Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2003
Aktenzeichen: 19 W (pat) 717/02
(BPatG: Beschluss v. 19.03.2003, Az.: 19 W (pat) 717/02)
Tenor
Das Patent 196 43 947 wird mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2 mit zugehöriger Beschreibung Spalten 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2003, Beschreibung Spalte 5 und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Für die am 31. Oktober 1996 im Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 20. August 1998 veröffentlicht worden. Es betrifft eine Verschlusseinrichtung für eine Kraftfahrzeugtür mit Türschloss und Schlosshalter.
Gegen das Patent hat die Robert Bosch GmbH am 20. November 1998 Einspruch erhoben.
Mit Eingabe vom 2. August 2002 hat die Einsprechende einen Antrag auf patentgerichtliche Entscheidung gestellt.
Die Einsprechende stellte den Antrag, das Patent 196 43 947 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellte den Antrag, das Patent mit den erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten, hilfsweisemit Patentansprüchen 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1, mit Patentansprüchen 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2, mit Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 3, jeweils mit zugehöriger Beschreibung Spalten 1 bis 4, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2003, Beschreibung Spalte 5 und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Höchst hilfsweise erklärt die Patentinhaberin die Teilung des Patents.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet.
"Verschlusseinrichtung für eine Kraftfahrzeugtür mit Türschloss (1) und einem zugeordneten Schlosshalter (4) wobei
Ñ das Türschloss (1) eine Drehfalle (2) aus ferromagnetischem Werkstoff und eine Sperrklinke (3) aufweist,
Ñ der Schlosshalter (4) mit einem Schließbolzen (5) an einem Schlosshaltersteg (6) und zwischen Schlosshaltersteg (6) und Schließbolzen (5) mit einer Gabelelement-Ausnehmung (7) ausgerüstet ist,
Ñ der Schließbolzen (5) bei geschlossener Kraftfahrzeugtür von einem Gabelelement (9) der Drehfalle (2) zumindest zweiseitig erfasst ist und ein Gabelelementarm (10) in die Gabelelement-Ausnehmung (7) einfasst,
Ñ die Drehfalle (2) des Türschlosses (1) zumindest einen Hallsensor-Chip (11) mit elektronischer Schaltfunktion und entsprechenden Leiterausgängen kontaktlos steuert, und wobei
Ñ der Hallsensor-Chip (11) in dem Schlosshaltersteg (6) angeordnet und der Stirnseite des in die Gabelelement-Ausnehmungen (7) einfassenden Gabelelementarmes (10) unter Zwischenschaltung eines Luftspaltes (15) zugewandt ist, dadurch gekennzeichnet, dass
Ñ der Hallsensor-Chip (11) örtlich zwischen Wirkpolen (12) eines Magnetsystems (13) angeordnet ist, welche mit dem Hallsensor-Chip (11) eine Einflussfläche (14) bilden, wobei
Ñ die Drehfalle (2) die Oberfläche der Wirkpole (12) in senkrechter Projektion zum Teil überdeckt, und wobei
Ñ die Oberfläche des Hallsensor-Chips (11) in der Einflussfläche (14) freiliegt."
Mit den im fünften oberbegrifflichen Merkmal erwähnten "Gabelelement-Ausnehmungen" ist die im dritten oberbegrifflichen Merkmal bereits erwähnte einzige "Gabelelement-Ausnehmung" gemeint.
