Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 22. März 2012
Aktenzeichen: 14c O 248/11 U.
(LG Düsseldorf: Urteil v. 22.03.2012, Az.: 14c O 248/11 U.)
Tenor
I.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger durch Vorlage eines geordneten Verzeichnisses darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie im Geltungsbereich des deutschen Geschmacksmusters DE 498 07 218.5 seit dem 23.09.2008
1.
Dach- und Fassadeneindeckungsplatten, insbesondere aus Schiefer, hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht, eingeführt, ausgeführt oder zu den genannten Zwecken besessen hat und/oder hat herstellen, anbieten, vertreiben, einführen, ausführen oder zu diesen Zwecken hat besitzen lassen,
2.
Dritten das Recht eingeräumt oder ihnen gestattet hat, Dach- und Fassadeneindeckungsplatten, insbesondere aus Schiefer, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen und/oder herstellen, anbieten, in Verkehr bringen oder gebrauchen zu lassen oder zu diesen Zwecken einführen oder besitzen zu lassen,
die in verschiedenen Flächenformaten nach Maßgabe folgender Abbildung gestaltet sind und somit folgende Gestaltungsmerkmale aufweisen:
(1) die Platten weisen die Form eines gleichseitigen Vierecks auf (Grundform), welches im Wesentlichen als Quadrat ausgebildet ist;
(2) eine Ecke des Vierecks
(a) umschließt einen Winkel von etwa 90° und
(b) ist als die Rundung eines kreisförmigen Abschnitts ausgebildet (Eckabrundung);
(3) der Scheitelpunkt der Eckabrundung ist eckmittig angeordnet;
(4) der von der Eckabrundung umschlossene Winkel (Eckwinkel) wird symmetrisch von einer gedachten Diagonalen halbiert (winkelhalbierenden Diagonalen);
(5) die winkelhalbierende Diagonale durchläuft in etwa den Mittelpunkt der Platte;
(6) die Treffpunkte, an denen der Kreisbogen der Eckabrundung die den Eckwinkel umschließenden Viereckseiten schneidet, bilden Schnittpunkte (so genannte Fersen);
und zwar unter Angabe
[I.]
mit Bezug auf vorstehende Ziffer I. 1.
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der dafür bezahlten Preise, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen, geordnet nach Qualitäten, Größen, Gebindezusammenstellungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen der gewerblichen Abnehmer, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen, geordnet nach Qualitäten, Größen, Gebindezusammenstellungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung (einschließlich Bemusterungen), aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagen und Stückzahlen pro Auflage pro Werbeträger, nach Verbreitungsgebieten und Verbreitungszeiten,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
[II.]
mit Bezug auf vorstehende Ziffer I. 2.
a) der Mengen der von Lizenznehmern (Nutzern) hergestellten Dach-und Fassadeneindeckungsplatten unter Angabe von Ort und Zeit der Herstellung, sofern es sich um Stücklizenzen gehandelt hat,
b) der Mengen der von Lizenznehmern (Nutzern) vertriebenen Dach-und Fassadeneindeckungsplatten, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Liefergegenstand, gegliedert nach Sortiment, Gebindegröße und Qualität, sofern es sich um Umsatzlizenzen gehandelt hat,
c) der Namen und Anschriften der Lizenznehmer (Nutzer),
d) der Art und Höhe der von Lizenznehmern (Nutzern) entrichteten/gezahlten Lizenzgebühren, aufgeschlüsselt nach
(1) Art der Lizenzen, insbesondere Umsatz-oder Stücklizenzen,
(2) (vereinbarten) Zahlungszeitpunkten oder €zeiträumen,
(3) Höhe der Lizenzsätze;
wobei:
- die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu [I.] b) und [I.] c) die entsprechenden Einkaufs- oder Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu [II.] die Auskünfte ihrer Lizenznehmer und die von ihr erstellten Lizenzabrechnungen in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der nichtgewerblichen Angebotsempfänger statt dem Kläger einem von dem Kläger zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfermitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger oder eine bestimmt bezeichnete Lieferung in der Aufstellung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, zu Händen des Klägers
1.
allen Schaden zu erstatten, welcher dem Kläger ab dem 23.09.2008 durch die vorstehend unter Ziffer I. 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird, wobei festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die vorstehend unter I.1. bezeichneten Handlungen an den Kläger eine angemessene Lizenzgebühr in Höhe von 3 % des durch die Begehung dieser Handlungen erzielten Umsatzes zu bezahlen, welche kalenderjährlich zum 31.12. abzurechnen und zum 31.01. des Folgejahres fällig sowie mit 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.02. des Folgejahres zu verzinsen ist;
2.
das Erlangte, insbesondere alle Entgelte, herauszugeben, das (die) die Beklagte durch Handlungen gemäß vorstehender Ziffer I. 2. in der Zeit ab dem 23.09.2008 erhalten hat.
III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die vom Kläger eingezahlten Gerichtskosten 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bei der Gerichtskasse bis zum Tage des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu bezahlen.
