Landgericht Mönchengladbach:
Beschluss vom 10. Juli 2003
Aktenzeichen: 5 T 270/03

(LG Mönchengladbach: Beschluss v. 10.07.2003, Az.: 5 T 270/03)

Dem Schuldner ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn er während der Wohlverhaltensphase Einkünfte aus der Erteilung von Tennisunterricht in Höhe von 375 DM in einem Jahr gegenüber dem Treuhänder verschweigt.

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 4.000 EUR

Gründe

I.

Unter dem 17.07.2000 stellte der Schuldner Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gleichzeitig beantragte der Schuldner die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Sinne des § 287 InsO unter Berücksichtigung einer verkürzten Wohlverhaltensperiode von 5 Jahren, weil er bereits vor dem 01.01.1997 zahlungsunfähig gewesen sei. Der Schuldenbereinigungsplan wurde nicht von der Mehrheit der Gläubiger angenommen. Über das Vermögen des Schuldners wurde am 09.10.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Schuldner gab in den Jahren 2001 und 2002 Tennisunterricht. Hierdurch erzielte er Einkünfte von 375,00 DM bzw. 300,00 EUR. Diese Einkünfte hat der Insolvenzschuldner dem Treuhänder nicht mitgeteilt und die eingenommenen Gelder nicht abgeführt. Zahlungen aus den Einkünften des Insolvenzschuldners an die Gläubiger sind aufgrund der Pfändungsfreigrenzen nicht erfolgt.

Unter dem 23.05.2002 ordnete das Amtsgericht Mönchengladbach durch Beschluss die Durchführung eines Schlusstermins im schriftlichen Verfahren an. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22.07.2002.

Mit Schriftsatz vom 19.07.2002 (Bl. 271) haben die Gläubiger einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt. Zur Begründung führen sie aus, dass der Schuldner gegenüber seiner jetzigen Ehefrau einen Unterhaltsanspruch und weiteres Einkommen aus mietfreiem Wohnen habe. Zu letzterem behaupten die Versagungsantragsteller, die Anschaffung des Hausgrundstücks sei nur pro forma auf die jetzige Ehefrau des Schuldners erfolgt. Der Schuldner habe das Haus selbst ausgebaut. Eine im Haus befindliche Wohnung sei vermietet. Aus der Vermietung der Wohnung als auch durch sein mietfreies Wohnen habe er finanzielle Vorteile. Darüber hinaus habe der Schuldner Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit. Er kaufe im Ausland billig Kleidung und veräußere diese hier mit Gewinn. Im übrige besitze der Schuldner zusammen mit seiner Ehefrau zwei Motorräder. Insgesamt führe der Schuldner einen überaus hohen Lebensstandard, so spiele er Golf und Tennis, fahre Snowboard und mache aufwendigen Urlaub. Auch sei seine älteste Tochter Christina nicht mehr bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages zu berücksichtigen, da diese einer Tätigkeit als Kamerafrau nachgehe.

Zur weiteren Begründung verweisen die Versagungsantragsteller auf ein Schreiben vom 17.11.2000, welches eine Stellungnahme zum Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens enthält. Das Schreiben ist im Jahr 2000 nicht zur Gerichtsakte gelangt. In diesem Schreiben behaupten die Versagungsantragsteller zusätzlich, dass dem Schuldner ein zweiter Pkw zur Nutzung zur Verfügung stehe. Im übrigen zahle der Schuldner an die Tochter Christina keinen Unterhalt.

In seiner Stellungnahme vom 12.08.2002 (Bl. 294) führt der Schuldner aus, dass er im Sommer in einem Tennisclub während der Freizeit für 25,00 DM pro Stunde in 2001 und für 15,00 EUR pro Stunde in 2002 Tennisunterricht erteilt habe. Diese Angaben seien auch bei der Steuererklärung angegeben worden. Im übrigen seien die Behauptungen der Versagungsantragsteller unzutreffend, was der Schuldner in seinem Schreiben näher ausführt.

Aufgrund dieser Mitteilung hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 09.05.2003 die beantragte Restschuldbefreiung versagt mit der Begründung, dass der Insolvenzschuldner gegen seine Auskunftspflichten verstoßen habe. Es sei die Pflicht des Schuldners gewesen, die Einkünfte aus der Tätigkeit als Tennislehrer zu offenbaren. Der Beschluss ist dem Insolvenzschuldner am 14.05.2003 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 27.05.2003, bei Gericht eingegangen am 28.05.2003, legte der Insolvenzschuldner sofortige Beschwerde ein.

