Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Februar 2001
Aktenzeichen: 32 W (pat) 195/00
(BPatG: Beschluss v. 07.02.2001, Az.: 32 W (pat) 195/00)
Tenor
1. Der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenstelle für Klasse 11 - vom 17. April 2000 wird aufgehoben.
2. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur vollständigen Zahlung der Anmeldegebühr wird gewährt.
Gründe
I.
Die Anmelder haben am 16. September 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke Megolafür zahlreiche Waren und Dienstleistungen angemeldet.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2000 teilte das Deutsche Patent- und Markenamt den Anmeldern mit, mit der Anmeldung seien gemäß § 32 Abs 4 MarkenG die Anmeldegebühren in Höhe von 500,-- DM Klassengebühren 750,-- DM gem § 36 Abs 3 Zuschlag in Höhe von 100,-- DM insgesamt mithin 1.350,-- DM zu zahlen.
Würden die Gebühren nicht bis zum Ablauf eines Monats nach Zugang der Aufforderung entrichtet, gelte die Anmeldung als zurückgenommen.
Diese Verfügung ist den Anmeldern am 18. Januar 2000 zugestellt worden.
Am 25. Februar 2000 haben die Anmelder vorgetragen, zwar hätten sie insgesamt fristgerecht 1.250,-- DM entrichtet. Jedoch seien versehentlich 100,-- DM nicht einbezahlt worden. Der korrekte Betrag in Höhe von 1.350,-- DM sei von ihrem Verfahrensbevollmächtigten angewiesen worden, jedoch sei diese Anweisung versehentlich von der Büroangestellten von der M... nicht korrekt auf- geführt worden, diese habe sich vertippt. Zur Glaubhaftmachung haben die Anmelder eine eidesstattliche Versicherung der Frau von der M... vom 21. Februar 2000 vorgelegt und Wiedereinsetzung in die von den Antragstellern versäumte Frist zur vollständigen Zahlung der Anmeldegebühr beantragt.
Mit Beschluß vom 17. April 2000 hat das Deutsche Patent- und Markenamt diesen Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei die Wiedereinsetzung innerhalb der einzuhaltenden Frist von zwei Monaten beantragt worden (§ 91 Abs 2 MarkenG). Jedoch hätten die Anmelder nicht glaubhaft gemacht, daß sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert gewesen seien.
Hiergegen haben die Anmelder Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, Einzahlungen von Amtsgebühren für die Anmeldung von Schutzrechten würden stets als "OnlineÜberweisung" in einem PTX-Computersystem durchgeführt. Diese OnlineÜberweisungen müssten und würden auch jeweils so rechtzeitig erfolgen, daß sie noch vor Fristablauf auf einem entsprechenden Kontoauszug überprüft werden könnten, da bei OnlineÜberweisungen keine Auftragsbestätigungen ausgedruckt würden. Am 9. Februar sei die Mitarbeiterin von der M... angewiesen worden, spätestens bis zum 11. Februar 2000 die Online-Verfügung auszuführen. Frau von der M... habe die Überweisung am 10. Februar 2000 ausgeführt, sich aber bei der Eingabe versehentlich vertippt und anstelle von 1.350,-- DM 1.250,-- DM geschrieben. Aufgrund einer Verzögerung in der Postzustellung zwischen der Hausbank des Verfahrensbevollmächtigten seien die Kontoauszüge mit dem Ergebnis der OnlineÜberweisung nicht am Tag des Fristablaufs, am 18. Februar 2000, sondern erst am darauffolgenden Werktag eingegangen. Aus diesem Grunde habe der Tippfehler auch erst dann korrigiert werden können. Im vorliegenden Fall sei ein Verschulden - wenn überhaupt - nicht bei den Anmeldern oder ihren Vertreter zu suchen, sondern bei der Hilfsperson. Auch liege kein Organisationsverschulden vor, da OnlineÜberweisungen üblich seien. Da die für die Überweisung der Amtsgebühren eingesetzte Person diese Aufgabe seit drei Jahren durchweg fehlerfrei ausführe, habe im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden können, daß die Anweisung korrekt umgesetzt werde. Auch sei nicht berücksichtigt worden, daß es sich lediglich um ein Vertippen einer qualifizierten Hilfskraft gehandelt habe. Dies sei auch in der eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht worden. Indes sei dem Verfahrensbevollmächtigten der Anmelder unterstellt worden, daß der Zuschlag in Höhe von 100,-- DM nicht überwiesen worden sei. Es sei nicht ersichtlich, welche Glaubhaftmachungsmittel der Markenstelle noch vorgelegt werden könnten, um glaubhaft zu machen, daß der richtige Betrag für die Zahlung der Anmeldegebühr angewiesen worden sei. Die beauftragte Hilfsperson verfüge über die allgemeine Hochschulreife, habe mehr als 15 Jahre Berufspraxis im Zusammenhang mit der Erledigung von Bürotätigkeiten und kaufmännischen Tätigkeiten wie die Ausführung von Überweisungen darstelle. Seit zwei Jahren führe sie solche Überweisungen selbständig durch. Seit dieser Zeit sei niemals auch nur ein einziger Fehler aufgetreten. Auch liege kein Organisationsverschulden vor. Durch keine einzige Maßnahme könne sichergestellt werden, daß ein Vertippen auf dem Übertragungswege erkannt oder verhindert werde. Auch aufgrund bankinterner Übertragungsfehler könnten Zahlendreher oder andere "Verschreiber" immer wieder auftreten. Zudem finde bei OnlineÜberweisungen eine erste und eine zweite Kontrolle durch zwei unabhängige Vergleiche der Bildschirmanzeige beim Ausführen der Überweisung statt. Ohne solche explizite Vergleiche könne keine OnlineÜberweisung ausgeführt werden. Im vorliegendem Fall habe sich eine zusätzliche dritte Kontrolle für den anwaltlichen Vertreter der Anmelder dadurch ergeben, daß die mit der Überweisung beauftragte Hilfsperson in dem dafür vorgesehenen Aktenblatt einen schriftlichen Vermerk angebracht habe, mit der die richtige Ausführung der Überweisung bestätigt worden sei. Dieser Vermerk sei von dem Verfahrensbevollmächtigten kontrolliert worden, worauf die entsprechende Frist gestrichen worden sei. Von der Büroangestellten wurde eine weitere eidesstattliche Versicherung vom 20. Juni 2000 zu den Akten gereicht.