IV.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
V.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
VI.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar und für den Kläger gegen Sicherheitsleistung, die für die Vollstreckung der Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung auf 35.000,-- EUR und für die Vollstreckung des Anspruchs auf Kostenerstattung auf 9.000,-- EUR festgesetzt wird.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verletzung eines deutschen Geschmacksmusters auf nach der Methode der Lizenzanalogie zu berechnenden Schadensersatz, Herausgabe von Nutzungsvorteilen in Form von Lizenzeinnahmen, Auskunft und Rechnungslegung sowie Erstattung des durch die Einzahlung von Gerichtskosten entstandenen Zinsschadens in Anspruch.
Der Kläger war bis zur Auseinandersetzung der Gesellschaft im September 2008 zu jeweils 40 % als Kommanditist an der pp GmbH & Co. KG (im Folgenden: ppKG) und als Gesellschafter an der pp GmbH, deren Komplementär-Gesellschaft, beteiligt. Er ist seit dem 23.09.2008 alleiniger und ausschließlich verfügungsberechtigter Inhaber des deutschen Geschmacksmusters DE 498 07 218.5 (im Folgenden: Klagegeschmacksmuster), das am 21.07.1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet, am 09.12.1998 eingetragen und am 10.02.1999 im Geschmacksmusterblatt bekannt gemacht wurde, wie nachstehend wiedergegeben:
Die pp KG hatte mit Wirkung zum 23.09.2008 die ihr zustehenden Rechte an dem Klagegeschmacksmuster auf den Kläger übertragen, das am 25.02.2009 auf den Kläger umgeschrieben wurde. Grundlage der Rechteübertragung war der zwischen dem Kläger und der pp KG am 20.09.2008 geschlossene notarielle Rechteübertragungsvertrag (Anlage K 3), in dem gleichzeitig der pp KG und zwei weiteren Firmen nicht ausschließliche, nicht übertragbare, beschränkte und gebührenfreie Lizenzen an den übertragenen Rechten eingeräumt wurden.
Ziff. VI des Rechteübertragungsvertrages lautet:
"Abwehr Ansprüche Dritter
Werden die unter Ziff. I. genannten Rechte durch Dritte im Wege eines außergerichtlichen, gerichtlichen oder amtlichen Verfahrens bestritten oder sonstwie angegriffen, so hat KF (Anmerkung des Gerichs: der Kläger) alles zu unternehmen, um die Rechte frei von Ansprüchen Dritter zu halten oder die Angriffe abzuwehren. (...)"
Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "Universal" in verschiedenen Formaten Fassaden- und Dacheindeckungsplatten, insbesondere aus Schiefer, wie im Einzelnen aus der zum Gegenstand des Tenors gemachten Abbildung ersichtlich ist. Ergänzend wird auf die als Anlagenkonvolut K 5 vorgelegten Musterstücke Bezug genommen.
In der Vergangenheit hatte die Beklagte das Klagegeschmacksmuster gegenüber der Flosbach KG mit einer Löschungsklage vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Köln angegriffen, die zuletzt vom Bundesgerichtshof durch Urteil vom 18.10.2007 zu Az. I ZR 100/05 (BGH GRUR 2008, 153 - Dacheindeckungsplatten, Anlage K 10) zurückgewiesen wurde. In dem Revisionsurteil sprach der Bundesgerichtshof dem Klagegeschmacksmuster insbesondere die erforderliche Eigentümlichkeit zu. Die Beklagte hatte darüber hinaus am 20.08.1999 für die angegriffene Ausführungsform das aus Anlage K 11 ersichtliche Gebrauchsmuster DE 299 14 453 U1 angemeldet, das am 14.09.2000 eingetragen und am 19.10.2000 im Patentblatt bekannt gemacht worden war. Das Gebrauchsmuster wurde auf Antrag der pp KG gelöscht, wobei der Bundesgerichthof die Rechtsbeschwerde gegen die entsprechende Beschwerdeentscheidung des Bundespatentgerichts vom 19.12.2007 - Az. 5 W (pat) 403/07 - durch Beschluss vom 24.03.2009 (X ZB 7/08, Anlage K 13) zurückgewiesen hat. In einem weiteren Verfahren der ppKG gegen die Fa. pp Nachf. pp GmbH u.a. betreffend eine der angegriffenen Ausführungsform identische Dach- und Fassadenabdeckungsplatte hat das Oberlandesgericht Düsseldorf durch rechtskräftiges Urteil vom 23.03.2010 (Az. I-20 U 34/04, Anlage K 14) die dortigen Beklagten unter anderem zur Unterlassung verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass das Klagegeschmacksmuster über die erforderliche Eigentümlichkeit verfüge und die angegriffene Ausführungsform keinen anderen Gesamteindruck erwecke. Zuletzt ist vor dem Oberlandesgericht Köln unter dem Az. 6 U 111/11 gegen den Kläger eine Löschungsklage der Sachverständigenbüro pp mbH anhängig gewesen, die das Landgericht Köln in erster Instanz durch Urteil vom 12.05.2011 (AZ. 31 O 730/09, Anlage B 3) zurückgewiesen hat.
Auf die anwaltliche Berechtigungsanfrage der pp KG vom 07.10.2005 (Anlage K 7) verzichtete die Beklagte mit Schreiben vom 21.10.2005 (Anlage K 8) auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis 3 Monate nach Verkündung eines Revisionsurteils durch den Bundesgerichtshof in der zwischen der Beklagten und der pp KG anhängigen Geschmacksmusterangelegenheit. Mit Schreiben vom 28.06.2011 (Anlage K 9) erklärte die Beklagte zuletzt einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 30.09.2011 und forderte den Kläger mit Schreiben vom 13.09.2011 zur gerichtlichen Klärung der in Streit befindlichen Ansprüche auf. Die streitgegenständliche Klage ist am 28.09.2011 erhoben worden.
