Landgericht Hamburg:
Urteil vom 4. Juli 2008
Aktenzeichen: 408 O 287/07

(LG Hamburg: Urteil v. 04.07.2008, Az.: 408 O 287/07)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf € 120.000,-- festgesetzt. Davon entfallen auf den Antrag zu

1. € 100.000,--2.€ 10.000,--3.€ 10.000,--

Tatbestand

Die Klägerin ist ein mittelständischer Verlag, der nach eigenem Vorbringen seit dem Jahr 2005 die Zeitschrift €Zeitschrift N...-H...€ herausgibt, die viermal jährlich erscheint. Die Beklagte, ein großer deutscher Zeitschriftenverlag, hat erstmals am 15. September 2007 die streitgegenständliche Zeitschrift €B... d... F... €Zeitschrift N...-H...€ mit Rezeptvorschlägen auf den Markt gebracht; diese ist bislang einmalig im Jahr 2007 erschienen. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, dass sie es unterlässt, die Bezeichnung €Zeitschrift N...-H...€ als Titel für ihre Zeitschrift zu verwenden.

Die Zeitschrift €Zeitschrift N...-H...€ der Klägerin wurde seit Februar 2006 in folgender Menge von der Klägerin verkauft (vgl. Anlage K 15):

- Ausgabe 02/06 45.404 - Ausgabe 03/06 47.156- Ausgabe 03/0647.156- Ausgabe 04/0637.543- Ausgabe 01/0744.643- Ausgabe 02/0737.625- Ausgabe 03/0735.504- Ausgabe 04/0734.485Das Heft erschien am 7. September 2007 zu einem Preis von € 1,80 mit folgendem Titelbild: ...

Die Beklagte hat erstmals am 15. September 2007 ihre Zeitschrift €B... d... F... Zeitschrift N...-H...€ in folgender Aufmachung in den Verkehr gebracht: ...

Die Klägerin behauptet, sie vertreibe die Zeitschrift €Zeitschrift N...-H...€ deutschlandweit. Sie beruft sich in der Klage auf einen ihr zustehenden werktitelrechtlichen und einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Das Werktitelrecht der Klägerin sei im Jahre 2005 entstanden; die Bezeichnung €Zeitschrift N...-H...€ sei originär kennzeichnungskräftig. Das Wort €Hit€ werde im Zusammenhang mit Rezepten nicht verwendet. Aufgrund der umfassenden Verwendung des Titels seit dem Jahr 2005 sei eine wesentliche Steigerung der Kennzeichnungskraft des Werktitels eingetreten. Der Titel €Zeitschrift N...-H...€ sei heute einem wesentlichen Teil der Zeitschriftenleser bekannt. Der Titel sei auch mit dem Titel der Beklagten verwechslungsfähig. Es lägen im Streitfall identische Titel vor. Denn die Zeitschrift der Beklagten werde vom Verkehr nicht als €B... d... F... Zeitschrift N...-H...€ wahrgenommen, sondern als €Zeitschrift N...-H...€. Denn der Titel habe offensichtlich nichts mit der üblichen Ausgabe der €B... d... F...€ zu tun. Selbst wenn der Verkehr €B... d... F...€ mit in den Zeichenvergleich einbezöge, wäre eine Verwechslungsgefahr gegeben, da die Beklagte die Bezeichnung €Zeitschrift N...-H...€ in der gesamten Titelleiste verwende. Der Verkehr nehme die Titelzeile des Sonderheftes daher kennzeichenmäßig wahr.

Der Klägerin stehe auch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen der Übernahme eines fremden Leistungsergebnisses zu, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung. Der Zeitschriftentitel €Zeitschrift N...-H...€ verfüge über einen hohen Grad an wettbewerblicher Eigenart. Die Sittenwidrigkeit der Handlungsweise der Beklagten beruhe auf der Herkunftstäuschung, der die angesprochenen Verkehrskreise unterlägen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten unter Androhung näher bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

die Bezeichnung €Zeitschrift N...-H...€ im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Titel einer Zeitschrift zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den Umfang der Handlungen gemäß Ziff. 1. seit dem 14. September 2007 zu erteilen, insbesondere durch Angabe der Vertriebs- und Werbeeinnahmen so gekennzeichneter Zeitschriften, der Auflagenhöhe und der verkauften Auflage.

3. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat, der durch Handlungen gemäß Ziffer 1 seit dem 14. September 2007 entstanden ist oder noch entsteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst bestritten, dass die Klägerin den Titel €Zeitschrift N...-H...€ überhaupt vertrieben habe. Der Titel sei nicht IVW geprüft; es gebe keinen seriösen Nachweis dafür, ob, wo und mit welcher Auflage die Zeitschrift der Klägerin erscheine. Nachdem die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 14. Mai 2008 eine Bestätigung der €s...-i... ...Pressevertrieb GmbH & Co. KG€ als Anlage K 15 eingereicht hat, verweist die Beklagte nur noch auf die nach ihrer Auffassung geringe Zahl an Verkaufsexemplaren von zuletzt 34.485; die inhaltliche Richtigkeit der Bestätigung bestreitet die Beklagte nicht.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie zu keinem Zeitpunkt einen Titel €Zeitschrift N...-H...€ verwendet habe. Ihr Titel laute €B... d... F... Zeitschrift N...-H...€. Die Bezeichnung €Zeitschrift N...-H...€ der Klägerin sei glatt beschreibend und verfüge allenfalls über eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft. Die einander gegenüberstehenden Titel seien €Zeitschrift N...-H...€ und €B... d... F... Zeitschrift N...-H...€. Eine Verwechslungsgefahr scheide daher aus. Im Bereich des hier maßgeblichen Themenbereiches €Kochen & Backen€ existierten eine Vielzahl von unterschiedlichen Titeln; zudem gebe es im Kochbuchbereich eine Veröffentlichung mit dem Titel €Die 66 besten Zeitschrift N...-H...€ (Anlage B 4).

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gereichten Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet und daher abzuweisen. Zwischen den Zeitschriftentiteln €Zeitschrift N...-H...€ und €B... d... F... Zeitschrift N...-H...€ besteht keine Verwechslungsgefahr, so dass der Klägerin weder ein werktitelrechtlicher noch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht.

1. Der Klägerin steht zunächst kein Unterlassungsanspruch nach den §§ 5, 15 MarkenG zu.

a) Dabei geht die Kammer allerdings nach dem Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 14. Mai 2008 davon aus, dass die Klägerin den Zeitschriftentitel €N..H...s€ vertreibt. Die Klägerin beruft sich insoweit auf ein Schreiben des Unternehmens €s...-i... ...Pressevertrieb GmbH & Co. KG€, das sie als Anlage K 15 eingereicht hat. Aus diesem Schreiben gehen die Verkaufszahlen der streitgegenständlichen Zeitschrift hervor, die die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 12. Juni 2008 nicht bestritten, sondern sich vielmehr zu Eigen gemacht hat, indem sie darauf verweist, dass der Titel nur eine geringe Auflage von zuletzt 34.485 Exemplaren gehabt habe. Die Kammer sieht es daher nunmehr als unstreitig an, dass die Klägerin die streitgegenständliche Zeitschrift €N..dd..-H...s€ vertreibt.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt dem Zeitschriftentitel €Zeitschrift N...-H...€ nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft zu, da er inhaltsbeschreibend ist. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass an die Unterscheidungskraft von Zeitschriftentiteln nur geringe Anforderungen gestellt werden, da auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seit langem Zeitungen und Zeitschriften unter farblosen und inhaltsbeschreibenden Gattungsbezeichnungen angeboten werden (vgl. BGH GRUR 2002, 176 f. - €Auto Magazin€ mit weiteren Nachweisen). Diesen geringen Anforderungen an die Kennzeichnungskraft genügt der Titel €Zeitschrift N...-H...€. Denn er unterscheidet sich von anderen auf dem Markt befindlichen Zeitschriften aus dem Bereich €Kochen und Backen€ und verfügt über einen geringen Grad an Eigentümlichkeit, indem er die rein inhaltsbeschreibende Angabe €Nudel€ als Synonym für sämtliche Nudelgerichte verwendet und diese mit dem aus dem Musikbereich kommenden Wort €Hits€ verbindet. Allerdings verfügt der Titel nur über eine schwache Kennzeichnungskraft, da er die kurze und sofort eingängige Formulierung für den Inhalt der Zeitschrift darstellt, nämlich €beliebte Nudel-Gerichte€. Dies ergibt sich auch aus der kleingedruckten Überschrift, in der es inhaltlich wiederholend heiß €Lieblingsrezepte für Pasta-Fans€. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, der Titel verfüge wegen der Benutzung seit dem Jahre 2005 über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft, kann die Kammer ihr nicht folgen. Denn für eine Steigerung der schwachen Kennzeichnungskraft hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, die einen derartigen Schluss zuließen. Die Klägerin beruft sich zwar darauf, dass sie im Bereich der Zeitschriften, die sich mit Nudelgerichten befassten, über einen Marktanteil von 46,84 % verfüge und damit Marktführerin sei gegenüber der Beklagten, die lediglich über einen Marktanteil von 44,07 % verfüge (vgl. Anlage K 13). Die Klägerin hat den relevanten Markt für die Frage der Steigerung der Kennzeichnungskraft aber damit wesentlich zu eng gezogen. Denn aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch der Vorsitzende der Kammer gehört, ist der relevante Marktbereich für eine etwaige gesteigerte Unterscheidungskraft des Titels durch Benutzung der Bereich €Kochen und Backen€, wie er aus der Aufstellung ersichtlich ist, den die Klägerin als Anlage K 14 eingereicht hat. Danach verfügt der Titel aber nur über einen Marktanteil von 0,75 %, so dass nicht von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen ist.

