Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 4. Februar 2015
Aktenzeichen: VI-3 Kart 96/13 (V)
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 04.02.2015, Az.: VI-3 Kart 96/13 (V))
Art. 3 GG, §§ 21 Abs. 1, 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Satz 2 EnWG, 24 Abs. 1 Nr. 3 EnWG; §§ 48, 49 VwVfG; § 19 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 StromNEV;
1. § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG erlaubt die Änderung von nach § 29 Abs. 1 EnWG erlassenen Entscheidungen bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage sowie bei einer Änderung der regulierungsbehördlichen Einschätzung.
2. Die Änderungsbefugnis nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG umfasst nicht nur die substitutive Änderung, sondern auch die Aufhebung einer nach § 29 Abs. 1 EnWG erlassenen Entscheidung.
3. § 29 Abs. 2 S. 2 EnWG stellt keine zusätzlichen Voraussetzungen für die Änderung nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG auf. §§ 48, 49 VwVfG bleiben neben dieser Spezialnorm weiterhin anwendbar.
4. Erwägungen der Behörde zur Verfahrensökonomie sind im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG grundsätzlich zulässig.
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur trägt der Betroffene. Die weitere Beteiligte trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Beschwerdewert wird auf ... EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Der Betroffene betreibt ein Elektrizitätsversorgungsnetz in ...
Für einige Abnahmestellen hat der Betroffene oder von ihm hierzu bevollmächtigte Netznutzer mit der weiteren Beteiligten als Anschlussnetzbetreiberin Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 und mit unbegrenzter Laufzeit abgeschlossen. Diese Vereinbarungen genehmigte die Bundesnetzagentur jeweils ohne Befristung. Es handelt sich dabei um die folgenden Vereinbarungen:
1. Vereinbarung wegen des Wasserwerks in A. (Genehmigung der Bundesnetzagentur vom 09.11.2012, BK4-12-563, Az. VI-3 Kart 96/13 (V))
2. Vereinbarung wegen des Hauptpumpwerks in B. (Genehmigung der Bundesnetzagentur vom 15.10.2012, BK4-12-564, Az. VI-3 Kart 97/13 (V))
3. Vereinbarung wegen des Zwischenpumpwerks in B. (Genehmigung der Bundesnetzagentur vom 12.10.2012, BK4-12-573, Az. VI-3 Kart 98/13 (V))
Bei der Prüfung der Vereinbarung hatte die Bundesnetzagentur ihren Leitfaden zur Genehmigung von individuellen Netzentgelten (Leitfaden zur Genehmigung von individuellen Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV und von Befreiungen von den Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV, Stand September 2011, im Folgenden: Leitfaden 2011) zugrunde gelegt.
Die Bundesnetzagentur versah die Genehmigungen mit einem Widerrufsvorbehalt. Ausweislich der Begründung wurde dieser als erforderlich angesehen, um der Beschlusskammer in den Fällen, in denen die nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV erforderlichen Voraussetzungen für das vereinbarte individuelle Netzentgelt in einem in den Genehmigungszeitraum fallenden Abrechnungsjahr entgegen der ursprünglichen Prognose tatsächlich nicht erfüllt werden, die Möglichkeit zu geben, die Wirksamkeit der Genehmigung durch eine zukünftige Erklärung ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zu beenden.
Nach Erteilung der Genehmigung ersetzte die Bundesnetzagentur den Leitfaden 2011 durch die Festlegung vom 5. Dezember 2012 für die Genehmigung von individuellen Netznutzungsentgeltvereinbarungen ab dem 1. Januar 2013 (BK4-12-1656, im Folgenden: Festlegung 2013). Diese ist gegenüber dem Betroffenen bestandskräftig.
Im Hinblick auf die künftige Genehmigung individueller Netzentgelte ist in der Festlegung 2013 vorgesehen, dass - zusätzlich zu den bisherigen Voraussetzungen - eine weitere Voraussetzung erfüllt sein muss: Neben die bisherige "relative Erheblichkeitsschwelle" soll nunmehr eine absolute Erheblichkeitsschwelle treten, die darin besteht, dass eine Lastverlagerung von mindestens 100 kW stattfinden muss. Die Vorgaben der Festlegung gelten für alle Genehmigungsanträge, die Netzentgeltvereinbarungen mit einer Laufzeit ab dem 1. Januar 2013 oder später zum Gegenstand haben.
Die Bundesnetzagentur hat nach Durchführung eines Anhörungsverfahrens am 13. September 2013 Aufhebungsbescheide jeweils unter dem Aktenzeichen der Genehmigungsbescheide erlassen und die oben bezeichneten Genehmigungen mit Wirkung zum Ablauf des 31. Dezember 2014 aufgehoben.
In der Folgezeit hat die Bundesnetzagentur betreffend die Handhabung individueller Netzentgelte mit erstmaligem Geltungszeitraum ab dem 1. Januar 2014 eine neue Festlegung getroffen (Az.: BK 4-13-739 vom 11.12.2013). Diese sieht weiterhin die absolute Erheblichkeitsschwelle von 100 kW vor. Eine Veränderung besteht jedoch darin, dass Letztverbrauer und Energieversorger nur noch verpflichtet sind, eine getroffene Netzentgeltvereinbarung gegenüber der Bundesnetzagentur anzuzeigen. Das Genehmigungserfordernis ist entfallen. Im Übrigen, namentlich für individuelle Netzentgeltvereinbarungen, die Geltungszeiträume vor dem 1. Januar 2014 erfassen, bleibt die Festlegung in der Fassung vom 5. Dezember 2012 unverändert bestehen.
