Bundesfinanzhof:
Urteil vom 28. November 2007
Aktenzeichen: I R 94/06
(BFH: Urteil v. 28.11.2007, Az.: I R 94/06)
Bei der Prüfung, ob ein Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist, ist der Vertrag nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Die Entstehungsgeschichte und die Vorstellungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen können bei der Vertragsauslegung nicht berücksichtigt werden.
Tatbestand
I. Streitpunkt ist, ob durch einen zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und der L-KG abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine für das Streitjahr 2002 gewerbesteuerlich anzuerkennende Organschaft begründet worden ist.
Die L-KG erwarb im Juni 2001 sämtliche Anteile an der Klägerin, einer GmbH. Am 19. Dezember 2001 schloss die L-KG als beherrschende Gesellschaft mit der Klägerin einen notariell beurkundeten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGV), der u.a. folgende Bestimmung enthielt:
"§ 4
Wirksamwerden und Vertragsdauer
(1) Dieser Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von (L-KG) und (Klägerin) geschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister und gilt - mit Ausnahme des Weisungsrechts nach § 1 - für die Zeit ab dem 1. Januar 2002.
(2) Dieser Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 31. März 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, so verlängert er sich bei unveränderter Kündigungsfrist bis zum Ende des nächsten Geschäftsjahres der (Klägerin).
(3) Das Recht zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt von der Regelung des vorstehenden Abs. 2 unberührt. Auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR wird entsprechend verwiesen.
(4) Wenn der Vertrag endet, hat (L-KG) den Gläubigern der (Klägerin) gemäß § 303 AktG ggfs. Sicherheit zu leisten."
Das Datum des 31. März 2006 als erstmals möglicher Kündigungszeitpunkt wurde vom beurkundenden Notar als Textbaustein aus einem im März 2001 entworfenen Gewinnabführungsvertrag zwischen der L-KG und einer anderen Tochtergesellschaft, bei der eine Umstellung auf ein am 31. März endendes Geschäftsjahr erwogen worden war, in § 4 Abs. 2 Satz 1 BGV übernommen.
Nachdem die Klägerin vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) auf die fünf Jahre unterschreitende Mindestlaufzeit des Vertrages hingewiesen wurde, traf sie am 11. Dezember 2003 mit der L-KG folgende Vereinbarung:
"(Klägerin) und (L-KG) haben am 19. Dezember 2001 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit (Klägerin) als beherrschtem und (L-KG) als herrschendem Unternehmen abgeschlossen. Die Parteien waren sich darüber einig, dass der vorgenannte Vertrag abgeschlossen werden sollte, um eine steuerliche Organschaft ab dem 1. Januar 2002 herzustellen. Zur Herstellung einer steuerlichen Organschaft bedarf es gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG eines auf mindestens fünf Jahre abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages. Der Aufbau des § 4 des Vertrages sieht in seinen Absätzen (1) und (3) dementsprechend eine Beendigung nur zum Ende eines Geschäftsjahres vor. Der Hinweis auf die rein körperschaftsteuerrechtlich bedeutsame Vorschrift des Abschn. 55 Abs. 7 KStR belegt, dass eine Beendigung nur ohne steuerschädliche Wirkung erfolgen soll. Dennoch ist in § 4 Abs. (2) versehentlich als Zeitpunkt, zu dem erstmals gekündigt werden kann, der 31. März 2006 (statt dem 31. Dezember 2006) genannt worden. Insoweit liegt eine falsche Bezeichnung vor, die im Widerspruch zum gesamten Parteiwillen, dem sonstigen Inhalt sowie zum Zweck des Vertrages steht. Dementsprechend wird der Wortlaut des § 4 Abs. (2) Satz 1 des Vertrages dahingehend klargestellt, dass § 4 Abs. (2) Satz 1 des Vertrages nunmehr lautet:
'Dieser Vertrag kann erstmals mit Ablauf des 31. Dezember 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden.'"
Das FA erkannte wegen Unterschreitens der Mindestlaufzeit von fünf Jahren ein Organschaftsverhältnis für das Streitjahr nicht an, behandelte die vollzogene Gewinnabführung bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer der Klägerin als verdeckte Gewinnausschüttung und setzte gegenüber der Klägerin einen Gewerbesteuermessbetrag von 10 955 EUR fest. Die gegen den Körperschaftsteuerbescheid erhobene Klage hat der 1. Senat des Finanzgerichts (FG) Bremen mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 7. Juli 2005 1 K 46/05 (6), das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1554 abgedruckt ist, abgewiesen.