Zur Begründung führt er aus, er sei von Vereinsmitgliedern angesprochen worden, ob er ihnen Tennisunterricht geben könne. Zudem habe er Aufwendungen für Tennisbälle und die Bespannung seines Schlägers gehabt. Unter dem Strich sei ihm praktisch nichts übrig geblieben. Die Einkünfte habe er ordnungsgemäß bei der Steuer angegeben. In Anbetracht des geringen Betrages könne wohl kaum davon gesprochen werden, dass er sein Einkommen verschleiere. Im übrigen sei es nicht gerechtfertigt, ihm wegen einer Summe von 300 EUR die Restschuldbefreiung zu versagen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Gemäß § 289 Abs. 2 InsO ist gegen die Versagung der Restschuldbefreiung die sofortige Beschwerde zulässig. Die Zweiwochenfrist des § 567 Abs. 1 ZPO ist von Seiten des Schuldners gewahrt worden.

2.

Das Amtsgericht hat zu Recht die beantragte Restschuldbefreiung abgelehnt. Gemäß § 290 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Termin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn einer der in § 290 Abs. 1, Nr. 1 - 6 InsO genannten Versagungsgründe vorliegt.

a.

Alle drei Antragsteller sind Insolvenzgläubiger und damit antragsberechtigt.

b.

Der Versagungsantrag ist auch formell zulässig gestellt worden. Grundsätzlich kann auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung nur versagt werden, wenn der Antrag im Schlusstermin gestellt worden ist, es sei denn, dass ein besonderes Verfahren angeordnet worden ist, nach dessen Vorschriften von der Abhaltung eines Schlusstermins abgesehen werden darf. Ein solches besonderes Verfahren ist das hier angeordnete schriftliche Verfahren nach § 312 Abs. 2 InsO.

3.

Entgegen der Auffassung des Schuldners liegt auch ein Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vor. Nach dieser Vorschrift ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

(a)

Der Schuldner hat seine Mitwirkungspflicht nach § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO gegenüber dem Treuhänder verletzt. Nach dieser Vorschrift ist der Schuldner verpflichtet, den Auskunftsberechtigten über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Die Erzielung von Einkünften aus einer Nebentätigkeit betrifft eine Tatsache, die für das Insolvenzverfahren von grundlegender Bedeutung ist und damit von der Auskunftspflicht umfasst wird.

Der Annahme einer Pflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass von keinem der Auskunftsberechtigten nach dieser Nebeneinkunft gefragt wurde. Die Kammer folgt der Auffassung, nach der sich die Auskunftspflichten des Schuldners nicht in reinen Antwortpflichten auf Nachfragen der Auskunftsberechtigten erschöpfen. Vielmehr ist bei Umständen, die für den Schuldner erkennbar gar nicht Gegenstand von Nachfragen sein können, weil sie den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht bekannt sein können, diese Auskunftspflicht eine aktive Pflicht in der Weise, dass der Schuldner solche Umstände auch von sich aus ohne besondere Nachfragen zu offenbaren hat ( vgl. Amtsgericht Oldenburg ZInsO 2001, 1170). Der Insolvenzschuldner wäre mithin verpflichtet gewesen, unaufgefordert die Höhe seiner Einkünfte dem Treuhänder mitzuteilen. Die Auskunftspflicht traf den Schuldner aber nur hinsichtlich der Einkünfte aus der Gewährung von Tennisunterricht im Jahr 2002, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst durch Beschluss vom 09.10.2001 erfolgte und zu diesem Zeitpunkt die Tennissaison 2001 schon vorüber war und nach der Lebenserfahrung die Einnahme in Höhe von 375 DM bereits ausgegeben war.

(b)

Die Auskunftspflicht betraf auch die Insolvenzmasse nach §§ 80, 35 InsO. Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahren gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erwirbt. Hierzu gehören auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Die Pfändungsfreigrenze gemäß §§ 850 c ZPO, 36 Abs. 1 InsO kommt dem Schuldner nicht zugute, da es sich bei den Einkünften aus gelegentlichem Tennisunterricht nicht um Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO handelt (vgl. BGH, ZinsO 2003, 413). Die Einkünfte sind auch nicht von Gesetzes wegen um berufsbedingte Aufwendungen zu kürzen. Der Schuldner kann lediglich nach § 850i ZPO beantragen, dass ihm von seinen durch Vergütungsansprüche gegen Dritte erzielten Einkünfte ein pfandfreier Anteil belassen wird. Ein solcher Antrag ist von Seiten des Schuldners im Hinblick auf die Einkünfte aus Tennisunterricht nicht gestellt worden.

