Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. September 2004
Aktenzeichen: 6 U 50/04

(OLG Köln: Urteil v. 22.09.2004, Az.: 6 U 50/04)

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 11.02.2004 verkündete Teilurteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 463/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Be g r ü n d u n g

I.

Die Kläger sind die derzeitigen Mitglieder der Rockgruppe "Queen ". Im Jahr 1977 trat "Queen " im Rahmen einer Live-Show, der "King Biscuit Flower Hour", in New York auf, wobei die Firma "King Biscuit Flower Hour Records" zur gleichzeitigen Ausstrahlung im Radio des anläßlich der Show interpretierten Titels der Gruppe "We will rock you" autorisiert war. Anläßlich des 25-jährigen Jubiläums der Show erhielt die "King Biscuit Flower Hour Records" im Jahr 1999 von der EMI Records United Kingdom unter gleichzeitiger Untersagung der Weiterlizensierung die Genehmigung, den Live-Mitschnitt aus dem Jahr 1977 auf einem Album "The Best of the Biscuit" zu veröffentlichen.

Zu einem nicht näher mitgeteilten Zeitpunkt erteilte die auf dem Tonträgermarkt tätige Beklagte zu 2), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 1) ist, den Firmen Delta Music und MCP die Lizenz zur Veröffentlichung der fraglichen Live-Aufnahme des Titels "We will rock you", welcher in der Folgezeit auf diversen in Deutschland veröffentlichten CDs dieser Firmen erschien. Im Zusammenhang hiermit nehmen die Kläger die Beklagten nach Maßgabe des deutschen Urheberrechts auf Unterlassung der Herstellung, Verbreitung und Lizensierung von Tonträgern mit dem Titel "We will rock you", sowie auf Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Neben weiteren rechtlichen Gesichtspunkten sind die Kläger, welche jedenfalls nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, mit Beschlüssen des Landgerichts vom 02.04.2003 und vom 16.07.2003 auf Bedenken an der Darlegung bzw. an einem ordnungsgemäßen Beweisantritt eines ihnen nach den Regelungen des deutschen Urheberrechts zustehenden Inlandsschutzes hingewiesen worden. Nachdem das Verfahren gegen die Beklagte zu 2) infolge der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterbrochen ist, hat das Landgericht die Klage mit Teilurteil vom 11.02.2004, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, bezüglich des Beklagten zu 1) (nachfolgend nur noch: Beklagter) abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die Kläger eine Rechtsstellung als Urheber oder ausübende Künstler des fraglichen Titels nicht schlüssig darlegt hätten bzw. beweisfällig geblieben seien. Hiergegen wenden die Kläger sich mit der Berufung, mit welcher sie nur noch Leistungsschutzrechte als ausübende Künstler weiterverfolgen. Sie wiederholen ihre Behauptung, britische Staatsangehörige zu sein, wobei sie die Ansicht vertreten, dass es sich insoweit um eine offenkundige bzw. gerichtsbekannte Tatsache handele, die Kammer aber jedenfalls dem auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag hätte nachgehen müssen.

Die Kläger beantragen nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 11.2.04

den Beklagten unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu verurteilen, es zu unterlassen, Tonträger mit dem Titel "We will rock you" von der Musikgruppe "Queen " herzustellen, herstellen zu lassen, zu verbreiten, verbreiten zu lassen und/oder Lizenzen an Dritte hierüber zu erteilen,

ferner den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Auskunft zu erteilen,

ob Tonträger mit dem Titel "We will rock you" von "Queen " von ihm oder in seinem Auftrag - auch als Geschäftsführer der Q. GmbH - hergestellt oder verbreitet worden sind, und wenn ja, welche und wie viele Tonträger mit dem Titel "We will rock you" von "Queen " dies waren, und zu welchem Händlerabgabepreis sie verkauft worden sind, an wen er oder die Q. GmbH Lizenzen bzgl. des Tonträgers mit dem Titel "We will rock you" von "Queen " vergeben hat, welche Tonträger mit dem Titel "We will rock you" von "Queen " in welcher Anzahl unter diesen Lizenzen veröffentlicht worden sind und welches die Händlerabgabepreise dieser Tonträger mit dem Titel "We will rock you" von "Queen " waren, ob für den Fall, dass Ziffer 2 a) zutrifft, Tonträger mit mit dem Titel "We will rock you" von "Queen " bei ihm oder der Q. GmbH noch auf Lager sind, sowie in diesem Fall Tonträger mit dem Titel "We will rock you" von "Queen " zu vernichten und den Klägern einen Nachweis über die erfolgte Vernichtung zu erteilen,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger eine nach vollständiger Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 2. zu beziffernden angemessenen Schadensersatz für jeden von ihm oder der Q. GmbH hergestellten, vertriebenen oder lizensierten Tonträger zu zahlen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil.