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist nach dem ersten kennzeichnenden Merkmal eingefügt:
"Ñ die Wirkpole (12) des Magnetsystems (13) einen an die Breite des Hallsensor-Chips (11) angepassten Abstand aufweisen, wobei"
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass unter Wegfall des letzten kennzeichnenden Merkmals das erste kennzeichnende Merkmal - unter Streichung des überflüssigen Kommas zwischen den Worten "dünnen Kunststoffschicht" - ersetzt ist durch die drei Merkmale:
"dass
Ñ der Hallsensor-Chip (11) örtlich zwischen Wirkpolen (12) eines U-förmigen Magnetsystems (13) angeordnet ist, dessen U-Schenkel die Wirkpole (12) bilden, wobei
Ñ die Wirkpole (12) einen nur wenig größeren Abstand aufweisen, als es der Hallsensor-Chip (11) vorgibt und deren Stirnflächen zusammen mit dem Hallsensor-Chip (11) eine Einflussfläche (14) bilden, wobei die Einflussfläche (14) der Stirnseite des in die Gabelelement-Ausnehmung (7) einfassenden Gabelelementarmes (10) der Drehfalle (2) zugewandt ist, und zwar unter Zwischenschaltung des Luftspaltes (15), und wobei
Ñ die Stirnflächen der Wirkpole (12) von einer dünnen Kunststoffschicht abgedeckt sind, während die Oberfläche des Hallsensor-Chips (11) in der Einflussfläche (14) freiliegt, und dass"
Von dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 dadurch, dass im zweiten kennzeichnenden Merkmal "und wobei" ersetzt ist durch "wobei ferner", im dritten kennzeichnenden Merkmal "und dass" ersetzt ist durch "und wobei" und nach dem dritten kennzeichnenden Merkmal eingefügt ist:
"Ñ der Hallsensor-Chip (11) mit dem Magnetsystem (13) in ein Kunststoff-Bauteil (16) eingebettet ist, welches in eine Bauteilaufnahme (17) des Schlosshaltersteges (6) und des Schlosshalters (4) eingepasst ist und dass".
Mit den Verschlusseinrichtungen der Patentansprüche 1 nach allen Anträgen soll die Aufgabe gelöst werden, eine Verschlusseinrichtung der oberbegrifflichen Art zu schaffen, welche mit einfachstem Aufwand eine sichere Kontrolle bzw. das zuverlässige Abfragen der Funktionsstellungen der Drehfalle ermöglicht (Sp 2 Z 20 bis 24 der PS bzw der zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 eingereichten Beschreibung).
Die Einsprechende ist der Auffassung, die Verschlusseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag sei durch die DE 195 05 759 A1 nahegelegt. Denn neben den Merkmalen des Oberbegriffs sei auch das erste und zweite kennzeichnende Merkmal aus den dortigen Figuren 1 und 6 bekannt. Das Freiliegen der Oberfläche des Hallsensor-Chips in der Einflussfläche, wie im dritten kennzeichnenden Merkmal angegeben, liege für den Fachmann nahe. Die Einsprechende meint, dass auch das im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 zusätzlich angegebene Merkmal, dass die Wirkpole des Magnetsystem einen an die Breite des Hallsensor-Chips angepassten Abstand aufweisen, aus der Figur 1 der DE 195 05 759 A1 für einen Fachmann zu entnehmen sei. Weiterhin ist die Einsprechende der Auffassung, dass das im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 angegebene Merkmal "dass die Stirnflächen der Wirkpole von einer dünnen Kunststoffschicht abgedeckt sind" in den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents nicht offenbart sei. Denn eine Abdeckung der Pole sei nur in Verbindung mit einem Einbetten des gesamten Magnetsystems zu sehen; ein einzelnes Merkmal könne nicht herausgegriffen werden. Die Einsprechende hält auch die Einrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nicht für erfinderisch, denn ein U-förmiges Magnetsystem sei dem Fachmann bekannt; er habe die Wahl zwischen dieser Magnetform und einem Blockmagnet, wie er in der DE 195 05 759 A1 beschrieben sei. Beispielsweise könne die U-Form praktischer sein, weil der Hallsensor-Chip zwischen den Schenkeln liegen könne.