(c)

Der Verstoß gegen die Auskunftspflicht war auch grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt derjenige, der das unterlässt, was jedem hätte sofort einleuchten müssen. Entscheidend ist, ob hier eine grobe Gleichgültigkeit gegenüber den Gläubigerinteressen und den eigenen Pflichten vorliegt (Amtsgericht Hamburg ZInsO 2001, Seite 330). Von dem Schuldner, der Restschuldbefreiung begehrt, kann erwartet werden, dass er diesen Verpflichtungen genau nachkommt. Ein Pflichtenverstoß ist im Zweifel grob fahrlässig, weil dem Schuldner, der einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, klar sein muss, dass diese nur bei peinlich genauer Erfüllung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gewährt wird (Kübler/Prütting, Kommentar zur InsO, Stand 1999, InsO, § 290 Rn. 20). Für den Schuldner war erkennbar und auf der Hand liegend, dass für die Gläubiger jeder Vermögensanspruch des Schuldners Bedeutung hat und im Verfahren anzuzeigen ist. Denn die Pflicht zur Angabe des gesamten Vermögens stellt die zentrale Verpflichtung des Schuldners im Insolvenzverfahren dar. Es ist für jeden Schuldner ohne längeres Nachdenken erkennbar, dass während des Insolvenzverfahrens Einkünfte nicht ihm, sondern der Gläubigergemeinschaft zustehen. Auch der Umstand, dass es sich vorliegend um einen verhältnismäßig geringen Betrag handelt, ändert daran nichts. Der Schuldner selbst räumt ein, dass er die Einkünfte in seiner Steuererklärung angegeben hat. Er hat ihnen damit trotz des geringen Umfangs Bedeutung beigemessen. Er hat die Zahlungen seiner Kunden nicht als Gefälligkeit angesehen, sondern sie als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit eingeordnet. Für den Schuldner wäre es naheliegend gewesen zu überlegen, ob er dass Geld für sich behalten darf oder es an den Treuhänder abführen muss. Dies gilt umso mehr, als der Schuldner immerhin 20 Tennisstunden während der Sommersaison 2002 gegeben hat. Es handelte sich damit nicht um eine vereinzelt gebliebene Einnahme, sondern um fast schon regelmäßige Einkünfte. Macht der Schuldner sich in dieser Situation keine Gedanken über die Verwendung der Einkünfte, so handelt er grob fahrlässig.

(d)

Nicht erforderlich ist, dass der Gläubigergemeinschaft durch das Verschweigen ein Schaden entstanden ist. § 290 InsO ist Ausdruck des Grundsatzes, dass nur ein redlicher Schuldner in den Genuss einer Restschuldbefreiung gelangen soll. Redlich im Sinne des § 290 InsO ist der Schuldner, der sich gegenüber den Gläubigern nichts hat zu Schulden kommen lassen. Der Versagungstatbestand nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO setzt nicht voraus, dass die Verletzung zu einem Schaden für die Gläubiger geführt hat (AG Oldenburg, ZinsO 2001, 1170). Es reicht die Gefährdung der Gläubigerrechte aus (AG Hamburg ZinsO 2001, 330).

(e)

Letztlich ist die Versagung der Restschuldbefreiung ist auch nicht unverhältnismäßig. Eine Unverhältnismäßigkeit im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist nur dann gegeben, wenn ein nicht mehr hinnehmbares Missverhältnis zwischen dem Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht und dem Eingriff in die Rechtsstellung des Schuldners durch Versagung der Restschuldbefreiung besteht. Hierfür ist es nicht ausreichend, dass sich der Verstoß nur auf einen im Verhältnis zu den Gesamtschulden des Schuldner geringen Betrag bezieht. Ebenso wie in der Einzelzwangsvollstreckung hat die Gläubigergemeinschaft auch in der Insolvenz ein berechtigtes Interesse daran, auch geringfügige Vermögenswerte des Schuldner einzuziehen und zu verteilen. Nur dann, wenn die Pflichtverletzung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Verschlechterung der Rechtsposition der Gläubiger bedeutet, kann die Versagung der Restschuldbefreiung unverhältnismäßig sein. Dies ist hier gerade nicht der Fall. Wenn der Schuldner die Einkünfte angegeben hätte, wäre die Summe auch zur Verteilung gelangt und hätte die finanzielle Situation der Gläubiger, wenn auch nur geringfügig, verbessert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird wegen der grundsätzlich Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 8 Abs. 2 BRAGO analog (vgl. OLG Celle, ZinsO 2002, 32).






LG Mönchengladbach:
Beschluss v. 10.07.2003
Az: 5 T 270/03


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