Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. August 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 197/03

(BPatG: Beschluss v. 14.08.2007, Az.: 29 W (pat) 197/03)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. August 2002 und 17. Juni 2003 werden aufgehoben.

Gründe

I.

Mit Antrag vom 6. Juli 2000 hat der Beschwerdeführer die Eintragung der Wortmarkenatocornerfür folgende Waren und Dienstleistungen beantragt:

Kl. 42 reale und virtuelle Verkaufsplattform (Shop), Kl. 25 Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

Kl. 18 Leder und Lederimitationen, sowie Waren daraus, In einem der Anmeldung beigefügten Begleitschreiben hat er mitgeteilt, dass er unter dem Begriff "natocorner" seit Jahren "mehrere Shops (real & virtuell - Onlineshop) betreibe.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die in Klasse 42 beanspruchte Dienstleistung durch die Formulierung "Kl. 38 - Bereitstellen einer E-Commerce-Plattform im Internet" ersetzt und die Anmeldung mit Beschluss vom 22. August 2002 als freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Der Bestandteil "nato" weise nicht nur auf den Nordatlantikpakt hin, sondern beschreibe auch eine bestimmte Stilrichtung bzw. Qualität und sei in Ausdrücken wie "Nato-Jacke, Nato-Look, Nato-Shop" gebräuchlich. Bei dem weiteren Bestandteil "corner" handele es sich um eine im deutschen Sprachgebrauch üblich gewordene Etablissementbezeichnung. Die angemeldete Marke erschöpfe sich damit in dem werbeüblichen Hinweis auf ein bestimmtes Waren- und Dienstleistungsangebot. Eine Verkehrsdurchsetzung des Zeichens habe der Anmelder nicht glaubhaft gemacht. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Erinnerung des Anmelders hat die Markenstelle mit Beschluss vom 17. Juni 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie auf die Entscheidungsgründe des Erstbeschlusses und zwei beigefügte Gerichtsentscheidungen verwiesen, in denen der 27. Senat festgestellt habe, dass es sich bei dem Begriff "corner" um die gängige Bezeichnung einer Vertriebsstätte handele. Da der Anmelder vier Monate nach Ablauf der ihm gewährten Fristverlängerung die Erinnerung nicht begründet habe, sei nach Aktenlage zu entscheiden gewesen.

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass sich eine beschreibende Verwendung des angemeldeten Zeichens in der konkreten Schreibweise nicht feststellen lasse. Soweit das englische Wort "corner" zur Bezeichnung von Vertriebsstätten gebräuchlich sei, handele es sich um Wortverbindungen, die mit einem Bindestrich verbunden seien. Entsprechende Wortkombinationen, wie z. B. Börsen-Corner, Beauty-Corner, Fashion-Corner, Watch-Corner habe das Deutsche Patent- und Markenamt im Übrigen für einschlägige Waren und Dienstleistungen bereits eingetragen. Bei dem Bereitstellen einer E-Commerce-Plattform handele es sich um reine Programmierungsarbeiten, die von den angebotenen Inhalten unabhängig sei und zu deren Beschreibung sich die Bezeichnung "natocorner" nicht eigne. Die Einordnung der mit der Marke beanspruchten Dienstleistung in die Klasse 38 halte er für unzutreffend. Diese Änderung des Verzeichnisses sei seitens der Markenstelle auch nicht mit ihm abgesprochen worden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer das Verzeichnis auf folgende Dienstleistungen wie folgt eingeschränkt:

Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen für die Bereitstellung virtueller Verkaufsplattformen Der Anmelder beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. August 2002 und 17. Juni 2003 aufzuheben.

Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat nach der Einschränkung des Verzeichnisses in der Sache Erfolg. Für die Dienstleistung "Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen für die Bereitstellung virtueller Verkaufsplattformen" ist das Zeichen weder wegen fehlender Unterscheidungskraft noch aufgrund eines Freihaltebedürfnisses von der Eintragung ausgeschlossen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG). Auch die Tatsache, dass es sich bei dem Bestandteil "nato" um die Bezeichnung einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation handelt, steht der Eintragung nicht entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG).