II.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere bestehen keine Bedenken an der ordnungsgemäßen Einlegung des Rechtsmittels und Vertretung der Kläger auch im Berufungsverfahren. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger seine Bevollmächtigung durch Vorlage von Originalvollmachten der Kläger sowie des verstorbenen Mitglieds von "Queen ", G. N. , vom 12.10.1987 (GA Hülle Bl. 67), welche ausweislich des eindeutigen Wortlauts von den Bandmitgliedern im eigenen Namen erteilt worden ist und nicht etwa als "directors" der Fa. Queen Productions Ltd, sowie der Fa. EMI Music Germany GmbH & Co. KG vom 13.01.2004 (GA Bl. 83) nachgewiesen hat. Die von der Kammer als gerichtsbekannt vorausgesetzte Rechtsnachfolge von der "EMI Electrola GmbH" als Empfängerin der Vollmacht aus der Urkunde vom 12.10.1987 zur Ausstellerin der Vollmacht vom 13.01.2004, der "EMI Music Germany GmbH & Co. KG", haben die Kläger im Berufungsverfahren ergänzend durch Vorlage dies bestätigender Handelsregisterauszüge belegt.

In der Sache bleibt die Berufung hingegen ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Klägern die auf §§ 97 Abs. 1 i.V. mit 77 -79 UrhG n.F. (§§ 75 - 77 UrhG a.F.) gestützten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche versagt. Die Fragen, ob die Kläger persönlich als Einzelmitglieder der Gruppe "Queen " prozessführungsbefugt bzw. aktivlegitimiert i.S. des § 80 UrhG sind, und ob sie sich als ausübende Künstler auf Rechte an dem 1977 in den USA aufgenommenen Live-Mitschnitts des Titels "We will rock you" überhaupt oder infolge Abtretung noch stützen können, bedürfen keiner Erörterung. Die Klage scheitert nämlich schon daran, dass sie als ausländische Staatsangehörige keinen Inlandsschutz in Anspruch nehmen können. Hinsichtlich ihrer Behauptung, britische Staatsangehörige zu sein, sind sie auch nach mehrfachen gerichtlichen Hinweisen beweisfällig geblieben, und die Voraussetzungen, unter denen Ausländern aus sonstigen Gründen auf der Grundlage der fremdenrechtlichen Regelungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes Inlandsschutz zu gewähren wäre, sind nicht dargetan.

Im Berufungsverfahren stützen die Kläger sich nicht mehr auf Urheberrechte an dem fraglichen Titel, sondern nur noch auf Rechte als ausübende Künstler. Da sie jedenfalls nicht Deutsche sind, beurteilt sich die Gewährung von Inlandsschutz nach § 125 UrhG. Dessen Voraussetzungen sind allerdings in keiner der durch die Vorschrift eröffneten Alternativen entweder ordnungsgemäß unter Beweis gestellt oder schlüssig vorgetragen.

Die Behauptung der Kläger als richtig unterstellt, sie seien britische Staatsangehörige, würden sie als den Deutschen gleichgestellte Angehörige eines EU-Mitgliedsstaates Inlandsschutz nach Maßgabe der §§ 125 Abs. 1 Satz 2, 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG genießen. Nachdem die entsprechende Behauptung aber bestritten ist, bedurfte es der gerichtlichen Sachaufklärung und deshalb eines tauglichen Beweisantritts. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht handelt es sich bei der Frage nach ihrer Staatsangehörigkeit nämlich nicht um eine offenkundige oder auch nur gerichtsbekannte Tatsache, und es ist für den Senat deshalb auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte etwa wider besseres Wissen bestreiten würde. Den Klägern ist zwar grundsätzlich darin zu folgen, dass "Queen " sich nicht nur in den an Rockmusik interessierten Musikkreisen einer außerordentlichen Bekanntheit und durchaus Berühmtheit erfreut, wenn auch wohl primär auf das musikalische Schaffen der Gruppe bezogen. Diese überragende Bekanntheit der Rockgruppe als solcher und der von ihr aufgenommenen Musiktitel indiziert aber nicht ein gleichermaßen großes Interesse der Öffentlichkeit an den Personen ihrer Mitglieder. Schon gar nicht nachvollziehbar ist die Annahme der Kläger, dass eine so überaus spezielle Statusfrage wie die der Staatsangehörigkeit der Bandmitglieder in Deutschland von allgemeinem Interesse und deshalb auch allgemein bekannt wäre. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch die Senatsmitglieder über keine entsprechenden Erkenntnisse verfügen.

