Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 22. August 2005
Aktenzeichen: L 1 B 3/05 AL ER
(LSG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 22.08.2005, Az.: L 1 B 3/05 AL ER)
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 05.01.2005 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Gerichtskosten erster Instanz.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2004, mit dem die Antragsgegnerin sie zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und darauf entfallender Sozialversicherungsbeiträge für ihren ehemaligen Arbeitnehmer H H (H) heranzieht.
Der am 00.00.1944 H war vom 01.01.1979 bis 31.07.2001 bei der T E AG beschäftigt. Im Zuge eines größeren Personalabbaus bei diesem Unternehmen wechselte er ab dem 01.08.2001 in ein auf 25 Monate befristetes Arbeitsverhältnis bei der Antragstellerin. Grundlage war ein dreiseitiger Vertrag vom 04.07.2001 zwischen ihm, der T E AG und der Antragstellerin, der zugleich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der T E AG gegen Zahlung einer Abfindung vorsah. H war sodann in einer von der Antragstellerin gegründeten Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) tätig. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Antragstellerin und der T E AG werden in der Vereinbarung über die Schaffung von Auffangstrukturen als Ergänzung zur Vereinbarung über einen Interessenausgleich/Sozialplan (im Folgenden: Vereinbarung) vom 21.06.2001 zwischen der T E AG, ihrem Gesamtbetriebsrat, der IG Metall Bezirksleitung NRW und dem inzwischen verstorbenen Treuhänder Rechtsanwalt T geregelt. Rechtsanwalt T war Sozius in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin; deren Seniorpartner ist alleiniger Gesellschafter der N Beteiligungs-GmbH und diese wiederum alleinige Gesellschafterin der Antragstellerin. Die Vereinbarung sah den Wechsel der Mitarbeiter der T E AG in die BQG unter der Voraussetzung vor, dass sie Anspruch auf sog. Struktur-Kurzarbeitergeld (Struktur-Kug) gemäß § 175 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (a.F.) hatten. Die T E AG zahlte für jeden gewechselten Mitarbeiter einen Aufstockungsbetrag auf das Kug sowie weitere Beträge wie z.B. Sonderzahlungen, außerdem je 7.500,- DM zur Finanzierung von Förderprojekten an den Treuhänder, der seinerseits der Antragstellerin die für den laufenden Geschäftsbetrieb erforderlichen Beträge zur Verfügung stellte. Die Arbeit der Antragstellerin sowie die sinn- und zweckgemäße Verwendung der Finanzmittel, auch durch den Treuhänder, wurde vereinbarungsgemäß durch einen dreiköpfigen Beirat überwacht, der sich aus je einem Vertreter der Antragstellerin, ihres Gesamtbetriebsrats und der IG Metall zusammensetzte.
Nach seinem Ausscheiden bei der Antragstellerin erhielt H Alg, dessen Erstattung nebst der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.09.2003 bis zum 31.08.2004 beansprucht. Während die den Zeitraum bis zum 30.04.2004 betreffenden Bescheide bestandskräftig wurden, erhob die T E AG gegen den an die Antragstellerin gerichteten Erstattungsbescheid vom 29.09.2004 über einen Betrag von insgesamt 12.909,16 EUR Widerspruch, den die Antragsgegnerin als unbegründet zurückwies (Widerspruchsbescheid vom 26.10.2004): Die Antragstellerin müsse sich die Vorbeschäftigungszeiten des H bei der T E AG in entsprechender Anwendung von § 147a Abs. 5 SGB III zurechnen lassen. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Klage erhoben (S 1 AL 193/04 SG Duisburg).