Die verfahrensgegenständliche Klage richtet sich gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für das Streitjahr und wurde vom 3. Senat des FG Bremen ebenfalls abgewiesen. Dessen Urteil vom 18. Oktober 2006 3 K 87/05 (5) ist in EFG 2007, 1264 abgedruckt.
Gegen letzteres Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und den Bescheid des FA über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FA hat gegenüber der Klägerin zu Recht einen Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr erlassen, weil der Betrieb der Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ein eigenständiges Gewerbesteuerobjekt gewesen ist. Die Klägerin war nicht Organgesellschaft der L-KG i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14, § 17 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858) --KStG 1999-- und galt deshalb gewerbesteuerrechtlich nicht als deren Betriebsstätte. Zwar bestand mit dem am 19. Dezember 2001 abgeschlossenen BGV zwischen der L-KG und der Klägerin ein Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG). Jedoch ist diesem die steuerrechtliche Anerkennung --mit der Konsequenz einer verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1999)-- zu versagen, weil er entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG 1999 nicht auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen worden ist. Das FG hat § 4 Abs. 2 Satz 1 BGV zutreffend dahin verstanden, dass der Vertrag bereits zum 31. März 2006 --mithin vier Jahre und drei Monate nach seinem Beginn-- gekündigt werden konnte.
1. Der Umstand, dass das FG Bremen in Bezug auf die Körperschaftsteuer die Voraussetzungen des § 14 KStG 1999 rechtskräftig verneint hat, führt nicht zu einer Bindung im Verfahren über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages. Denn der Bescheid über die Festsetzung der Körperschaftsteuer wirkt insoweit nicht als Grundlagenbescheid.
2. Der Senat ist an die von der Vorinstanz vorgenommene Auslegung von § 4 Abs. 2 BGV nicht nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden. Vereinbarungen der Gesellschafter mit körperschaftsrechtlichem Charakter unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der Senat anschließt, der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Der Grund hierfür liegt darin, dass solche korporativen Regeln für einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere für die Gläubiger und künftigen Gesellschafter, bestimmt sind und deshalb nur einheitlich ausgelegt werden können (vgl. etwa BGH-Urteile vom 9. Juni 1954 II ZR 70/53, BGHZ 14, 25; vom 11. Oktober 1993 II ZR 155/92, BGHZ 123, 347).
Die Bestimmung über die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages hat körperschaftsrechtlichen Charakter. Bei einem solchen Unternehmensvertrag handelt es sich nicht um einen rein schuldrechtlichen Vertrag, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag; er ändert satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem er insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichtet und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreift (BGH-Urteil vom 14. Dezember 1987 II ZR 170/87, BGHZ 103, 1; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., § 291 Rz 26; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., SchlAnhKonzernR Rz 52). Die in § 4 Abs. 2 BGV geregelte Möglichkeit der ordentlichen Kündigung des Vertrages ist maßgebend für die Dauer dieses Eingriffs in den Status der beherrschten Gesellschaft; sie ist deshalb wesentlicher Bestandteil des nach § 294 Abs. 1 Satz 2 AktG mit der Anmeldung zum Handelsregister einzureichenden und damit gegenüber der Allgemeinheit zu publizierenden Vertrages. Die Kündigungsklausel kann somit sinnvollerweise gegenüber allen Beteiligten nur einheitlich ausgelegt werden, so dass ihre Auslegung im finanzgerichtlichen Revisionsverfahren revisibel ist.
Dem von der Klägerin dagegen erhobenen Einwand, die Kündigungsklausel könne deshalb nicht als revisibel angesehen werden, weil das Kündigungsrecht nur den Vertragspartnern, nicht aber deren Gesellschaftern oder den Gesellschaftsgläubigern zustehe, vermag der Senat nicht zu folgen. Dass die Kündigung nur von dem hierfür nach den Satzungen der Vertragspartner dafür zuständigen Gesellschaftsorganen ausgesprochen werden kann, beeinflusst die geschilderte korporative Rechtsnatur des Unternehmensvertrages einschließlich Kündigungsklausel und deren Adressierung an die Allgemeinheit nicht in maßgeblicher Weise.
