Landgericht Duisburg:
Urteil vom 12. Juli 2005
Aktenzeichen: 24 O 183/05

(LG Duisburg: Urteil v. 12.07.2005, Az.: 24 O 183/05)

Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer

vom 26. 4. 2005 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Verfahrens

trägt die Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Beide Parteien sind Rechtsanwälte. Der Verfügungskläger betreibt seine Kanzlei in Räumen in der Königstrasse; die Verfügungsbeklagte hat am 10. 2. 2005 eine Kanzlei in Räumen in der Straße Sonnenwall eröffnet.

Die Räume der Verfügungsbeklagten verfügen über eine Glasscheibe oder Glastür. Daran hatte sie zumindest am 14. 4. 2005 eine Preisliste ausgehängt, mit der sie für ihre Leistungen warb. Diese Liste ist auf weißem Papier in verschiedenen Grüntönen und schwarzer Schrift bedruckt. Oben rechts weist sie den Kopf der Verfügungsbeklagten mit der Bezeichnung ....Rechtsanwälte" auf; danach folgt als Überschrift der Text "Die Preise". Darunter sind verschiedene Rechtsgebiete benannt, teilweise auch mit näherer Umschreibung. Als erstes ist ferner als Leistung aufgeführt "Grundinformationen zu Kostenumfang und ersten Schritten für alle Rechtsgebiete". Dafür ist ein Preis von 10,- Euro benannt. Für die verschiedenen Rechtsgebiete werden ebenfalls Preise angegeben, jedoch jeweils mit dem Zusatz "ab", so etwa für Arbeitsrecht ein Preis ab 15,- Euro. Wegen des Inhalts der Preisliste, insbesondere der im Einzelnen benannten Preise, wird auf Blatt 16 der Akte Bezug genommen.

Mit einem Schreiben vom 14. 4. 2005 forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zur Unterlassung, zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Übernahme der Kosten auf. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt K 3 bis K 9 der Anlagen Bezug genommen. Die Verfügungsbeklagte lehnte dies mit Schreiben vom 15. 4. 2005 ab, Blatt K 10 der Anlagen.

Am 26. 4. 2005 hat der Verfügungskläger mit einer am selben Tag eingereichten Antragsschrift, die jedoch das Datum 7. 3. 2005 trägt, eine einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte erwirkt, mit der dieser untersagt wird, mit der oben näher beschriebenen Preisliste, die zum Bestandteil des Beschlusses gemacht wurde, zu werben.

Gegen diese einstweilige Verfügung der Kammer hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt. Sie hat diesen allerdings insoweit eingeschränkt, als sie den Unterlassungsanspruch und auch die einstweilige Verfügung akzeptiert, soweit die verwendete Preisliste nicht den Zusatz trägt "Preise für ein erstes anwaltliches Beratungsgespräch" und damit offen lässt oder zumindest nicht ausschließt, ob von den aufgeführten Preisen auch eine Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren erfasst wäre.

Der Verfügungskläger behauptet,

die Verfügungsbeklagte habe die Preisliste wider besseres Wissen benutzt, obwohl sie aufgrund eines Urteils des OLG Hamm zu dieser Preisliste bereits wisse, dass sie diese so nicht verwenden dürfe.

Er vertritt die Ansicht, dass die angebotenen Preise in jedem Fall, auch mit der Einschränkung "Preise für ein erstes anwaltliches Beratungsgespräch" die nach dem RVG und der entsprechenden Gebührenverordnung mindestens zu fordernden Honorare unterschreiten und aus diesem Grund wettbewerbswidrig seien. Auch werde bei den möglichen Kunden ein irreführender Eindruck über den Umfang der angebotenen Leistung und deren Kosten erweckt. Auch dies sei wettbewerbswidrig.

Der Verfügungskläger beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom

26. 4. 2005 aufrecht zu erhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom

26. 4. 2005 aufzuheben, soweit das Unterlassungs-

gebot über Folgendes hinausgeht:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines

Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro und

für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden

kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder

von sofort zu verhängender Ordnungshaft bis zu

sechs Monaten im Einzelfall, insgesamt bis zu

zwei Jahren, untersagt, im geschäftlichen Verkehr

zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Preisliste

Anlage AS 1 zur Antragsschrift vom 7. 3. 2005 zu

werben ohne durch den Zusatz "Preise für ein

erstes anwaltliches Beratungsgespräch" klarzustellen,

dass sich dieses Angebot auf ein erstes anwalt-

liches Beratungsgespräch bezieht,

die Kosten des Verfahrens insgesamt dem Antrag-

steller aufzuerlegen.

