Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. April 2007
Aktenzeichen: II ZB 29/05
(BGH: Beschluss v. 23.04.2007, Az.: II ZB 29/05)
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Nebenintervenienten werden der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2005 aufgehoben und das die Nebenintervention zurückweisende Zwischenurteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juli 2005 unter Einschluss der diesbezüglichen Kostenentscheidung abgeändert.
Der Nebenintervenient wird hinsichtlich der Klage des Klägers zu 3 zugelassen.
Die Kosten des Zwischenstreits werden der Beklagten auferlegt.
Beschwerdewert: 75.000,00 €
Gründe
I. Die drei Kläger und der Nebenintervenient sind Aktionäre der Beklagten. Am 12. November 2004 fand eine Hauptversammlung der Beklagten statt, zu der die Kläger vom Versammlungsleiter gemäß § 59 WpÜG wegen angeblicher Verstöße gegen §§ 35, 30 WpÜG nicht zugelassen wurden. Der Nebenintervenient wirkte an den Beschlüssen der Hauptversammlung mit, erklärte jedoch dagegen keinen Widerspruch zur Niederschrift.
Gegen die zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse haben die Kläger jeweils am 9. Dezember 2004 Klage eingereicht. Der Vorstand der Beklagten hat die ihm am 19. Januar 2005 zugestellten Anfechtungsklagen der Kläger zu 1 und 2 am 24. Januar 2005 sowie die ihm am 1. Februar 2005 zugestellte Anfechtungsklage des Klägers zu 3 am 7. Februar 2005 - jeweils einschließlich des Termins zur mündlichen Verhandlung - im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Der Nebenintervenient ist mit seinem am 24. März 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz dem Verfahren "unter Ankündigung der Anträge des Klägers zu 3" beigetreten. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt.
Durch Zwischen- und Schlussurteil vom 28. Juli 2005 hat das Landgericht die Nebenintervention zurückgewiesen und zugleich die angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse für nichtig erklärt. Gegen die Hauptsacheentscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die gegen die Zurückweisung der Nebenintervention gerichtete sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten hat das Oberlandesgericht unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
II. Die den förmlichen Anforderungen des § 575 ZPO entsprechende Rechtsbeschwerde des Nebenintervenienten ist begründet und führt unter Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Zulassung der Nebenintervention auf Seiten des Klägers zu 3 (§ 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Entscheidung ausgeführt:
Der formgerecht beigetretene Nebenintervenient habe zwar als Mitaktionär der Kläger im Hinblick auf § 248 AktG grundsätzlich ein rechtliches Interesse am Streitbeitritt gemäß § 66 Abs. 1 ZPO. Gleichwohl sei seine Nebenintervention unzulässig, da er die für ihn entsprechend geltende einmonatige Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht gewahrt und überdies auch nicht den für die Klagebefugnis nach § 245 Nr. 1 AktG erforderlichen Widerspruch gegen die angegriffenen Beschlüsse zur Niederschrift in der Hauptversammlung erklärt habe. Nach bisher herrschender Meinung seien zwar die §§ 245 Nr. 1, 246 Abs. 1 AktG nicht auf die Nebenintervention eines Aktionärs auf Seiten des Anfechtungsklägers anwendbar. Einer solchen uneingeschränkten Zulassung der Streithilfe sei jedoch im Interesse der Rechtssicherheit hinsichtlich des rechtlichen Schicksals von Hauptversammlungsbeschlüssen entgegenzutreten. Dem kritischen Aktionär sei die Einhaltung der Förmlichkeiten des § 245 Nr. 1 AktG zuzumuten, und als Überlegungszeit reiche die einmonatige Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG aus. Entscheide er sich dazu, den Beschluss nicht selbst mit der Klage anzufechten, so sei er an dieser Entscheidung festzuhalten, ohne dass ihm durch die Möglichkeit einer Nebenintervention eine "zweite Chance" eröffnet werden müsse, den Beschluss anzugreifen.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
Der Nebenintervenient ist auf der Grundlage seines als Prozesshandlung am 24. März 2005 wirksam erklärten Streitbeitritts auf Seiten des Anfechtungsklägers zu 3 zuzulassen, weil er in seiner Eigenschaft als Mitaktionär der Beklagten sein Interventionsinteresse glaubhaft gemacht hat (§§ 70, 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dabei unterlag er im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt seines Beitritts weder besonderen aktienrechtlichen Beschränkungen i.S. einer fristgebundenen "Nebeninterventionsbefugnis" entsprechend §§ 245 Nr. 1, 246 Abs. 1 AktG [idF vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22. September 2005, BGBl. I, S. 2802 - nachfolgend: a.F.] noch im Wege "unechter Rückwirkung" der durch das UMAG am 1. November 2005 neu eingeführten Nebeninterventionsfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F.