Die Patentinhaberin ist der Meinung, die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 gingen nicht aus der DE 195 05 759 A1 hervor. Sie ist der Auffassung, das im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 von der Einsprechenden als nicht offenbart angesehene Merkmal sei aus der Patentschrift zu entnehmen. Denn der Begriff "Einbetten" umfasse auch ein nicht vollständiges Umschließen. Der Fachmann habe auch keinen Anlass, anstelle des aus der DE 195 05 759 A1 bekannten Blockmagneten einen U-förmigen Magneten vorzusehen, da dieser schwieriger herzustellen sei. Die DE 43 33 395 A1 zeige ein E-förmiges Magnetsystem mit großen Abständen zwischen den Wirkpolen und dem Hallsensor-Chip und könne daher ebenfalls keine Anregung geben. Die Einrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 liege für den Fachmann demnach ebenfalls nicht auf der Hand.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das Verfahren war auf den Antrag der Einsprechenden vom 2. August 2002 hin bei dem erkennenden Senat anhängig geworden, da die Patentabteilung, die dafür zuständig war, innerhalb von 2 Monaten nach Zugang des Antrags weder eine Ladung zur Anhörung noch eine Entscheidung über den Einspruch zugestellt hat (PatG § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 2).
Der Senat hatte - wie in der zur Veröffentlichung vorgesehenen Einspruchssache 19 W (pat) 701/02 (mwN) ausführlich dargelegt ist - auf Grund öffentlicher, mündlicher Verhandlung, über das Patent zu entscheiden.
Der Einspruch ist zulässig und hat im Umfang des Hilfsantrags 2 Erfolg. Die Einrichtung nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 beruht auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
Als Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik mit Berufserfahrungen bei der Entwicklung von elektronisch überwachten Kraftfahrzeug-Türverschlüssen anzusehen, der hinsichtlich des mechanischen Aufbaus einen Maschinenbautechniker zu Rate zieht.
1. Zum Hauptantrag Die Verschlusseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der DE 195 05 759 A1 ist eine Verschlusseinrichtung für eine Kraftfahrzeugtür mit Türschloss (Fig 5 und 6 iVm Sp 1 Z 17 bis 51) und einem zugeordneten Schlosshalter (Schließkeil 12) bekannt, wobei
Ñ das Türschloss eine Drehfalle (14) aus ferromagnetischem Werkstoff (Sp 4 Z 18, 19) und eine Sperrklinke (nicht dargestellt) aufweist,
Ñ der Schlosshalter (12) mit einem Schließbolzen (Fig 6: Mitte schraffiert, ohne Bezugszeichen) an einem Schlosshaltersteg (Isolierstoffgehäuse 7) und zwischen Schlosshaltersteg (7) und Schließbolzen mit einer Gabelelement-Ausnehmung (Fig 6: Mitte, ohne Bezugszeichen iVm Fig 5) ausgerüstet ist,
Ñ der Schließbolzen (Fig 6: Mitte, ohne Bezugszeichen) bei geschlossener Kraftfahrzeugtür von einem Gabelelement (Fig 6: Gabelelement an der Drehfalle 14) der Drehfalle (14) zumindest zweiseitig erfasst ist (Fig 6 iVm Sp 4 Z 8 bis 25) und ein Gabelelementarm (15) in die Gabelelement-Ausnehmung (Fig 6: Mitte iVm Fig 5) einfasst,
Ñ die Drehfalle (14) des Türschlosses zumindest einen Hallsensor-Chip (Hall-Differenz-IC 4) mit elektronischer Schaltfunktion und entsprechenden Leiterausgängen (10) kontaktlos steuert (Fig 5 und 7 iVm Sp 4 Z 26 bis 38), und wobei
Ñ der Hallsensor-Chip (4) in dem Schlosshaltersteg (7) angeordnet und der Stirnseite des in die Gabelelement-Ausnehmung (Fig 6: Mitte iVm Fig 5) einfassenden Gabelelementarmes (15) unter Zwischenschaltung eines Luftspaltes (Fig 6) zugewandt ist.
