Verwaltungsgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 12. Januar 2006
Aktenzeichen: 1 G 5165/05
(VG Frankfurt am Main: Beschluss v. 12.01.2006, Az.: 1 G 5165/05)
§ 5 Abs. 1 AufenthG benennt neben der Passpflicht noch drei weitere Regelerteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel, von denen nur bei besonders gelagerten Einzelfällen abgewichen werden kann. Der Sachverhalt muss so atypisch gelagert sein, dass eine Versagung des Aufenthaltstitels mit dem gesetzgeberischen Anliegen nicht zu vereinbaren und als ungerecht und insbesondere unverhältnismäßig anzusehen ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft miut einem deutschen Staatsbürger kann als solche keinen Ausnahmefall begründen. Das Aufenthaltsgesetz hält es für grundsätzlich zumutbar, dass ein Ausländer, der vom Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland notorisch Straftaten begeht, keine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau erhält und auf dieser Basis ausreisepflichtig wird.
Tenor
Die Anträge des Antragstellers werden abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist tunesischer Staatsangehöriger. Er reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte unter dem 05.07.2002 unter Angabe falscher Personalien und falscher Staatsangehörigkeit (als Algerier) einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.09.2002 kam es zur Ablehnung dieses Asylantrages. Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller Klage. Ende 2002 teilte der Antragsteller mit, dass er tatsächlich tunesischer Staatsangehöriger sei. Am 02.04.2003 schloss der Antragsteller die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen .... Unter dem 10.04.2003 stellte er einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Unter dem 22.04.2003 nahm er den gestellten Asylantrag zurück. Unter dem 23.04.2003 meldete sich der Antragsteller unter der Adresse Kurfürstenstraße 3 in Hanau polizeilich an. Hierbei handelte es sich um die Wohnadresse von Frau ...
Am 06.06.2003 erhielt der Antragsteller eine bis zum 05.06.2004 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Zum 01.10.2003 meldete sich der Antragsteller zusammen mit seiner Ehefrau in der ...r Straße in ... mit Hauptwohnsitz an.
Unter dem 28.05.2004 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller wurde wie folgt rechtskräftig verurteilt:
1. Urteil des Amtsgerichtes Jena vom 23.10.2002, Az.: 509 Js 34984/02 1 Cs, rechtskräftig seit 13.12.2002, wegen Diebstahl, 20 Tagessätze zu 5,00 € Geldstraße (verurteilt unter Alias-Personalien ...)
2. Urteil des Amtsgerichtes Frankfurt/Main vom 06.05.2004, Az.: 359 Js 16578/04 992 Cs, rechtskräftig seit 26.05.2004, wegen Diebstahl, 50 Tagessätze zu je 35,00 € Geldstrafe
3. Urteil des Amtsgerichtes Hanau vom 18.06.2004, Az.: 5900 Js 8707/04 53 Cs, rechtskräftig seit 05.08.2004, wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen, 25 Tagessätze zu je 35,00 € Geldstrafe
4. Urteil des Amtsgerichtes Hanau vom 12.08.2004, Az.: 5900 Js 5241/04 53 Cs, rechtskräftig seit 05.08.2004, wegen Diebstahl geringwertiger Sachen, 10 Tagessätze zu je 10,00 € Geldstrafe
5. Urteil des Amtsgerichtes Hanau vom 12.08.2004, Az.: 5900 Js 8707/04 53 Cs, rechtskräftig seit 02.09.2004, nachträglich gebildete Gesamtstrafe aus den Urteilen zu 3. und 4. 30 Tagessätze zu je 30,00 € Geldstrafe
6. Urteil des Amtsgerichtes Frankfurt/Main vom 11.11.2004, Az.: 5370 Js 246614/03 940 Ds, rechtskräftig seit 19.11.2004, wegen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmittel (Haschisch) in vier Fällen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 € vorbehalten, Bewährungszeit bis 18.11.2006
7. Urteil des Amtsgerichtes Frankfurt/Main vom 20.08.2004, Az.: 359 Js 27770/04, rechtskräftig seit 14.08.2005,wegen gemeinschaftlichen Diebstahl, unter Einbeziehung der Verteilung zu 2.70 Tagessätze zu je 35,00 € Geldstrafe
8. Urteil des Amtsgerichtes Ingolstadt vom 19.05.2005, Az.: 1 Cs 12 Js 7881/05, rechtskräftig seit 08.06.2005, wegen fahrlässigen Fahrens ohne Führerschein, 30 Tagessätze zu je 30,00 € Geldstrafe
9. Urteil des Amtsgerichts Hanau vom 04.11.2004, Az.: 5900 Js 16233/04 - 53 Cs, rechtskräftig seit 06.07.2005, wegen Diebstahl in zwei Fällen, 100 Tagessätze zu je 20,00 € Geldstrafe
10. Urteil des Amtsgerichtes Frankfurt am Main vom 15.09.2005, Az.: Js 205655/05, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 20,00 €
11. Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 26.09.2005, Az.: 3540 Js 205653/05, rechtskräftig seit 14.10.2005,betreffend dreier Taten des Scheckkartenbetrugs, Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30,00 €.