Auf ihren Antrag hin hat das Sozialgericht (SG) Duisburg die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid unter der Auflage angeordnet, dass die Antragstellerin Sicherheitsleistung in Höhe der Erstattungsforderung durch Sicherheitsleistung oder Bankbürgschaft erbringt (Beschluss vom 05.01.2005): Bei summarischer Prüfung bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides. Die Antragsgegnerin habe die entsprechende Anwendung von § 147a Abs. 5 SGB III lediglich ergebnisorientiert mit dem Argument rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragstellerin begründet. Gerade dies stoße jedoch auf Bedenken, da von der Freisetzung der Arbeitnehmer nicht die Antragstellerin, sondern vielmehr die T E AG profitiere, deren Inanspruchnahme die Antragsgegnerin jedoch bislang nicht erwogen habe.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin trägt vor: Die T E AG und die Antragstellerin hätten offensichtlich eine vermeintliche Regelungslücke im System des § 147a SGB III nutzen wollen. Indem sie trotz der Begrenzung des Anspruchs auf Kug auf 24 Monate eine 25monatige Laufzeit der befristeten Verträge bei der Antragstellerin vereinbart hätten, hätten sie gezielt die Inanspruchnahme der T E AG zur Erstattung des Alg verhindern wollen. Im Anschluss an ein Schreiben des seinerzeitigen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10.04.2000 sei die Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten bei der T E AG und der Antragstellerin auch deshalb geboten, weil die Gewährung von Kug nach § 175 SGB III a.F. an die enge Verbundenheit zum Ursprungsunternehmen anknüpfe. Diese komme im Streitfall auch in den getroffenen Vereinbarungen zum Ausdruck, indem der Wechsel der betroffenen Arbeitnehmer zur BQG von der Gewährung des Struktur-Kug abhängig gemacht werde.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 05.01.2005 zu ändern und den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für richtig und hat inzwischen Sicherheit durch Hinterlegung geleistet. Ergänzend weist sie darauf hin, dass § 147a Abs. 5 SGB III eine auf Konzerne bezogene abschließende und damit der Analogie nicht zugängliche Regelung enthalte. Sollte der Gesetzgeber entsprechend dem ministeriellen Schreiben vom 10.04.2000 ein abweichendes Ergebnis für wünschenswert gehalten haben, so hätte er dies ausdrücklich regeln müssen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter vom 02.08.2005 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das SG hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 29.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2004 zu Recht angeordnet.
Das Gericht der Hauptsache kann in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kommt die Anwendung dieser Vorschrift hier in Betracht, weil die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den angefochtenen Bescheid nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 336a Satz 1 Nr. 1 SGB III keine aufschiebende Wirkung hat.
Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung fehlt nicht etwa deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klage in der Hauptsache wegen fehlenden ordnungsgemäßen Vorverfahrens (vgl. zu diesem Zulässigkeitserfordernis § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) offensichtlich unzulässig wäre. Zwar kann man bezweifeln, ob der gegen den Bescheid vom 29.09.2004 durch die T E AG erhobene Widerspruch, mit dem das Vorliegen einer Vollmacht durch die Antragstellerin lediglich behauptet worden ist, zulässig war. Die Antragsgegnerin hat ihn jedoch in der Sache beschieden und damit den Weg für eine sachliche Überprüfung auch durch die Gerichte eröffnet (BSG, Urt. v. 12.10.1979 - 12 RK 19/78 - BSGE 49, 85, 87).
Der Antrag ist begründet. Die Herstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG richtet sich auch in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG nach dem in erster Linie für § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG geltenden Prüfungsmaßstab des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (wie hier: BayLSG, Beschl. v. 17.02.2004, L 17 U 7/04 ER, SGb 2004, 482; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.10.2003 - L 13 AL 3445/03 ER-B; für die Parallelproblematik des § 80 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] ebenso BayVGH, Beschl. v. 04.12.1992, 12 CS 92.2260, FEVS 43, 228 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.10.1990, 8 S 2237/90, NVwZ-RR 1991, 287; HessVGH, Beschl. v. 24.08.1987, 9 TH 666/84, ZfSH/SGB 1988, 312, 313). Danach ist mit dem SG darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob seine Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Gegenauffassung, die im Rahmen von § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG die auch bei Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG gebotene allgemeine Abwägung nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache vornehmen will (LSG Nordrhein-Westfalen, 10. Senat, Beschl. v. 15.01.2003, L 10 B 22/02 KA ER, GesR 2003, 115, 116; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. [2005], § 86b Rdnr. 12), trägt dem Umstand nicht genügend Rechnung, dass den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG gemeinsam die Wertung des Gesetzgebers zu Grunde liegt, dem sofortigen Vollzug grundsätzlich den Vorzug einzuräumen, und dass es sich daher anbietet, für die Beurteilung dieser Fallkonstellationen einen einheitlichen Prüfungsmaßstab anzuwenden. Das gilt vor allem dann, wenn es - wie im vorliegenden Fall - ebenso wie bei § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG um die Vollziehung eines Leistungsbescheides geht.