Weiterhin ist aus der DE 195 05 759 A1 (Fig 1) bekannt, dass "der Hallsensor-Chip (4) örtlich zwischen Wirkpolen (N, S) eines Magnetsystems (5, 6) angeordnet ist". Denn der Hallsensor-Chip liegt im Bereich der vom Nordpol N des Dauermagneten 5 austretenden und am Südpol S über das Polplättchen 6 wieder eintretenden Magnetfeldlinien. Damit ist er "örtlich" - d.h. an einem Ort - zwischen den Wirkpolen N und S des aus Dauermagnet 5 und Polplättchen 6 bestehenden Magnetsystems angeordnet.
Im Hinblick auf den Verlauf der Feldlinien zeigt die DE 195 05 759 A1 (Fig 1 und 6) weiter, dass "die Wirkpole mit dem Hallsensor-Chip (11) eine Einflussfläche bilden". Denn die Magnetfeldlinien des Magnetsystems 5, 6 treten am Nordpol N aus und am Südpol S ein, wobei sie den Hallsensor-Chip durchdringen und die Drehfalle 14 mit ihrem Gabelelementarm 15 das den Hallsensor-Chip 4 durchdringende Magnetfeld beeinflusst. Eine oberhalb des Hallsensor-Chips 4 und örtlich zwischen den Wirkpolen N, S, d. h. im Bereich des Verlaufs der Magnetfeldlinien gelegene Fläche ist deshalb als Einflussfläche für die Drehfalle zu bezeichnen. Somit bilden die - die Ursache für den Verlauf der Magnetfeldlinien darstellenden - Wirkpole N, S, zusammen mit dem Hallsensor-Chip eine Einflussfläche.
Schließlich ist aus der DE 195 05 759 A1 noch bekannt, dass "die Drehfalle die Oberfläche der Wirkpole in senkrechter Projektion zum Teil überdeckt". Denn in Figur 6 ist dargestellt, dass die Drehfalle 14 mit ihrem Gabelelementarm im Bereich des Auslösezahns 15 die Oberfläche der Wirkpole S, N in senkrechter Projektion (Projektion vom Gabelelementarm 15 senkrecht nach unten) nur zum Teil - hier etwa zu Hälfte - überdeckt.
Von der aus der DE 195 05 759 A1 bekannten Verschlusseinrichtung unterscheidet sich die des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag lediglich dadurch, "dass die Oberfläche des Hallsensor-Chips in der Einflussfläche freiliegt".
Dieser Unterschied kann jedoch nicht patentbegründend sein, da er im Rahmen des üblichen Könnens des Fachmanns liegt.
Ausgehend von der Verschlusseinrichtung, wie sie in der DE 195 05 759 A1 beschrieben ist, stellt sich dem Fachmann die Aufgabe den Herstellungsaufwand zu vereinfachen und Material einzusparen in der Praxis stets von selbst.
Übliche Hallsensor-Chips sind als fertige Bauteile bereits betriebsfähig. Deshalb liegt es für den Fachmann, auf der Hand, auf eine zusätzliche Abdeckung zu verzichten, wenn die Umgebungsbedingungen dies erlauben.
2. Zum Hilfsantrag 1 Die Verschlusseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 weist gegenüber dem Hauptantrag zusätzlich das Merkmal auf, dass "die Wirkpole des Magnetsystems einen an die Breite des Hallsensor-Chips (11) angepassten Abstand aufweisen".
Diese Maßnahme ist aber für den Fachmann aus der DE 195 05 759 A1 ebenfalls zu entnehmen. Denn der Abstand der Wirkpole N, S des dort beschriebenen Magnetsystems 5 ist maßgeblich für den Verlauf der Magnetfeldlinien und damit für deren Einfluss auf den Hallsensor-Chip 4. Wenn es sich bei dem Hallsensor-Chip um ein hinsichtlich seiner Breite fest vorgegebenes Teil handelt, müssen zwangsläufig die Wirkpole N, S einen an die Breite des Hallsensor-Chips angepassten Abstand aufweisen, um die gewünschte Funktion sicherzustellen.