Ferner wurden gegen den Antragsteller folgende Ermittlungsverfahren eingeleitet:
1. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 5370 Js 246614/03, wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in drei Fällen
2. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 5250 Js 247182/03, wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in drei Fällen
3. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 5250 Js 200915/04, wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln
4. Staatsanwaltschaft Hanau, Az.: 5900 Js 5241/04, wegen Ladendiebstahl
5. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 359 Js 20155/04, wegen Ladendiebstahl, Betrug
6. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 359 Js 16578/04, wegen Ladendiebstahl
7. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 111 Js 20460/04, wegen Hausfriedensbruch
8. Staatsanwaltschaft Hanau, Az.: 5900 Js 8707/04,wegen Betrug
9. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 359 Js 27770/04,wegen gemeinschaftlichen Diebstahl
10. Staatsanwaltschaft Hanau, Az.: 5900 Js 16233/04, wegen Diebstahl
11. Polizeipräsidium Frankfurt/Main, VNr.: 0404349/2004, wegen gefährlicher Körperverletzung
12. Staatsanwaltschaft Ingolstadt, Az.: 12 Js 7881/05, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
13. Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main, Az.: 3540 Js 205655/05, wegen Diebstahl
14. Staatsanwaltschaft Hanau, Az.: 1200 Js 9169/05, wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz
15. Polizeipräsidium Frankfurt/Main, VNr.: ST/1433950/2005, wegen unerlaubtes Herstellen, Handeln, in Verkehr bringen, Erwerben von Betäubungsmitteln gem. § 29 (1) Nr. 1 BTMG
16. Polizeipräsidium Frankfurt/Main, VNr.: ST/1410490/2005, wegen Ladendiebstahl gem. 242 StGB.
Nach erfolgter Anhörung wies der Oberbürgermeister der Stadt Hanau den Antragsteller mit Verfügung vom 01.11.2005 für unbefristete Dauer aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Ferner lehnte er den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab und drohte dem Antragsteller die Abschiebung nach Tunesien für den Fall an, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht spätestens einen Monat nach Zustellung der Verfügung verlassen habe. Auf die Begründung der Verfügung, insbesondere auch die Ausführungen zur Annahme einer nicht bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und der deutschen Staatsangehörigen Marion B., wird Bezug genommen. Die Zustellung dieser Verfügung erfolgte am 07.11.2005. Mit Schriftsatz vom 05.12.2005, dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main zugegangen an diesem Tag, hat der Antragsteller Klage erhoben und beantragt, 1. Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 01.11.2005 aufzuhebenund2. die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2005, dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main zugegangen an diesem Tag hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Die Behauptung der Antragsgegnerin, eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller zu seiner Ehefrau bestünde nicht, sei unzutreffend. Insoweit bezieht sich der Antragsteller auf einen Schriftsatz von Frau Rechtsanwältin V. als Verteidigerin der Ehefrau des Antragstellers vom 15.09.2005 (Blatt 467 bis 469 der Behördenakte), auf eine Erklärung der Eltern der Ehefrau vom 13.09.2005 sowie eine Dienstaufsichtsbeschwerde des Herrn K. vom 20.09.2005. Was die Straftaten anbelange liege erkennbar ein Betäubungsmittelmissbrauch mit typischerweise verbundener Beschaffungskriminalität zu Grunde. Es handele sich um einen länger währenden Konsum von Haschisch. Grundlage der Straftaten sei somit eine Suchtproblematik. Entscheidend sei, ob der Antragsteller in der Lage sei, die Suchtproblematik zu bewältigen. Bei der Prognoseentscheidung sei zunächst das Suchtmittel zu berücksichtigen. Vorliegend handele es sich um Haschisch. Und nicht etwa um Heroin oder andere vergleichbare starke suchtfördernde Stoffe. Der Antragsteller habe sich im Frühjahr als auch Frühsommer/Sommer des Jahres 2005 über einen Zeitraum von insgesamt fast fünf Monaten in Tunesien befunden und mit Unterstützung seiner Familie sich dort in Behandlung begeben. Über die Jugend- und Drogenberatungsstelle des Diakonischen Werkes sei er nunmehr an den praktischen Arzt und Psychotherapeuten M. vermittelt worden. Der Antragsteller sei bemüht, seine Suchtproblematik zu bewältigen.