Der Betroffene wendet sich mit seinen form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden gegen die Aufhebungsbescheide vom 13. September 2013. Die VerfahrenVI-3 Kart 96/13 (V), VI-3 Kart 97/13 (V) und VI-3 Kart 98/13 (V) sind mit Beschluss vom 14. Januar 2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Das Verfahren VI-3 Kart 96/13 (V) führt.
Er vertritt die Ansicht, die angegriffenen Bescheide seien bereits mangels einer Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG lägen nicht vor. Grund für die Festlegung zur sachgerechten Ermittlung individueller Entgelte vom 5. Dezember 2012 sei die Einschätzung der Bundesnetzagentur gewesen, dass nur durch einen zusätzlichen absolut bemessenen Schwellenwert eine tatsächliche Entlastung des Netzes gewährleistet werde. Damit hätte sich offensichtlich die Einschätzung der Bundesnetzagentur zu den bisher nur relativen Schwellenwerten geändert. In Tenorziffer 2. des Beschlusses vom 5. Dezember 2012 habe die Bundesnetzagentur aber ausdrücklich entschieden, dass die Vorgaben der Festlegung und damit auch der neue absolut bemessene Schwellenwert von 100 kW Mindestverlagerung nur für Genehmigungsanträge gelten solle, die Netzentgeltvereinbarungen nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV mit einer Laufzeit ab dem 1. Januar 2013 oder später zum Gegenstand haben. Die streitgegenständliche Genehmigung betreffe jedoch eine Netzentgeltvereinbarung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011. Für diese Vereinbarung gelte die Festlegung der Bundesnetzagentur vom 5. Dezember 2012 nicht.
Die Aufhebung einer bestandskräftigen Genehmigung sei entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur von § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG nicht erfasst. Festlegung und Genehmigung selbst seien nicht variabel. Variabel seien vielmehr allein die Bedingungen und Methoden nach § 29 Abs. 1 S. 1 EnWG, und zwar wenn hierdurch sichergestellt würde, dass die Bedingungen und Methoden weiterhin den Voraussetzungen für eine Festlegung oder Genehmigung genügten.
Die Bundesnetzagentur gehe zu Unrecht von einem ihr über die Grenzen des § 49 VwVfG hinaus eingeräumten Ermessen aus. Durch die in § 29 Abs. 2 S. 2 EnWG angeordnete Geltung der §§ 48 und 49 VwVfG habe der Gesetzgeber seine Wertung zum Ausdruck gebracht, dass bei der Anpassung der Bedingungen und Methoden nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG hinsichtlich der Grenzen der Befugnis der Regulierungsbehörde der Bestand der Genehmigung nach den gesetzlichen Grundwertungen zur Behandlung des Widerrufs eines Verwaltungsakts behandelt werden solle. Damit stelle § 29 Abs. 2 S. 2 ausdrücklich keinen Ausnahmetatbestand mit einer eigenen Ermächtigung zum Widerruf dar. Ein Widerruf der streitbefangenen Genehmigungen nach § 49 VwVfG scheide aber aus, da dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Insbesondere sei die Bundesnetzagentur nicht aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift zum Widerruf berechtigt gewesen. Es sei bereits fraglich, ob in der Änderung eines Leitfadens, an dem sich eine Genehmigungspraxis orientiere, die Änderung einer Rechtsvorschrift zu sehen sei. Weil die Betroffene jeweils als Begünstigte von der Vergünstigung längerem Gebrauch gemacht habe, sei schützenswertes Interesse entstanden. Zudem könne nicht angenommen werden, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
Die Aufhebung sei ermessensfehlerhaft. Sie verfolge kein legitimes Ziel. Die zusätzlich festgelegte absolute Erheblichkeitsschwelle von 100 kW Mindestverlagerung sei rechtswidrig. Gegen die Festlegung 2013 sei von anderer Seite Beschwerde eingelegt worden. Die zusätzlich eingeführte absolute Erheblichkeitsschwelle diskriminiere kleine und mittelständische Unternehmen in den unteren Spannungsebenen. Sie würden von der Möglichkeit der Vereinbarung individueller Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV ausgeschlossen, selbst wenn diese aufgrund ihres atypischen Nutzungsverhaltens ebenfalls in der Summe einen erheblichen Beitrag zur deutlichen Senkung der Jahreshöchstlast beitrügen, indem sie ihr Nutzungsverhalten in die Schwachlastzeiten verlagerten. Entscheidend für die Privilegierung nach 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV sei die atypische Netznutzung, die sich anhand einer relativ bemessenden Schwelle hinreichend feststellen lasse.
Darüber hinaus sei die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur auch nicht erforderlich. Es sei nicht dargetan, dass die Aufhebung einer Genehmigung das relativ mildeste Mittel sei. Die Aufhebung stelle gerade den intensivsten Eingriff dar. Eine rechtmäßige Ermessensausübung scheitere zudem bereits daran, dass eine Einzelfallprüfung nicht erfolgt sei. Die von der Bundesnetzagentur herangezogene Verfahrenseffektivität sei zur Rechtfertigung der Ermessensnichtausübung nicht geeignet. Die Belange der betroffenen Unternehmen hätten keine Berücksichtigung gefunden. Die Bundesnetzagentur habe sich nicht mit der Schwere des Eingriffs auseinandergesetzt.
Die rückwirkende Aufhebung sei auch mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht vereinbar. Maßgeblich sei schon unter Vertrauensschutzgesichtspunkten weiterhin allein der Leitfaden zur Genehmigung von individuellen Netzentgelten aus dem Jahr 2011.
Sie beantragt,
die Beschlüsse der Bundesnetzagentur vom 13. September 2013 (BK 4-12-563, BK4-12-564 und BK4-12-573) aufzuheben.