An der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen ernsthafte Zweifel, denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die gegen ihn gerichtete Klage in der Hauptsache Erfolg haben wird. Die Antragstellerin hat nämlich die Voraussetzungen des in § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b) SGB III geregelten Ausnahmetatbestandes glaubhaft gemacht, der eingreift, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten zwölf Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit insgesamt weniger als zehn Jahre zu dem betreffenden Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat.
Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen H und der Antragsgegnerin erst durch den dreiseitigen Vertrag vom 04.07.2001 für die Zeit vom 01.08.2001 bis zum 31.08.2003 zustande gekommen ist. Vor dem 01.08.2001 ist der Antragsteller im Zwölf-Jahres-Zeitraum vom 01.09.1991 bis zum 31.08.2003 ausschließlich bei der T E AG tätig gewesen. Die Voraussetzungen des in § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b) SGB III geregelten Ausnahmetatbestandes liegen daher nur dann nicht vor, wenn sich die Antragstellerin diese Beschäftigungszeiten zurechnen lassen muss. Eine solche Zurechnung scheidet jedoch mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit aus.
Die Antragstellerin braucht sich die Beschäftigungszeiten des H bei der T E AG nicht gemäß § 147a Abs. 5 Satz 1 SGB III zurechnen zu lassen, weil es sich zumindest nach Maßgabe der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen tatsächlichen Prüfung nicht um Konzernunternehmen im Sinne des § 18 Aktiengesetz (AktG) handelt.
Soweit ersichtlich, stehen die T E AG und die Antragstellerin, auch hinsichtlich der für die ehemaligen Mitarbeiter der T E AG gebildeten BQG, nicht unter einer einheitlichen Leitung, wie sie § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG für den Unterordnungs- und § 18 Abs. 2 AktG für den Gleichordnungskonzern voraussetzen. Weder sind vertragliche Absprachen erkennbar, die auf eine derartige einheitliche Leitung abzielten, noch deuten die übrigen tatsächlichen Umstände, insbesondere in Gestalt personeller Verflechtungen, einheitlicher Zielvorgaben oder gleichgerichteten Verhaltens (vgl. zu diesen Kriterien m.w.N. BGH, Beschl. v. 08.12.1998, KVR 31/97, DB 1999, 421 - Pirmasenser Zeitung), auf eine einheitliche Leitung hin.
Die Vereinbarung über die Schaffung von Auffangstrukturen vom 21.06.2001 vermittelt nicht die Grundlage für eine einheitliche Leitung der T E AG und der BQG. Als Betrieb oder Betriebsteil unter dem Dach der Antragstellerin hat die BQG unter deren Leitung gestanden, die durch den Geschäftsführer ausgeübt worden ist. Dieser wiederum hat bei der T E AG keine Leitungsfunktionen inne gehabt. Soweit er hinsichtlich der sinn- und zweckentsprechenden Verwendung der Mittel dem Beirat verantwortlich gewesen ist, hat auch dieser nicht erkennbar eine einheitliche Leitung mit der T E AG gewährleistet. Zwar ist die T E AG im Beirat durch einen Vertreter der Unternehmensleitung vertreten gewesen, der jedoch nur eine Stimme von insgesamt drei Stimmen gehabt hat, wobei die beiden anderen Vertreter vom Gesamtbetriebsrat der T E AG und von der IG Metall gestellt worden sind. Bei dieser Sachlage konnte die T E AG ihre Unternehmensziele nicht mit der für die Annahme einer einheitlichen Leitung erforderlichen Sicherheit durchsetzen. Ein abweichendes Ergebnis ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn die nach Angaben der Antragstellerin im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter jeweils einheitliche Stimmabgabe innerhalb des Beirates auf zusätzlichen Absprachen oder Einflussnahmen seitens der Unternehmensleitung der T E AG beruht hätte, für die jedoch gegenwärtig nichts ersichtlich. Das gilt zumal angesichts des Umstandes, dass dem Treuhänder nach Ziff. 6 der Vereinbarung jedenfalls hinsichtlich der Auskömmlichkeit der Mittel ein Vetorecht zugestanden hat und eine personelle Verflechtung des Treuhänders jedenfalls mit der T E AG nicht erkennbar ist.