Sie behauptet,

bei der ersten Abmahnung habe sie nicht erkennen können, dass die in der Niederlassung in Duisburg verwendete Preisliste versehentlich nicht den Zusatz enthalten habe, dass die Preise allein für das erste anwaltliche Beratungsgespräch gelten sollten. Nur aus diesem Grund habe sie den Anspruch insoweit damals nicht akzeptiert. Nachdem sie dies habe feststellen können, habe sie ihrer Meinung nach die dahingehende Unterlassungspflicht sogleich anerkannt.

Sie meint, dass im Übrigen die von ihr verwendete Preisliste den gesetzlichen Vorgaben entspreche und auch keine irreführenden Angaben enthalte. Insbesondere seien diese nicht in dem Begriff des ersten anwaltlichen Beratungsgesprächs zu sehen, denn es handele sich hier um einen vom Gesetz selbst verwendeten Rechtsbegriff.

Gründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer ist in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Dem Verfügungskläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit der in der einstweiligen Verfügung benannten Preisliste zu. Grundlage des Anspruchs sind §§ 8 Abs. 1 und 3, 3, 5 UWG.

Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage sind erfüllt. Die Werbung mit dieser Preisliste stellt sich als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinn des § 3 UWG dar. Der Verfügungskläger kann einen darauf gestützten Unterlassungsanspruch als direkter Wettbewerber geltend machen. Ein direktes Wettbewerbsverhältnis liegt vor, denn beide Parteien sind - in räumlicher Nähe - in Duisburg als Rechtsanwälte tätig und bieten damit ihre Leistung den möglichen Klienten auf demselben Markt an.

Die Preisliste stellt nach Ansicht der Kammer in mehrerer Hinsicht eine unlautere Werbung dar.

Die Kammer sieht dies zunächst in Bezug auf die Preisliste in der konkret verwendeten Form ohne einen Hinweis auf die eingeschränkte Geltung der benannten Mindestpreise nur für Tätigkeiten außerhalb von Gerichtsverfahren und auch dort nur eingeschränkt, dergestalt, dass dies irreführend ist. Aus dieser Preisliste konnte ein möglicher Rechtssuchender den Eindruck gewinnen, dass er eine vollständige anwaltliche Betreuung schon zu den dort benannten Preisen erhalten könne. Das wäre jedenfalls nicht zulässig, weil dazu etwa auch die Vertretung in Rechtsstreiten vor Gericht gehören könnte. Eine solche Tätigkeit kann zu den dort benannten Mindestpreisen jedenfalls nicht erfolgen. Darüber sind die Parteien ebenfalls einig, denn auch die Beklagte räumt ein, dass sie eine solche Werbung als irreführend, jedenfalls aber unzulässig ansieht.

Jedoch meint die Kammer nach Abwägung aller Umstände, dass die Preisliste auch mit dem von der Verfügungsbeklagten insoweit selbst zugestandenen Zusatz nicht den Anforderungen an lauteren Wettbewerb entspricht. Sieht ist auch mit dem Zusatz "Preise für ein erstes anwaltliches Beratungsgespräch" als irreführend zu betrachten.

Diese Irreführung kommt nach zustande aus dem Zusammenwirken des Begriffs "erstes anwaltliches Beratungsgespräch" und den angegebenen Preisen.

Nach der Wertung der Kammer ist der Begriff des ersten anwaltlichen Beratungsgesprächs für mögliche Klienten nicht ausreichend klar. Dieses ist benannt in dem Vergütungsverzeichnis (VV) zum RVG. Es handelt sich dabei um eine "Einstiegsberatung", eine pauschale überschlägige Beratung (so Madert in Gerold/Schmidt u.a., RVG, VV 2100 - 2103, Rdnr. 34). Dieses erste Beratungsgespräch umfasst daher nicht eine endgültige Beratung, welches Vorgehen richtig ist. Es umfasst insbesondere auch nicht weitere Gespräche, und zwar auch dann nicht, wenn es unterbrochen wird, weil der Mandant noch Unterlagen oder Auskünfte besorgen muss oder der Rechtsanwalt sich kundig machen will (Madert, a.a.O., Rdnr. 43, 44).