Die Bundesnetzagentur beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Beschwerden der Betroffenen seien unbegründet. Die streitgegenständlichen Aufhebungsbescheide seien rechtmäßig ergangen.
So seien die Aufhebungsbescheide mit § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG auf die zutreffende Ermächtigungsgrundlage gestützt worden. § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG enthalte eine umfassende, nachträgliche Abänderungsmöglichkeit der Regulierungsbehörde für nach § 29 Abs. 1 EnWG erlassene Genehmigungen und Festlegungen. Auch die Aufhebung einer bestandskräftigen Genehmigung werde von § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG erfasst.
Des Weiteren habe sie die Voraussetzungen des § 29 S. 2 S. 1 EnWG beachtet. Nach dieser Vorschrift käme eine Änderung insbesondere infrage, wenn nachträglich eine Veränderung der Rechtslage eingetreten sei oder sich die Einschätzung der Regulierungsbehörde geändert habe. Sie habe ihre Einschätzung im Hinblick auf die Annahme einer vorhersehbaren, erheblichen Abweichung von der Jahreshöchstlast im Sinne von § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV geändert und sehe nunmehr die Erreichung eines absoluten Schwellenwerts als erforderlich an. Infolge des Erlasses der Festlegung 2013 habe sie sich dazu entschieden, auch bereits bestandskräftig gewordene Genehmigungen individuell vereinbarter Netzentgelte an die nunmehr geltenden Vorgaben anzupassen. Dies gelte unabhängig von der Tatsache, dass der Anwendungsbereich der Festlegung 2013 auf Vereinbarungen mit einer Laufzeit ab dem 1. Januar 2013 begrenzt sei.
Richtig sei zwar, dass zum Zeitpunkt der ursprünglichen Genehmigung andere Voraussetzungen maßgeblich gewesen seien und insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Lastverlagerung der absolute Schwellenwert von 100 kW noch nicht zu beachten gewesen sei. Dennoch handele es sich dabei nicht um eine mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Rückwirkung. Es habe sich lediglich die Auslegung der Vorgaben der Verordnung verändert.
Sie habe auch das ihr durch § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Insbesondere sei keine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ersichtlich.
Die einzelnen Aufhebungen seien als Teil des Gesamtvorgehens für die Sicherstellung des Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen geeignet und erforderlich gewesen. Der mit den Aufhebungen verfolgte legitime Zweck sei die effektive Sicherstellung der Beachtung der Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte. Hierzu seien die Aufhebungen auch geeignet gewesen, da durch die Aufhebung aller vor Erlass der Festlegung 2013 ergangenen Genehmigungen für individuell vereinbarte Netzentgelte sichergestellt werde, dass mit Wirkung zum 1. Januar 2015 keine Genehmigungen mehr beständen, die individuelle Netzentgelte zum Gegenstand hätten, bei denen die zu Grunde liegende Nutzung keine Lastverlagerung von 100 kW zum Gegenstand habe.
Ihre Vorgehensweise sei auch erforderlich gewesen. Es gebe keine alternative Vorgehensweise, die weniger intensiv in die Rechtsposition der Betroffenen eingreife und dabei den verfolgten Zweck gleichermaßen effektiv fördere. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Sicherstellung, dass die bestehenden Genehmigungen individuell vereinbarter Netzentgelte den modifizierten Anforderungen an eine erhebliche Lastverlagerung entsprächen, sei insbesondere auch der Grundsatz der Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Die Effizienz ihrer Vorgehensweise ergebe sich aus dem sehr geringen Verwaltungsaufwand, der der Aufhebung vorausgegangen sei, und daraus, dass ein erheblicher Teil der betroffenen Letztverbraucher in Ansehung des absoluten Schwellenwerts einer Lastverlagerung von 100 kW davon absehen werde, eine Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts zu treffen und genehmigen zu lassen oder anzuzeigen. Andernfalls hätte eine Plausibilitätsprüfung im Sinne einer summarischen Überprüfung jedes Verfahrens stattfinden müssen. Anschließend hätte sich bei auftretenden Zweifelsfällen noch die Nachforderung von Daten bzw. sogar eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen anschließen müssen.
Ihr Vorgehen sei auch angemessen. Sie habe sich infolge einer Gewichtung und Abwägung der maßgeblichen Interessenpositionen für die vorgenannte Vorgehensweise zur Sicherstellung, dass die gleichen Voraussetzungen für alle individuelle Netzentgelte beständen, entschieden. Es seien keine überwiegenden Individualinteressen beeinträchtigt worden. Selbst wenn die von den Betroffenen betriebenen Anlagen die absolute Erheblichkeitsschwelle nicht erfüllen sollten, würden die Interessen der Betroffenen durch die Aufhebung der ursprünglich ausgesprochenen Genehmigung dennoch nicht in einem solchen Maße beeinträchtigt, dass die Unangemessenheit der Aufhebung anzunehmen sei. Vielmehr sei festzustellen, dass der Notwendigkeit der Anpassung der Altgenehmigungen an die neuen Vorgaben mit Blick auf die nach Art. 3 GG vorgeschriebene Vermeidung von Diskriminierungen ein erhebliches Gewicht beizumessen sei. Darüber hinaus sei den Interessen der Betroffenen durch die Übergangsfrist entsprochen worden. Für die Angemessenheit der Aufhebung der Genehmigungen sprächen im Übrigen auch die Gesichtspunkte, die zur Einführung der absoluten Erheblichkeitsschwelle geführt hätten. Dadurch, dass der Betroffene die aufgrund dieser Erwägungen durchgeführte Änderung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in der Festlegung 2013 habe bestandskräftig werden lassen, habe er seiner Zustimmung zu diesen Erwägungen prozessual Ausdruck verliehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Regulierungsbehörde und das Protokoll der Senatssitzung vom 14. Januar 2015 Bezug genommen.
