Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 139/04

(BPatG: Beschluss v. 21.11.2006, Az.: 26 W (pat) 139/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist eine juristische Person französischen Rechts, deren Aufgabe es ist, weltweit die in Frankreich per Dekret geschützte kontrollierte Ursprungsbezeichnung "Cognac" im Hinblick auf die Einhaltung von (Qualitäts-)Vorschriften zu überwachen. Sie hat am 10. April 2003 ein auf § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG gestütztes Löschungsverfahren gegen die am 26. September 2002 zugunsten der Antragsgegnerin für die Waren der Klasse 33: Cognaceingetragenen Wortmarke 302 36 883 Miss Cognaceingeleitet. Sie hat vorgetragen, die Marke sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 9 MarkenG eingetragen worden. Die angegriffene Marke sei von der Eintragung für die Ware "Cognac" ausgeschlossen, weil die Benutzung dieser Marke für diese Waren im öffentlichen Interesse untersagt werden müsse. Als "sonstige Vorschrift" in diesem Sinne sei das Deutsch-Französische Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen vom 6. März 1960 anzusehen, in dessen Art. 4 geregelt sei, dass die Benutzung von in den Anlagen A und B des Abkommens aufgeführten Bezeichnungen, die entgegen den Bestimmungen der Art. 2 und 3 dieses Abkommens für Erzeugnisse oder Waren (...) benutzt würden, durch gerichtliche und behördliche Maßnahmen, die in der Gesetzgebung jedes der Vertragsstaaten vorgesehen seien, zu untersagen seien. Diese Vorschrift beziehe sich auch auf Bezeichnungen, die den in Anlagen A und B des Abkommens bezeichneten Bezeichnungen ähnlich seien. Die Bezeichnung "Cognac" sei eine geographische Ursprungsangabe ("Appellation d'Origine Contr™le", im Folgenden: AOC), die als solche kraft französischer Verordnung vom 15. Mai 1936 geschützt sei. AOC's seien im französischen Recht nach Artikel L 711-3 und L 711-4 des französischen Gesetzes über geistiges Eigentum (Code de la propriete intellectuelle - CPI) sowie Artikel L. 115-5 des französischen Verbraucherschutzgesetzes geschützt. Die angegriffene Marke verletze beide französischen Gesetze, weil sie die geschützte kontrollierte Ursprungsbezeichnung "Cognac" selbst als herkunftsmäßiges Unterscheidungszeichen im Verkehr für sich exklusiv beanspruche. Der Zusatz "Miss" habe keine namensmäßige Unterscheidungskraft sondern sei lediglich ein beschreibender Zusatz. Sinn und Zweck einer AOC sei es gerade, für eine Vielzahl von Herstellern von Produkten gleicher Art, Güte und geografischer Herkunft zur Verfügung zu stehen. Aus diesen Gründen habe das Tribunal de Grande Instance de Paris mit Urteil vom 10. Juli 2000 angeordnet, dass die französische Wort-/Bildmarke Nr. 003001452 "Cogn@c" sowie das französischen Zeichen Nr. 003001460 "Monsieur Cognac France", beide angemeldet u. a. für die Ware "Cognac", zu löschen seien. Die angegriffene Marke signalisiere zudem, dass es sich nicht um einen "normalen" Cognac handele, sondern um eine neue Variante, möglicherweise um einen "Light-Cognac" mit weniger Alkohol und weniger Kalorien, die für junge Damen ("Miss") besonders geeignet sei. Diese Anspielung sei unvereinbar mit einer AOC, die konstante Qualität garantieren und Variantenreichtum gerade ausschließen solle. Dies stelle eine Banalisierung der AOC "Cognac" dar, die geeignet sei, sie zu verwässern und ihren Ruf zu schädigen. Gleichzeitig beute die Antragsgegnerin den Ruf der AOC "Cognac" in unzulässiger Weise aus. Weiterhin lägen auch die Löschungsgründe des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG vor. Der Wortbestandteil "Cognac" sei der einzige Bestandteil in der angegriffenen Marke, dem der Verkehr eine Hinweisfunktion zumesse. Bezogen auf die beanspruchte Ware "Cognac" handele es sich aber um eine reine Beschreibung der Ware.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Marke 302 36 883 zu löschen und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Löschungsantrag zurückzuweisen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Sie hat einen Verstoß gegen die von der Antragstellerin zitierten Regelungen in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten, für die in Anspruch genommene Ware "Cognac" könne ein beschreibender Bezug zu dem Markenwort "Miss Cognac" nicht hergestellt werden, weil sie in ihrer Gesamtheit keine geografische Ursprungsangabe sei und auch nicht auf eine bestimmte Art von Cognac oder dessen Bestimmung hinweise.

Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 3. März 2004 den Löschungsantrag zurückgewiesen, weil ein Löschungsgrund nach §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 9 MarkenG nicht bestehe. Der angegriffenen Marke fehle weder die Unterscheidungskraft noch setze sie sich ausschließlich aus einer Art- bzw. einer geografischen Herkunftsangabe zusammen. Die Markenteile "Miss" und "Cognac" verbänden sich zu einer gesamtbegrifflichen Einheit, deren Bedeutung von der des Wortes "Cognac" in Alleinstellung wegführe und so die Schutzfähigkeit der Wortfolge begründe. In der Kombination mit einer Sachangabe bezeichne "Miss" im Inland eine Schönheitskönigin bzw. eine Frau, die die Verkörperung von etwas darstelle, wie dies etwa bei den Angaben "Miss Franken", "Miss Pfalz" oder "Miss Wein" der Fall sei. Die angegriffene Marke werde also in erster Linie als Bezeichnung für eine bestimmte Frau verstanden, die das Getränk Cognac in besonderer, nicht näher benannter Weise repräsentiere. Mit dieser Bedeutung möge die angegriffene Marke etwa für die Dienstleistung "Veranstaltung von Schönheitskonkurrenzen" beschreibende Bedeutung haben, hinsichtlich der in Anspruch genommenen Ware "Cognac" gelte dies aber nicht. Für die von der Antragstellerin vertretene Auffassung, "Miss" deute auf eine besondere Art von Cognac hin, der sich wegen eines möglichen reduzierten Alkohol- und/oder Kaloriengehalt an junge Frauen richte, bestehe kein Anlass. Eine entsprechende Bezeichnungsgewohnheit lasse sich auf dem Getränkesektor nicht feststellen.

