Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juli 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 89/02

(BPatG: Beschluss v. 15.07.2003, Az.: 27 W (pat) 89/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für

"Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren; Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen und andere nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie Kleinlederwaren, soweit in Klasse 18 enthalten; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Gürtel für Bekleidungsstücke; Knöpfe, Haken und Schließen"

eingetragene Wortmarke DE 399 02 086

"DIAVOLEZZA"

ist Widerspruch eingelegt aus der zwischenzeitlich unter der Registernummer 000096271 als Wort-/Bildmarke für die Waren

"Lederwaren und Waren aus Lederimitationen; Taschen; Heim- und Haustextilien (soweit in Klasse 24 enthalten), insbesondere Haushaltswäsche, Tisch- und Bettwäsche, Tisch- und Bettdecken und Frottierwaren; Ober- und Unterbekleidungsstücke für Damen, Herren und Kinder, einschließlich Strumpfwaren, Trikotagen, Miederwaren, Nachtbekleidungsstücke, Badebekleidungsstücke und Lederbekleidungsstücke; Schals und Tücher; Schuhe und Schuhwaren"

eingetragenen prioritätsälteren Gemeinschaftsmarkesiehe Abb. 1 am Ende Die Markenstelle hat den Widerspruch wegen deutlicher Unterschiede zwischen den beiden Marken in Klang, Schriftbild und Begrifflichkeit zurückgewiesen. Bei den Waren der Warenklassen 18 und 25 sei zwar von einer Identität auszugehen, weshalb ein grundsätzlich strenger Maßstab anzulegen sei; doch sei die Ähnlichkeit der Marken nicht ausreichend, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Die Kennzeichnungskraft der - zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht eingetragenen - Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Auf die von der Widersprechenden geltend gemachte starke Verwendung der mit der Widerspruchsmarke identischen DE-Marke 1 084 265 "DIAVOLO" für Kinderbekleidung komme es im vorliegenden Verfahren nicht an, da diese nicht Gegenstand des Verfahrens sei.

Die deutlich unterschiedliche Endung der Marken durch die auffällige und klangmarkante Lautbildung "-ezza" in der jüngeren Marke, verbunden mit unterschiedlichem Sprechrhythmus, führe zu einem markant abweichenden Klangeindruck, der Verwechslungen in relevantem Umfang ausschließe. Deutliche Unterschiede bestünden auch im Sinngehalt - "Teufel" einerseits, geographische Bezeichnung andererseits - und in der schriftbildlichen Gestaltung. Für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr seien keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen.

Die Erinnerungsprüferin hat sich dem Erstbeschluss in vollem Umfang angeschlossen und die ohne Begründung eingereichte Erinnerung zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, unter Aufhebung der Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts dem Widerspruch stattzugeben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Widersprechende begründet ihre Beschwerde - wie zuvor im wesentlichen auch den Widerspruch - damit, dass die Marken bis auf die Endung der jüngeren Marke in Klang, Schriftbild und auch dem einem breiten Publikum bekannten Begriffsinhalt "Teufel" identisch seien. Der Begriffsinhalt von "Diavolezza" als geographischer Bezeichnung sei dagegen dem größten Teil der angesprochenen Verkehrskreise nicht bekannt. Da dem Verkehr Wortanfänge und Übereinstimmungen eher in Erinnerung blieben als Unterschiede, würden angesichts der dominierenden Gemeinsamkeiten Gleichheiten die Abweichungen am Wortende leicht unbemerkt bleiben. Hinzu komme, dass die von ihr seit Jahren umfangreich benutzte deutsche Marke 1 084 265 "Diavolo" einen hohen Bekanntheitsgrad genieße, so dass dieser Bezeichnung insgesamt eine deutlich gesteigerte Kennzeichnungskraft zukomme.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist diesem Vorbringen bereits im Widerspruchsverfahren entgegen getreten mit dem Hinweis, dass klangliche Verwechslungsgefahr auszuschließen sei, weil der Verkehr keinen Anlass habe, Markenwörter zu verkürzen oder in Bestandteile zu zerlegen; selbst wenn der Verkehr in der älteren Marke einen begrifflichen Hinweis auf "Teufel" sähe, überwögen die Unterschiede zwischen den Marken, so daß auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr auszuschließen sei. Sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil zwischen den Vergleichsmarken keine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.

Die von den Marken erfaßten Waren sind teilweise identisch. Ob und in welchem Grad eine Ähnlichkeit zwischen den übrigen Waren besteht, kann dahingestellt bleiben, denn die angegriffene Marke unterscheidet sich selbst bei dem im Bereich identischer Waren gebotenen strengen Maßstab an den erforderlichen Abstand der Marken (vgl EuGH GRUR 1998, 387,389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922 923 - Canon; GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd) in jeder Hinsicht deutlich von der Widerspruchsmarke.

Bei dieser Beurteilung ist zu berücksichtigen, daß der Widerspruchsmarke keine die die Gefahr von Verwechslungen noch weiter erhöhende starke Kennzeichnungskraft zugebilligt werden kann. Unzutreffend ist allerdings die insoweit vertretene Ansicht der Markenstelle, die von der Widersprechenden geltend gemachte umfangreiche Benutzung der deutschen Marke 1 084 265 "Diavolo" für Bekleidung müsse im vorliegenden Verfahren schon deshalb außer Betracht bleiben, weil aus dieser Marke nicht Widerspruch erhoben worden sei. Dagegen spricht, daß der Bekanntheitsgrad und daraus folgend der Kennzeichnungsgrad, der einer prioritätsälteren Widerspruchsmarke in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke zukommt, durch die tatsächliche, von der Rollennummer unabhängige Benutzung des Kennzeichens im Geschäftsverkehr erworben wird.