B.
Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet.
Ohne Erfolg wendet sich der Betroffene gegen die Beschlüsse der Bundesnetzagentur, durch die die Genehmigungen individueller Netzentgelte für die oben bezeichneten Abnahmestellen des Betroffenen aufgehoben wurden.
1. Die Befugnis zur Aufhebung stand der Bundesnetzagentur kraft Gesetzes nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG zu.
a) Gemäß § 29 Abs. 1 EnWG trifft die Bundesnetzagentur Entscheidungen über die Bedingungen und Methoden für den Netzanschluss oder den Netzzugang nach den in § 17 Abs. 3, § 21a Abs. 6, § 21b Abs. 4 und § 24 EnWG genannten Rechtsverordnungen u.a. durch Genehmigung gegenüber dem Antragsteller. Zu den Genehmigungen in diesem Sinne gehören auch die Bewilligungen individueller Netzentgelte nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 EnWG, § 19 Abs. 2 StromNEV (vgl. Schmidt-Preuß in Berliner Kommentar zum Energierecht, 3. Auflage, § 29 EnWG Rn. 9).
b) Zur Änderung einer nach § 19 Abs. 2 StromNEV erteilten Genehmigung ist die Bundesnetzagentur unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 EnWG befugt. Nachträgliche Änderungen der Bedingungen oder Methoden sind nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG zulässig, soweit dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass sie weiterhin den Voraussetzungen für eine Festlegung oder Genehmigung genügen, wobei hiermit die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Entscheidung gemeint sind (vgl. Britz in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Auflage, § 29 Rn. 20).
Eine Änderung ist demnach möglich, wenn die Entscheidung ohne die Änderung die Genehmigungsvoraussetzungen heute nicht mehr erfüllen würde. Dies kann in drei verschiedenen Konstellationen der Fall sein. Neben Änderungen der Sach- oder Rechtslage kann sich die Einschätzung der Regulierungsbehörde geändert haben (vgl. Britz, a.a.O., § 29 Rn. 20). Es besteht demnach die Möglichkeit, die auf Basis der bisherigen Genehmigungspraxis erteilten Genehmigungen zu überprüfen und an die geänderten Bedingungen und Methoden anzupassen. So können etwa neue Erkenntnisse über die Möglichkeiten eines effizienten Netzbetriebs vorliegen, aufgrund derer die Behörde das ursprünglich genehmigte Entgelt heute nicht mehr für genehmigungsfähig hält (vgl. Britz in Britz/Hellermann/Hermes, a.a.O., § 29 Rn. 20; Chatzinerantzis in Baur/Salje/Schmidt-Preuss, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 70 Rn. 46). Dies ergibt sich auch aus dem Normzweck des § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG, der Regulierungsbehörde eine ausreichende Flexibilität einzuräumen, um die Bedingungen und Methoden an veränderte Umstände anzupassen (Schmidt-Preuß in Berliner Kommentar, 3. Auflage, § 29 EnWG Rn. 64). Mit der Befugnis nach § 29 Abs. 2 EnWG soll die Regulierungsbehörde sicherstellen können, dass die von ihr nach § 29 Abs. 1 EnWG festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden angemessen sind und nichtdiskriminierend angewendet werden (BT-Drs. 15/3917, S. 62). Damit setzt der Gesetzgeber die Vorgaben aus Art. 23 Abs. 4 der Elektrizitätsrichtlinie 2003/54/EG und Art. 25 Abs. 4 der Gasrichtlinie 2003/55/EG um. Diese fordern, die Regulierungsbehörde mit der Flexibilität auszustatten, die notwendig ist, um die getroffenen Entscheidungen an veränderte tatsächliche oder rechtliche Umstände anzupassen und so die Effektivität der Regulierung zu sichern (vgl. auch Senat, Beschlüsse vom 29.07.2013, VI-3 Kart 278/11(V), Rn.18 bei juris und vom 29.05.2013, VI-3 Kart 462/11, Rn. 21 bei juris).
c) Den angegriffenen Aufhebungsbeschlüssen liegt eine Änderung der Einschätzung der Regulierungsbehörde zugrunde, die in der Festlegung 2013 zum Ausdruck gekommen ist. Die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur entspricht der gesetzlichen Konzeption des Verordnungsgebers. So ist die Auslegung der Vorgaben der StromNEV eine zentrale Aufgabe der zuständigen Regulierungsbehörde, deren Ergebnis permanent im Hinblick auf die Entwicklung der Energiewirtschaft überprüft und nötigenfalls korrigiert werden muss, wenn sich Fehlentwicklungen abzeichnen.
