruch auf
Auslagenerstattung, über welchen nur das Prozeßgericht zu
entscheiden hat (LG Berlin MDR 1967, 128; PalandtEdenhofer, BGB,
53. Aufl., § 1960 Rdnr. 29). Mit Rücksicht hierauf kann von einer
Vorgreiflichkeit des Vergütungsfestsetzungsverfahrens vor dem
Nachlaßgericht im Sinne des § 148 ZPO für den vorliegenden
Rechtsstreit keine Rede sein.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Aufwendungsersatz, zu dem auch
ihre Auslagen und Anwaltsgebühren gehören, richtet sich nach den §§
1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 670
BGB (vgl. hierzu LG München Rpfleger 1975, 396; Palandt-Edenhofer,
BGB, 53. Aufl., § 1960, Rdnr. 29). Zu ersetzen sind demgemäß die
Aufwendungen, die der Nachlaßpfleger "den Umständen nach für
erforderlich" halten durfte (vgl. die Formulierung in § 670 BGB).
Maßgebend ist hierbei ein objektiver Maßstab mit subjektivem
Einschlag: Der Beauftragte (hier: Nachlaßpfleger) hat nach seinem
verständigen Ermessen aufgrund sorgfältiger Prüfung bei
Berücksichtigung aller Umstände über die Notwendigkeit der
Aufwendungen zu entscheiden; hierbei hat er sich daran zu
orientieren, ob und inwieweit die Aufwendungen angemessen sind und
in einem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts und
zum angestrebten Erfolg stehen (vgl. Palandt-Thomas, BGB, 53.
Aufl., § 670 Rdnr. 4).
Auch unter Berücksichtigung dieses Maßstabes durfte die Klägerin
Rechtsanwalt M. für das in Rede stehende Berufungsverfahren vor dem
Oberlandesgericht F. beauftragen. Dies durfte die Klägerin nach
ihrem verständigen Ermessen für erforderlich halten. Auf die im
Innenverhältnis mit dem Prozeßanwalt W. in O. getroffene
Vereinbarung einer Gebührenteilung kommt es nicht an. Diese
Vereinbarung hat keine Außenwirkung zum Mandanten, das heißt der
Anspruch des jeweiligen Anwaltes gegen den Mandanten ändert sich
nicht, der Mandant schuldet dem Verkehrsanwalt eine Gebühr nach §
52 BRAGO unabhängig von der daneben bestehenden
Honorarverpflichtung im Verhältnis zum Prozeßanwalt (vgl.
Gerold-Schmidt, BRAGO, 10. Aufl., § 3 Anm. 49). Da hiernach die
Gebührenansprüche des Verkehrsanwaltes mit denjenigen des
Prozeßanwaltes nichts zu tun haben, ist bei dieser Sachlage auch
die vom Beklagten in der Berufung erneut gerügte Zahlung von
3.500,-- DM an Rechtsanwalt M. nicht zu beanstanden.
3. Auch der Einwand des Beklagten hinsichtlich des Einbehaltes
von 5.700,-- DM als Vorschuß für die Pflegschaftsvergütung greift
nach der nunmehr von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten
neuen Unterlage im Ergebnis nicht durch.
Zwar ist gemäß den §§ 1915, 1835 Abs. 1 in Verbindung mit § 669
BGB auch die Zahlung eines Vorschusses auf die Vergütung des
Nachlaßpflegers möglich (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 53. Aufl., §
1960, Rdnr. 25). Wie oben indes bereits ausgeführt worden ist, wird
die Vergütung des Nachlaßpflegers nur durch das Nachlaßgericht
festgesetzt (§ 1836 in Verbindung mit den §§ 1915, 1962 BGB). Die
Zahlung eines Vorschusses auf seine Vergütung kann der
Nachlaßpfleger daher auch erst nach entsprechender Bewilligung bzw.
Festsetzung durch das zuständige Nachlaßgericht beanspruchen; von
sich aus kann der Nachlaßpfleger einen derartigen Vorschuß nicht
fällig stellen. Daß ein entsprechender Vorschuß auf die Vergütung
vom Nachlaßgericht festgesetzt oder bewilligt worden ist, macht die
Klägerin selbst nicht geltend. Es genügt indes in diesem
Zusammenhang, wenn der Testamentserbe sich mit einer entsprechenden
Vorschußzahlung an den Nachlaßpfleger einverstanden erklärt hat
bzw. eine entsprechende Vereinbarung über eine Vorschußzahlung mit
dem Nachlaßpfleger getroffen hat. Die insoweit darlegungs- und
beweispflichtige Klägerin hat im ersten Rechtszug zwar vorgetragen,
daß der Erbe P.G. vereinbarungsgemäß einen Vorschuß auf ihren
Vergütungsanspruch geleistet habe, den sie in Höhe von 5.700,-- DM
mit ihrem Vergütungsanspruch verrechnet habe. Eine entsprechende
mit ihm getroffene Vereinbarung hatte die Klägerin im ersten
Rechtszug jedoch weder unter Beweis gestellt noch gar bewiesen. Der
von ihr vorgelegte Óberweisungsträger über 10.000,-- DM mit der
Bezeichnung "Prozeßpflegschaft G. Vorschuß" (Blatt 37 Anlagenheft)
reicht zum vollen Beweis für eine entsprechende Vereinbarung nicht.