Der Anerkennung einer deutlich gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke steht jedoch entgegen, daß sie von der Inhaberin der angegriffenen Marke bestritten worden und damit nicht liquide ist. Die Umsätze von jährlich zwischen ... und ... Mio DM, die nach der in der mündlichen Verhandlung vorgeleg- ten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden zwischen 1996 und 2001 mit Kinderbekleidung der Marke "Diavolo" bei einem Werbeaufwand von jährlich ..., bis ..., Mio DM erzielt worden sind, mögen die Annahme einer etwas über dem Durchschnitt liegenden Kennzeichnungskraft rechtfertigen, lassen aber ohne Vorlage des Ergebnisses einer Verkehrsbefragung oder zumindest Angabe der Marktanteile keine abschließende Beurteilung zu, wie hoch die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke einzustufen ist (vgl auch BPatG GRUR 1997, 840, 842 - Lindora/Linola). Das gilt um so mehr, als die mit "Diavolo" gekennzeichnete Kinderbekleidung offensichtlich nur über die Sinn Leffers-Filialen vertrieben worden ist.

Unter diesen Umständen reichen die von der Markenstelle zutreffend dargelegten Unterschiede der Marken aus, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.

Die Silbenfolge "-ezza" verändert Klang und Schriftbild der jüngeren Marke so erheblich, dass der situationsadäquat durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige Verbraucher, auf dessen Verständnis es bei der Beurteilung stets ankommt (EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND; s.a. BGH GRUR 2002, 715, 716 - Scanner-Werbung) kaum der Gefahr des Überhörens oder Übersehens unterliegen kann. Die Annahme der Widersprechenden, auch das Wort "Diavolezza" werde auf dem "a" in der ersten Silbe betont, so dass die restlichen Wortbestandteile klanglich zurückträten bzw überhört würden, ist nicht nachvollziehbar. Selbst der des Italienischen Unkundige wird den Hauptakzent bei der jüngeren Marke auf "-ezza" legen und nicht dazu neigen, die auf den Wortanfang "Dia-" folgenden drei markanten Silben zu "verschlucken". Auch die grundsätzlich beachtliche Regel, dass der Verkehr Übereinstimmungen, zumal wenn sie am Wortanfang liegen, eher in Erinnerung zu behalten pflegt als Abweichungen (vgl BGH GRUR 1993, 118, 119 - Corvaton/Corvasal; 1999, 587, 589 - Cefallone), hat ihre Grenzen, nämlich dann, wenn die übereinstimmenden Wortanfänge bei einer der Vergleichsmarken durch lange, signifikante Zusätze derart ergänzt werden, dass diese Marke - die der Verkehr grundsätzlich so zur Kenntnis nimmt, wie sie ihm begegnet - ein eigenständiges, unterscheidbares Zeichen darstellt. Das aber ist hier unüberseh- und unüberhörbar der Fall.

Auch die Gefahr, dass die Marken unter dem Gesichtspunkt der Serienzeichenbildung miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, ist hier nicht ernsthaft gegeben. Zwar weisen die Vergleichszeichen denselben Wortbestandteil "DIA-VOL" auf, doch hat auch die Widersprechende selbst nicht behauptet, dass der Verkehr bereits an mehrere Zeichen mit diesem Wortbestandteil gewöhnt sei oder dass es sich um einen besonders charakteristisch hervorstechenden oder im Verkehr bereits als Herkunftshinweis durchgesetzten oder als Firmenabkürzung verwendeten Bestandteil handle. Auch wenn die deutsche Marke "diavolo" im Bekleidungssektor verstärkt benutzt sein mag, ergibt sich daraus kein Hinweis auf ein derartiges Serienzeichen.

Es besteht auch nicht die Gefahr einer assoziativen Verwechslung unter dem Gesichtspunkt, daß "Diavolezza" als Verkleinerungsform oder weibliche Form des Wortes "Diavolo" verstanden werden kann, die der Kennzeichnung einer für Kinder bzw Damen bestimmten Produktserie dient. Zwar deuten beide Wortbildungen auf den romanischen, insbesondere italienischen Sprachraum hin, doch werden die Teile des Verkehrs, die sich hierüber überhaupt Gedanken machen, in der Endung "-ezza" keine Verkleinerung, sondern allenfalls eine substantivierte Abstraktion der Eigenschaft des Grundbegriffes sehen, etwa wie in den dem inländischen Verkehr weitgehend geläufigen italienischen Wörtern "grandezza" (Größe, Großartigkeit; s. Duden - Deutsches Universalwörterbuch 4. Aufl, Mannheim 2001, Stichwort Grandezza) oder "bellezza" (Schönheit). Im Hinblick auf die Begriffe "DIAVO-LO" (Teufel) und "DIAVOLEZZA" (Inbegriff teuflischer Eigenschaften) werden folglich die Teile des Verkehrs, die zwar möglicherweise nicht die Bedeutung von "Diavolezza" als geographischer Bezeichnung für einen bekannten Berg in der Schweiz, wohl aber die italienische Wortbildung erkennen, in letzterer nicht eine Abwandlung der Ursprungsmarke "Diavolo" - etwa im Sinne der verkleinernden Bezeichnung einer Modemarke für eine Kinderbekleidungsserie - sehen (vgl dazu BGH BlPMZ 1972, 318 - Messinetta), sondern eine eigenständige, unterschiedliche Bezeichnung, die nicht auf eine Verbindung zwischen der Inhaberin der Widerspruchsmarke und den mit der jüngeren Marke gekennzeichneten Waren hinweist.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. Anlass zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG) bestand nicht.

Dr. Schermer Friehe-Wich Dr. van Raden Pü

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/27W(pat)89-02.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 15.07.2003
Az: 27 W (pat) 89/02


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