Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. August 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 126/07
(BPatG: Beschluss v. 04.08.2009, Az.: 33 W (pat) 126/07)
Tenor
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
BPatG 154
Gründe
I.
Die Inhaberin der IR-Wortmarke 796 403 BIOSTAR, begehrt Schutzerstreckung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für folgende Waren:
Klasse 1: Produits chimiques, bacteries, microorganismes sous formes liquide et solide destines à l'industrie et à la neutralisation de matières problematiques chimiques, bacteriologiques et autres dans les eaux residuaires et les installations de purification des eaux; tous les produits precites etant biodegradables;
Klasse 11: Installations de purification des eaux à fonctionnement biologique Die Markenstelle für Klasse 01 IR hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, der Marke den Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verweigert. Die Erstprüferin führt dazu aus, dass das Wort BIOSTAR sprachüblich zusammengesetzt sei. Das Präfix "BIO" werde in der Werbung und in der Beschreibung von Produkten einerseits als Hinweis auf einen biologischen oder natürlichen Ursprung, auf Naturbelassenheit oder eine natürliche Herstellungsweise, andererseits als Hinweis für eine natürliche, ökologische oder umweltfreundliche Wirkweise der Produkte verwendet. Die Bezeichnung STAR habe sich zu einer Qualitätsangabe entwickelt und werde zur Anpreisung der Spitzenstellung einer Ware verwendet. Die Wortkombination BIOSTAR reihe sich in eine Vielzahl ähnlich gebildeter Wortzusammensetzungen, wie "Biokost", "Biochemie", "Biomüll", "Filmstar", "Megastar" usw. ein. Der Verkehr sähe in BIO-STAR einen schlagwortartigen beschreibenden Hinweis darauf, dass es sich um chemische Spitzenprodukte biologischen Ursprungs oder natürlicher Herstellung und/oder um chemische Spitzenprodukte mit biologischer Wirksamkeit und guter Umweltverträglichkeit handele. Aufgrund des warenbeschreibenden und anpreisenden Charakters fehle die Unterscheidungskraft. Da die angemeldete Marke auch einen unmittelbar beschreibenden Sachhinweis auf die beanspruchten Waren darstelle, bestehe auch ein Freihaltungsbedürfnis. Soweit hilfsweise Schutzbewilligung gemäß Art. 6quinquies A PVÜ begehrt werde, richte sich der Prüfungsmaßstab nach Art. 5 Abs. MMA i. V. m. Art. 6quinquies B S. 1 Nr. 2 PVÜ, der mit dem Prüfungsmaßstab von § 8 Abs. 2 MarkenG übereinstimme, weshalb die festgestellten Schutzhindernisse der Gewährung des tellequelle-Schutzes entsprechend entgegenstünden. Im Erinnerungsverfahren ist diese Entscheidung bestätigt worden, wobei ein Freihaltungsbedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bejaht wurde und die Frage der Unterscheidungskraft dahingestellt blieb. Der Bezeichnung BIOSTAR komme ohne Weiteres die Bedeutung "biologischer Star, Favorit" zu, was ein beschreibender Hinweis auf die Wirkungsweise der beanspruchten Waren sei. Die angeführte Mehrdeutigkeit könne eine Schutzfähigkeit der Marke nicht begründen, denn eine eindeutige Zuordnung ergebe sich aus dem Sachzusammenhang mit den beanspruchten Waren. Zudem reiche es zur Verneinung der Schutzfähigkeit aus, wenn das Wort in einer seiner Bedeutungen ein Merkmal der beanspruchten Waren beschreibe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, die sinngemäß beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und der IR-Marke 796 403 Markenschutz in Deutschland zu bewilligen.
Die Markeninhaberin ist der Auffassung, dass der Entscheidung der Markenstelle nicht gefolgt werden könne. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Verkehr eine chemisch oder biologisch wirksame Substanz mit STAR beschreiben solle. Gerade die Zusammenstellung der für sich gesehen allgemein verständlichen Worte BIO und STAR ergebe einen bedeutungslosen Begriff insbesondere in Bezug zu den beanspruchten Waren. Das Wort STAR habe nicht die Bedeutung "Favorit" und sei nur auf Personen, nicht jedoch auf Gegenstände anwendbar. Eine derartige Benutzung könne lexikalisch nicht nachgewiesen werden. Ein Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Phantasiebezeichnung sei nicht zu erkennen. Weiter werde gerügt, dass der Erinnerungsbeschluss keine Äußerung über den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung enthalte. Hilfsweise werde Schutzbewilligung nach Art. 6quinquies Abschn. A PVÜ beantragt. Die Ursprungsmarke sei (seit 2002) in Österreich rechtskräftig eingetragen.