Durch die Aufhebungen wird die Möglichkeit geschaffen, die den streitgegenständlichen Genehmigungsbeschlüssen zu Grunde liegende Methodik zur Bestimmung einer atypischen Netznutzung an eine zwischenzeitlich erfolgte Neubestimmung durch die Festlegung 2013 anzupassen. Die bisherige Genehmigung orientierte sich an dem Leitfaden 2011. Dieser Leitfaden ist durch die Festlegung 2013 abgelöst worden. Die Festlegung enthält gegenüber der bisherigen Genehmigungspraxis insbesondere eine zusätzliche Erheblichkeitsschwelle. Neben der von dem Letztverbraucher bisher bereits zu erreichenden prozentualen Lastreduzierung soll zusätzlich eine Mindestverlagerung von 100 kW in allen Netz- und Umspannebenen erforderlich sein. Nach der Begründung der angefochtenen Beschlüsse ist diese Mindestverlagerung notwendig, um das von § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV geforderte erhebliche Abweichen des Höchstlastbeitrags eines Letztverbrauchers von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dieser Netz- und Umspannebene zu gewährleisten. Die bislang lediglich relativ bemessene Abweichung von der Jahreshöchstlast stelle nach den bisherigen Erfahrungen nicht ausreichend sicher, dass tatsächlich eine erhebliche Lastverlagerung erfolge. Dies gelte insbesondere in den unteren Spannungsebenen, in denen häufig sehr kleine Letztverbraucher angesiedelt seien, die, für sich betrachtet, keinen maßgeblichen Einfluss auf die vom Netz bereitzustellende Kapazität hätten. Ob die Aufhebung der erteilten Genehmigungen zusätzlich durch die zum Zeitpunkt der Aufhebung bereits geplante weitere Änderung des Verfahrens durch die Festlegung vom 11. Dezember 2013 (BK4-13-739) veranlasst war, kann für den Streitfall offen bleiben. Auch kommt es nicht auf den Inhalt des in den jeweiligen Genehmigungen enthaltenen Widerrufsvorbehalts an.
Unerheblich ist, dass die Festlegung 2013 ausweislich ihrer Tenorziffer 2. auf Genehmigungsanträge für individuelle Netzentgeltvereinbarungen mit einer Laufzeit ab dem 1. Januar 2013 angewendet wird. Entgegen der Ansicht der Betroffenen kann hieraus nicht geschlossen werden, dass sich die Einschätzung der Regulierungsbehörde zur sachgerechten Ermittlung nur für die neu abzuschließenden individuellen Netzentgeltvereinbarungen geändert hat und somit die alte Rechtslage für bereits erteilte Genehmigungen unverändert fortgelten sollte, so dass auch keine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten ist. Aus der Begründung der Festlegung 2013 (dort S. 17 f.) ergibt sich vielmehr, dass die Bundesnetzagentur die Einführung einer absoluten Erheblichkeitsschwelle als zur Erreichung des Normzwecks des § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV erforderlich ansieht. Es entspricht also der in der Festlegung manifestierten Änderung der Einschätzung der Bundesnetzagentur auch bestehende Genehmigungen an diese neuen materiellen Voraussetzungen anzupassen. Insoweit ist lediglich eine verfahrenstechnische Trennung zwischen zukünftigen Genehmigungsverfahren und bereits bestehenden Genehmigungen, bei denen auch eine Entscheidung über deren Bestand zu treffen war, vorgenommen worden. Die Absicht, bestehende Genehmigungen sachlich anders als zukünftig zu erteilende Genehmigungen zu behandeln, kann aus der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Festlegung 2013 nicht hergeleitet werden. Dieser Auffassung entspricht, dass insoweit an den Voraussetzungen durch die Festlegung vom 11. Dezember 2013 (BK4-13-739) festgehalten wurde.
d) Wie der Senat bereits entschieden hat, umfasst die Änderungsbefugnis nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG die Aufhebung und nicht nur die substitutive Änderung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29.07.2013, VI-3 Kart 278/11(V), Rn.19 bei juris und vom 29.05.2013, VI-3 Kart 462/11, Rn. 22 bei juris, so auch Britz, a.a.O., § 29 Rn. 18, 24 und Chatzinerantzis, a.a.O., Kap. 70 Rn. 45).
Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung lässt sich eine Einschränkung entnehmen. Zwar erlaubt der Wortlaut nur eine Änderung der "festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden". Der Verweis auf die Bedingungen und Methoden folgt jedoch der Regelung in § 29 Abs. 1 EnWG, der behördliche Regulierungsbefugnisse zur Entscheidung über "Bedingungen und Methoden" mittels Festlegung oder Genehmigung einräumt. § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG enthält somit lediglich eine inhaltsbezogene Umschreibung der Festlegungen und Genehmigungen hinsichtlich derer eine Änderung möglich ist. Dagegen lässt sich entgegen der Ansicht des Betroffenen aus dem Wortlaut nicht ableiten, dass nur bestimmte Inhalte der Festlegungen und Genehmigungen änderbar sein sollen und nicht die Festlegung und Genehmigung als solche.
Die Aufhebung stellt die umfassendste Form einer Änderung dar. Durch sie wird eine alte Regelung beseitigt und deren Wirksamkeit beendet, ohne dass unmittelbar eine Neuregelung des Sachverhalts erfolgt. Dennoch entsteht durch die Beseitigung einer bestehenden regulierungsbehördlichen Regelung kein regelungsfreier Raum, vielmehr greifen die gesetzlichen Regelungen ein, die ggf. im Einzelfall durch Auslegung zu konkretisieren sind. Unter den Begriff der Änderung lassen sich daher nicht nur die Fälle der sog. "substitutiven Änderung" fassen, in denen eine alte Regelung unmittelbar durch eine neue Regelung der Regulierungsbehörde ersetzt wird. Dieses weite Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG, der die Regulierungsbehörde mit der Flexibilität ausstatten soll, die notwendig ist, um die getroffenen Entscheidungen an veränderte tatsächliche oder rechtliche Umstände anzupassen und so die Effektivität der Regulierung zu sichern. Der Regulierungsbehörde werden auch hinsichtlich der gewählten Verfahrensweise Handlungsspielräume eröffnet.
