Niedersächsisches Finanzgericht:
Urteil vom 22. Oktober 2002
Aktenzeichen: 6 K 35/01
(Niedersächsisches FG: Urteil v. 22.10.2002, Az.: 6 K 35/01)
1. Der Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen bei der Tantiemeberechnung eines Gesellschafter-Geschäftsführers führt nicht zwingend zu einer verdeckten Gewinnausschüttung2. Zur hinreichend klaren und eindeutigen Vereinbarung einer solchen Regelung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Nichtberücksichtigung des Verlustvortrages bei der Berechnung der Tantiemen der Gesellschafter-Geschäftsführer zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) führt.
Die Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom 30.12.1991 als GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet. Unternehmensgegenstand ist der Verkauf von und der Handel mit Elektrogeräten sowie die Ausführung aller Arten von Elektroarbeiten und -reparaturen. Gesellschafter waren seit Beginn der Elektromeister H. mit einer Stammeinlage von 35.000 DM und dessen Sohn, der Elektroinstallateur E. mit einer Stammeinlage von 15.000 DM.
Alleiniger und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer war zunächst nur H.. Der Geschäftsführervertrag vom 30. Dezember 1991, in dem H. ein monatliches Bruttogehalt von 6.000 DM zugesagt wurde, wurde durch eine Tantiemevereinbarung vom 30. Januar 1992 ergänzt. Danach erhielt H. 15 v.H. des Gewinns vor Berücksichtigung von Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer sowie der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben. Mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Dezember 1992 wurde die Tantiemevereinbarung dahingehend geändert, dass Bemessungsgrundlage für die 15 %ige Tantieme nunmehr das vorläufige Ergebnis vor Berücksichtigung von Körperschaft- und Gewerbesteuer sein sollte.
E. war zunächst als technischer Angestellter mit einem Monatsgehalt von 4.200 DM tätig. Das Festgehalt wurde in der Folgezeit schrittweise erhöht. Laut Eintragung im Handelsregister vom 20.02.1997 wurde dem E. Einzelprokura erteilt. Mit Wirkung vom 15.10.1998 wurde E. neben seinem Vater zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin bestellt.
Mit Gesellschafter-Beschluss vom 29. Dezember 1997 wurde dem E. eine Tantieme in Höhe von 10 v.H. des vorläufigen Ergebnisses vor Berücksichtigung von Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer, höchstens 25 % der jährlichen Bruttogesamtbezüge aus dem Beschäftigungsverhältnis zugesagt. Die Tantieme sollte erstmals für das Kalenderjahr 1998 zu berücksichtigen sein. Gleichzeitig wurde die Tantiemevereinbarung mit H. so geändert, dass sie derjenigen des E. entsprach.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Klägerin sowie die Vergütungen der Gesellschafter entwickelten sich wie folgt (alle Angaben in DM):
JahrUmsatz- Gewinn/ Jahres Jahres monatlichesmonatliches erlöse Verlust gehalt H gehalt E. FestgehaltFestgehalt E. (lt. (lt. H. LSt-Karte) LSt-Karte) 1992 2.873.539 4.04574.100 50.976 ab 1.02.ab 1.2. 6.0004.200 ab 1.12. 6.500 1993 3.714.370 16.14495.743 56.044 ab 1.01.ab 1.9. 6.8004.300 ab 1.10. 7.300 1994 4.181.390 28.925113.566 57.860 ab 1.03.ab 1.3. 7.6504.400 ab 1.09. 8.100 1995 5.679.277 30.728134.027 73.985 ab 1.01.ab 1.1. 8.9504.500 ab 1.3. 4.900 ab 1.6. 5.500 ab 1.9. 5.9001996 3.747.260-283.294144.565 79.475ab 1.4. 6.500 ab 1.9. 7.1001997 3.980.962-104.464122.740 101.535ab 1.6. 7.3501998 3.620.054 157.253112.891 103.623 ab 1.01.ab 1.5. 8.2007.650 ab 1.02. 6.200 ab 1.05. 7.650 In der Gewinnermittlung des Streitjahres 1998 bildete die Klägerin aufwandswirksam eine Rückstellung für die Tantiemen der Gesellschafter-Geschäftsführer in Höhe von insgesamt 41.560 DM (jeweils 20.780 DM pro Geschäftsführer). Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Zuführung zur Rückstellung als vGA, weil bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage keine Verrechnung mit den Vorjahresverlusten vorgenommen wurde und somit die Absaugung nicht erwirtschafteter Gewinne drohe. Die Körperschaftsteuer wurde mit Bescheid vom 20.03.2000 zwar auf 0 DM festgesetzt, der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.1998 wurde mit 153.404 DM aber entsprechend geringer festgestellt.