Dies ist für einen mit den Besonderheiten des Vergütungsrechts nicht vertrauten Interessenten nicht ohne weiteres erkennbar. Auch wenn der Begriff im Gesetz verwendet wird, um einen besonderen Gebührentatbestand für eine Beratung von Verbrauchern zu beschreiben (Ziffer 2102 VV), kann nicht angenommen werden, dass solche Kategorien dem durchschnittlichen, auch verständigen Rechtssuchenden ein Begriff sind. Es ist daher bei der Bewertung des Begriffs des ersten anwaltlichen Beratungsgesprächs von dem Verständnis auszugehen, dass dieser Begriff beim durchschnittlichen Verbraucher und Rechtssuchenden antrifft. Nach Ansicht der Kammer wird dieser mit dem Begriff des ersten anwaltlichen Beratungsgesprächs durchaus auch die Vorstellung verbinden, dass er einen endgültigen Rat erhält. Er wird keinesfalls annehmen, dass eine Unterbrechung des Gesprächs, weil der Rechtsanwalt sich näher kundig machen muss, zusätzliche Kosten auslösen darf.

Die Kammer geht ferner davon aus, dass vielfach die möglichen Interessenten auch den Eindruck haben werden, dass zumindest das Abfassen eines ersten Schreibens davon umfasst sein dürfte, quasi Teil des ersten Beratens ist. Für einen durchschnittlichen Verbraucher gehören die Bewertung des Falles und die Ausführung dessen, was sich daraus ergibt, zusammen. Das aber ist nach den gebührenrechtlichen Vorschriften gerade nicht der Fall, weil sodann bereits der Gebührentatbestand der Ziffer 2400 VV erreicht ist, der einen deutlich höher angesetzten Rahmen enthält.

Die durch die Verwendung des Begriffs des ersten anwaltlichen Beratungsgesprächs begründete Irreführung muss dabei nicht dazu führen, dass dem möglichen Mandanten letztendlich zu geringe Kosten berechnet werden, um wettbewerbswidrig zu sein. Es reicht bereits aus, dass die Interessen aufgrund der falschen Vorstellung das Büro der Verfügungsbeklagten aufsuchen. Wenn sie dort sodann nach begonnener Beratung auf die weiteren Kosten hingewiesen werden, werden sich die wenigsten entschließen, dann einen anderen Rechtsanwalt aufzusuchen. Damit ist der den Wettbewerb verzerrende Effekt bereits eingetreten.

Daneben sieht die Kammer auch eine Irreführung bei den benannten Preisen, auch wenn diese mit dem Zusatz "ab" versehen sind und die Kammer davon ausgeht, dass der durchschnittliche Verbraucher durchaus erkennen wird, dass damit nur eine Untergrenze gemeint ist. Eine solche Preisgestaltung ist in anderen Bereichen so üblich, dass sie der Verbraucher ohne weiteres entsprechend versteht.

Die Irreführung liegt zum einen darin, dass der Eindruck erweckt wird, als würden generell besonders günstige Preise angeboten. Das ist aber bei solchen Fällen, die sich auf besonders niedrige Streitwerte beziehen, nicht der Fall. So liegt etwa die volle Gebühr von 1,0 bei einem Streitwert bis 300,- Euro bei 25,- Euro; hier betrüge eine 0,1 -Gebühr 2,50 Euro, eine solche von 0,2 nur 5,- Euro. Auch bei Streitwerten bis 600,- Euro mit einer 1,0-Gebühr von 45,- Euro und solchen bis 900,- Euro mit einer 1,0 -Gebühr von 65,- Euro liegen die Werte für einfache Beratungen noch unter den benannten Mindestkosten. Hier werden also entgegen dem Eindruck keine günstigen Gebühren angeboten.