Der Kläger ist der Ansicht, seine Aktivlegitimation bezüglich der der pp KG zustehenden Ansprüche ergebe sich aus Ziff. VI des Rechteübertragungsvertrages. Die Beklagte sei mit erneuten Einwendungen gegen die Schutzfähigkeit des Klagegeschmacksmusters durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2007 ausgeschlossen. Die von der Beklagten vorgebrachten Entgegenhaltungen erweckten überdies entweder einen anderen Gesamteindruck oder seien nicht vorbekannt, wozu der Kläger im Einzelnen vorträgt. Die angegriffene Ausführungsform falle in den Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters, das insbesondere sog. Fersen erkennen lasse, d.h. Abrisskanten bzw. Knicke im Bereich der Treffpunkte, an denen der Kreisbogen der Eckabrundungen die den Eckwinkel umschließenden Viereckseiten schneide.
Der Kläger behauptet, der durch die Nutzung der geschützten Gestaltungsform erzielte betriebliche Nutzen für die Beklagte sei wegen der durch die Formgebung bedingten besonderen Vorteile bei Produktionskosten, Lagerhaltung, Handling und der Logistik so hoch, dass ein Lizenzsatz von 3 % als Basis für die Ermittlung der Lizenzgebühren angemessen sei. Er verweist insoweit auf den Lizenzvertrag mit der Fa. pp Baustoffe vom 10.12.2002/13.12.2002 sowie den Lizenzvertrag mit der Fa. Eternit AG vom 10.10.2011, wegen deren Einzelheiten auf die Anlagen K 35 und 36 (Bl. 107 ff. GA) Bezug genommen wird. Auf die Verträge würden auch regelmäßig Lizenzen gezahlt. Er ist der Ansicht, dass überdies jeweils ein Aufschlag von 0,5 % auf die angemessene Lizenzgebühr deshalb vorzunehmen sei, weil die Beklagte über einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren keine Lizenzen gezahlt habe, sie nicht das Risiko gehabt habe, Lizenzen für ein schutzunfähiges Geschmacksmuster zu zahlen und ein auszugleichender Vorteil der Beklagte darin liege, dass es dem Kläger nicht möglich sei, die Schadensersatzlizenz durch eine Bucheinsicht zu kontrollieren.
Der Kläger beantragt, nachdem er den Klageantrag zu I. zeitlich angepasst, den Klageantrag zu II. modifiziert und den Auskunftsantrag zu (II.) a) und b) ergänzt hat,
wie geschehen zu erkennen
sowie darüber hinausgehend,
- die gemäß dem Klageantrag zu I. begehrte Auskunft und Rechnungslegung durch Vorlage eines zeitlich per 23.09.2008 gegliederten Verzeichnisses auch für die Zeit vom 09.12.1998 bis zum 22.09.2008 zu erteilen, wobei die Angaben zu den Einkaufspreisen ([I.] b)) sowie zu den Verkaufsstellen ([I.] c)) nur für die Zeit seit dem 01.09.2008 zu machen sind;
- mit dem Klageantrag zu II. 1. auch festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, allen Schaden zu erstatten, der der pp GmbH & Co. Flosbach KG, pp, in der Zeit vom 09.12.1998 bis zum 22.09.2008 durch die in Ziff. I.1. genannten Handlungen entstanden ist sowie mit dem Klageantrag zu II.2. auch festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Erlangte, insbesondere alle Entgelte, das (die) die Beklagte durch Handlungen gemäß Ziff. I.2. in der Zeit vom 09.12.1998 bis zum 22.09.2008 erhalten hat, herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die Aktivlegitimation des Klägers, soweit dieser Auskunfts- und Schadensersatzansprüche für die ppKG geltend macht. Gegenüber diesen Ansprüchen erhebt sie zudem die Einrede der Verjährung.
Die Beklagte trägt vor, das Klagegeschmacksmuster sei nicht rechtsbeständig und verweist insoweit auf das Löschungsverfahren der Firma Henzler GmbH gegen den Kläger betreffend das Klagegeschmacksmuster. Wegen der Einzelheiten der Entgegenhaltungen (insbesondere die als Anlage B 2 vorgelegten Fachregeln, die sog. "Spezial-Fischschuppe" gemäß Anlage B 6, die "Assulo-Bogenschnittschablone" gemäß den Anlagen B 9-11, die Rundbogenplatte von Eternit aus den 60er Jahren gemäß den Anlagen B 10 und B 15 sowie die Bogenschnitt-Schablone der Firma pp aus dem Jahre 1986 und 1987 gemäß Anlage B 21) und deren vom Kläger bestrittene Vorbekanntheit wird auf den Vortrag auf Bl. 9 ff. der Klageerwiderung (Bl. 43 ff. GA) sowie die Duplik vom 31.01.2012 (Bl. 91 ff. GA) verwiesen. Schließlich erweckten das Klagegeschmacksmuster und die angegriffene Ausführungsform unter Berücksichtigung des engen Gestaltungsspielraums bei Schieferplatten nicht denselben Gesamteindruck, da die angegriffene Ausführungsform sog. Fersen aufweise, die hinterlegten Abbildungen des Klagegeschmacksmusters hingegen nicht. Damit bestünden gleichzeitig auch die vom Kläger vorgetragenen technischen Vorteile beim Klagegeschmacksmuster nicht.