Das Zeichen sei auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG zu löschen, weil ein Verstoß gegen die - gemäß Art. 3 des deutschfranzösischen Abkommens über den Schutz geografischer Herkunftsangaben anwendbaren - französischen Bestimmungen über den Schutz geistigen Eigentums (Code de la propriete intellectuelle - CPI) nicht feststellbar sei. Eine Irreführung liege nicht vor, weil die angegriffene Marke für "Cognac" angemeldet sei. Das Wort "Miss" deute auch in Frankreich auf eine "Schönheitskönigin" hin und nicht auf einen alkohol- und/oder kalorienreduzierten Cognac für junge Frauen. Kosten hat die Markenabteilung nicht auferlegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist weiterhin der Auffassung, die angegriffene Marke weise keine Unterscheidungskraft auf und sei freihaltebedürftig. Der Wortbestandteil "Cognac" sei der einzige Bestandteil in der Wortkombination "Miss Cognac", dem der Verkehr irgendeine Hinweisfunktion zumesse. Bezogen auf die Ware "Cognac" sei dieser aber rein beschreibend. Die Antragstellerin müsse zudem etwa eine Promotions-Veranstaltung für Cognac auch mit dem Begriff "Miss Cognac" bewerben dürfen, ohne dass die Antragsgegnerin insoweit einen Unterlassungsanspruch gelten machen könne. Die angegriffene Marke sei auch irreführend i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG. Der Markenbestandteil "Miss" deute auf ein vorangegangenes Auswahlverfahren hin. Dann liege aber die Assoziation des Verkehrs nahe, das mit der Marke "Miss Cognac" bezeichnete Produkt sei Sieger eines Auswahlverfahrens und sei mit einer "Miss"-Krone geehrt worden, was tatsächlich nicht der Fall sei. Der Verkehr könne auch annehmen, die Antragsgegnerin sei eine berechtigte Institution, die offizielle Auswahlwettbewerbe zur Kür einer "Miss Cognac" veranstalte. Dies stehe mit der öffentlichen Ordnung in Frankreich nicht im Einklang. Der Verkehr leite zudem aus diesem Umstand besondere Kompetenz und Qualität ab, die tatsächlich nicht vorliege. Die englische Zuordnung "Miss" veranlasse den Verkehr darüber hinaus zu der Annahme, Cognac stamme nunmehr auch aus England, etwa wie Scotch oder Whisky. Es liege auch ein Verstoß gegen Art. L 711-3 lit. c des frz. Gesetzes zum Schutz des geistigen Eigentums (Code de la propriete intellectuelle - CPI) wegen einer Irreführung über die Herkunft des Cognacs aus England, veranlasst durch den Wortbestandteil "Miss", sowie daneben über eine angeblich besondere Qualität, die durch ein Auswahlverfahren ermittelt worden sei. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. L 711-3 lit. b des frz. Gesetzes über geistiges Eigentum (CPI) vor, da Herkunftsbezeichnungen wie "Cognac" in Frankreich geschützt seien. Diese Verstöße seien im Rahmen der Prüfung von § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG beachtlich und müssten zur Löschung der angegriffenen Marke führen. Im Hinblick auf den behaupteten Verstoß gegen das französische Recht regt die Antragstellerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen, hilfsweise, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren keine Stellung genommen. Sie ist in der anberaumten mündlichen Verhandlung ankündigungsgemäß nicht erschienen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenabteilung hat dem Löschungsantrag der Antragstellerin zu Recht nicht entsprochen. Die Eintragung einer Marke ist nach § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MarkenG auf Antrag wegen Nichtigkeit zu löschen, wenn sie hätte versagt werden müssen, weil im Eintragungszeitpunkt ein absolutes Schutzhindernis nach § 8 MarkenG bestanden hat und dieses Schutzhindernis noch zur Zeit der Entscheidung über den Löschungsantrag besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG können Zeichen, die keine Unterscheidungskraft aufweisen, nicht als Marke eingetragen werden. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (stdg. Rspr., BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice.). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist einerseits auf die in Anspruch genommenen Waren, andererseits auf die vermutete Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittverbrauchers dieser Waren abzustellen (EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2). Enthalten die Wortbestandteile einer Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird, ist der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard).

Nach diesen Grundsätzen kann der angegriffenen Marke die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher erkennt in der fraglichen Wortkombination einen Gesamtbegriff, der einen anderen Sinngehalt als das Wort "Cognac" allein aufweist. Als "Miss" wird nicht nur ein "Fräulein", sondern auch eine sog. Schönheitskönigin bezeichnet. Durch den Gesamtbegriff "Miss Cognac" wird nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis eine weibliche Person zu der Spirituose "Cognac" in Beziehung gesetzt wie in vergleichbarer Weise etwa bei den personifizierenden Begriffen "Miss Franken", "Miss Bier" oder "Miss Caipi". Dagegen ist nicht feststellbar, dass Sachen, insbesondere alkoholische Getränke, mit "Miss", ggf. mit einem Zusatz, bezeichnet werden. Hierauf hat die Markenabteilung bereits zutreffend hingewiesen, dem Entgegenstehendes ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Die Annahme der Antragstellerin, die Bezeichnung "Miss" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar als Eigenschaft der angemeldeten Ware "Cognac" aufgefasst, ist kaum nachvollziehbar und steht zudem im Widerspruch zu der Auffassung der Antragstellerin, nur das Wort "Cognac", nicht aber der weitere Markenbestandteil "Miss" "präge" die angegriffene Marke in der Wahrnehmung des Verkehrs.