Mit der Terminsladung hat der Senat auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Beschwerde hingewiesen und der Markeninhaberin Recherchematerial übersandt, insbesondere auch zur Verwendung des Wortes "Star" im Zusammenhang mit Waren, um auf deren Spitzenstellung hinzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Schutzerstreckung der Schutz suchenden Marke steht jedenfalls das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen nach §§ 107, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 MMA, Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ. Der Schutz suchenden Marke war deshalb von der Markenstelle der Markenschutz für das Gebiet der Bundesrepublik zu Recht verweigert worden.
Soweit die Markeninhaberin unter Hinweis auf die Ursprungseintragung in Österreich hilfsweise tellequelle-Schutz nach Art. 6quinquies Abschn. A PVÜ begehrt, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Der Prüfungsmaßstab bei diesem Schutzbegehren stimmt mit dem Prüfungsmaßstab bei der Prüfung von Schutzerstreckungsanträgen nach §§ 107, 113 MarkenG ohne Inanspruchnahme von tellequelle-Schutz nach Art. 6quinquies Abschn. A PVÜ überein. In beiden Fällen wird die Prüfung durch die Regelung nach Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ begrenzt. Bei der Inanspruchnahme von tellequelle-Schutz ergibt sich dies unmittelbar aus den Regelungen des Art. 6quinquies Abschn. A i. V. m. Abschn. B PVÜ. Bei Schutzerstreckungsanträgen nach §§ 107, 113 MarkenG ohne Inanspruchnahme von tellequelle-Schutz ergibt sich dieser (einschränkende) Prüfungsmaßstab aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MMA i. V. m. Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ. Im Übrigen hat die Begrenzung des Prüfungsmaßstabes nach Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ nach der die Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie EG Nr. 89/104 durch das Markengesetzes, das zum 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist, in allen Fällen einer Inanspruchnahme von tellequelle-Schutz jegliche Relevanz verloren, weil nach der ausdrücklichen Intention der Markenrechtsrichtlinie (Erwägungsgrund 12 der ursprünglichen Markenrechtsrichtlinie und Erwägungsgrund 13 der kodifizierten Fassung der Markenrechtsrichtlinie vom 22. Oktober 2008, Richtlinie 2008/95/EG) der Prüfungsmaßstab von Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ und von Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 a) bis e) der Markenrechtsrichtlinie bzw. von §§ 3, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG vollkommen übereinstimmt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 29) -Postkantoor; GRUR 2003, 425 (Nr. 32) -Ansul/Ajax; BGH GRUR 2007, 973 (Nr. 10) -Rado-Uhr III).
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 ff.). Bei den vorliegend beanspruchten Waren ("chemische Erzeugnisse, Bakterien, Mikroorganismen für gewerbliche Zwecke, in flüssiger und fester Form zur Neutralisation von chemischen, bakteriologischen und sonstigen Problemstoffen in Abwässern und Kläranlagen; alle vorgenannten Waren biologisch abbaubar; Kläranlagen auf biologischer Basis) sind insbesondere Fachleute aus der chemischen Industrie und Abwasserwirtschaft, etwa im Bereich der kommunalen Selbstverwaltungsträger, Stadtwerken oder bei Abwasserzweckverbänden angesprochen.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Produkte zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 429 f. (Nr. 30, 31) "Henkel"; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 23, 24) "SAT.2"; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 17) "FUSSBALL WM 2006"). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, 854 (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH -FUSSBALL WM 2006 a. a. O.). Die Eignung, Produkte ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache bestehen und die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH -FUSSBALL WM 2006 a. a. O.; GRUR 2001, 1043, 1044 -Gute Zeiten -Schlechte Zeiten).