Die Anmelder beantragen, ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die mit Bescheid vom 11. Januar 2000 gesetzte Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr mit Zuschlag zu gewähren und den Beschluß vom 17. April 2000 aufzuheben, hilfsweise, falls der Antrag auf Wiedereinsetzung rechtskräftig zurückgewiesen werden sollte, die angemeldete Marke mit den Waren im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen gemäß den Klassen 11, 12, 16, 35, 38, 41, 42 einzutragen.
II.
Die nach § 66 Abs 1, 2 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet.
Dem form- und fristgerecht eingelegten Wiedereinsetzungsantrag (§ 91 Abs 2 MarkenG) ist stattzugeben, da weder ein Verschulden der Anmelder selbst noch ihres Verfahrensbevollmächtigten zur Fristversäumung geführt haben.
Nach § 91 Abs 1 Satz 1 MarkenG kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, daß er ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Dem Antragsteller ist dabei ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten, nicht jedoch das Verschulden des Büropersonals des Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen (§ 82 Abs 1 MarkenG, § 85 Abs 2 ZPO). Bei der Beurteilung des Verschuldens ist als Maßstab die Beachtung der üblichen, im Einzelfall zumutbaren Sorgfalt zugrundezulegen, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen (vgl BGH NJW 1995, 1710).
Danach haben die Anmelder glaubhaft machen können, daß sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Zahlung der vollständigen Anmeldegebühren gehindert waren. Aus dem Vortrag der Anmelder und den eidesstattlichen Versicherungen der Büroangestellten ergibt sich, daß es sich um ein ausschließliches Versehen des Büropersonals des Verfahrensbevollmächtigten handelt, nämlich der Angestellten von der M... Es ist nach der Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen, daß Tippfehler auftreten. Dies kann auch beim Ausfüllen von OnlineÜberweisungen geschehen. Kommt es bei einer zuverlässigen Bürokraft nach Jahren erstmalig zu einem derartigen Versehen, ist dies dem Verfahrensbevollmächtigten nicht vorzuwerfen. Allein aus der Inanspruchnahme eines Online-Verfahrens ist ein Verschulden nicht herzuleiten.
Die Tatsache, daß die Verfahrensbevollmächtigten das Online-Verfahren gewählt haben, ist kein Organisationsverschulden. Hierbei handelt es sich um eine zeitgemäße Möglichkeit, Überweisungen zu tätigen. Zudem hat der Verfahrensbevollmächtigte vorgetragen, daß, da bei OnlineÜberweisungen die Kontoauszüge erst später von der Hausbank zugeschickt würden, die konkrete OnlineÜberweisung habe so rechtzeitig vorgenommen werden sollen, daß eine Kontrolle des Kontoauszugs noch vor Fristablauf möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Fall ist ausweislich der eidesstattlichen Versicherung die OnlineÜberweisung am 10. Februar 2000 ausgeführt worden. Damit, daß mehr als acht Tage bis zum Erhalt der Kontoauszüge und mithin einer möglichen Kontrolle vergingen, mußte der Verfahrensbevollmächtigte nicht rechnen. Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt ist der Verfahrensbevollmächtigte der Anmelder seiner Verpflichtung, für die rechtzeitige Zahlung der Anmeldergebühr zu sorgen, dadurch nachgekommen, daß er der Mitarbeiterin von der M... eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die die Fristwahrung auch bei der Überweisung im Online-Verfahren gewährleistet hätte. Ein Anwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Angestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, derartige Weisungen sorgfältig befolgt (vgl hierzu BGH, NJW 1996, S 130). Es besteht keine Verpflichtung, sich anschließend über die Richtigkeit der Ausführung zu vergewissern (BGH NJW 2000, 2823). Insbesondere kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen eines Verfahrensbevollmächtigten für die Fristwahrung nicht entscheidend an, wenn konkrete Anweisungen erteilt worden sind, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätten (BGH NJW 2000, 2823). Da dies vorliegend der Fall war, liegt kein Fehlverhalten des Verfahrensbevollmächtigten vor, das die Anmelder sich zurechnen lassen müßten.
Dr. Fuchs-Wissemann Klante Sekretaruk Hu
BPatG:
Beschluss v. 07.02.2001
Az: 32 W (pat) 195/00
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