Gleiches gilt für den Umstand, daß der Erbe dem an ihn gerichteten
Schreiben der Klägerin vom 7.2.1991, in welchem davon die Rede ist,
daß sie den gezahlten Vorschuß von 10.000,-- DM in Höhe von
5.700,-- DM auf ihren Vergütungsanspruch verwendet habe, nicht
widersprochen hat. Die hierin zwar für das Vorbringen der Klägerin
sprechenden Anhaltspunkte haben erst in Verbindung mit dem von der
Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten
Schreiben vom 30.1.1990 (Blatt 110 d.A.) den erforderlichen Beweis
für die von ihr behauptete einverständliche Vorschußzahlung
erbringen können. In diesem Schreiben, dessen Inhalt der Beklagte,
dem gemäß § 283 ZPO ein Erwiderungsrecht hierzu ausdrücklich
eingeräumt worden ist, nicht widersprochen hat, hat die Klägerin
P.G. um dessen Einverständnis mit der darin genannten
Vergütungsberechnung gebeten, der auf dem genannten Schreiben auch
den entsprechenden Vermerk mit seiner Unterschrift versehen
hinzugefügt hat. Hiernach steht zur Óberzeugung des Senates eine
entsprechende Vereinbarung fest.
4. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß die
Klägerin unter Verstoß gegen § 118 Abs. 2 BRAGO zu hohe
Rechtsanwaltsgebühren abgerechnet hat.
Hierbei geht es um 7.306,26 DM, die sich die Klägerin nach der
Auffassung des Beklagten aus der Rechnung vom 15.11.1988 in Ziff.
1) über 14.612,52 DM (Angelegenheit L.; Blatt 34 Anlagenheft) auf
die spätere Honorarrechnung vom 2.6.1989 über 16.276,32 DM
anrechnen lassen müsse, die am 25.6.1990 indessen beglichen worden
ist (vgl. Kontoauszug Blatt 36 Anlagenheft). Wie das Landgericht in
diesem Zusammenhang zu Recht ausgeführt hat, kann dieser Einwand
des Beklagten daher nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der
Aufrechnung mit einem Rückforderungsanspruch des Nachlasses gegen
die Klägerin eine Bedeutung gewinnen. Insoweit ist dem Beklagten
zwar zuzugeben, daß unter bestimmten Umständen nach § 118 Abs. 2
BRAGO eine Anrechnung von vorprozessualen Gebühren auf später im
Prozeß anfallende Gebühren in Betracht kommen kann. Das setzt
jedoch voraus, daß es sich um ein- und dieselbe Angelegenheit im
Sinne der Gebührenvorschriften der BRAGO handelt. Für eine
Anrechnung nach § 118 Abs. 2 BRAGO ist dabei insbesondere unter
anderem erforderlich, daß die verschiedenen Verfahrensabschnitte
denselben Gegner betreffen (vgl. nur Hartmann, Kostengesetze, 23.
Aufl., § 118 BRAGO, Anm. 6 mit weiteren Nachweisen). Hieran fehlt
es. Die Abrechnung vom 2.6.1989 über 16.276,32 DM betrifft den
Rechtsstreit vor dem Landgericht gegen die B. Volksbank; die
Kostenrechnung vom 15.11.1988 ("L.weg") betrifft hingegen eine
Auseinandersetzung der Erblasserin mit deren Tochter M.S..
Der vom Landgericht zuerkannte Zinsanspruch für die anfallenden
Óberziehungszinsen für das im Rahmen der Pflegschaft eingerichtete
Anderkonto ist auf der Grundlage der §§ 284, 286, 288 Abs. 2 BGB
gerechtfertigt. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten
Kontoauszug vom 30.9.1992 (Blatt 25 unten Anlagenheft) liegt der
von ihr zu zahlende und auch in Rechnung gestellte Óberziehungszins
ab 1.10.1992 bei 19,25 %.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorläufig vollstreckbar ist das Urteil nach den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Berufungsstreitwert und Beschwer für den Beklagten: 6.829,63
DM
OLG Köln:
Urteil v. 22.04.1994
Az: 19 U 122/93
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