Die Änderungsbefugnis nach § 29 Abs. 2 EnWG erfasst auch bestandskräftige Festlegungen und Genehmigungen. Eine Einschränkung der Änderungsbefugnis auf nicht bestandskräftige Verwaltungsakte lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Unerheblich ist auch, dass die Festlegung 2013 zum Zeitpunkt der Genehmigung der streitbefangenen individuellen Netzentgelte nicht erlassen war, sondern zum damaligen Zeitpunkt der Leitfaden 2011 maßgeblich gewesen ist. Dieser formulierte die damalige Einschätzung der Regulierungsbehörde zu den Voraussetzungen für die Vereinbarung von individuellen Netzentgelten und für Befreiungen. § 29 Abs. 2 EnWG umfasst nach seinem klaren Wortlaut aber gerade den Fall der nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage oder der Einschätzung der Regulierungsbehörde.
e) § 29 Abs. 2 S. 2 EnWG statuiert im Zusammenhang mit §§ 48, 49 VwVfG keine zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen (so bereits Senat, Beschlüsse vom 29.07.2013, VI-3 Kart 278/11 (V), Rn. 20 bei juris und vom 29.05.2013, VI-3 Kart 462/11 (V) Rn. 23 bei juris; vgl. auch auch Britz, a.a.O. , § 29 Rn. 18, 22; Schmidt-Preuß, a.a.O, § 29 EnWG Rn. 74; Chatzinerantzis, a.a.O., Kap. 70 Rn. 48; a.A. Salje EnWG, § 29 Rn. 22). Zwar hält § 29 Abs. 2 S. 2 EnWG fest, dass §§ 48, 49 VwVfG unberührt bleiben. Dies bedeutet jedoch üblicherweise lediglich, dass die Spezialnorm die allgemeinen Normen nicht verdrängt; diese bleiben neben der Spezialnorm weiterhin anwendbar. Eine Bezugnahme auf die Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen Norm enthält solch ein Verweis in der Regel nicht. Für dieses Ergebnis spricht auch der Normzweck. Die Änderungsbefugnis der Regulierungsbehörde soll - wie bereits ausgeführt - sicherstellen, dass die von ihr nach § 29 Abs. 1 EnWG festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden angemessen sind und nichtdiskriminierend angewendet werden (BT-Drs. 15/3917, S. 62). § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG stellt die Umsetzung von Art. 23 Abs. 4 der Elektrizitätsrichtlinie und Art. 25 Abs. 4 der Gasrichtlinie dar. Mit dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts wäre es aber nicht zu vereinbaren, die Abänderungsbefugnis der Regulierungsbehörde den einschränkenden Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG zu unterwerfen. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen auch, dass sich der Gesetzgeber auch in anderen Netzwirtschaften zu spezialgesetzlichen - und erweiterten - Änderungsmöglichkeiten veranlasst gesehen, so etwa in § 24 PostG und § 20 TKG.
2. Die Bundesnetzagentur hat das ihr durch § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG eingeräumte Ermessen auch fehlerfrei ausgeübt.
a) Entgegen der Ansicht des Betroffenen liegt kein Fall der Ermessensnichtausübung vor. Ein Ermessensausfall oder Ermessensnichtgebrach kann nur angenommen werden, wenn die zuständige Behörde von dem gesetzlich eingeräumten Ermessen überhaupt keinen Gebrauch gemacht hat. Die Bundesnetzagentur hat die getroffene Aufhebungsentscheidung auf S. 9 f. der angefochtenen Entscheidungen jedoch ausführlich begründet.
b) Es kann auch kein Ermessensfehlgebrauch festgestellt werden, insbesondere hat die Bundesnetzagentur den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.
aa) Die Maßnahme dient der Erreichung eines legitimen Zwecks. Die Aufhebung soll das Einhalten der durch die Festlegung 2013 im Wege der Interpretation von § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV nunmehr klargestellten Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit von individuellen Netzentgelten sicherstellen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2015 sollen keine Genehmigungen individueller Netzentgelte fortbestehen, bei denen die zu Grunde liegende Nutzung keine Lastverlagerung von 100 kW nach sich zieht. Durch diese Vorgehensweise sollen Ungleichbehandlungen im Rahmen individueller Netzentgelte vermieden werden. Wäre eine Anpassung der bereits erteilten Genehmigungen an die nunmehr maßgeblichen Voraussetzungen unterblieben, wäre hinsichtlich kleiner Netznutzer, die eine Lastverschiebung von unter 100 kW begründen, eine Ungleichbehandlung verursacht worden, die allein auf die Beantragung der Genehmigung bzw. die Vereinbarung des individuellen Netzentgelts nach dem 1. Januar 2013 zurückzuführen gewesen wäre. Dies widerspräche auch § 21 Abs. 1 EnWG, der ausdrücklich diskriminierungsfreie Entgelte vorschreibt.
Offen kann insoweit bleiben, ob die Einführung eines absoluten Schwellenwerts materiell rechtlich zu beanstanden ist und der Betroffene sich darauf mit Erfolg berufen könnte, obwohl die Festlegung 2013 ihm gegenüber bestandskräftig ist. Denn die Einführung des Schwellenwerts ist nicht Gegenstand des Aufhebungsbescheids. Der Aufhebungsbescheid selbst regelt lediglich die Aufhebung der bestehenden Genehmigungen zum Zwecke der Vereinheitlichung. Die Einführung eines absoluten Schwellenwerts ist Gegenstand der Festlegung vom 5. Dezember 2012, sowie der folgenden Festlegung vom 11. Dezember 2013. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Schwellenwerts sind durch Rechtsmittel gegen diese Festlegungen geltend zu machen. Angesichts der gewährten Übergangsfrist sind die von den Aufhebungen Betroffenen auch nicht rechtsschutzlos. Auf nach Ablauf des 31. Dezember 2014 neu abzuschließende individuelle Netzentgeltvereinbarungen findet die Festlegung vom 11. Dezember 2013 (BK4-13-739) Anwendung. Diese erging zeitlich nach den Aufhebungsbescheiden. Es war den Betroffenen also möglich, sich gegen die auf ihre Abnahmestellen bei der Neuvereinbarung individueller Netznutzungsentgelten anwendbare Regelung rechtzeitig zur Wehr zu setzen.
bb) Zu dem Zweck der Sicherstellung der Gleichbehandlung aller individuellen Netzentgelte war die Aufhebung aller bestehenden Genehmigungen geeignet und erforderlich.
Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass die von dem Betroffenen geforderte Einzelfallprüfung und Aufhebung nur bei Nichtvorliegen der neuen Genehmigungsvoraussetzungen zur Erreichung des dargestellten Ziels ebenso gut geeignet gewesen wäre wie die erfolgte Aufhebung aller Genehmigungen. Im Rahmen der Überprüfung der Geeignetheit einer Maßnahme ist auch deren tatsächliche Realisierbarkeit zu betrachten, hierbei ist eine Gesamtbetrachtung der Maßnahme aus Sicht der Verwaltung erforderlich. In diesem Rahmen sind auch die von der Bundesnetzagentur herangezogenen Erwägungen zur Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Die Bundesnetzagentur hat hierzu im angefochtenen Bescheid (S. 9 unten) ausgeführt, dass im Rahmen einer auf den Erlass von Änderungsbescheiden gerichteten Einzelfallprüfung die Beschlusskammer jede der über 900 genehmigten Netzentgeltvereinbarungen im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit der neuen Festlegung hätte überprüfen müssen. Insbesondere hätten aktuelle Verbrauchsdaten angefordert, die Beteiligten zu einer Anpassung der individuellen Netzentgeltvereinbarungen angehalten und entsprechende Änderungsgenehmigungen ausgesprochen werden müssen. Diese Vorgehensweise wäre nach Einschätzung der Beschlusskammer für die Beteiligten mit einem erheblich höheren individuellen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen als die pauschale Aufhebung aller Altgenehmigungen verbunden mit der Möglichkeit, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen neuen Genehmigungsantrag zu stellen bzw. den Abschluss der neuen Vereinbarung zukünftig nach Erlass einer entsprechenden Festlegung nach § 19 Abs. 2 S. 6 StromNEV sogar nur noch der Behörde anzuzeigen. Ihre Ausführungen hat die Bundesnetzagentur im Rahmen des Beschwerdeverfahrens dahingehend ergänzt, dass der allgemeinen Aufhebung nur ein sehr geringer Verwaltungsaufwand vorausgegangen sei und ein erheblicher Teil der betroffenen Letztverbraucher voraussichtlich in Ansehung des absoluten Schwellenwerts davon absehen werde, ein individuelles Netzentgelt zu vereinbaren und bei der Bundesnetzagentur eine Genehmigung zu beantragen oder dies anzuzeigen. Nach ihren Erfahrungen aus vorherigen Genehmigungsverfahren sei ein Wert von 50 % wahrscheinlich. Hierdurch würden Ressourcen eingespart, die auch schon bei einer summarischen Prüfung jedes Verfahrens aufgrund der hohen Verfahrensanzahl gebunden gewesen wären. Die Ausführungen der Bundesnetzagentur sind nachvollziehbar und der Betroffene ist ihnen nicht substantiiert entgegen getreten.
Im Übrigen kann aber auch nicht festgestellt werden, dass eine Aufhebung im Einzelfall einen geringeren Eingriff in die Rechte der Betroffenen bedeutet hätte. Eine Einzelfallprüfung hätte nichts daran geändert, dass eine Genehmigung für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015 nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der Festlegung 2013 Bestand gehabt hätte. Materiell gesehen hat sich die Rechtsposition der Betroffenen also nicht verändert. Zwar hat die Bundesnetzagentur zunächst die Genehmigungen aufgehoben, dies aber mit einer mehr als einjährigen Übergangsfrist versehen, in der die Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen ausreichend Zeit hatten, eine neue Genehmigung für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015 zu erhalten bzw. eine neue Entgeltvereinbarung anzuzeigen. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass der Aufwand der einzelnen Betroffenen sich durch die Aufhebung generell erhöht hat.
cc) Das Vorgehen der Bundesnetzagentur war auch angemessen. Die Aufhebung der streitgegenständlichen Genehmigungen war unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten gerechtfertigt, weil keine überwiegenden Interessen beeinträchtigt wurden. Das Interesse der Betroffenen am Fortbestand einer einmal gewährten Begünstigung steht hinter dem durch Art. 3 GG und § 21 Abs. 1 EnWG geschützten erheblichen öffentlichen Interesse an diskriminierungsfreien Netzentgelten zurück. Die Vermeidung der ansonsten entstehenden Diskriminierung im Bereich der individuellen Netzentgelte wiegt schwerer als das Individualinteresse der Betroffenen am Fortbestand der Genehmigungen individueller Netzentgelte. Regelmäßig ist schutzwürdigen Kollektivinteressen der Vorrang gegenüber Individualinteressen einzuräumen.
Ein schützenswertes Individualinteresse im Sinne eines Vertrauens der Betroffenen am Bestand der erteilten bestandskräftigen Genehmigungen besteht nicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veränderte Einschätzung der Regulierungsbehörde, die in der Festlegung 2013 zum Ausdruck kommt, zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigungen noch nicht bestanden hat. Die Vorschrift des § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG zielt auf den Fall der nachträglichen Änderung. Die Behörde ist nach dieser Vorschrift, die bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Genehmigungen galt, ohne weiteres zur Änderung befugt. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um eine begünstigende oder eine belastende Entscheidung handelt. Auf die in §§ 48, 49 VwVfG niedergelegten Vertrauensschutzregelungen für die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte wurde in § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG verzichtet.