Da die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat nicht zwangsläufig überhaupt bzw. ein Leben lang mit dem Geburtsland korrespondiert, ist der als Anlage K 8 vorgelegte (englischsprachige) Internetauszug auch unter der Voraussetzung, dass die dort erwähnten Geburtsstädte der Kläger tatsächlich in Großbritannien liegen sollten, ohne Erkenntniswert. Die Richtigkeit des weiteren Hinweises der Kläger, Biografien sowie nicht näher bezeichnete, im Internet auffindbare Informationen würden Aufschluss über ihre Staatsangehörigkeit bieten, mag bezweifelt werden, kann aber dahin stehen; dem Zivilprozess ist der Amtsermittlungsgrundsatz fremd, weshalb Gericht und Gegenseite nicht auf eigene Recherchen in unbenannten Quellen verwiesen werden können.

Auf den Umstand, dass die angebotene Einholung eines "Sachverständigengutachtens" - welcher konkreten Art auch immer - kein zum Nachweis einer bestimmten Staatsangehörigkeit geeignetes Beweismittel ist, hat schon das Landgericht mit Beschluss vom 16.07.2003 ausdrücklich hingewiesen. Diesen von dem Senat in beiden mündlichen Verhandlungen sogar unter Verweis auf naheliegende urkundliche Beweismittel wiederholten Hinweis haben die Kläger nicht zum Anlass ergänzenden Vortrags oder neuer Beweisanträge genommen. Die Gewährung von Inlandsschutz über §§ 125 Abs. 1 Satz 2, 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG scheidet deshalb aus.

Schutz nach Maßgabe von § 125 Abs. 2, 3 oder 4 UrhG können die Kläger deshalb nicht beanspruchen, weil sich die fragliche Aufnahme aus dem Jahr 1977 nicht auf eine Darbietung in Deutschland bezieht und auch weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sie erstmals in Deutschland erschienen oder per Funk ausgestrahlt worden wäre.

Ohne Erfolg berufen die Kläger sich auf einen Inländerschutz aufgrund Konventionsrechts i.S. von § 125 Abs. 5 UrhG. Ob ihrer Behauptung zufolge nur wenige Länder der Erde bzw. deren Angehörige nicht aufgrund von Staatsverträgen in den Schutz des deutschen Urheberrechts einbezogen sind, sei dahin gestellt. Die Anwendung der Vorschrift setzt unabdingbar die Nennung einer konkreten Staatsangehörigkeit, welcher sich der Kläger des urheberrechtlichen Verfahren zugehörig fühlt, voraus und kann nicht unter lapidarem Hinweis auf weltumspannende internationale Abkommen offen bleiben. Eine weitere Würdigung der dem Vortrag der Kläger zugrunde liegenden Behauptung, in erster Linie Briten und hilfsweise Ausländer einer beliebigen Staatszugehörigkeit zu sein, ist deshalb entbehrlich.

Schließlich lässt sich ein Inlandsschutz auch nicht unabhängig von der Staatsangehörigkeit aus § 125 Abs. 6 UrhG herleiten, weil auf das Verbot der Vervielfältigung und Verbreitung bzw. entsprechende Lizenzerteilungen gerichtete Ansprüche der ausübenden Künstler, so auch die im Streitfall verfolgten, der Vorschrift nicht unterfallen (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 125 Rn. 9 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Streitentscheidend ist vielmehr eine über den entschiedenen Fall nicht hinausweisende Subsumtion eines individuellen, auch tatrichterlich zu beurteilenden Sachverhalts unter Normen und Rechtsgrundsätze, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits eine Klärung erfahren haben.

Streitwert im Berufungsverfahren: 75.000 EUR






OLG Köln:
Urteil v. 22.09.2004
Az: 6 U 50/04


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