Vorliegend greife die Bestimmung des § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG mit der Folge, dass über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden sei. Dieses Ermessen habe die Ausländerbehörde nicht betätigt. Es liege somit ein Ermessenfehlgebrauch vor. Auch sei nicht subsumiert, ob ein Abweichen von der Regel i. S. d. § 54 AufenthG gegeben sei.
Der Antragsteller beantragt,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung vom 01.11.2005 anzuordnen.
2. Die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Abschiebemaßnahmen abzusehen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten (3 Bände) Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Akte des Verfahrens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hanau in der Sache 1200 Js 9169/05, die hinzugezogen wurde.
II. Der unter 2. gestellte Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Abschiebemaßnahmen abzusehen, stellt sich als Antrag gem. § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO dar. Dieser Antrag ist gem. § 123 Abs. 5 VwGO nicht zulässig, da die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für den Fall des § 80 VwGO gelten. Vorliegend handelt es sich im Hinblick auf die Ablehnung der begehrten Verlängerung der dem Antragsteller unter dem 06.06.2003 bis zum 05.06.2004 erteilten Aufenthaltserlaubnis um einen Fall des § 80 VwGO. Der Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unter dem 28.05.2004 führte zur Entstehung der Fiktionswirkung des § 69 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AuslG 1990, die nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1950) am 01.01.2005 als Fiktion gem. § 102 Abs. 1 S. 3 AufenthG weiter wirksam blieb. Richtet sich ein Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, so ist nach der Rechtsprechung des Hessischen VGH das Begehren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilen, wenn die Versagung, wie vorliegend, zugleich ein kraft Gesetzes eingetretenes fiktives Bleiberecht beendet, dessen Fortbestand im Falle des Erfolges des Eilantrages erreicht werden kann. Aus diesem Grunde erweist sich der unter Nr. 1. gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung vom 01.11.2005 anzuordnen als gem. § 80 Abs. 5 S. 1, 1. Alternative VwGO als statthaft und auch im Übrigen als zulässig. Der unter Nr. 1. gestellte Antrag kann sich dabei nicht beziehen auf die in der Verfügung vom 01.11.2005 enthaltene Ausweisung, denn im Hinblick auf die Ausweisung kommt der eingelegten Klage vom 05.12.2005 (Az.: 1 E 5166/05 (1)) gem. § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, denn es liegt keiner der in § 80 Abs. 2 VwGO genannten Fälle vor und die aufschiebende Wirkung der Klage kann somit seitens des Gerichts weder angeordnet noch wieder hergestellt werden, da sie existiert. Der Antrag unter Nr. 1. kann sich ferner nicht auf die unter Ziff. 4. in der Verfügung vom 01.11.2005 enthaltene Abschiebungsandrohung beziehen, da diese mit der am 05.12.2005 erhobenen Klage offensichtlich nicht angefochten wurde. Die Abschiebungsandrohung ist somit mittlerweile bestandskräftig geworden.
Der somit ausschließlich im Hinblick auf die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers zulässige Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht begründet. Die Verfügung der Antragsgegnerin vom 01.11.2005 ist insoweit offensichtlich rechtmäßig. Das gesetzlich begründete öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagenden Verfügung gem. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.