Die Beklagte bestreitet die Angemessenheit des vom Kläger geltend gemachten Lizenzsatzes von 3 %. Bei den geschmacksmustergeschützten Dacheindeckungsplatten handele es sich um Massenartikel, bei denen - für eine Plattengröße von 30 x 30 cm unstreitig - von einer Bruttogewinnmarge von 12 bis 13 % noch Kosten wie Fracht, Skonto und Allgemeine Verwaltungskosten abzuziehen seien. Hinsichtlich des zwischen dem Kläger und der Fa. ppBaustoffe abgeschlossenen Lizenzvertrag bestreitet die Beklagte, dass dieser Lizenzvertrag gelebt werde und die Firma pp regelmäßig Lizenzen zahle. Der Vertrag mit der Fa. pp AG betreffe das kleinste Plattenformat, das nicht die Verkehrsdurchsetzung der größeren Platten habe; insoweit habe sie das Produkt noch nicht auf dem Markt gesehen.
Schließlich behauptet die Beklagte, sie habe Lizenzgebühren gegenüber Dritten nur während der Zeit des Bestandes des Gebrauchsmusters geltend gemacht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nur teilweise zulässig, da der Kläger bezüglich der für die pp KG geltend gemachten Ansprüche nicht prozessführungsbefugt ist. Soweit sie zulässig ist, ist die Klage vollumfänglich begründet.
I.
Bezüglich der für die vormalige Inhaberin des Klagegeschmacksmusters, die pp KG, geltend gemachten Ansprüche fehlt es bereits an der Prozessführungsbefugnis des Klägers. Die Prozessführungsbefugnis ist Prozessvoraussetzung, ihr Fehlen führt zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., vor § 50 Rz. 17).
Vorliegend hat der Kläger selbst vorgetragen, dass die Rechte an dem Klagegeschmacksmuster zum 23.09.2008 auf ihn übertragen worden sind und zuvor der pp KG als eingetragener Inhaberin zugestanden haben. Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren Folgeansprüche wegen einer Verletzung des Klagegeschmacksmusters für den Zeitraum vor dem 23.09.2008 geltend macht, so macht der Kläger ausdrücklich den der pp KG zustehenden Anspruch auf Schadensersatz geltend (vgl. Ziff. III.1. der Klageschrift, Bl. 18 GA).
Die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozessstandschaft liegen indes nicht vor, da es bereits an einer Ermächtigung durch die pp KG fehlt. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf Ziff. VI des Rechteübertragungsvertrages berufen. Danach ist der Kläger verpflichtet, für den Fall, dass das Klagegeschmacksmuster von Dritten im Wege eines außergerichtlichen, gerichtlichen oder amtlichen Verfahrens bestritten oder sonstwie angegriffen wird, alles zu unternehmen, um die Rechte frei von Ansprüchen Dritter zu halten oder die Angriffe abzuwehren. Zwar hat die Beklagte dadurch, dass sie das Klagegeschmacksmuster in der Vergangenheit mit der Löschungsklage angegriffen hat, dieses mittels eines gerichtlichen Verfahrens angegriffen. Dieses Verfahren ist jedoch rechtskräftig abgeschlossen, so dass insoweit keine Abwehrmaßnahmen, zu denen der Kläger aus Ziff. VI des Rechteübertragungsvertrages berechtigt wäre, mehr erforderlich sind. Es kann des Weiteren dahinstehen, ob die bloße Verletzung des Klagegeschmacksmusters durch dessen Benutzung ein Bestreiten des Klagegeschmacksmusters im Sinne dieser Regelung darstellt. Denn die Abwehr einer solchen Verletzung könnte allenfalls durch eine Unterlassungsklage erfolgen. Vorliegend aber hat sich der Kläger darauf beschränkt, gegenüber der Beklagten Folgeansprüche in Form einer Schadensersatz- bzw. Auskunfts- und Rechnungslegungsklage geltend zu machen. Dies aber stellt gerade keine Verteidigung des Klagegeschmacksmusters dar, dessen Verletzung durch die Beklagte gerade nicht mit der vorliegenden Klage unterbunden werden soll. Durch die vorliegende Klage nutzt der Kläger ausschließlich den dem Inhaber zugewiesenen wirtschaftlichen Wert des Klagegeschmacksmusters; dies aber ist keine Abwehrmaßnahme im Sinne der Ziff. VI des Rechteübertragungsvertrages, sondern vielmehr eine aktive Verwertung des Klagegeschmacksmusters.
II.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung der Schadensersatzpflicht für den Zeitraum ab dem 23.09.2009 gemäß dem Antrag zu II. 1 aus § 42 Abs. 2 GeschmMG.