Anhaltspunkte für eine einheitliche Leitung ergeben sich auch nicht aus dem Bestehen eines Gewinnabführungs- oder Verlustausgleichsvertrages. Die Bestimmungen über die Finanzierung der BQG in Ziff. 5 der Vereinbarung vom 21.06.2001 lässt sich nicht in diesem Sinne deuten. Vielmehr wird dort nur die Frage des Aufwendungsersatzes geregelt, vor allem für Personalkosten. Anhaltspunkte für eine einheitliche Leitung, insbesondere im Sinne eines Unterordnungskonzerns nach § 18 Abs. 1 AktG, bestünden nur, wenn der Treuhänder oder der Beirat die vertraglichen Bestimmungen zur Durchsetzung übereinstimmender Unternehmensentscheidungen insbesondere unter Verletzung von Eigeninteressen der Antragstellerin bzw. der BQG (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urt. v. 02.10.2000, II ZR 64/99, DB 2000, 2420) gehandhabt hätten. Auch hierfür ist jedoch nichts erkennbar.
Personelle Verflechtungen zwischen der T E AG und der Antragstellerin, die Rückschlüsse auf eine einheitliche Leitung erlaubten, sind ebenfalls nicht erkennbar. Nach Angaben der Antragstellerin, an denen zu zweifeln der Senat jedenfalls im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz keinen Anlass hat, sind die T E AG oder ihre Vorstandsmitglieder nicht in maßgeblicher Weise an der Antragstellerin beteiligt. Vielmehr steht hinter der Antragstellerin eine Beteiligungs-GmbH und hinter dieser wiederum eine natürliche Person, hinsichtlich derer gesellschaftsrechtliche Beziehungen zur T E AG nicht ersichtlich sind. Ebenso wenig sind einheitliche Zielvorgaben oder gleich gerichtetes Verhalten der beteiligten Unternehmen erkennbar, die auf eine einheitliche Leitung schließen ließen. Der Umstand, dass die Antragstellerin auch im Unternehmensinteresse der T E AG tätig geworden ist, reicht hierfür nicht aus, weil dies bei allen Formen von Geschäftsbesorgung oder Auftragsverhältnissen zwischen Unternehmen der Fall sein kann, ohne dass gleichzeitig ein Konzern besteht. Aus den genannten Gründen gibt es auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Beherrschung der Antragstellerin durch die T E AG, die nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG die Vermutung für das Bestehen eines Konzerns unter einheitlicher Leitung begründen würde.