Der begehrten Verlängerung der dem Antragsteller unter dem 06.06.2003 bis zum 05.06.2004 erteilten Aufenthaltserlaubnis steht § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels, und dies gilt gem. § 8 Abs. 1 AufenthG auch für die Verlängerung, in der Regel voraus, dass neben der Erfüllung der Passpflicht kein Ausweisungsgrund vorliegt. Von letzterem ist vorliegend jedoch offensichtlich auszugehen. "Ausweisungsgrund" ist gleichzusetzen mit "Ausweisungstatbestand". Danach kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann in Betracht, wenn ein Ausweisungstatbestand nicht verwirklicht ist (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 5, Rdnr. 20, 21). Diese Sichtweise entspricht im Übrigen der obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 AuslG 1990. Bereits vor dem Hintergrund der Verurteilung des Antragstellers durch das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 11.11.2004 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) in vier Fällen erweist sich das Vorliegen eines Ausweisungstatbestandes als offensichtlich. Die dieser Verurteilung zu Grunde liegende Tat stellte einen Ausweisungsgrund gem. § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990 bzw. stellt einen Ausweisungsgrund gem. § 54 Nr. 3 AufenthG dar.
Von der Maßgabe des § 5 Abs. 1 AufenthG kann auch nicht etwa gem. § 5 Abs. 3 AufenthG abgesehen werden, da ein Absehen hiervon lediglich in Fällen des Kapitel 2 Abschnitt 5 des Gesetzes vorgesehen ist, bei denen es um den Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen geht.
Vorliegend kann auch nicht etwa von einem Ausnahmefall i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ausgegangen werden. Anders als noch § 7 Abs. 2 AuslG 1990 benennt § 5 Abs. 1 AufenthG keine Regelversagungsgründe mehr, sondern Regelerteilungsvoraussetzungen für die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Gesetzgebers werden in § 5 die Erteilungsvoraussetzungen von grundlegendem staatlichem Interesse festgelegt (vgl. Bundestagsdrucksache 15/420, Seite 69). § 5 Abs. 1 AufenthG benennt neben der Passpflicht noch drei weitere Regelerteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel, von denen nur bei besonders gelagerten Einzelfällen abgewichen werden kann (Bundestagsdrucksache 15/420, Seite 70). Der Sachverhalt muss so atypisch gelagert sein, dass eine Versagung des Aufenthaltstitels mit dem gesetzgeberischen Anliegen nicht zu vereinbaren und als ungerecht und insbesondere unverhältnismäßig anzusehen ist (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 5 AufenthG, Rdnr.: 36).Ein derart gearteter atypischer Fall liegt jedoch vorliegend nicht vor. Dabei kann für die gerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis offen gelassen werden, ob es sich bei der Verbindung des Antragstellers zu der deutschen Staatsangehörigen Marion B. um eine eheliche Lebensgemeinschaft oder um eine Scheinehe handelt. Auch wenn man eine eheliche Lebensgemeinschaft unterstellt, so ist vorliegend nicht von einem Ausnahmefall im dargestellten Sinne auszugehen. Dabei ist zunächst festzustellen, dass der Gesetzgeber die Existenz einer ehelichen Lebensgemeinschaft für sich genommen nicht bereits derart einordnet, dass, wie in den in § 5 Abs. 3 AufenthG erfassten Fällen, von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG abzusehen ist bzw. abgesehen werden kann. Für Kapitel 2 Abschnitt 6 des AufenthG, also den Aufenthalt aus familiären Gründen, gibt es gerade keine dem § 5 Abs. 3 entsprechende Norm. Die eheliche Lebensgemeinschaft als solche kann deshalb einen Ausnahmefall nicht bereits für sich selbst betrachtet begründen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Beeinträchtigung der nach Art. 6 Abs. 1 GG aufenthaltsrechtlich geschützten ehelichen und familiären Belange über das im Regelfall übliche Maß hinausgeht, von der gesetzlichen Regel also nicht erfasst ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn einer der Ehegatten aufgrund individueller Besonderheiten, etwa Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder psychische Not mehr als in einer dem Regelfall entsprechenden ehelichen