a) Der Nebenintervenient ist als Aktionär der Beklagten durch seinen Beitritt in dem von der Klägerin zu 3 als Mitaktionärin geführten Anfechtungsrechtsstreit gegen die Beklagte nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Hinblick auf die aus § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ableitbare Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils als streitgenössischer Nebenintervenient i.S. der §§ 66, 69 ZPO anzusehen (Sen.Beschl. v. 8. November 2004 - II ZB 41/03, ZIP 2005, 45; v. 28. September 1998 - II ZB 16/98, NZG 1999, 68; v. 21. April 1997 - II ZB 7/96, NJW-RR 1997, 865 (GmbH); Sen.Urt. v. 12. Juli 1993 - II ZR 65/92, ZIP 1993, 1228, 1229 (GmbH); vgl. zur Eigenschaft mehrerer klagender Aktionäre als notwendige Streitgenossen auch: BGHZ 122, 211, 240; h.M.: vgl. nur K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 246 Rdn. 44 m.w.Nachw.).
Im Falle der aktienrechtlichen Anfechtungsklage kann der auf Klägerseite beitretende Aktionär sein nach § 66 ZPO erforderliches Interventionsinteresse am Obsiegen der unterstützten Partei schon allein damit begründen, dass ein stattgebendes Anfechtungsurteil gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ihm gegenüber Rechtskraft- und Gestaltungswirkung entfaltet (vgl. Austmann ZHR 158 (1994), 495, 497; K. Schmidt aaO § 246 Rdn. 43; Zöllner in Kölner Komm.z.AktG § 246 Rdn. 89; insoweit auch: Waclawik, WM 2004, 1361, 1366; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 66 Rdn. 11; vgl. schon Senat, BGHZ 68, 81, 85; ferner BGH, Beschl. v. 17. Januar 2006 - X ZR 236/01, BGHReport 2006, 748 - z. Patentnichtigkeitsverfahren).
b) Der Beitritt des Nebenintervenienten am 24. März 2005 war - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht wegen Verfristung gemäß § 246 Abs. 1 AktG unzulässig, weil auf diese Prozesshandlung die für Anfechtungsklagen geltende einmonatige Anfechtungsfrist nicht entsprechend anwendbar ist.
Bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage war - bis zur Einführung der neuen Nebeninterventionsfristregelung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG durch das am 1. November 2005 in Kraft getretene UMAG - die Nebenintervention nach ganz überwiegender herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum gemäß § 66 Abs. 2 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreits, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, bis zur rechtskräftigen Entscheidung zulässig (vgl. OLG Düsseldorf AG 2004, 677; OLG München OLGReport 1993, 150; Austmann aaO S. 498; Heidel in AnwaltsKomm.z.AktG § 246 Rdn. 7; Hüffer in MünchKomm.z.AktG § 246 Rdn. 9; K. Schmidt aaO § 246 Rdn. 43; Semler in MünchHdbGesR IV 2. Aufl. § 41 Rdn. 68; Zöllner aaO § 246 Rdn. 89); von einer derartigen uneingeschränkten Geltung des § 66 Abs. 2 ZPO im bisherigen aktienrechtlichen Anfechtungsprozess ist auch der Senat als selbstverständlich ausgegangen (vgl. nur: Sen.Beschl. v. 21. April 1997 - II ZB 7/96, NJW-RR 1997, 865; v. 8. November 2004 - II ZB 41/03, ZIP 2005, 45; ferner Sen.Beschl. v. 28. September 1998 - II ZB 16/98, NZG 1999, 68).
Die im Widerspruch dazu stehende, auf vereinzelte Stimmen in der Literatur (insbesondere: v. Falkenhausen/Kocher, ZIP 2004, 1179 ff.; Waclawik aaO S. 1366 f.) gestützte Ansicht des Berufungsgerichts, die Interventionsmöglichkeit des Aktionärs auf Klägerseite im Anfechtungsprozess sei - nach bisherigem Recht - durch entsprechende Heranziehung der für den Anfechtungskläger geltenden materiellrechtlichen Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG zu begrenzen, ist nicht nur aus systematischen Gründen verfehlt, sondern vor allem unter dem Blickwinkel einer unzulässigen Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) der betreffenden, interventionswilligen Aktionäre nicht hinnehmbar.