Nach § 72 Abs. 2 S. 1 GeschmMG finden auf das vor dem 28.10.2001 eingetragene Klagegeschmacksmuster dabei weiterhin die für dieses zum 28.10.2001 geltenden Bestimmungen über die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit Anwendung. Auch können Rechte aus dem Klagegeschmacksmuster nach § 72 Abs. 2 S. 2 GeschmMG nicht geltend gemacht werden, soweit sie Handlungen im Sinne des § 38 Abs. 1 GeschmMG betreffen, die vor dem 28.10.2001 begonnen wurden und die der Verletzte vor diesem Tag nach den Vorschriften des Geschmacksmustergesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 442-1, veröffentlichten, bereinigten Fassung (im Folgenden: GeschmMG a.F.) nicht hätte verbieten können. Im Übrigen entfaltet das GeschmMG in der derzeit gültigen Fassung Rückwirkung (vgl. BGH GRUR 2008, 790 Rz. 26 - Baugruppe).
1.
Das Klagegeschmacksmuster ist rechtsgültig. Nach § 39 GeschmMG wird vermutet, dass die an die Rechtsgültigkeit eines Geschmacksmusters zu stellenden Anforderungen erfüllt sind. Die Beklagte ist mit dem von ihr erhobenen Einwand der Nichtigkeit wegen fehlender Neuheit bzw. Eigentümlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. ausgeschlossen, weil sich die Kammer insoweit an das rechtskräftige Urteil des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 18.10.2007 (Az. I ZR 100/05) in der zwischen der Beklagten und der pp KG geführten Löschungsklage betreffend das Klagegeschmacksmuster gebunden sieht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Die Frage des Umfanges der Rechtskraft einer negativen Entscheidung über eine Löschungsklage gemäß § 33 GeschmMG für ein nachfolgendes Verletzungsverfahren ist - soweit ersichtlich - bislang weder in der geschmacksmusterrechtlichen Rechtsprechung noch Literatur behandelt worden. Im Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht findet sich in Art. 52 Abs. 3 GGV die Regelung, wonach ein Antrag auf Nichtigerklärung unzulässig ist, wenn ein Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht über einen Antrag wegen desselben Anspruches zwischen denselben Parteien bereits rechtskräftig entschieden hat; entsprechendes gilt gemäß Art. 86 Abs. 5 GGV für die Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit, wenn das Amt über einen Antrag wegen desselben Anspruches zwischen denselben Parteien bereits eine rechtskräftige Entscheidung erlassen hat. Bislang ungeklärt ist insoweit die Frage, ob "derselbe Anspruch" so auslegen ist, dass es sich um denselben Nichtigkeitsgrund und dieselben Tatsachen, insbesondere dieselben Entgegenhaltungen, handeln muss, oder auch andere Entgegenhaltungen, die denselben Nichtigkeitsgrund begründen, ausgeschlossen sind (für ersteres Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht, 2. Aufl., Art. 86 Rz. 8). Nach der zum Patent- und Markenrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die Kammer auf das GeschmMG für übertragbar hält, ist indes davon auszugehen, dass vorliegend eine auch auf neue Entgegenhaltungen gestützte, erneute Löschungsklage der Beklagten gegen das Klagegeschmacksmuster unzulässig wäre. Die materielle Rechtskraftwirkung erstreckt sich nach der Indorektal II-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 1993, 969) dabei soweit, dass es ausgeschlossen ist, dass ein und derselbe Löschungsgrund von derselben Partei erneut, wenngleich mit anderer Begründung, zur Überprüfung gestellt wird. Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, das in BPatGE 6, 189 entschieden hat, dass auch eine auf einen anderen Sachverhalt, aber denselben Nichtigkeitsgrund gestützte Nichtigkeitsklage nach rechtskräftiger Abweisung der Nichtigkeitsklage unzulässig ist (vgl. auch Busse-Keukenschrijver. PatG, 6. Aufl., § 84 Rz. 40, wonach eine rechtskräftige frühere Entscheidung gegen denselben Kläger eine erneute Nichtigkeitsklage ausschließt, auch wenn diese auf einen neuen Sachverhalt, z.B. andere Vorbenutzung, gestützt wird). Hierfür spricht überzeugend, dass der in den §§ 322, 325 ZPO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke für die Beurteilung der Wirkung im Löschungsverfahren ergangener gerichtlicher Entscheidungen heranzuziehen ist. Der Sinn dieser Regelung liegt in der endgültigen Befriedung eines kontradiktorischen Parteienstreits, der über denselben Streitgegenstand nicht wiederholt werden soll (so BGH GRUR 2010, 231 Rz. 18 - Legostein).
Damit wäre jedenfalls eine erneute Löschungsklage der Beklagten gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Neuheit bzw. Eigentümlichkeit unzulässig. Nichts anderes muss für die Einrede der Nichtigkeit im Verletzungsprozess gelten, auch wenn die Überprüfung nicht im Rahmen einer Löschungsklage, sondern der Prüfung einer Einrede gegen den Verletzungsanspruch erfolgt. Dies folgt daraus, dass die Rechtskraft einer in einem Vorprozess der Parteien ergangenen Entscheidung nicht nur bei Identität der Streitgegenstände in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist, sondern auch dann, wenn eine für den nachfolgenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Frage im Vorprozess rechtskräftig entschieden wurde (BGH NJW 2008, 1227, Zöller-Vollkommer, a.a.O., vor § 322 Rz. 24 m.w.N.). Vorliegend ist die Frage der Rechtsgültigkeit des Klagegeschmacksmusters im Verletzungsprozess als Zweitprozess als Vorfrage zu prüfen. Gerade diese Frage ist aber Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung im Löschungsverfahren gewesen und damit bindend. Insoweit greift der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung "Betonstahlmattenwender" des Bundesgerichtshofs nicht, nach der die Gründe eines die Klage abweisenden Urteils im Nichtigkeitsverfahren für den Verletzungsrichter nicht bindend sind (BGH GRUR 1988, 444). Denn die Entscheidung ist im Patentrecht ergangen, in dem die Frage der Rechtsbeständigkeit des Patents gerade nicht Gegenstand der rechtlichen Prüfung des Verletzungsprozesses ist, d.h. anders als beim Geschmacksmuster als nicht geprüftem Schutzrecht nicht dessen Vorfrage ist.