Der Schutz suchenden Marke fehlt zumindest unter dem Gesichtspunkt der werbeüblichen Anpreisung jegliche Unterscheidungskraft. Sie besteht aus den allgemein geläufigen Begriffen "Bio" und "Star". Das Wort bzw. Wortelement "Bio" wird allgemein einerseits als Hinweis auf einen biologischen oder natürlichen Ursprung, auf Naturbelassenheit oder eine natürliche Herstellungsweise ohne den Zusatz schädlicher Stoffe, andererseits als Hinweis für eine natürliche, ökologische oder umweltfreundliche Wirkungsweise von Produkten verwendet, worauf die Markenstelle bereits zutreffend hingewiesen hat. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren, die allesamt biologisch abbaubar sind bzw. auf biologischer Basis beruhen, ergibt sich somit ohne weiteres ein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt im Sinne von ökologischer bzw. umweltfreundlicher Wirkungsweise der Produkte. Demzufolge ist dieser Bestandteil geeignet, die beanspruchten Waren unmittelbar zu beschreiben. Das Wort "Star" hat zwar verschiedene Bedeutungen (vgl. Wikipedia, Die freie Enzyklopädie im Internet; u. a. prominente Persönlichkeit, Vogelart). Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren wird das Wort "Star" jedoch in der übertragenen Bedeutung im Sinne von "Starprodukt" bzw. "Spitzenprodukt" verstanden. Es ist üblich mit der Bezeichnung "Star" auf eine entsprechende Spitzenstellung von Waren oder Markenprodukten hinzuweisen, wie sich aus der Senatsrecherche ergeben hat (siehe dazu die Belege Bl. 24/31 d. A., die der Anmelderin mit der Ladungsverfügung vom 7. Juli 2009 als Anlage 2 übersandt worden waren). Diese Sichtweise zur Bedeutung des Wortes bzw. Wortbestandteils "Star" wird auch in zahlreichen Entscheidungen zu vergleichbaren Markenanmeldungen von anderen Senaten des Bundespatentgerichts geteilt (vgl. u. a. PAVIS PROMA BPatG 29 W (pat) 255/94 -Partystar, 28 W (pat) 65/99 -HIGH TECH STAR, 26 W (pat) 16/98 -Ecostar, 27 W (pat) 159/01 -ECOSTAR, 32 W (pat) 9/95, siehe auch BPatG Mitt 1987, 55 "PaperStar" und GRUR 1989, 56 "OECOSTAR"). Die Gesamtbezeichnung "BIOSTAR" wird demzufolge ohne weiteres werbeüblich anpreisend im Sinne von "biologisches Spitzenprodukt" verstanden. Da es sich bei allen beanspruchten Waren um biologisch abbaubare Produkte bzw. um solche auf biologischer Basis handelt, legt die in diesem Sinne werblich anpreisende produktbeschreibende Bedeutung der Schutz suchenden Bezeichnung ein entsprechendes Verständnis der angesprochenen Fachkreise dergestalt nahe, dass ein Verkehrsverständnis der Schutz suchenden Bezeichnung als betrieblicher Herkunftshinweis ausgeschlossen erscheint.
Ob angesichts der warenbeschreibenden Bedeutung der Schutz suchenden Bezeichnung an ihr auch ein Freihaltungsbedürfnis besteht, kann angesichts der Bejahung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.
Gründe, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Der Umstand, dass der Erinnerungsbeschluss keine Äußerung über den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung enthält, stellt keinen Grund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr dar. Die Entscheidung über die Rückzahlung stellt eine Billigkeitsentscheidung dar. Die Rückzahlung erfolgt nur ausnahmsweise dann, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 71 Rdn. 31). Als solche Gründe kommen insbesondere Verfahrensfehler seitens des Patentamts in Betracht. Allein der Umstand, dass im Verfahren vor der Markenstelle trotz eines Antrags der Anmelderin keine Anhörung nach § 60 MarkenG stattgefunden hat, stellt keinen Verfahrensfehler und auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Anders als im Beschwerdeverfahren, bei dem eine mündliche Verhandlung grundsätzlich auf Antrag hin stattzufinden hat gemäß § 69 Nr. 1 MarkenG, hat eine Anhörung vor der Markenstelle nur dann stattzufinden, wenn die Markenstelle sie für sachdienlich erachtet, § 60 Abs. 2 MarkenG. Die Markenstelle konnte ohne Verstoß gegen Rechte der Anmelderin von einer Anhörung als nicht sachdienlich absehen, zumal die Markeninhaberin selbst nicht ausgeführt hat, was sie zusätzlich zu ihrem schriftlichen Vorbringen anlässlich eines Anhörungstermins noch hätte vortragen wollen. Der Umstand, dass im Erinnerungsbeschluss keine Ausführungen zur fehlenden Sachdienlichkeit gemacht sind, stellt zwar einen Begründungsmangel dar, rechtfertigt aber gleichwohl die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ebenfalls nicht, weil dieser Mangel für die Einlegung der Beschwerde nicht kausal geworden ist (vgl. zum Erfordernis der Kausalität Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 71 Rdn. 32 mit weiteren Nachweisen). Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Beschwerde nämlich in erster Linie gegen die Bejahung absoluter Schutzhindernisse und nicht gegen die Verletzung von Verfahrensrechten, so dass eine Ursächlichkeit zwischen fehlender Begründung und Beschwerdeeinlegung nicht bejaht werden kann.
Bender Kätker Knoll Hu
BPatG:
Beschluss v. 04.08.2009
Az: 33 W (pat) 126/07
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