Eine Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten des H ist auch nicht aufgrund der im Rahmen von § 147a SGB III grundsätzlich anwendbaren (vgl. BSG, Urt. v. 18.09.1997, 11 RAr 55/96, SozR 3-4100 § 128 Nr. 3; Brand in Niesel, SGB III, 3. Aufl. [2005], § 147a Rdnr. 8; Rolfs in Gagel, SGB III [Stand 2004], § 147a Rdnr. 59) Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) möglich. Denn es ist weder der Betrieb der T E AG noch ein Betriebsteil auf die Antragstellerin übergegangen. Der hierfür erforderliche Fortbestand einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit, die trotz des Inhaberwechsels ihre Identität bewahrt hat (vgl. BAG, Urt. v. 02.12.1999, 8 AZR 796/98, NZA 2000, 369, 370; Urt. v. 22.05.1997, 8 AZR 101/96, NZA 1997, 1050, 1052), ist nicht gegeben. Zwar hat die Antragstellerin Teile des ehemaligen Personals der T E AG übernommen. Sie hat mit diesem Personal jedoch weder ihre Unternehmensziele noch Organisationsstrukturen fortgesetzt. Der Betriebszweck der von der Antragstellerin betriebenen BQG war vielmehr vollständig anders gelagert und bestand nach Ziff. 2 der Vereinbarung vom 21.06.2001 darin, möglichst viele Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt zu schaffen und den ehemaligen Arbeitnehmern der T E AG eine angepasste berufliche Qualifizierung unter anderem durch Fortbildung und Umschulung zu ermöglichen. Zwar sieht Ziff. 2 Satz 2 vor, dass die BQG auch erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgen kann. Im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz haben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass von dieser Möglichkeit überhaupt Gebrauch gemacht worden ist und etwaige erwerbswirtschaftliche Zwecke gegebenenfalls mit solchen der T E AG übereingestimmt haben. Einziger Anhaltspunkt für eine Übernahme der Betriebsorganisation ist nach Ziff. 5 Buchst. e) der Vereinbarung vom 21.06.2001 die Verpflichtung der T E AG, der BQG Räumlichkeiten und Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen. Insoweit kommt es jedoch nicht in erster Linie auf die abstrakte Verpflichtung, sondern auf ihre konkrete Ausgestaltung an. Hierzu hat die Antragstellerin im Erörterungstermin unwidersprochen und zumindest bislang auch unwiderlegt vorgetragen, sie habe lediglich einen Raum bei der T E AG genutzt, um dort Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern führen zu können. Die eigentlichen Betriebszwecke der BQG sind danach jedoch extern, nämlich mit dritten Weiterbildungsträgern, verfolgt worden.
Vor diesem Hintergrund schließt sich der Senat der in der Literatur vertretenen Auffassung nicht an, bei Übernahme der Arbeitnehmer durch eine Beschäftigungsgesellschaft liege stets eine im Rahmen von § 147a SGB III unbeachtliche Umgehung von § 613a BGB vor (so aber Voelzke in Küttner, Personalbuch, 12. Aufl. [2005], Beschäftigungsgesellschaft Rdnr. 28). Eine Umgehung des § 613a BGB würde nach § 134 BGB zur Unwirksamkeit des zwischen dem abgebenden Unternehmen, der T E AG und H geschlossenen Aufhebungsvertrags und in der Folge gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des dreiseitigen Vertrages vom 04.07.2001 führen. Diese Rechtsfolge kann jedoch auch beim Wechsel in eine BQG nur angenommen werden, wenn entweder die BQG selbst den Betrieb des abgebenden Unternehmens fortsetzt oder aber die Betriebsfortführung jedenfalls unter alsbaldiger Verwendung der betroffenen Arbeitnehmer verbindlich in Aussicht steht (BAG, Urt. v. 10.12.1998, 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422, 424; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 08.07.2004, 11 Sa 6/04, LAGReport 2005, 201; insoweit übereinstimmend trotz der Kritik an der Rechtsprechung des BAG auch LAG Bremen, Urt. v. 26.08.2004, 3 Sa 80/04 u.a., DB 2005, 287 f.). Daran fehlt es hier aber gerade. Zumindest ohne weitere Feststellungen, die jedoch erst im Hauptsacheverfahren getroffen werden könnten, gibt es derzeit keinen Grund anzunehmen, dass die Arbeitnehmer, die von der T E AG zur Antragstellerin gewechselt haben, dort zur Fortführung betriebstechnischer Zwecke der T E AG eingesetzt worden sind oder die verbindliche Aussicht einer Rückkehr zu diesem Unternehmen hatten.