Gegen die Nichtanerkennung der Tantiemen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass die Tantiemevereinbarungen mit beiden Geschäftsführern steuerlich anzuerkennen sei. Eine Gewinnabsaugung könne schon deswegen nicht eintreten, da die Tantiemen für beide Geschäftsführer insgesamt auf 20 % des Jahresüberschusses begrenzt worden sei. Nach der Rechtsprechung des BFH führe die Nichteinbeziehung von Verlustvorträgen in die Berechnung der Tantieme nur dann zu einer vGA, wenn der Tantiemesatz insgesamt 50 v.H. des Jahresüberschusses übersteige. Bei der Beurteilung der Tantieme des E. sei weiterhin zu berücksichtigen, dass er die Verluste der Vorjahre nicht mit zu verantworten habe, da er zum Zeitpunkt der Tantiemevereinbarung erst seit rd. 10 Monaten Prokurist gewesen sei. Schließlich könne die Beurteilung der Tantiemevereinbarung als vGA auch nicht darauf gestützt werden, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Vereinbarung in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befunden habe. Vielmehr habe die Einbeziehung des E. in die Geschäftsführung, verbunden mit dem Anreiz einer gewinnabhängigen Tantieme die Betriebsergebnisse deutlich verbessert. Dies sei auch vorhersehbar gewesen, da der in 1996 und 1997 auftretende Verlust im Wesentlichen auf eine schwere Krankheit des H. zurückzuführen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gewerbesteuermessbescheid für 1998 vom 21. März 2000 in Form der Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2000 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag von 4.980 DM auf 2.900 DM gemindert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung geäußerten Rechtsauffassung fest. Danach halten beide Tantiemevereinbarungen wegen der Nichteinbeziehung der Verlustvorträge in die Bemessungsgrundlage dem Fremdvergleich nicht stand, so dass sie zu verdeckten Gewinnausschüttungen führten. Zum einen sei nach der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass Verlustvorträge bei der Tantiemeberechnung auf jeden Fall immer dann einzubeziehen seien, wenn diese keine klare und eindeutige gegenteilige Regelung hierzu vorsehe. Verluste aus den Vorjahren seien daher zu berücksichtigen, wenn als Bemessungsgrundlage für die Tantieme der "Jahresgewinn" vereinbart worden sei. Die im Streitfall gewählte Formulierung "vorläufiges Ergebnis" sei mit Jahresgewinn gleichzusetzen.
Zum anderen sei bei der Beurteilung der Tantieme des E. zu berücksichtigen, dass dieser als leitender Angestellter und späterer Prokurist auch maßgeblichen Anteil an den Verlusten der Jahre 1996 und 1997 beteiligt gewesen sei. Schließlich bilde er als Sohn des beherrschenden Gesellschafters H. mit diesem eine an der Klägerin zu 100 % beteiligte Personengruppe mit gleichgerichteten Interessen.
Gründe
I. Die Klage ist begründet. Das FA hat die Zuführungen zur Tantiemerückstellung i.H.v. 41.560 DM in 1998 zu Unrecht als vGA behandelt.
1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). Schließlich kann die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch darin begründet sein, dass das zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter tatsächlich abgeschlossene Rechtsgeschäft zwar auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter vereinbart worden wäre, jedoch aus anderen Gründen des Fremdvergleichs als von Anfang an nicht ernstlich gewollt anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 17. Oktober 1984 I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69; vom 2. Juli 1986 I R 144/85, BFH/NV 1987, 398; vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311; vom 16. Dezember 1992 I R 2/92, BFHE 170, 175, BStBl II 1993, 455; vom 29. Juni 1994 I R 11/94, BFHE 175, 253, BStBl II 1994, 952). Hiervon ausgehend erfüllen die vorliegenden Tantiemevereinbarungen die Voraussetzungen für die Annahme einer vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht.
