Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Oktober 2002
Aktenzeichen: 6 U 191/96
(OLG Köln: Urteil v. 21.10.2002, Az.: 6 U 191/96)
1. Ein Wettbewerber ist nicht verpflichtet, eine Diskette, auf der er bestimmte Wettbewerbswidrigkeiten vermutet, auf alle möglichen Verstöße von sich aus zu untersuchen. Entdeckt er bei späterer Durchsicht einen anderen als den ursprünglich angenommenen Verstoß und verfolgt er diesen alsdann zügig, wird durch das Zuwarten mit der Durchsicht die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG nicht widerlegt.
2. Der Anforderung in § 1 Abs. 2 S. 3 PAngVO, bei einer Aufspaltung von Preisen die Endpreise hervorzuheben, wird nicht genügt, wenn der Werbende den Endpreis in gleicher Weise wie die Preisbestandteile angibt und (lediglich) vor den Endpreis ein Gleichheitszeichen und dahinter das Wort ,Brutto" setzt.
Tenor
1.) Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 16. 7.1996 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 302/96 - wird zurückgewiesen.2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil die am 8.5.1996 im Beschlußwege erlassene einstweilige Verfügung - 31 O 302/96 - bestätigt. Denn der Antrag auf deren Erlaß war zulässig und aus § 1 Abs.6 S.3 PAngVO i.V.m. §§ 1, 13 Abs.2 Ziff.1 UWG auch begründet.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war zulässig. Insbesondere ist die sich aus § 25 UWG ergebende Vermutung seiner Dringlichkeit durch das Verhalten der Antragstellerin nicht widerlegt. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, erst in der Mitte der 17.Kalenderwoche des Jahres 1996, also um den 24.4.1996, vom Inhalt der Datei "liesmich.txt", die u.a. die im vorliegenden Verfahren angegriffenen Preisangaben enthielt, Kenntnis genommen zu haben. Die Antragstellerin hat anschließend in ersichtlich nicht dringlichkeitsschädlicher Zeit unter dem 26.4.1996 die erfolglose Abmahnung ausgesprochen und am 8.5.1996 den Verfügungsantrag bei Gericht eingereicht.
Allein, daß die Antragstellerin nicht früher von dem Inhalt der Datei Kenntnis genommen und die Antragsgegnerin dann nicht dementsprechend früher in Anspruch genommen hat, nachdem der von ihr beauftragte Zeuge N. die erste an ihn übersandte Diskette, die auch bereits die Datei "liesmich.txt" enthalten hatte, schon am 23.3.1996 von der Post abgeholt hatte, vermag die Vermutung der Dringlichkeit nicht zu widerlegen. Denn die Antragstellerin war nicht verpflichtet, von sich aus die Diskette auf mögliche Wettbewerbsverstöße zu untersuchen. Eine Pflicht, das Verhalten von Konkurrenten darauf zu beobachten, ob diese sich wettbewerbskonform verhalten, besteht grundsätzlich nicht (vgl. Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18.Aufl., § 25 UWG RZ 12 m.w.N.). Die Antragstellerin konnte daher nach Erhalt der ersten Diskette mit deren Durchsicht zuwarten, ohne sich später dem Vorwurf auszusetzen, es sei ihr mit der Verfolgung des erst bei der späteren Durchsicht des Inhalts der Diskette entdeckten Wettbewerbsverstoßes nicht eilig. Hieran ändert es schließlich auch nichts, daß die Antragstellerin sich beide Disketten, also auch die schon am 23.3.1996 von ihrem Mitarbeiter N. in Empfang genommene, mit dem Ziel beschafft hat, diese auf eventuelle Wettbewerbsverstöße durchzusehen. Der Antragstellerin war es dabei nicht um Verstöße gegen die Preisangabenverordnung und die Datei "liesmich.txt", sondern darum gegangen, ob die in der anderen Datei aufgeführten Daten über Zwangsversteigerungen entsprechend der Werbung der Antragsgegnerin vollständig waren.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war auch begründet. Die angegriffenen Preisangaben verstoßen gegen § 1 Abs.6 S.3 PAngVO und stellen damit zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Dieser ist auch geeignet, im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG den Wettbwerb auf dem betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen.