c) Unter Berücksichtigung der nur geringen Kennzeichnungskraft des Titel €Zeitschrift N...-H...€ ist eine Verwechslungsgefahr zwischen den Zeitschriftentiteln der Parteien im Streitfall zu verneinen.

Dabei ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Titel und der Werknähe sowie der Kennzeichnungskraft des älteren Titels auszugehen. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen Zeitschriftentiteln kommt es nach der Rechtsprechung auch auf die Marktverhältnisse, insbesondere auf Charakter und Erscheinungsbild der Zeitschriften an. Auch die Aufmachung, die Erscheinungsweise und die Vertriebsform haben Einfluss auf die Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2002, 176 f. € €Auto Magazin€ mit weiteren Nachweisen).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die Verwechslungsgefahr hier im Streitfall zu verneinen. Denn bei Zeitschriftentiteln, die nur eine geringe Kennzeichnungskraft aufweisen, können bereits verhältnismäßig geringfügige Abweichungen ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen (vgl. BGH GRUR 1991, 331 f. €€Ärztliche Allgemeine€; BGH GRUR 2002, 176 f. € €Auto Magazin€). Diese Abweichungen sieht die Kammer hier in der Verwendung des unstreitig verkehrsbekannten Dach- bzw. Reihentitels €B... d... F...€ der Zeitschrift der Beklagten. Denn auch wenn es grundsätzlich richtig ist, dass ein bekannter Dachtitel in der konkreten Gestaltung einer Zeitschrift zurücktreten kann, wenn der weitere Titel der Einzelausgabe den gesamten Zeitschriftentitel prägt (so das Hanseatische OLG, GRUR-RR 2005, 50 ff. € €Off Road€), kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Bei der angeführten Entscheidung €Off Road€, auf die die Klägerin sich maßgeblich beruft, war es so, dass beim klagenden Zeitschriftentitel €Off Road€ durch langjährige Benutzung die Kennzeichnungskraft gesteigert worden war und die Kennzeichnungskraft jedenfalls als durchschnittlich einzustufen war (vgl. OLG Hamburg, aaO.). Die Zeitschrift der Klägerin war mit einer Auflage von etwas über 100.000 Heften im Themenbereich Geländewagen unbestritten als führend angesehen worden. Eine vergleichbare Bedeutung kann die Klägerin für ihre Zeitschrift €Zeitschrift N...-H...€ hingegen nicht ins Feld führen.

Demnach ist es nach Auffassung der Kammer so, dass sich die Titel €Zeitschrift N...-H...€ und €B... d... F... Zeitschrift N...-H...€ gegenüberstehen. Angesichts der schwachen Kennzeichnungskraft ist der Titelbestandteil €Zeitschrift N...-H...€ nicht geeignet, den Dachtitel €B... d... F...€ in den Hintergrund zu drängen und den Titel der Beklagten zu prägen. Vielmehr erkennt der Verkehr, dass es sich beim Heft der Beklagten um ein Sonderheft des bekannten Dachtitels €B... d... F...€ handelt, und ordnet den Titelbestandteil €Zeitschrift N...-H...€ als glatt inhaltsbeschreibend ein. Insoweit stehen sich eben nicht, wie die Klägerin meint, die beiden identischen Titel €Zeitschrift N...-H...€ gegenüber. Der Verkehr wird sich angesichts der schwachen Kennzeichnungskraft dieses Titels bzw. des Titelbestandteils vielmehr an den weiteren Unterschieden der Titel orientieren und daher erkennen, dass die Zeitschrift der Beklagten den Dachtitel €B... d... F...€ enthält; er wird diesen Titelbestandteil gerade nicht vernachlässigen, sondern auf diesen Unterschied zum Titel der Klägerin achten. Eine Verwechslungsgefahr ist daher nicht gegeben.

2. Der von der Klägerin geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch ist ebenfalls nicht begründet, da aus den genannten Erwägungen eine Herkunftstäuschung nicht in Betracht kommt.

Die Klage ist daher insgesamt, auch mit den geltend gemachten Folgeansprüchen, abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 04.07.2008
Az: 408 O 287/07


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