2. Die Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen bei der Tantiemeberechnung ist zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer H. sowie dem damaligen Prokuristen E. hinreichend klar und eindeutig vereinbart.
Insoweit geltend die Sonderbedingungen für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer sowohl für den Mehrheitsgesellschafter H. als auch für den Minderheitsgesellschafter E., da beide bzgl. der Tantiemezusage und -berechnung mit gleichgerichteten Interessen zusammen wirken (vgl. BFH-Urt. v. 1. Februar 1989 I R 73/85, BFHE 156, 155, BStBl II 1989, 522). Insbesondere setzt die Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen bei Gewinntantiemen eine klare und eindeutige Regelung in den Anstellungsverträgen voraus (vgl. BFH-Urt. v. 2. Dezember 1992 I R 54/91, BStBl II 1993, 311). Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch Verträgen zwischen einem beherrschenden Gesellschafter und seiner Kapitalgesellschaft nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts auszulegen sind. Ein schriftlicher Vertrag, dessen Sinngehalt sich durch Auslegung erschließt, ist nicht unklar, mag sein Text auch mehrdeutig sein (vgl. BFH-Urteile v. 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645; v. 24. März 1998 I R 96/97, BFH/NV 1998, 1375 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des FA genügt die in den Tantiemevereinbarungen gewählte Formulierung Tantieme "i.H.v. 10 v.H. des vorläufigen Ergebnisses vor Berücksichtigung von Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer" diesen Anforderungen. Die Auslegung des Begriffs "vorläufiges Ergebnis" ergibt, dass die Vertragsparteien den Verlustvortrag bei der Berechnung der Tantiemen nicht berücksichtigen wollten. Anders als der Begriff des Gewinns, der vom BFH auch bei GmbH's in entsprechender Anwendung des § 86 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) dahingehend ausgelegt wird, dass Verlustvorträge einzubeziehen sind (Urt. v. 05.04.1990 I R 59/89, BFH/NV 1991, 269 m.w.N.) ist das "vorläufige Ergebnis" keine Bilanzposition, sondern lediglich eine Zwischengröße bei der Aufstellung des Jahresabschlusses. Es bezieht sich nur auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr und schließt demzufolge die Ergebnisse der Vorjahre nicht mit ein. Es ist vielmehr eine Vorstufe zum Jahresüberschuss, der ebenfalls bestehende Verlustvorträge nicht einschließt (vgl. § 266 Abs. 3 A. IV. und V. Handelsgesetzbuch - HGB -; Hessisches FG, Urt. v. 16. Mai 2000 4 K 4128/97, EFG 2000, 1147). Dieses Auslegungsergebnis wird vorliegend auch dadurch gestützt, dass die Beteiligten bei der Änderung der Tantiemenvereinbarung des H. vom 30. Januar 1992 am 30. Dezember 1992 die ursprüngliche Formulierung "vorläufiger Gewinn" in "vorläufiges Ergebnis" geändert haben. Durch die Verwendung des Wortes "vorläufig" wird - zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig - sichergestellt, dass die Tantieme selbst ihre eigene Bemessungsgrundlage nicht mindern soll.