Die Rechtskraftwirkung gilt auch zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits. Unschädlich ist, dass die Beklagte des Vorverfahrens die pp KG war. Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt das rechtskräftige Urteil für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind. Rechtsnachfolge in diesem Sinne liegt dabei auch dann vor, wenn - wie vorliegend - die Inhaberschaft an einem im Streit befindlichen Recht nach Rechtshängigkeit (oder auch erst nach Rechtskraft) erworben wird (Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 325 Rz. 21 m.w.N.).
Einer Auseinandersetzung mit den von der Beklagten vorgelegten Entgegenhaltungen gegen die Neuheit und Eigentümlichkeit des Klagegeschmacksmusters bedarf es nach alledem nicht.
2.
Die im Tenor wiedergegebenen Dacheindeckungsplatten verletzen das Klagegeschmacksmuster, § 38 GeschmMG.
a)
Nach § 38 Abs. 2 GeschmMG erstreckt sich der Schutz auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Betrachter keinen anderen Gesamteindruck erweckt.
Das Klagegeschmackmuster wird durch folgende Merkmale geprägt:
(1) die Platten weisen die Form eines gleichseitigen Vierecks auf (Grundform), welches im Wesentlichen als Quadrat ausgebildet ist;
(2) eine Ecke des Vierecks
(a) umschließt einen Winkel von etwa 90° und
(b) ist als die Rundung eines kreisförmigen Abschnitts ausgebildet (Eckabrundung);
(3) der Scheitelpunkt der Eckabrundung ist eckmittig angeordnet;
(4) der von der Eckabrundung umschlossene Winkel (Eckwinkel) wird symmetrisch von einer gedachten Diagonalen halbiert (winkelhalbierenden Diagonalen);
(5) die winkelhalbierende Diagonale durchläuft in etwa den Mittelpunkt der Platte;
(6) die Treffpunkte, an denen der Kreisbogen der Eckabrundung die den Eckwinkel umschließenden Viereckseiten schneidet, bilden Schnittpunkte (so genannte Fersen).
Dabei ist insbesondere das Merkmal (6) den hinterlegten Abbildungen des Klagegeschmacksmusters zu entnehmen, wie sie der Kläger als Bestandteil der Anlagen K 1 sowie K 16 und K 16 vorgelegt hat und wie sie für die Kammer durch Zugriff auf die Internetseite des DPMA hinreichend deutlich ersichtlich waren. Einer Hinzuziehung der Registerakten bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht mehr. Die unstetige Ausbildung des Übergangsbereichs des Bogenschnitts zur Längsseite, zutreffend definiert als der plötzliche Richtungswechsel des bogenförmigen Verlaufs in den sich anschließenden geraden Umfangsbereich in Form einer als Knick und Ecke augenfälligen Stelle (BPatG, Beschluss vom 19.12.2007, Az. 5 W (pat) 403/07, Anlage K 19), ergibt sich bereits aus der Geometrie der Platte selbst. Diese Unstetigkeitsstelle ist auch rein visuell wahrnehmbar. Sowohl im Bereich des bogenförmigen Verlaufs als auch der geraden Längsseite finden sich kleinere Unebenheiten im Kantenverlauf. Die im Übergang des bogenförmigen zum geraden Verlauf liegende Unebenheit nimmt der informierte Benutzer dabei zwangslos nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch als Ferse im vorgenannten Sinne wahr.
Die Merkmale (1) bis (5) werden von der angegriffenen Ausführungsform identisch übernommen. Das Merkmal (6) wird ebenfalls übernommen, wobei die sog. Ferse bei der angegriffenen Ausführungsform geringfügig stärker ausgeprägt ist als beim Klagegeschmacksmuster. Es kann aber insoweit nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob die sog. Ferse den Gesamteindruck der Dacheindeckungsplatten ohnehin nur gering prägt - wovon noch das Oberlandesgericht Düsseldorf im Urteil vom 23.03.2010 (I - 20 U 34/04) ausgegangen ist - oder ob der in diesem Verfahren vorgelegte Formenschatz - seine im Einzelnen streitige Vorbekanntheit unterstellt - für die Bestimmung des Schutzbereiches herangezogen werden und zu einer stärkeren Gewichtung des Merkmales (6) für den Gesamteindruck führen könnte. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, wäre die Abweichung im Merkmal (6) nur so unbedeutend, dass sie selbst bei einem äußerst engen Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters für den informierten Benutzer nicht aus dem übereinstimmenden Gesamteindruck herausführen würde. Denn für den informierten Benutzer ist die sog. Ferse gerade notwendige Folge der spezifischen, den Gesamteindruck der Platte maßgeblich prägenden Geometrie, die einen unstetigen Übergang des Eckbogens in die jeweilige gerade Seitenkante bedingt. Sie ist mithin technisch notwendige Folge der gewählten Gestaltung, so dass er ihrer genauen Ausgestaltung schon im Ansatz nur geringe Beachtung schenken wird.