Der mit der Statuierung einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist für Anfechtungsklagen in § 246 Abs. 1 AktG verfolgte Gesetzeszweck der Schaffung möglichst zeitnaher Rechtssicherheit für das rechtliche Schicksal anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse lässt sich schon nicht ohne weiteres auf das prozessuale Institut der Nebenintervention übertragen, weil es sich dabei lediglich um die Beteiligung von Mitaktionären an den ohnehin fristgebundenen Anfechtungsklagen handelt, mithin eine zeitlich ungewisse Vermehrung von Prozessen dadurch nicht eintreten kann.
Von entscheidender Bedeutung ist indessen, dass die Übertragung der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG auf die Nebenintervention diese nach Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotene Beteiligungsmöglichkeit des Aktionärs an einer Anfechtungsklage eines Mitaktionärs praktisch leerlaufen ließe. Da § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG sämtliche Aktionäre der Rechtskraft des stattgebenden Anfechtungsurteils unterwirft, ist die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in jenem Anfechtungsprozess im Wege der Nebenintervention verfassungsrechtlich unabdingbar (vgl. BVerfGE 21, 132, 137 f.; 60, 7, 14). Das rechtliche Gehör eines Aktionärs, der von einem Anfechtungsverfahren zumeist erst durch die - zumindest auch der Ermöglichung einer Intervention dienenden - Veröffentlichung nach § 246 Abs. 4 Satz 1 AktG erfährt, kann faktisch nur noch innerhalb desjenigen Rechtsstreits gewährt werden, der Gegenstand der Bekanntmachung war. In der Regel ist aber im Zeitpunkt der Bekanntmachung - so auch im vorliegenden Fall - die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG bereits abgelaufen, so dass bei Anwendung jener Frist auch auf den Nebenintervenienten ein zulässiger Beitritt nicht mehr möglich wäre (vgl. OLG Düsseldorf AG 2004, 677, 678; Austmann aaO S. 497).
c) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Zulässigkeit des Beitritts des Nebenintervenienten auch nicht deshalb zu verneinen, weil er trotz seines Erscheinens in der Hauptversammlung keinen Widerspruch zur Niederschrift gegen die vom Kläger zu 3 angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse gemäß § 245 Nr. 1 AktG erklärt hat.
§ 245 Nr. 1 AktG stellt zwar für die materielle Klagebefugnis des potentiellen Anfechtungsklägers ein entsprechendes Erfordernis auf; die Vorschrift ist jedoch insoweit nicht zugleich als eine prozessuale Einschränkung der Nebeninterventionsbefugnis mit der Folge konzipiert, dass eine Nebenintervention nur von einem in der Hauptversammlung erschienenen bzw. vertretenen Aktionär erhoben werden könnte, der gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Die Mitgliedschaft als Aktionär und die aus ihr fließenden Abwehr- und Kontrollrechte sind Sinn und Grundlage dafür, dem Nebenintervenienten die Beteiligung an einem fremden Anfechtungsprozess zu gestatten. Sein Interventionsinteresse ergibt sich - wie bereits dargelegt - aus der Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung des § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG und der daraus abzuleitenden Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im fremden Anfechtungsprozess. Deshalb ist es für das Interventionsrecht eines Aktionärs unerheblich, ob er in der Hauptversammlung überhaupt erschienen ist oder ob er Widerspruch gegen den Hauptversammlungsbeschluss hat protokollieren lassen, mithin selbst klagebefugt gewesen wäre (vgl. Austmann aaO S. 499; K. Schmidt aaO § 246 Rdn. 43 m.w.Nachw.; wohl unentschieden: Hüffer aaO § 246 Rdn. 9; ders. AktG 7. Aufl. § 246 Rdn. 6). Die Hypothese des Berufungsgerichts, dass der streitgenössische Nebenintervenient nicht besser gestellt sein dürfe als der Anfechtungskläger, verkennt die Unterschiede zwischen den beiden prozessualen Rechtsinstituten und lässt sich überdies weder aus der Zivilprozessordnung noch aus § 245 Nr. 1 AktG selbst ableiten; sie hätte zur - unvertretbaren - Folge, dass das Rechtsinstitut der Nebenintervention für diese Klageart praktisch abgeschafft, der Aktionär mithin gezwungen wäre, selbst Anfechtungsklage zu erheben. Die Gleichsetzung der Anfechtungsbefugnis mit einer entsprechenden, im Gesetz nicht normierten "Nebeninterventionsbefugnis" entsprach daher jedenfalls nicht dem bis zum Inkrafttreten des UMAG geltenden "alten" Aktienrecht (vgl. insoweit zutreffend auch Waclawik aaO S. 1366).