3. Die Nichtberücksichtigung des Verlustvortrages bei der Berechnung der Tantiemen hält auch dem Fremdvergleich stand.
a) Die Frage, ob und inwieweit die Nichteinbeziehung von Verlustvorträgen bei der Tantiemeberechnung dem Drittvergleich entspricht, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Der BFH hat diese Frage in seinem Beschluss vom 19. Februar 1999 (I B 42/98, BFH/NV 1999, 974) ausdrücklich offen gelassen. Einige Finanzgerichte haben entschieden, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer GmbH einem fremden Geschäftsführer eine Tantieme grundsätzlich nur in der Form zusage, dass Verluste, die dieser Geschäftsführer selbst erwirtschaftet habe, die Bemessungsgrundlage der Tantiemeberechnung späterer Jahre mindere (FG Köln, Urt. v. 14. September 2000 13 K 3037/00, EFG 2001, 309; Hessisches FG, Urt. v. 16. Mai 2000, a.a.O.; FG München, Urt. v. 25. Juli 2001 6 K 4860/99, juris; FG des Saarlandes, Urt. v. 2. April 1998 1 K 157/97, GmbHR 1998, 792). Begründet wird dies mit der Gefahr der Gewinnabsaugung, die zudem dadurch erhöht werde, dass der Geschäftsführer versucht sein könnte, möglichst hohen Aufwand über Bilanzierungswahlrechte oder Abschreibungssteuerung in ein Verlustjahr zu verlagern, um so später höhere Jahresüberschüsse und damit höhere Tantiemen zu erhalten. Ausnahmen werden für den Fall des Gesellschafterwechsels, z.T. auch in der Anlaufphase eines Unternehmens oder dann, wenn bei Vertragsschluss nicht mit einer Verlusterzielung zu rechnen sei, anerkannt. Diese Auffassung haben sich Teile der Literatur angeschlossen (Achenbach in Dötsch / Eversberg / Jost / Witt, KStG, Anhang zu § 8 KStG "Gewinntantieme"; Breier/Posdziech in GmbH Steuerpraxis 2000, 109, 111; anderer Ansicht Eder, DStR 1995, 665).
b) Der erkennende Senat hat bereits Zweifel daran, ob die dargestellte Auffassung in ihrer Ausgangsüberlegung richtig ist. Insoweit ist dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt, dass auch Fremdgeschäftsführern Gewinntantiemen unter Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen zugesagt werden. Deshalb erscheint es sinnvoll, entsprechenden Tantieme-Vereinbarungen die steuerliche Anerkennung nur dann zu versagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Geschäftsführer durch wirtschaftlich nicht begründete Ausübung von Bilanzierungswahlrechten Gewinnverschiebungen vornimmt und dadurch Gewinnabsaugungen entstehen. Derartige Anhaltspunkte sind vorliegend nicht vorhanden. Der plötzliche und starke Verlust in den Jahren 1996 und 1997 beruht nach den glaubhaften Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vielmehr auf dessen schwerer Krankheit im Jahr 1996.
Im Streitfall sind darüber hinaus weitere Umstände gegeben, die dazu führen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die streitigen Tantiemevereinbarungen auch mit einem fremden Geschäftsführer geschlossen hätte. Insoweit ist bei der Frage des Drittvergleiches zu berücksichtigen, dass die Tantiemen des Geschäftsführers und des damaligen Prokuristen in zweifacher Weise beschränkt sind, so dass es zu einer Gewinnabsaugung nicht kommen kann. Zum einen beträgt der Prozentsatz der gewährten Tantieme nur jeweils 10 v.H., insgesamt also 20 v.H., während üblicherweise bis zu 50 v.H. des Jahresüberschusses als angemessen erachtet wird (vgl. BFH-Urt. v. 27. April 2000 I R 88/99, BFH/NV 2001, 342 m.w.N.). Zum anderen sind die von der Klägerin gewährten Tantiemen jeweils auf 25 % der jährlichen Bruttogesamtbezüge der Berechtigten aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis begrenzt. Dies führt bei den relativ moderaten Gesamtvergütungen von rund 100.000 DM je Berechtigtem zu einer derartigen Begrenzung, die eine drittvergleichswidrige Gewinnabsaugung ausschließt.
c) Da die inhaltsgleichen Tantiemevereinbarungen von Geschäftsführer und ehemaligem Prokuristen bereits aufgrund der genannten Beschränkungen dem Fremdvergleich standhalten, kommt es auf die Frage, ob die Tantieme-Vereinbarung zu Gunsten des damaligen Prokuristen E. allein schon deshalb anzuerkennen sei, weil dieser für die Vorjahresverluste nicht verantwortlich sei oder ob er diese als Prokurist quasi miterwirtschaftet habe, nicht mehr an.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage unter welchen Voraussetzungen die Nichteinbeziehung von Verlustvorträgen in die Bemessungsgrundlage für Gewinntantiemen dem Fremdvergleich standhält, hat grundsätzliche Bedeutung.
Niedersächsisches FG:
Urteil v. 22.10.2002
Az: 6 K 35/01
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