2. Ohne Erfolg bleibt der Hinweis der Antragstellerin auf ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, das sie unter Hinweis darauf geltend macht, es müsse ihr oder Wettbewerbern der Antragsgegnerin unbenommen sein, eine Promotionsveranstaltung für Cognac auch mit dem Begriff "Miss Cognac" zu bewerben, ohne dass die Antragsgegnerin insoweit einen Unterlassungsanspruch gelten machen könne. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verbietet zum Schutz der Mitbewerber die Eintragung einer Marke, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, welche zur Beschreibung der jeweils beanspruchten Ware bzw. Dienstleistung dienen können. Das ist vorliegend nicht der Fall, weil die angegriffene Marke nicht "Cognac", sondern "Miss Cognac" heißt und mithin nicht ausschließlich aus die Ware "Cognac" beschreibenden Angaben besteht. Die Frage, ob die Durchführung einer Promotionsveranstaltung mit der Bezeichnung "Miss Cognac" die für die Ware "Cognac" angemeldete Streitmarke verletzt, ist keine Frage des im amtlichen Löschungsverfahren zu berücksichtigenden Freihaltebedürfnisses, sondern der im Verletzungsprozess vor den Zivilgerichten zu klärenden Frage der materiellen Verwechslungsgefahr.

3. Unbegründet ist die Beschwerde auch im Hinblick auf eine Täuschungsgefahr gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen. Eine gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG relevante Täuschungsgefahr muss von der Marke selbst ausgehen. Es muss also der Inhalt oder die Aussage der Marke selbst in Bezug auf die beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen irreführend sein, auf die Modalitäten einer (bereits erfolgten oder zu erwartenden) Markenbenutzung kommt es dagegen nicht an (BPatG PAVIS PROMA - 33 W (pat) 186/01- 3 M; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rn. 364). Eine derartige Täuschung hat die Antragstellerin nicht dargelegt. Soweit sie darauf hinweist, der Verkehr verstehe die Wortkombination "Miss Cognac" im Sinne der Berühmung mit einer Auszeichnung, etwa einer Prämierung oder Qualitätskontrolle, ist dieses Vorbringen im Hinblick auf die genannte Vorschrift ungeachtet einer hier nicht in Betracht kommenden wettbewerbrechtlichen Beurteilung nicht schlüssig, weil die Berühmung mit einer Auszeichnung keine Aussage über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Ware "Cognac" trifft. Das Gleiche gilt der Sache nach für die Behauptungen der Antragstellerin, der Verkehr könne annehmen, die Antragsgegnerin als Herstellerin sei eine berechtigte Institution, die offizielle Auswahlwettbewerbe zur Kür eine "Miss Cognac" veranstaltet, und die englische Zuordnung "Miss" veranlasse den Verkehr zu der Annahme, Cognac stamme nunmehr auch aus England, etwa wie Scotch oder Whisky. Derartige irrtümliche Annahmen des Verkehrs erscheinen eher theoretischer Natur, weil die Verbraucher erfahrungsgemäß derartige Analysen nicht anstellen, so dass eine Täuschungsgefahr nicht ersichtlich ist.

4. Auch das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG erweist sich nicht als einschlägig. Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung in das Markenregister ausgeschlossen, deren Benutzung ersichtlich nach sonstigen Vorschriften im öffentlichen Interesse untersagt werden kann. Zu den "sonstigen Vorschriften" im Sinne dieser Vorschrift zählen alle spezialgesetzlichen Regelungen des deutschen Rechts, aber auch sonstige Vorschriften, die in Deutschland unmittelbar Geltung beanspruchen, etwa aufgrund bilateraler oder multinationaler Verträge oder Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, die nicht mehr der Umsetzung durch nationale Gesetze bedürfen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 8 Rn. 320).