Auch begründen allgemeine rechtsstaatliche Erwägungen im Streitfall kein schützenswertes Vertrauen. Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt. Die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zulasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 23.09.2010, 1 BvQ 28/10, NVwZ-€RR 2010, 905 m. w. Nachw.).
Ausgehend hiervon verbieten Vertrauensschutzaspekte die Aufhebung der streitgegenständlichen Genehmigungen nicht. Die betroffenen Letztverbraucher durften nicht darauf vertrauen, dass eine einmal erteilte Genehmigung individuell vereinbarter Netzentgelte auf ewig weiter fortgeschrieben werden würde. Vielmehr war davon auszugehen, dass eine Veränderung wegen der fortschreitenden technischen Entwicklung oder der Veränderung der Marktsituation erforderlich werden würde. Diesen Notwendigkeiten trägt § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG Rechnung.
Auch im Übrigen greift die Verfahrensweise der Bundesnetzagentur nicht unangemessen in die Rechte der Betroffenen ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der Aufhebungsbeschlüsse den Letztverbrauchern eine großzügige Übergangsfrist eingeräumt hat (vgl. Chatzinerantzis in Baur/Salje/Schmidt-Preuss, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 70 Rn. 49). Die Aufhebung wirkt erst mit Ablauf des 31. Dezember 2014. Bis dahin stand es den Betroffenen frei, bei Vorliegenden der Voraussetzungen, erneut ein individuelles Netzentgelt mit dem Netzbetreiber zu vereinbaren und dieses genehmigen zu lassen bzw. zur Anzeige zu bringen. Wie die Bundesnetzagentur bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, soll hierdurch allen Beteiligten ein ausreichender zeitlicher Spielraum eingeräumt werden, die bestehenden Vereinbarungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der Festlegung 2013 zu überprüfen und etwaige neue Genehmigungsanträge oder Anzeigen vorzubereiten.
Soweit der Betroffene insbesondere in der mündlichen Verhandlung und in seinem Schriftsatz vom 30. Januar 2015 geltend gemacht hat, die Bundesnetzagentur habe bei ihren Ermessenserwägungen nicht ausreichend die Interessen der kleineren Netznutzer berücksichtigt, die die neuen Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllten, folgt der Senat dem nicht. Mit der Einführung der neuen Erheblichkeitsschwelle ist gerade beabsichtigt, dass kleinere Netznutzer nicht mehr an der durch § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV gewährten Privilegierung teilnehmen. Sie sollen nicht mehr die Möglichkeit haben, individuelle Netznutzungsentgelte zu vereinbaren, um die Einhaltung der Vorgaben des § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV, nämlich eine erhebliche Abweichung des Höchstlastbeitrags eines Letztverbrauchers von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dieser Netz- oder Umspannebene, sicherzustellen. Eine Ungleichbehandlung von Netznutzern, die die absolute Erheblichkeitsschwelle nicht erreichen, und solchen, die die absolute Erheblichkeitsschwelle erreichen, ist untrennbar mit der Neuregelung verbunden. Zur Vermeidung einer Diskriminierung innerhalb der Gruppe der kleineren Netznutzer, die allein auf dem Zeitpunkt des Abschlusses der Netzentgeltvereinbarung bzw. auf dem Zeitpunkt der Antragstellung beruht, war die Aufhebung geboten.
C.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 S. 2 EnWG. Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, hat der Betroffene die Gerichtskosten zu tragen und der Bundesnetzagentur die notwendigen Auslagen zu ersetzen.
Es entspricht der Billigkeit (§ 90 S. 1 EnWG), dass die weitere Beteiligte ihre notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.
Im Rahmen der Billigkeitserwägungen ist grundsätzlich auf alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich des Verfahrensausgangs abzustellen. Neben dem Verfahrensausgang ist konkret maßgebend, ob der Verfahrensbeteiligte am Verfahrensausgang in besonderer Weise interessiert war und sich aktiv an dem Verfahren beteiligt hat, indem er dieses durch seinen schriftsätzlichen oder mündlichen Vortrag wesentlich gefördert hat (BGH, Beschluss vom 14.03.1990, KVR 4/88, WuW/E BGH 2627, 2643 - Sportübertragungen, Stockmann in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Auflage, § 78 GWB Rn. 10 jeweils zu § 78 GWB; Hölscher in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Auflage, § 90 Rn. 16; Salje, EnWG, § 90 Rn. 8). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es angemessen, dass die weitere Beteiligte ihre Auslagen selbst trägt. Diese hat den Verfahrensgang weder durch schriftliche Stellungnahmen noch durch Vortrag in der mündlichen Verhandlung gefördert.
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Beschwerdeverfahren beruht auf
§ 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO. Das mit der Beschwerde verbundene Interesse des Betroffenen ist nach den übereinstimmenden Angaben der Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung nach dem Wert der Netzentgeltreduzierung für ein Jahr zu bemessen. Die Netzentgeltreduzierungen betragen im Einzelnen für die Verfahren
VI-3 Kart 96/13 (V) ... EUR,
VI-3 Kart 97/13 (V) ... EUR und
VI-3 Kart 98/13 (V) ... EUR.
Hieraus ergibt sich ein Gesamtwert von ... EUR.
D.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständliche Frage grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 S. 2, 80 S. 2 EnWG).
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 04.02.2015
Az: VI-3 Kart 96/13 (V)
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0f640870867b/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_4-Februar-2015_Az_VI-3-Kart-96-13-V