3. Die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 BGV ist ihrem Wortlaut entsprechend dahin auszulegen, dass der Vertrag erstmals zum 31. März 2006 ordentlich gekündigt werden konnte.
a) Korporationsrechtliche Bestimmungen --zu denen § 4 Abs. 2 BGV nach den vorstehenden Ausführungen gehört-- sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung kommt dabei ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen Bezug der Klausel zu anderen Satzungsvorschriften. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden (vgl. BGH-Urteile in BGHZ 123, 347, 350; vom 16. Dezember 1991 II ZR 58/91, BGHZ 116, 359; vom 20. Januar 1983 II ZR 243/81, Betriebs-Berater --BB-- 1983, 996; vom 25. September 1989 II ZR 304/88, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1990, 75).
b) Nach diesen Maßstäben scheidet im Streitfall eine Auslegung dahin, dass der Vertrag erstmals zum 31. Dezember 2006 gekündigt werden kann, aus.
aa) Der Wortlaut der Kündigungsregelung benennt mit dem 31. März 2006 einen kalendermäßig bestimmten Tag als Zeitpunkt für eine erstmals zulässige Kündigung. Er ist einem Verständnis dahin, dass nicht dieser, sondern ein anderer Tag --etwa der 31. Dezember 2006-- maßgeblich sein soll, nicht zugänglich.
bb) Der Systematik des § 4 BGV und dessen Einordnung in den Gesamtzusammenhang des Vertrages lässt sich nicht eindeutig entnehmen, dass es sich bei der Datumsangabe in § 4 Abs. 2 Satz 1 BGV um ein Redaktionsversehen handelt und die Vertragsparteien tatsächlich einen bestimmten anderen frühesten Kündigungszeitpunkt --etwa den 31. Dezember 2006-- vereinbart haben.
Soweit die Klägerin meint, solches aus der in § 4 Abs. 3 Satz 2 BGV verlautbarten Bezugnahme auf Abschn. 55 Abs. 7 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR 1995) ableiten zu können, kann dem nicht gefolgt werden. § 4 Abs. 3 BGV regelt die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund und gibt in Satz 1 den allgemein für Dauerschuldverhältnisse geltenden Grundsatz wieder (vgl. jetzt § 314 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), dass eine Kündigung aus wichtigem Grund trotz des in § 4 Abs. 2 BGV festgelegten (befristeten) Ausschlusses der ordentlichen Kündigung möglich bleibt. Sodann folgt in § 4 Abs. 3 Satz 2 BGV der Hinweis auf Abschn. 55 Abs. 7 KStR 1995. Dieser besagt in Satz 1, dass ein Gewinnabführungsvertrag, der noch nicht fünf aufeinanderfolgende Jahre durchgeführt worden ist und durch Kündigung oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird, für die Jahre seiner Durchführung steuerlich wirksam bleibt. Die folgenden Sätze befassen sich dann näher damit, welche Tatbestände als wichtiger Grund in Betracht kommen und welche nicht. Einen Bezug zum Zeitpunkt, zu dem erstmals eine ordentliche Kündigung des Gewinnabführungsvertrages möglich ist, enthält Abschn. 55 Abs. 7 KStR 1995 hingegen nicht. Er setzt in Satz 1 lediglich eine tatsächliche Durchführung von fünf Jahren voraus und wäre für sich betrachtet auch auf Gewinnabführungsverträge anwendbar, die eine kürzere oder längere Mindestlaufzeit als fünf Jahre aufweisen oder die auf unbestimmte oder auf unbegrenzte Zeit abgeschlossen sind. Die Bezugnahme auf Abschn. 55 Abs. 7 KStR 1995 lässt somit nicht unmittelbar auf den Willen der Vertragsparteien zur Festlegung einer bestimmten, den in § 4 Abs. 2 BGV festgelegten Zeitpunkt des 31. März 2006 überschreitenden Mindestlaufzeit von mindestens fünf Jahren schließen.