Nach § 1 Abs.6 S.3 PAngVO sind bei einer Aufgliederung von Preisen die Endpreise hervorzuheben. Diesen Anforderungen des Gesetzes wird die Gestaltung der Preisangaben, wie sie sich im Rahmen der von der Antragsgegnerin verwendeten AGB auf der Diskette in der Datei "liesmich.txt" finden, nicht gerecht. Es trifft zwar zu, daß die von der Verordnung geforderte Hervorhebung nicht unbedingt drucktechnisch erfolgen muß (vgl.die bereits von dem Landgericht hierzu angeführten Belege), die Antragsgegnerin hat jedoch auch nicht auf andere Weise - etwa durch Einrückung - sichergestellt, daß die Endpreise hervorgehoben erscheinen. Die Endpreise finden sich vielmehr ohne irgendwie geartetete Abweichung im Erscheinungsbild gleichrangig neben den übrigen Preisangaben. Eine Hervorhebung durch das Schriftbild liegt damit nicht vor. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin reicht es in vorliegenden Fall auch nicht aus, daß sich jeweils vor dem Endpreis ein Gleichheitszeichen und hinter der Angabe des Endpreises das Wort "brutto" befinden. Denn es ist nicht glaubhaft gemacht, daß der Leser auf diese Weise die Endpreise leicht als solche erkennt und die Angaben daher die Funktion einer Hervorhebung übernehmen. Preisangaben werden üblicherweise schnell gelesen, weil der Verbraucher eine klare und übersichtliche Information über die Preisgestaltung gewohnt ist und erwartet. Der Verbraucher wird die Angaben daher nur oberflächlich zur Kenntnis nehmen. Bei einer derartigen Sicht gewährleisten aber das Gleichheitszeichen und die Angabe "brutto" nicht, daß der Verbraucher innerhalb der Preisinformationen, die einen Umfang von 3 1/2 ("Bezugspreise) bzw. sogar 4 1/2 ("Abonnement") im Fließtext verfaßten Zeilen haben, den so bezeicheten Betrag als Endpreis erkennt. Daran ändert es weder etwas, daß der gesamte die Preisangaben enthaltende Text sich ohne Hervorhebung und damit relativ unauffällig auf der dritten Seite der nur durch Absätze unterteilten AGB befindet, noch, daß es sich bei den betroffenen Verbrauchern um solche handelt, die durch die Verwendung von Disketten und ihr Interesse für Zwangsversteigerungen eine gewisse Wendigkeit erkennen lassen. Die angeführte Einbindung der Preisangaben in die äußerlich nicht besonders strukturierten AGB mag dazu führen, daß nicht viele Bezieher der Diskette die Preisangaben überhaupt wahrnehmen. Hierauf kommt es indes nicht an. Entscheidend ist vielmehr allein, ob für diejenigen Verbraucher, die die aufgegliederten Preisangaben lesen, die Endpreise genügend hervorgehoben sind. Das ist indes aus den vorstehenden Gründen nicht der Fall. Auch und gerade Kunden, die die angesprochene Wendigkeit aufweisen, werden die Preisangaben eher oberflächlich lesen und ihnen werden sich die Preisangaben trotz des Gleichheitszeichen und des Zusatzes "brutto" nicht ohne weiteres als Angabe des Endpreises erschließen. Bezüglich der Angabe "brutto" kommt noch hinzu, daß nicht glaubhaft gemacht ist, daß auch im Geschäftsleben nicht unerfahrene Kunden - von wenigen zu vernachlässigenden Ausnahmen abgesehen - damit die Vorstellung der Summe von Nettopreis und Mehrwertsteuer verbinden, zumal bei flüchtigem Lesen das Wort "brutto" auch - wenn auch fälschlich - dahin verstanden werden kann, daß der Preis auch die Verpackungs-, Porto- und sonstigen Versandkosten erfasse, die ebenfalls in den Preisangaben aufgeführt sind.
Schließlich ändert es an dem Verstoß nichts, daß sich die Angaben in der zu beanstandenden Form nur auf der Diskette selbst finden und daher den Kunden im Regelfall erst erreichen, wenn dieser das Produkt bereits gekauft hat. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß jemand erst nach Kenntnisnahme der Preisangaben von der Diskette (weitere) Bestellungen bei der Antragsgegnerin tätigt. Dies kommt nicht nur in dem - bereits von dem Landgericht angeführten - Fall der Bestellung zunächst einer Einzeldiskette und erst anschließend des Abonnements, sondern auch dann in Betracht, wenn ein Kunde etwa bei einem Dritten, der die Diskette bereits bezogen hat, von dieser Kenntnis erlangt und sich durch einen Blick in die Datei "liesmich.txt" über die Bezugsbedingungen informieren will.
Der mithin vorliegende Verstoß gegen § 1 Abs.6 S.3 PAngVO stellt auch einen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Es trifft zwar zu, daß es sich nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung bei den Bestimmungen der Preisangabenverordnung um wertneutrale Vorschriften handelt, sodaß nicht jeder Verstoß per se wettbewerbswidrig ist (vgl.z.B. BGH GRUR 92,856 - "Kilopreise IV"; 94,224 "Teilzahlungspreis III" und die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, a.a.O, Anhang 2 zu § 3 UWG, RZ 17). Es ist jedoch glaubhaft gemacht, daß die Antragsgegnerin durch die Verwendung der unzulässigen Preisangaben in ihren AGB bewußt und planmäßig gegen die vorstehende Bestimmung der Preisangabenverordnung verstößt und sich im übrigen einen ungerechtfertigten Vorsprung vor ihren rechtstreuen Konkurrenten zu schaffen sucht (vgl. zu dieser Voraussetzung BGH a.a.O., "Kilopreis IV", S. 857).
Es kann schließlich offenbleíben, ob - wofür allerdings viel spricht - die Antragstellerin als unmittelbare Verletzte ohne weiteres aktivlegitimiert ist. Denn auch wenn man dies verneinen wollte, wäre der Verfügungsanspruch gegeben, weil die Antragstellerin dann jedenfalls gem. § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG anspruchberechtigt wäre. Der Verstoß ist auch geeignet, im Sinne dieser Vorschrift den Wettbwerb auf dem betroffenen Markt erheblich zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist deswegen gegeben, weil es sich um einen Verstoß gegen eine Vorschrift handelt, die unmittelbar die Interessen der Verbraucher schützen soll. Überdies ist mit der zu beanstandenen Vorgehensweise eine nicht zu unterschätzende Nachahmungsgefahr verbunden.
Nach alledem ist der Berufung der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 21.10.2002
Az: 6 U 191/96
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