a) Zu den "sonstigen Vorschriften" zählen insbesondere zweiseitige Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben (BGH GRUR 1964, 136, 137 - Schweizer). Daher sind durch zweiseitige Herkunftsabkommen geschützte geografische Herkunftsangaben von der Eintragung als Marke in das Markenregister ausgeschlossen (vgl. Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 8 Rn. 406; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 424). Derartige Abkommen haben nicht nur bei der Eintragung des Zeichens Berücksichtigung zu finden (vgl. BGH a. a. O. - Schweizer), sondern auch im patentamtlichen Löschungsverfahren (BGH GRUR 1969, 615, 617 - Champi-Krone). Vorliegend ergibt sich der Schutz des Begriffs "Cognac" aus der Anlage B zu Art. 3 des Deutsch-Französischen Abkommens über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen vom 8. März 1960 (BGBl. 1961 II 23), das durch Bundesgesetz vom 21. 1. 1961 (BGBl. 1961 II 22) innerstaatliches Recht geworden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schützt das Abkommen die von ihm erfassten Bezeichnungen nicht nur gegen eine identische Verwendung, ausreichend ist, dass die beanstandete Angabe nach ihrem Sinn denselben Eindruck wie die geschützte Bezeichnung hervorruft. Das ist hier nach dem oben unter II. 1.-2. Gesagten nicht der Fall. Genügend ist aber auch, dass die Abwandlung geeignet ist, den in der geschützten Bezeichnung steckenden Werbewert zu beeinträchtigen (vgl. BGH GRUR 1969, 615, 616 - Champi-Krone; GRUR 2005, 957, 958 - Champagnerbratbirne). Von letzterem kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da eine Beeinträchtigung des Werbewerts der AOC "Cognac" durch die Eintragung von "Miss Cognac" im summarischen, auf eine Vielzahl von Eintragungen angelegten Prüfungsverfahren nicht ersichtlich war und ist. Zur Feststellung etwaiger Beeinträchtigungen hätte es eingehender Ermittlungen bedurft, die dem summarischen Charakter des Prüfungsverfahrens widersprochen hätten.

b) Es kann dahinstehen, ob die Markenabteilung die von der Antragstellerin zitierten Vorschriften des französischen Gesetzes über geistiges Eigentum (CPI) in seiner Entscheidung zutreffend ausgelegt hat. Bei diesen Vorschriften handelt es sich jedenfalls nicht um "sonstige Vorschriften" im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG, die im Rahmen des amtlichen Eintragungs- bzw. Löschungsverfahrens zu beachten sind. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das französische Gesetz zum Schutz des geistigen Eigentums (Code de la propriete intellectuelle - CPI), insbesondere dessen Art. L 711-3 lit. c und lit. b, oder auch das französische Verbraucherschutzgesetz, auf das sich die Antragstellerin bereits vor dem Deutschen Patent- und Markenamt berufen hat, in Deutschland unmittelbare Geltung beanspruchen können. Es handelt sich bei diesen Regelungswerken ausschließlich um nationales französisches Recht. Der von der Antragstellerin angebotene Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über ihre Behauptung, dass ein Verstoß gegen französisches Recht vorliege, zeigt - abgesehen davon, dass die Frage, ob ein Verstoß gegen (deutsche oder ausländische) Rechtsvorschriften vorliegt, ausschließlich in der Beuteilungskompetenz des Gerichts selbst liegt und nicht an Sachverständige delegiert werden kann -, dass ein Verstoß gegen französisches Recht, insbesondere das Gesetz zum Schutz des geistigen Eigentums (CPI) und des Verbraucherschutzgesetzes, im summarischen Verfahren nicht ohne weiteres ersichtlich ist.

III.

Im Hinblick auf die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Da der Beschluss der Markenabteilung des Deutschen Patentamts in vollem Umfang angegriffen worden ist, steht die in diesem Beschluss gefällte Kostenentscheidung ebenso zur Überprüfung an. Sie erweit sich jedoch nicht als änderungsbedürftig, weil auch im Hinblick auf die Kosten des amtlichen Löschungsverfahrens für eine Kostenauferlegung keinerlei Gründe ersichtlich sind.

Die Rechtsbeschwerde ist entgegen der Anregung der Antragstellerin nicht zuzulassen, weil vorliegend weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Die Entscheidung ist vielmehr auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesgerichtshofs ergangen. Eine weitere, noch nicht entschiedene Rechtsfrage ist nicht ersichtlich.






BPatG:
Beschluss v. 21.11.2006
Az: 26 W (pat) 139/04


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