b)
Nach § 14 Abs. 1 GeschmMG a.F., der hier nach § 72 Abs. 2 S. 2 GeschmMG Anwendung findet, muss es sich beim angegriffenen Muster zudem um eine Nachbildung des Klagegeschmacksmusters handeln. Dass es sich objektiv um eine Nachahmung handelt, folgt bereits daraus, dass das Muster der Beklagten alle prägenden Merkmale des Klagegeschmacksmuster übernimmt und keine wesentlichen Gestaltungsmerkmale aufweist, die dem Klagegeschmacksmuster fehlt (so auch OLG Düsseldorf a.a.O. zu einer identischen angegriffenen Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform stellt auch subjektiv eine Nachahmung dar. Bei wesentlichen Übereinstimmungen zwischen dem geschützten Muster und der angegriffenen Gestaltung - wie vorliegend - spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Nachbildung (vgl. Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl. 1996, § 14 a Rz. 63 m.w.N.). Die Beklagte, die zur Frage der subjektiven Nachahmung nichts vorgetragen hat, hat den Anscheinsbeweis nicht erschüttert.
3.
Der Kläger hat den Feststellungsantrag so konkretisiert, dass er bereits eine fiktive Lizenz in Höhe von 3 % geltend macht und gleichzeitig den hierdurch bedingten Zinsschaden. Dies ist gerechtfertigt.
a)
Die Lizenzanalogie ist seit Jahrzehnten als Methode der Schadensschätzung gewohnheitsrechtlich anerkannt (vgl. BGHZ 99, 244, Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 4. Aufl., § 42 Rz. 26 m.w.N.). Bei der Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr ist darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung einer Benutzungsbefugnis ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die künftige Entwicklung und namentlich den Umfang der Verletzungshandlungen vorausgesehen hätten (BGH GRUR 1966, 375; LG Düsseldorf, Urteil vom 25.04,1989, 4 O 328/88). Aufgrund des hypothetischen Ausgangspunktes der Lizenzanalogie kann die Höhe der im Einzelfall angemessenen Lizenz in der Regel nicht exakt errechnet werden, sondern ist aufgrund einer wertenden Entscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles vom Gericht gem䀧 278 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung zu bestimmen (LG Düsseldorf a.a.O.). In Ermangelung anderer Anhaltspunkte können dabei auch in vergleichbaren Fällen gezahlte Lizenzen der Schätzung zugrunde gelegt werden (vgl. Eichmann/von Falckenstein, a.a.O., § 42 Rz. 27 m.w.N.).
Vorliegend erachtet das Gericht den vom Kläger geltend gemachten Lizenzsatz von 3 % für angemessen. Es ist davon auszugehen, dass der durch die Nutzung der geschützten Gestaltungsform erzielte betriebliche Nutzen, der gerade auf der Formgebung (Reduzierung auf eine Kernform, die sowohl die Links- als auch die Rechtsdeckung ermöglicht) beruht, hoch ist (Vorteile bei Produktionskosten, Lagerhaltung, Handling und Logistik) und durch den vom Kläger im Einzelnen vorgetragenen wirtschaftlichen Erfolg der Gestaltung belegt wird. Der Kläger hat durch Vorlage des Lizenzvertrages mit der Fa. pp Baustoffe vom 10./13.12.2002 (Anlage K 35, Bl. 107 ff. GA) auch belegt, dass er der Fa. pp Baustoffe eine einfache Lizenz für die Nutzung des Klagegeschmacksmuster zur Herstellung von Faserzementplatten zu einer Lizenzgebühr in Höhe von 5 % des erzielten Verkaufserlöses erteilt hat. Weiterhin hat er durch Vorlage der Lizenzvereinbarung vom 10.10.2011 (Anlage K 36, Bl. 112 ff. GA) mit der Fa. Eternit AG, die mit der zwischenzeitlich in pp Deutschland umbenannten Fa. pp Baustoffe verbunden ist, belegt, dass er der Eternit AG eine nicht ausschließliche Lizenz an dem Klagegeschmacksmuster für den Produktions- und Vertriebsbereich Faserzement erteilt hat, und zwar gegen Zahlung einer pauschalen Lizenz von 50.000,-- EUR auf einen Nettoumsatz bis 1 Mio. EUR, mithin 5 %, und 2 % auf den 1 Mio. EUR übersteigenden Mehrumsatz. Den Abschluss der vorgelegten Verträge hat die Beklagte nicht bestritten. Das Gericht geht davon aus, dass die vereinbarten Lizenzsätze von 5 %, im Falle Eternit bei einem Umsatz von über 1 Mio. EUR reduziert auf 2 %, diejenigen sind, die vernünftige Vertragsparteien unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes des Geschmacksmusters zugrunde gelegt hätten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass schon bei Abschluss der Verträge diese nach dem Willen der Parteien nicht hätten umgesetzt werden sollen, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Vielmehr spricht die Regelung in Ziff. 4 des Lizenzvertrages mit der Fa. pp AG, nach der für die Vergangenheit näher ausgewiesene Lizenzen gezahlten werden sollen, dafür, dass die Firma Eternit AG das Klagegeschmacksmuster bereits genutzt hat. Die Umsatzerwartungen für diesen Vertrag sind auch ersichtlich nicht unerheblich, wie sich der gestaffelten Vereinbarung der Lizenzgebühr entnehmen lässt. Dass die vorgelegten Lizenzverträge deshalb keine Rückschlüsse auf eine angemessene Lizenzgebühr zuließen, weil sie sich auf Faserzementplatten und bestimmte Formate bezögen, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Die bereits dargestellten Vorteile des Klagegeschmacksmusters, die maßgeblich für die Bemessung der fiktiven Lizenzgebühr sind, bestehen gerade unabhängig von Material und Größe der Platten.