Allenfalls kann der Bezugnahme auf die KStR 1995 die Absicht der Vertragsparteien entnommen werden, den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als Grundlage für eine steuerrechtliche Organschaft zu verwenden. Die Erkennbarkeit einer solchen allgemeinen Absicht kann aber nicht ausreichen, um einzelne Vertragsklauseln gegen deren klaren und unmissverständlichen Wortlaut so auslegen zu können, dass sie jeweils mit den steuerrechtlich für eine Organschaft geforderten Mindestvoraussetzungen übereinstimmen. Denn eine solche Handhabung würde in Umkehrung des allgemeinen Prinzips, wonach die steuerliche Bewertung sich nach dem Inhalt des zivilrechtlich Vereinbarten richtet, dazu führen, dass bei der Prüfung von Unternehmensverträgen die zivilrechtliche Auslegung den steuerlichen Vorgaben zu folgen hätte.
cc) Nicht allgemein erkennbare Umstände außerhalb der zum Handelsregister eingereichten Unterlagen, wie im Streitfall die Entstehungsgeschichte des BGV, die vom beurkundenden Notar gefertigten Vorentwürfe und die Vorstellungen und Äußerungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen, können im Rahmen der objektivierten Auslegung nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH-Urteil in GmbHR 1990, 75, m.w.N.). Selbst wenn also die am Vertragsschluss beteiligten Vertreter der Vertragsparteien sich konkrete Gedanken über die Länge der Mindestvertragsdauer gemacht und übereinstimmend eine erstmalige Kündigungsmöglichkeit erst zum 31. Dezember 2006 gewollt haben sollten, wäre dies für die Vertragsauslegung nicht bedeutsam. Anders als die Klägerin meint, kann der aus § 133 BGB abzuleitende und grundsätzlich auch auf formbedürftige Verträge anzuwendende (vgl. etwa BGH-Urteil vom 7. Dezember 2001 V ZR 65/01, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 1038) Grundsatz "falsa demonstratio non nocet", nach dem ohne Rücksicht auf einen abweichenden Wortlaut das von den Vertragschließenden tatsächlich Gemeinte als Inhalt des Vertrags gilt, im Bereich der objektivierten Auslegung körperschaftlicher Vereinbarungen nicht uneingeschränkt angewendet werden. Findet sich nämlich im Vertrag und in den allgemein zugänglichen Unterlagen kein eindeutiger Beleg für den dem Wortlaut entgegenstehenden subjektiven Willen der Vertragsparteien, ist kein Raum für dessen Berücksichtigung.
dd) Soweit der BGH teilweise angenommen hat, außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge seien ausnahmsweise dann einzubeziehen, wenn deren Kenntnis bei den Mitgliedern und Organen allgemein vorausgesetzt werden kann (vgl. BGH-Urteile in BGHZ 63, 282, 290; in BGHZ 123, 347, 350), kommt solches für die streitbefangene Kündigungsklausel nicht in Betracht. Für eine Berücksichtigung derartiger Sachzusammenhänge ist nur Raum, wenn dadurch keine Interessen außenstehender Dritter beeinträchtigt werden (vgl. Röhricht in Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Aufl., § 23 Rz 31). Davon kann bei der Kündigungsklausel eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nicht ausgegangen werden. Zum einen kann nicht ausgeschlossen werden, dass außenstehende Dritte --etwa potentielle Anteilserwerber-- auf die Richtigkeit des verlautbarten Kündigungstermins vertrauen. Zum anderen besteht ein berechtigtes Interesse der Finanzverwaltung, sich anhand der objektiv erkennbaren Gegebenheiten ein Bild darüber machen zu können, ob ein Unternehmensvertrag die in §§ 14 ff. KStG 1999 statuierten Voraussetzungen erfüllt. Das Gesetz knüpft die mit weitreichenden Folgen verbundene steuerliche Anerkennung solcher Verträge bewusst an eigene, streng formale Voraussetzungen (vgl. etwa Senatsurteile vom 29. März 2000 I R 43/99, BFH/NV 2000, 1250; vom 22. Februar 2006 I R 73/05, GmbHR 2006, 890). Deren Einhaltung muss dementsprechend von der Finanzverwaltung auf sicherer Grundlage geprüft und beurteilt werden können. Hiermit wäre es nicht vereinbar, wenn neben der Auswertung der Vertragsurkunde auch noch ein etwa vom Wortlaut abweichender Wille der Vertragschließenden erforscht werden müsste.
4. Die ergänzende Vereinbarung zwischen Klägerin und L-KG vom 11. Dezember 2003 kann wegen des steuerlichen Rückwirkungsverbots (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 15. Mai 2002 IX B 152/01, BFH/NV 2002, 1157; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 38 Rz 11) für das Streitjahr keine Berücksichtigung finden.
BFH:
Urteil v. 28.11.2007
Az: I R 94/06
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