1. Die Einschränkung des Verzeichnisses auf die Dienstleistung "Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen für die Bereitstellung virtueller Verkaufsplattformen" ist zulässig. Mit der Formulierung "Kl. 42 reale und virtuelle Verkaufsplattform (Shop)" hat der Anmelder wirksam Schutz für die Dienstleistungen der Klasse 42 beansprucht, soweit sie Verkaufsplattformen zum Gegenstand haben. Nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts genügt für die Begründung eines Anmeldetags die zahlenmäßige Bezifferung einer Waren- oder Dienstleistungsklasse, weil sich der Umfang der jeweiligen Klasse eindeutig aus der Klasseneinteilung ergibt (vgl. BPatG Mitt. 2004, 125 - what's live; 29 W (pat) 297/02 - Rainbow-Elch). Die vom Anmelder gewählte Formulierung genügt zwar nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses (§ 32 Abs. 3 MarkenG i. V. m. § 20 Abs. 1 MarkenV). Diesbezügliche Änderungen des Verzeichnisses können aber nur mit schriftlichem Einverständnis des Anmelders vorgenommen werden (vgl. BPatG 29 W (pat) 179/04 - Pettersson und Findus). Aus der Akte ist nicht ersichtlich, dass der Anmelder über die Änderung der von ihm gewählten Formulierung in den Dienstleistungsbegriff "Bereitstellung einer E-Commerce-Plattform im Internet" und die Umklassifizierung in Klasse 38 unterrichtet worden war. Die von der Markenstelle vorgenommene Einschränkung ist damit unwirksam, so dass es bei den in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen bleibt, die der Anmelder in der mündlichen Verhandlung wirksam präzisiert hat.

2. Trotz der fehlerhaften Sachbehandlung im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt konnte der Senat eine abschließende Entscheidung treffen, weil die Sache entscheidungsreif ist (vgl. BGH GRUR 1998, 394, 395 - Active Line). Für die nach der Einschränkung des Verzeichnisses noch beanspruchten Dienstleistungen ist das Zeichen nicht als beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

2.1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind die Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dieses Schutzhindernis besteht auch dann, wenn eine Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber in Zukunft jederzeit erfolgen kann. Insoweit bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige beschreibende Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 97 - POSTKANTOOR; GRUR 2004, 680, Rn. 38 - BIOMILD; BGH GRUR 2003, 343, 344 - Buchstabe Z; GRUR 2005, 578, 581 - LOKMAUS). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

2.2. Das angemeldete Zeichen ist erkennbar aus den beiden Begriffen "nato" und "corner" zusammengesetzt. "Nato" ist für den deutschen Sprachgebrauch lexikalisch belegt als Abkürzung für die North Atlantic Treaty Organization (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003 [CD-ROM]). Mit dieser Bedeutung ist der Begriff vor allem Bestandteil zahlreicher Wortverbindungen, die dem politischen bzw. militärischen Bereich zuzuordnen sind, z. B. Nato-Airbase, Nato-Aktionen, Nato-Allianz, Nato-Balkankrieg, Nato-Beauftragter, Nato-Beschlüsse, Nato-Charta (vgl. http://wortschatz.unileipzig.de). Darüber hinaus ist die Abkürzung gebräuchlich zur Bezeichnung verschiedenster Nato-Ausrüstungsgegenstände, z. B. www.niemannlaes.de - "Industriebedarf Niemann-Laes GmbH. Natojacken. Schutzbrillen. Säureschutzbekleidung"; www.heidkampbremen.de - "BW-Parka; Natojacken"; http//sammeln.search.ebay.de - "NATO-Schablone für taktische Truppenzeichen; Nato Strap Militärband schwarz für Ihre Sport-ROLEX" und zur Beschreibung von Produkten, die solchen Ausrüstungsgegenständen nachempfunden sind, z. B. www.google.de - "Die Jacke hat eine Camouflage Farbe im Natostil"; "Set für Herren, Uhr, Messer und Börse im Natostil"; http://search, ebay.de - "Modernes Set im Nato-Look)". In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff "Nato-Shop" verwendet zur Bezeichnung eines Online-Angebots von Nato-Beständen, z. B. unter http://www.hood.de; http:// sammeln.search.ebay.de).