Die Irreführung liegt aber auch darin, dass auch für sehr komplexe Materien relativ niedrige Mindestsätze benannt werden, wie für die Bereiche des Erbrechts von 35,- Euro und des Handels-, Wirtschafts- und Steuerrechts von 40,- Euro. Es kann auch nach den eigenen Erfahrungen der Kammer in diesen Rechtsgebieten in der weite überwiegenden Zahl der Fälle nicht mit so niedrigen Gegenstandswerten gerechnet werden, dass diese Beträge auch bei Annahme einer 0,1 - Gebühr angemessen sind. Der Betrag einer 0,1 - Gebühr überschreitet bei Gegenstandswerten über 6.000,- Euro die Summe von 35,- Euro und bei solchen über 7.000,- Euro die Summe von 40,- Euro. Dabei setzt die 0,1 -Gebühr voraus, dass es sich um einen sehr einfach gelagerten Fall ohne großes Haftungsrisiko handelt. Diese Voraussetzung ist bei den entsprechenden Fällen selten anzunehmen. Der Verbraucher und mögliche Mandant kann aber dieses nicht abschätzen. In ihm entsteht ein falscher Eindruck über die preislichen Möglichkeiten. Letztlich muss dies wohl auch für die Mindestgebühr für den Bereich Zivilsachen von 20,- Euro gelten. Diese Summe ist bei Ansetzen einer 0,1 - Gebühr ab Gegenstandswerten von über 3.000,- Euro überschritten. Das ist unrealistisch, denn dieser Sachbereich soll unter anderem auch Werkverträge und Darlehen umfassen. Diese betreffen in der überwiegenden Zahl von Fällen höhere Summen. Vor allem aber ist dies für den möglichen Mandanten gar nicht erkennbar.

Der Interessent wird nämlich auch nicht annehmen, dass die anzusetzenden Kosten sogleich beträchtlich über den Mindestsätzen liegen. Das wird aber, nimmt man die Regelungen des RVG und dort insbesondere des § 14 Abs. 1 RVG ernst, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle so zu erwarten sein. Nach dieser Vorschrift sind neben Schwierigkeit und Umfang der Sache auch deren Bedeutung und ein mögliches Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Es wird dann nur in wenigen Fällen nur die 0,1 -Gebühr angemessen sein.

Geht man bei durchschnittlichen Fällen von Gebühren etwa bei 0,3 oder 0,5 aus, so ist der Betrag von 20,- Euro bei der 0.3 -Gebühr bei Streitwerten über 900,- Euro überschritten, bei der 0,5 - Gebühr bei solchen über 300,- Euro. 35,- Euro werden mit der 0,3 -Gebühr bei Werten über 1.500,- Euro und der 0,5 -Gebühr bei Werten über 900,- Euro überschritten und 40,- Euro schließlich werden mit der 0,3 -Gebühr bei Werten über 2.000,- Euro und mit der 0,5 -Gebühr bei Werten über 900,- Euro überschritten.

Ähnliche Schwierigkeiten werden sich auch für Verwaltungsrecht ergeben, für das ein Mindestkostensatz von 25,- Euro benannt ist.

Wägt man all diese Umstände ab, so stellt die fragliche Preisliste ein Lockangebot dar, das nicht wirklich so erfüllt werden kann, wenn eine zuverlässige Beratung erfolgen soll. Auch wenn dies für einzelne benannte Rechtsgebiete nach Ansicht der Kammer etwas anders zu bewerten ist, wie Bußgeldsachen oder Patientenverfügungen, so ist die Liste im Ganzen doch für den möglichen Mandanten irreführend, und zwar auch mit einem Hinweis auf die Geltung nur für das erste anwaltliche Beratungsgespräch.

Es liegt das besondere Rechtsschutzbedürfnis des Eilverfahrens vor, dass in Wettbewerbssachen grundsätzlich unterstellt wird. Es kann hier auch nicht festgestellt werden, dass der Verfügungskläger zuviel Zeit nach Entdeckung der konkret beanstandeten Preisliste hätte vergehen lassen.

Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 91 ZPO der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen. Diese kann sich wegen des nicht angefochtenen Teils nicht auf den Rechtsgedanken des § 93 ZPO berufen. Ein sofortiges Anerkenntnis liegt nicht vor. Sie hat Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben. Der Umstand, dass nach ihren Angaben die konkrete Ausgestaltung der Preisliste ein Versehen war, ändert daran nichts, denn sie hätte dies ggf. prüfen müssen.

Auch ist daran nicht deshalb etwas zu ändern, weil die Verfügungsbeklagte etwa die einstweilige Verfügung hätte unklar finden müssen. Aus dem Zusammenhang zwischen Antragsschrift und Beschluss ergab sich deren Inhalt ausreichend deutlich.






LG Duisburg:
Urteil v. 12.07.2005
Az: 24 O 183/05


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