Der Gesetzgeber hat auch im UMAG keine Vorschrift dahingehend eingeführt, dass etwa die Regelung über die Anfechtungsbefugnis gemäß § 245 Nr. 1 AktG bezüglich des Erfordernisses des Widerspruchs zur Niederschrift durch den in der Hauptversammlung erschienenen Aktionär auch für den Nebenintervenienten gelten soll.
Allerdings hat er für die Anfechtungsklage die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 AktG um die sog. Vorbesitzzeitregelung erweitert. Hierauf bezogen enthält die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum UMAG den Hinweis, es bedürfe keiner ausdrücklichen Regelung im Gesetz, dass die Vorbesitzzeitregelung auch für die Nebenintervention zu gelten habe; es sei nicht ersichtlich, weshalb der Kläger in den Klagevoraussetzungen schlechter gestellt sein sollte als der Nebenintervenient (RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 27 zu Nr. 21). Es kann dahinstehen, ob diese Äußerung der Entwurfsverfasser eine taugliche gesetzliche Grundlage für die Übertragung jener Neuregelung zur Anfechtungsbefugnis eines Klägers auf das zivilprozessrechtliche Institut der Nebenintervention bilden kann, zumal die gegebene Begründung die grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Rechtsinstituten außer Betracht lässt, weil es für die Nebenintervention keine "Klagevoraussetzungen" gibt. Jedenfalls gibt diese - zudem rechtlich verschwommene - Äußerung der Regierungsbegründung keine Veranlassung dazu, das schon bislang geltende Gesetzesrecht der Anfechtungsbefugnis über die Pflicht des Aktionärs zum Erscheinen in der Hauptversammlung und zur Einlegung des Widerspruchs gegen den betreffenden Hauptversammlungsbeschluss (§ 245 Nr. 1 AktG a.F.) - entgegen dem bisher gebotenen Verständnis - gleichsam "rückwirkend" als eine (zugleich) die Nebenintervention beschränkende Regelung nach Art einer "Nebeninterventionsbefugnis" neu zu deuten und in einem derartigen Sinne auf den bereits vor Inkrafttreten des UMAG vollzogenen Beitritt des Nebenintervenienten anzuwenden.
d) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich auch nicht im Ergebnis als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO), weil etwa bei Anwendung der durch das UMAG neu eingeführten Nebeninterventionsbefristung nach § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. der Beitritt des Nebenintervenienten im vorliegenden Fall verfristet wäre.
aa) Das Beschwerdegericht hat - von seinem fehlerhaften Begründungsansatz her allerdings folgerichtig - nicht berücksichtigt, dass bereits vor dem Erlass seiner Entscheidung vom 3. November 2005 das UMAG zum 1. November 2005 in Kraft getreten ist und dass danach § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. nunmehr eine den Beitritt in zeitlicher Hinsicht beschränkende Regelung dahingehend vorsieht, dass sich ein Aktionär als Nebenintervenient nur noch innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung des § 246 Abs. 4 Satz 1 AktG an der Klage beteiligen kann.
Diese Frist hätte der Nebenintervenient - sofern die Neuregelung im Wege unechter Rückwirkung auf seine vorher erklärte Intervention Anwendung finden würde - in Bezug auf die am 7. Februar 2005 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemachte Klage des Klägers zu 3 mit seiner Beitrittserklärung vom 24. März 2005 versäumt.
bb) Eine solche "rückwirkende" Anwendung der Fristregelung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. auf die bereits unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlung des Beitritts des Nebenintervenienten vom 24. März 2005 scheidet jedoch nach den hier anwendbaren Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts aus.
Bei der durch das am 1. November 2005 in Kraft getretene UMAG eingeführten Nebeninterventionsfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. für die aktienrechtliche Anfechtungsklage handelt es sich nicht etwa - wie bei der für die Klage selbst geltenden Frist des § 246 Abs. 1 AktG - um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, sondern, da sie ausschließlich das zivilprozessrechtliche Institut der Nebenintervention betrifft, um eine spezielle prozessuale Frist, welche die früher einschlägige allgemeine prozessrechtliche Regelung des § 66 Abs. 2 ZPO einschränkt.