Lebensgemeinschaft üblich auf den persönlichen Beistand des anderen Ehegatten angewiesen ist. Dies ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG anzunehmender Ausnahmefall greift auch nicht etwa deshalb ein, weil die Folgen der Ablehnung der begehrten Verlängerung im Hinblick auf die ehelichen Belange unverhältnismäßig hart wären. Einer durch Aufenthaltstitel abgedeckten (unterstellten) ehelichen Lebensgemeinschaft ab dem 06.06.2003 bis zum 01.11.2005, unterbrochen durch einen insgesamt ca. 5-monatigen Aufenthalt des Antragstellers in Tunesien zur Durchführung von vier psychotherapeutischen Sitzungen, steht gegenüber, dass der Antragsteller während seines Aufenthalts durchgängig, und zwar vom Zeitpunkt seiner Einreise bis in die jüngste Zeit, strafrechtlich in Erscheinung tritt. Zu Lasten des Antragstellers ist bei der anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere zu berücksichtigen - und zwar unabhängig von der Problematik "Beschaffungskriminalität" -, dass schon die ursprüngliche Einreise des Antragstellers und sein sich zunächst anschließender Aufenthalt mittels Täuschung über seine Personalien und seine Staatsbürgerschaft erschlichen wurde. Im Rahmen des Asylverfahren schilderte der Antragsteller ein dramatisches Verfolgungsschicksal in Algerien, und nahm gegen die Ablehnung des Asylantrages verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch. Hiermit wurden offensichtlich missbräuchlich und mittelbar zu Lasten von tatsächlichen politischen Flüchtlingen staatliche Ressourcen in Anspruch genommen oder mit anderen Worten ausgenutzt. Erst nachdem er über die notwendigen Unterlagen verfügte (unter anderem Auszug aus dem Geburtsregister der Gemeinde Teboura in Tunesien vom 20.09.2002 mit dem Ausstellungszweck "Eheschließung") teilte der Antragsteller seine wahre Identität mit und nahm nach Eheschließung am 02.04.2003 am 22.04.2003 seinen Asylantrag zurück. Dieses Vorgehen des Antragstellers zeigt die Grundeinstellung des Antragstellers gegenüber dem Staat, von dem zunächst missbräuchlich Asyl und nunmehr Aufenthalt begehrt wird. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller im Rahmen seines Asylverfahrens auch nicht etwa an räumliche Beschränkungen gebunden fühlte; so wurde er am 18.12.2002 im Eurocity von Frankfurt nach Paris, Höhe Kaiserslautern Hauptbahnhof angetroffen wurde, während er aufgrund einer räumlichen Beschränkung sich hätte im Landkreis Unstrut-Hainich-Kreis aufhalten müssen (Bl. 80 der Behördenakte). Angeschlossen hat sich eine kriminelle Entwicklung, wie sie aus der Behördenakte und dem angegriffenen Bescheid zu entnehmen ist. Zwar mag diese, zumindest teilweise, als sogenannte "Beschaffungskriminalität" eingeordnet werden, doch hindert dies nicht daran, dem Antragsteller im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsüberlegungen als notorischen Kriminellen einzustufen und diese Bewertung mit dem Interesse abzuwägen, die eheliche Lebensgemeinschaft ungestört im Bundesgebiet fortzuführen (soweit sie besteht). Dabei kann auch im Hinblick auf den Vortrag des Antragstellers zum Vorliegen "lediglich" von "Beschaffungskriminalität" ein atypischer Fall, in dem der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht zum Tragen kommt, nicht festgestellt werden. Das Aufenthaltsgesetz hält es vielmehr für grundsätzlich zumutbar, dass ein Ausländer, der vom Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland notorisch Straftaten begeht, keine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau erhält und auf dieser Basis ausreisepflichtig wird. Die hiermit eventuell verbundene Belastung des Ausländers und der deutschen Ehefrau entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist dementsprechend gerade keine vom Gesetz nicht bedachte, außergewöhnliche Folge, die durch eine Einzelfallentscheidung korrigiert werden müsste. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen, da er unterlegen ist, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 GKG.
VG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 12.01.2006
Az: 1 G 5165/05
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