Anderweitige Regelungen, die eine Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten im konkreten Fall rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die auf das Schreiben des vormaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10.04.2000 gestützte Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, die Befugnis zur Zusammenrechnung ergebe sich aus der engen Verbundenheit von Ursprungsunternehmen und Beschäftigungsgesellschaft als Voraussetzung für die Gewährung von Struktur-Kug nach § 175 SGB III a.F., geht demgegenüber fehl. Richtig ist daran lediglich, dass der Gesetzgeber die zunehmende Organisation betriebsorganisatorisch eigenständiger Einheiten im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. bei externen, selbstständigen Unternehmen ausdrücklich gebilligt hat (so z.B. im Fraktionsentwurf zum Job-AQTIV-Gesetz v. 24.09.2001, BT-Drucks. 14/6944, S. 38 zu Nr. 54). Hätte er an den Gebrauch einer von ihm für zulässig befundenen rechtlichen Gestaltungsform jedoch nachteilige Rechtsfolgen knüpfen wollen, hätte es dafür erst recht einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Das folgt unmittelbar aus dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der in besonderem Maße bei grundrechtsrelevanten Eingriffe wie dem Erstattungsanspruch aus § 147a SGB III zu beachten ist und zumal dann gilt, wenn dieser Eingriff sich gegen Dritte, im vorliegenden Fall die externen Beschäftigungsgesellschaften, richten soll.
Der Senat sieht für eine Haftung der Beschäftigungsgesellschaften auch aus folgender Überlegung heraus kein praktisches Bedürfnis: Die Erstattungsforderung nach § 147a SGB III soll nur denjenigen Arbeitgeber treffen, der eine besondere Verantwortungsbeziehung zu den ausscheidenden Arbeitnehmern und ihrem Ausscheiden besitzt (vgl. Brand a.a.O. Rdnr. 19 m.w.N.). Diese Verantwortung hat jedoch in erster Linie das Ursprungsunternehmen. Dessen Haftung ist durch die zwischenzeitliche Tätigkeit des ausscheidenden und später arbeitslosen Arbeitnehmers in einer Beschäftigungsgesellschaft für die Anspruchsdauer des Struktur-Kug nach § 175 SGB III a.F. von damals längstens 24 Monaten grundsätzlich jedoch nicht beseitigt worden, weil § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III nur ein Versicherungsverhältnis von 24 Monaten innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit verlangt. Eine Inanspruchnahme der T E AG im vorliegenden Fall begegnet daher auch nur deshalb Schwierigkeiten, weil das Beschäftigungsverhältnis mit der Antragstellerin auf 25 Monate befristet worden ist, wobei die T E die Gehaltsansprüche für diesen zusätzlichen Monat vollständig selbst finanziert hat. Ob hierin eine Umgehung des Erstattungsanspruchs nach § 147a SGB III liegt, braucht der Senat indessen nicht zu entscheiden, weil sich ein etwaiger Anspruch gegen die T E AG richten würde, deren Haftung - wie das SG bereits hervorgehoben hat - seitens der Antragsgegnerin bislang offenbar nicht in Betracht gezogen worden ist. Die Möglichkeit einer solchen Haftung kann allerdings - soweit noch nicht geschehen - eine Beiladung der T E AG zum Hauptsacheverfahren gemäß § 75 Abs. 1 SGG sinnvoll erscheinen lassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Vorschrift des § 197a SGG ist maßgeblich, weil weder Antragstellerin noch Antragsgegnerin zu dem durch § 183 SGG begünstigten Kreis der Beteiligten gehören. Aus diesem Grund war auch der Kostenausspruch des SG hinsichtlich der unterbliebenen Entscheidung über die Gerichtskosten erster Instanz nach Maßgabe des § 154 Abs. 1 VwGO zu ergänzen.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz. Maßgebend ist im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz allein das Interesse der Antragstellerin, den Betrag von 12.909,16 EUR bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache behalten zu dürfen. Den darin liegenden Kapitalnutzungsvorteil schätzt der Senat auf 2.500 EUR.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
LSG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 22.08.2005
Az: L 1 B 3/05 AL ER
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