Nach den Grundsätzen des intertemporalen Zivilprozessrechts richtet sich die Anwendbarkeit neuer Prozessgesetze auf anhängige Rechtsstreitigkeiten in erster Linie nach den vom Gesetzgeber - regelmäßig in Gestalt von Überleitungsvorschriften - getroffenen positiven Regelungen. Soweit solche Übergangsregelungen - wie hier - jedenfalls bezüglich der Bestimmung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. sowohl in Art. 2 als auch in Art. 3 des UMAG fehlen, erfassen Änderungen des Prozessrechts im Allgemeinen auch schwebende Verfahren. Diese sind daher mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neuem Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht (st.Rspr., vgl. BGHZ 114, 1, 3 f. m.w.Nachw.; h.M. im Schrifttum: vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO aaO Einl. Rdn. 104; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 1 EGZPO Rdn. 2 f.; G. Lüke in MünchKommZPO 2. Aufl. Einl. Rdn. 292 f.; W. Lüke, Festschrift G. Lüke 1997, 391, 396 ff.; Pollinger, Intertemporales Zivilprozessrecht, Diss. 1988, 14, 22, 142 ff.).
Um eine derartige unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlung handelt es sich aber bei dem hier vom Nebenintervenienten am 24. März 2005 durch Einreichung des formal ordnungsgemäßen bestimmenden Schriftsatzes bei dem Landgericht erklärten Beitritt (§ 70 ZPO). Eine solche Prozesshandlung richtet sich als punktuelles Ereignis hinsichtlich ihrer Voraussetzungen nach dem im Zeitpunkt ihrer Vornahme geltenden Recht. Genau so wie ein nach früherem Recht wirksam eingelegtes Rechtsmittel durch spätere Rechtsänderungen hinsichtlich der förmlichen Voraussetzungen für die Rechtsmitteleinlegung nicht unzulässig werden kann (vgl. u.a. Pollinger aaO S. 146; Schlosser in Stein/Jonas aaO Rdn. 2), wird auch hier die Prozesshandlung des Beitritts des Nebenintervenienten, die nach der Geltung des alten Rechts im Zeitpunkt der Vornahme gemäß § 66 Abs. 2 ZPO zeitlich uneingeschränkt in dem bereits anhängigen Prozess zulässig war, nicht durch die spätere Beschränkung der Einlegungsmöglichkeit durch § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. nachträglich unzulässig.
III. Der Senat hat mit der Aufhebung der angefochtenen Beschwerdeentscheidung zugleich in der Sache selbst zu entscheiden, da die Sache endentscheidungsreif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO).
1. Der von der Beklagten in den Vorinstanzen erhobene Rechtsmissbrauchseinwand gegenüber dem Beitritt des Nebenintervenienten erweist sich als unbegründet. Er ist allein darauf gestützt worden, dass der Nebenintervenient - anders, als er behauptet - nicht gegen, sondern für die im vorliegenden Prozess angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse gestimmt habe. Einer Zurückverweisung an die Vorinstanz zur Beweiserhebung über die einander widersprechenden Behauptungen der Parteien des Zwischenstreits bedarf es indessen nicht, weil selbst bei Unterstellung der Richtigkeit des Beklagtenvortrags das auf den ersten Blick widersprüchliche Verhalten des Nebenintervenienten nicht ohne weiteres den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs seiner Nebenintervention auf Klägerseite rechtfertigt. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass der Nebenintervenient - wie jeder andere Aktionär auch - seine Meinung nachträglich ändern kann, wie das bei einem Irrtum oder bei einer nachträglichen Erkenntnis der Tragweite im Hinblick auf die etwaige Fehlerhaftigkeit der gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse der Fall sein kann. Dafür spricht nicht zuletzt indiziell der Umstand, dass der Nebenintervenient gegen die entsprechenden Hauptversammlungsbeschlüsse für das Folgejahr, die dieselbe Konstellation der Nichtzulassung der Kläger zur Hauptversammlung betrafen, gestimmt und Widerspruch zur Niederschrift erhoben sowie anschließend ebenfalls den von den nämlichen Klägern erhobenen Anfechtungsklagen als Nebenintervenient beigetreten ist (Parallelsache II ZB 13/06).
2. Die Zulassungsentscheidung war auf die Intervention zur Anfechtungsklage des Klägers zu 3 zu beschränken, da die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten ("unter Ankündigung der Anträge des Klägers zu 3") objektiv in diesem beschränkten Sinn auszulegen ist.
Goette Kurzwelly Gehrlein Strohn Reichart Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 28.07.2005 - 3/6 O 172/04 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 03.11.2005 - 5 W 46/05 -
BGH:
Beschluss v. 23.04.2007
Az: II ZB 29/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0ed176b5863b/BGH_Beschluss_vom_23-April-2007_Az_II-ZB-29-05