Allein die vom Kläger bereits abgeschlossenen Lizenzverträge rechtfertigen es, die Lizenz, die vernünftige Vertragspartner vereinbart hätten, mit mindestens 3 % anzusetzen. Denn es ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte regelmäßig jährliche Umsätze im Bereich eines Vielfachen von einer Million mit nach dem Klagegeschmacksmuster gefertigten Produkten erzielen würde und deshalb die im Vertrag mit der Eternit AG vorgesehene Staffelung der Lizenzhöhe zu einer 5 % deutlich untersteigenden Lizenz führen würde. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob auf die Lizenz von 3 % noch weitere lizenzerhöhende Aufschläge von jeweils 0,5 % vorzunehmen wären, etwa wegen des fehlenden Bucheinsichtsrechts des Rechtsinhabers oder der durch den rechtskräftigen Abschluss des von der Beklagten angestrengten Löschungsverfahrens gewonnenen Rechtssicherheit im Hinblick auf die Rechtsgültigkeit des Klagegeschmacksmusters (vgl. hierzu Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.05.1999, 4 O 295/95 - Teigportioniervorrichtung).
b)
Da die fiktiven Lizenzvertragsparteien im Zweifel eine Abrechnung über die Lizenzgebühren innerhalb eines Monats ab Schluss eines jeden Kalenderjahres vereinbart hätten, verbunden mit einer Fälligkeit der Lizenzgebührenansprüche zum 01.02. (§ 284 Abs. 2 BGB), ist dem Kläger als Teil der Schadensersatzlizenz ein Zinsanspruch zuzuerkennen, der ab dem 01.02. des Folgejahres für die im vergangenen Kalenderjahr entstandenen Lizenzgebühren zu zahlen ist (vgl. BGH GRUR 2010, 239 - BTK, Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rz. 1970). Der Zinshöhe ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
III.
Grundlage für den Klageantrag zu II.2. sind die §§ 812, 818 BGB. Soweit die Beklagte für den Gegenstand des Klagegeschmacksmusters Lizenzen vergeben und vereinnahmt hat, hat sie im Verhältnis zum Kläger ein Geschäft geführt, dass ihr nicht zustand. Sie hätte damit rechtswidrig in eine dem Kläger zustehende Rechtsposition eingegriffen und dadurch ihr nicht gebührende Nutzungsvorteile in Form von Lizenzeinnahmen auf Kosten des Klägers erlangt. Das so Erlangte hat die Beklagte - soweit sie es auf Kosten des Klägers erlangt hat - an den Kläger herauszugeben. Soweit die Beklagte von der Klägerseite mit Nichtwissen bestritten eingewandt hat, Lizenzgebühren nur während der Zeit des Bestandes ihres Gebrauchsmusters geltend gemacht zu haben, so schließt dies nicht aus, dass der Beklagten gleichwohl noch Entgelte aus unstreitig erteilten Lizenzen zugeflossen sind. Es hindert damit die Entstehung des Feststellungsanspruches dem Grunde nach nicht.
IV.
Der Auskunftsanspruch beruht auf § 46 GeschmMG, § 242 BGB. Er bezieht sich auf die Auskünfte, die zur Ermittlung des Schadensersatzanspruches und des Anspruches auf Herausgabe des durch ungerechtfertigte Bereicherung Erlangten erforderlich ist. Dem trägt der Klageantrag Rechnung.
V.
Der Kläger hat schließlich einen Schadensersatzanspruch gemäß dem Klageantrag zu III. aus §§ 280, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB. Dadurch, dass sie den Kläger unbestritten mit Schreiben vom 13.09.2011 zur gerichtlichen Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Ansprüche aufgefordert hat, hat die Beklagte die Erfüllung dieser Ansprüche ernsthaft und endgültig verweigert und sich dadurch in Verzug gesetzt. Der Schadensersatzanspruch aus Verzug umfasst auch die dem Kläger aufgezwungenen Rechtsverfolgungskosten, zu denen der durch die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses gehörende Zinsschaden zählt (vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 11.01.2006, 12 O 165/05). Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.
VI.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO. Auf Antrag des Klägers waren im Hinblick auf die nach § 752 ZPO zulässige Teilvollstreckung für die einzelnen Posten Teilsicherheiten zu bestimmen (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 108 Rz. 4).
Streitwert: 500.000,00 EUR,
wobei auf den Klageantrag zu I. 400.000,-- EUR und den Klageantrag zu II. 100.000,-- EUR entfallen.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 22.03.2012
Az: 14c O 248/11 U.
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0f19be3a0fff/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_22-Maerz-2012_Az_14c-O-248-11-U