2.3. Der weitere Zeichenbestandteil "Corner" hat im deutschen Sprachgebrauch mehrere lexikalische Bedeutungen, nämlich Eckball, planmäßig herbeigeführter Kursanstieg und Ringecke (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003 [CD-ROM]). Nach der Internet-Recherche ist der Begriff in Wortzusammensetzungen darüber hinaus im wörtlichen Sinne einer "Angebotsecke" zur Beschreibung einer Vertriebsstätte bzw. eines Online-Angebots gebräuchlich, z. B. www.haraldcibulka.de - "Willkommen auf der Internetseite des Office Corner - Ihrem Partner für Schule, Schreibwaren, Druckerzubehör und mehr"; www.fashioncorneronline.de - "Fashion-Corner-Online-Shop - Fashion for Men and Women"; www.dfbfancorner.de - "Der Online-Shop des Deutschen Fußball-Bundes bietet verschiedene Fan-Artikel an"; www.crossstitchcorner - "Freuen Sie sich auf über 12.000 Stickhefte, Stickpackungen, Magazine und kundenfreundlichen Service".

2.4. Aufgrund der genannten Verwendungen erfasst das angesprochene Publikum das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit ohne Weiteres i. S. von "Nato-Corner" als Hinweis auf eine Vertriebsstätte oder einen Online-Shop für Nato-Bestände. Die für die deutsche Sprache regelwidrige Kleinschreibung des Zeichens steht dem ebenso wenig entgegen wie die für englische Wortkombinationen ungewöhnliche Zusammenschreibung, weil diese abweichende Schreibweise den beschreibenden Aussagegehalt nicht verändert.

2.5. Für die Dienstleistungen "Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen für die Bereitstellung virtueller Verkaufsplattformen" hat der Senat aber nicht feststellen können, dass sie üblicherweise nach der konkreten Art des Online-Shops bezeichnet werden. Die Tätigkeit des Programmierens ist ihrer Art nach unabhängig von den mittels des betreffenden Programms angebotenen Inhalten (vgl. BGH GRUR 2005, 578, 581 - LOKMAUS). Deshalb unterscheidet sich das Erstellen der Software für die Plattform eines Nato-Shop nicht von der Programmierung für einen beliebigen anderen Online-Shop. Bei Nato-Bekleidung und -ausrüstung handelt es sich um Waren, die sich hinsichtlich der Anforderungen an den Online-Vertrieb nicht von anderen Bekleidungsstücken und Ausrüstungsgegenständen unterscheiden und daher - anders als z. B. der Online-Verkauf rezeptpflichtiger Arzneimittel - keine spezifische Verkaufsplattform erfordern. Zur Beschreibung der beanspruchten Programmierdienstleistungen ist der Begriff "natocorner" daher nicht geeignet.

3. Mangels beschreibenden Aussagegehalts kann dem Zeichen auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

4. Ebenfalls nicht einschlägig ist das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG. Zwar stimmt der Zeichenbestandteil "nato" überein mit der Bezeichnung der North Atlantic Treaty Organization und damit einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation im Sinne dieser Vorschrift. Dieses Schutzhindernis greift aber nur ein, wenn die angemeldete Marke geeignet ist, den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit der internationalen Organisation hervorzurufen (§ 8 Abs. 4 S. 4 MarkenG). Eine solche Verwechslungsgefahr ist aber regelmäßig ausgeschlossen, wenn die Bezeichnung mit anderen Bestandteilen verbunden ist und der Verkehr daher in der Marke nicht mehr den Hinweis auf die internationale Organisation wahrnimmt (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. 2003, § 8 Rn. 346; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 8 Rn. 417). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil sich der Bestandteil "nato" mit dem weiteren Bestandteil "corner" zu einem einheitlichen Gesamtbegriff verbindet, den der Verkehr nicht als Hoheitszeichen auffasst.

5. Für die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Zwar war das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt verfahrensfehlerhaft, weil die Markenstelle das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen ohne Einwilligung des Anmelders abgeändert hat. Da die Zurückweisung der Anmeldung aber nicht nur hinsichtlich der fehlerhaft geänderten Dienstleistungen, sondern auch für die beanspruchten Waren erfolgt ist und sich die Beschwerde des Anmelders gegen die gesamte Zurückweisung richtet, hätte die Beschwerdeeinlegung auch bei ordnungsgemäßen Verfahrensablauf nicht vermieden werden können.

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Ri'in Dr. Mittenberger-Huber ist in Urlaub und kann daher nicht unterzeichnen.

Grabrucker WA






BPatG:
Beschluss v. 14.08.2007
Az: 29 W (pat) 197/03


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