Für den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 trifft daher die für den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag getroffene Beurteilung ebenfalls zu.
3. Zum Hilfsantrag 2 Die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist zulässig und die Verschlusseinrichtung gemäß diesem Patentanspruch 1 ist patentfähig.
3.1 Zulässigkeit Der Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 entspricht dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag). Das Merkmal "dass der Hallsensor-Chip (11) örtlich zwischen Wirkpolen (12) eines U-förmigen Magnetsystem (13) angeordnet ist, dessen U-Schenkel die Wirkpole (12) bilden" ist in den erteilten und auch den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 4 angegeben.
Das Merkmal, dass "die Wirkpole (12) einen nur wenig größeren Abstand aufweisen, als es der Hallsensor-Chip (11) vorgibt und deren Stirnflächen zusammen mit dem Hallsensor-Chip (11) eine Einflussfläche (14) bilden, wobei die Einflussfläche (14) der Stirnseite des in die Gabelelement-Ausnehmung (7) einfassenden Gabelelementarmes (10) der Drehfalle (2) zugewandt ist, und zwar unter Zwischenschaltung des Luftspaltes (15)" ist aus der Beschreibung der Streitpatentschrift Spalte 3, Zeile 13 bis 15, Zeile 23 bis 25 iVm Fig 6 und Spalte 4, Zeile 47 bis 51 zu entnehmen, die insoweit mit der ursprünglichen Beschreibung übereinstimmt.
Nach Auffassung des Senats ist auch das Merkmal, dass "die Stirnflächen der Wirkpole (12) von einer dünnen Kunststoffschicht abgedeckt sind" offenbart. Denn in der Streitpatentschrift und in den ursprünglichen Unterlagen ist angegeben, dass die Hallsensor-Chipoberfläche und die Stirnflächen der Wirkpole in den Einflussflächen freiliegen (Sp 3 Z 23 bis 25 der PS bzw S 4 Z 15 bis 17 der ursprünglichen Unterlagen), dass die Wirkpole aber auch von einer dünnen Kunststoffschicht abgedeckt sein können (Sp 3 Z 26 bis 28 der Streitpatentschrift bzw S 4 Z 19, 20 der ursprünglichen Unterlagen). Damit ist entgegen der Auffassung der Einsprechenden eine Abdeckung der Stirnflächen der Wirkpole auch für sich alleine, d.h. nicht nur im Zusammenhang mit einer Einbettung offenbart.
Das Merkmal, dass "die Oberfläche des Hallsensor-Chips (11) in der Einflussfläche (14) freiliegt" ist in Spalte 4, Zeile 58, 59 der Streitpatentschrift und auch auf Seite 8, Zeilen 19 bis 20 der ursprünglichen Beschreibung angegeben.
Das letzte kennzeichnende Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2, dass "die Drehfalle (2) die Oberfläche der Wirkpole (12) in senkrechter Projektion zum Teil überdeckt", entspricht dem zweiten kennzeichnenden Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1.
3.2 Neuheit Die Verschlusseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist neu.
Aus der DE 195 05 759 A1 ist eine Verschlusseinrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs - wie zum Hauptantrag ausgeführt - bekannt. Weiterhin ist - wie ebenfalls zum Hauptantrag ausgeführt - bekannt, dass der Hallsensor-Chip (4) örtlich zwischen Wirkpolen (N, S) eines Magnetsystems (5, 6) angeordnet ist und dass die Drehfalle die Oberfläche der Wirkpole in senkrechter Position zum Teil überdeckt. Die DE 195 05 759 A1 zeigt jedoch schon kein U-förmiges Magnetsystem.
Die DE 43 33 395 A1 beschreibt eine Einrichtung mit einem Hall-IC als Hallsensor-Chip (Fig 1 bis 3), die für Kraftfahrzeuganwendungen vorgesehen ist (Sp 3 Z 13). Der Hallsensor-Chip ist auf dem mittleren Schenkel eines E-förmigen Magnetsystems angeordnet. Ein Betätigungskörper befindet sich in konstantem Abstand überdem E-förmigen Magnetsystem (Sp 2 Z 33 bis 44) und wird über diesem hin- und herbewegt (Fig 1 bis 3). Ein U-förmiges Magnetsystem ist nicht angesprochen.
Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen in Bezug auf die Verschlusseinrichtung nach Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 weiter ab, als der abgehandelte Stand der Technik und konnten daher außer Acht gelassen werden. Sie wurden in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufgegriffen.
3.3 Erfinderische Tätigkeit Ausgehend von einer Verschlusseinrichtung, wie sie in der DE 195 05 759 A1 angegeben ist, hat der Fachmann keinen Anlas anstelle des dort beschriebenen, als Blockmagnet ausgebildeten Dauermagneten 5 ein U-förmiges Magnetsystem vorzusehen, weil der Blockmagnet als Träger des Hallsensors-Chips dient (Sp 2 Z 66 bis Sp 3 Z 9) und die Anordnung für die Anwendung in einem Kfz-Türschloss (Sp 4 Z 17 bis 24) sehr kompakt ist. Auch allgemein bekannte, jedoch nicht im Zusammenhang mit einem Hallsensor-Chip stehende U-förmige Magnetsysteme (Hufeisenmagnet) geben ebenso wenig wie die ein E-förmiges Magnetsystem zeigende DE 43 33 395 A1 hierzu eine Anregung.
Bei dem E-förmigen Magnetsystem befindet sich der Hallsensor-Chip auf dem mittleren Schenkel des über den - je nach Stellung des Betätigungskörpers - ein unterschiedlich gerichteter magnetischer Fluss (Fig 2 und 3: strichpunktierte Linie iVm Sp 2 Z 19 bis 23) verläuft. Der mittlere Schenkel stellt daher selbst einen dritten Wirkpol für die zwischen ihm und dem Betätigungskörper verlaufenden Magnetfeldlinien dar, während anspruchsgemäß lediglich zwei Stirnflächen an den beiden U-Schenkeln als Wirkpole vorgesehen sind.
Um in Kenntnis des E-förmigen Magnetsystems, wie es die DE 43 33 395 A1 zeigt, auf ein U-förmiges Magnetsystem, wie es im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 im einzelnen angegeben ist, zu gelangen, hätte der Fachmann zunächst darauf kommen müssen, den Mittelschenkel als einen Wirkpol des E-förmigen Magnetsystems wegzulassen. Dann hätte er noch den großen Abstand zwischen den verbleibenden Wirkpolen N, S und dem Hallsensor-Chip zu verringern gehabt, wozu die DE 43 33 395 A1 ebenfalls keinen Anlass gibt, wie die Patentinhaberin zu Recht vorträgt. Weiterhin hätte er sich auch von der grundsätzlichen Verschiedenheit der Bewegung des Betätigungskörpers über dem Magnetsystem und den Hall-Sensoren der DE 43 33 395 A1 gegenüber der Anordnung gemäß der DE 195 05 759 A1 nicht davon abhalten lassen dürfen, das - wie oben angegeben - modifizierte Magnetsystem bei der Verschlusseinrichtung der DE 195 05 759 A1 anzuwenden.
Solches ist aber mehr als einem Durchschnittsfachmann zuzutrauen ist. Eine gegenteilige Beurteilung, wie sie von der Einsprechenden vertreten wird, würde auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung in Kenntnis der Erfindung beruhen.
Mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 haben auch der, dem erteilten Patentanspruch 2 - abzüglich der in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale - entsprechende Patentanspruch 2 und die den erteilten Patentansprüchen 3 und 5 entsprechenden Patentansprüche 3 und 4 nach Hilfsantrag 2 Bestand.
Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
Dr. Kellerer Schmöger Dr. Kaminski Groß
Ko
BPatG:
Beschluss v. 19.03.2003
Az: 19 W (pat) 717/02
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