Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 28. Oktober 1998
Aktenzeichen: 6 W 15/98
(OLG Köln: Beschluss v. 28.10.1998, Az.: 6 W 15/98)
1. Der in § 1 II 1 MarkenG normierte Verletzungstatbestand erfaßt auch die Fälle, in denen vom Markeninhaber mit der geschützten Marke gekennzeichnete Produkte ohne dessen Zustimmung im Inland in den Verkehr gebracht werden (hier: In Jersey/Channel Islands auf dem sog. "grauen Markt" bezogene Duftwässer).
2. Nach der Umsetzung des Art. 7 der Markenrechtsrichtlinie 89/104/EWG durch § 24 I MarkenG greift der Einwand der Markenrechtserschöpfung grundsätzlich nur, wenn die mit der Marke versehene Ware vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erstmals in den Verkehr gebracht worden ist. Ob und daß die Voraussetzungen für eine möglicherweise auch noch nach Schaffung des § 24 MarkenG ausnahmsweise in Betracht zu ziehende weltweite Markenrechtserschöpfung (hier: Durch Inverkehrbringen von Markenware in Taiwan) vorliegen, hat der wegen Markenrechtsverletzung in Anspruch Genommene darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
3. Zur Frage des Inverkehrbringens bei konzeninternen Warenbewegungen.
4. Macht der Markeninhaber Abwehrrechte gegenüber einem Verletzer geltend, kann dieser dem Anspruch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Identifizierung des Verletzerproduktes einschließlich der Verfolgung seines Vertriebsweges beruhe auf der Verwendung eines -angeblich- wettbewerbswidrigen Codierungssystems auf der Ware.
5. Unter "widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen" i.S. von § 19 MarkenG sind alle diejenigen zu verstehen, deren Vertrieb eine Markenverletzung darstellt.
6. Allein der Umstand, daß eine Verletzung von Markenrechten Dritter beim Warenerwerb durch einen Händler nicht erkennbar ist, berechtigt den Erwerber nicht zum Weitervertrieb. Wird Ware auf dem sog. "grauen Markt" bezogen, obliegt es dem Erwerber und ist für ihn zumutbar, durch Rückfragen und auf andere Weise sicherzustellen, daß der Vertrieb nicht mit einer Markenrechtsverletzung einhergeht.
7. Zu Umfang und Verhältnismäßigkeit der nach § 19 MarkenG geschuldeten Auskunft.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 20. Januar 1998 verkündeten Be- schluß der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 757/97 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Gründe
Die gemäß §§ 91 a Abs. 2, 567 ff ZPO statthafte und auch im
übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners bleibt in
der Sache ohne Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß den
Antragsgegner mit den Kosten des in der Hauptsache einvernehmlich
zur Erledigung gebrachten einstweiligen Verfügungsverfahrens
belastet. Unter Berücksichtigung des bis zur Erledigung der
Hauptsache gegebenen Sach- und Streitstands entspricht diese
Kostenverteilung billigem Ermessen ( § 91 a Abs. 1 ZPO ), da die
Antragstellerin mit ihrem nach dem Teil-Widerspruch des
Antragsgegners allein in das Urteilsverfahren überführten
Auskunftsbegehren im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren
aller Voraussicht nach durchgedrungen wäre.
Die Antragstellerin hat in einer für den Erlaß und die
Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise
die tatsächlichen Voraussetzungen des auf die Lieferquellen und
gewerblichen Abnehmer des verfahrensgegenständlichen Duftwässer
"Davidoff Cool Water" bezogenen Auskunftsbegehrens glaubhaft
gemacht.
Dieses Auskunftsbegehren war danach gemäß § 19 Abs. 1 MarkenG i.
V. mit § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 2 MarkenG nicht nur
materiell berechtigt, sondern erwies sich gemäß § 19 Abs. 3 MarkenG
auch gerade in der gewählten Verfahrensart der einstweiligen
Verfügung als zulässig.
Daß auf Seiten des Antragsgegners überhaupt die Voraussetzungen
des für den Auskunftsanspruch nach Maßgabe von § 19 Abs. 1 MarkenG
u. a. erforderlichen markenrechtlichen Verletzungstatbestandes i.
S. von § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 MarkenG verwirklicht worden
sind, konnte dabei von vorneherein keinem Zweifel unterliegen. Denn
der Antragsgegner hat, indem er das seinerseits von der Fa. P.,
Jersey/Channel Islands bezogene, mit der Marke "Davidoff"
gekennzeichnete Duftwasser im Inland in den Verkehr brachte, ohne
Zustimmung der Inhaberin der geschützten Marke ein mit dieser
identisches Zeichen für identische Waren benutzt. Dabei ist es
unerheblich, daß der Antragsgegner die Marke im Streitfall nicht
selbst auf der Ware angebracht, sondern von der Markeninhaberin
bzw. mit ihrer Zustimmung bereits gekennzeichnete, im Wege des
Parallelimports in den europäischen Wirtschaftraum bzw. das
EG-Gebiet reimportierte Ware angeboten und in den Verkehr gebracht
hat. Denn der in § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG normierte
markenrechtliche Verletzungstatbestand erfaßt auch die Fälle, in
denen vom Markeninhaber mit der geschützten Marke gekennzeichnete
Produkte ohne oder gegen dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht
werden ( vgl. Fezer, Markenrecht, Rdn. 72 f zu § 14 MarkenG ).
Der gegenüber dieser markenrechtlichen Verletzungshandlung vom
Antragsgegner mit der Behauptung, die Markenrechtsinhaberin habe
dem Inverkehrbringen zugestimmt, vorgebrachte Einwand der
Erschöpfung i. S. von § 24 Abs. 1 MarkenG vermag keine abweichende
Würdigung zu rechtfertigen.
Denn nach der in Umsetzung von Artikel 7 Abs. 1 der
Markenrechts-Richtlinie 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 (
abgedruckt in: von Mühlendahl, Deutsches Markenrecht, S. 305 ff )
mit Wirkung zum 1. Januar 1995 eingeführten Neuregelung des § 24
Abs. 1 MarkenG hat der Berechtigte sein in Ansehung der Marke
bestehendes Recht nur dann verbraucht, wenn die mit der Marke
gekennzeichnete Ware von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung
durch einen Dritten im Inland, in einem der übrigen
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraum erstmals in den
Verkehr gebracht worden ist. Daß die Voraussetzungen der nach
diesen Maßstäben regional begrenzt eintretenden markenrechtlichen
Erschöpfung im Streitfall verwirklicht sind, läßt sich jedoch dem
Vortrag des insoweit darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtigen
Antragsgegners nicht entnehmen.
Soweit der Antragsgegner ein mit Zustimmung der Markeninhaberin
erfolgtes erstmaliges Inverkehrbringen des
verfahrensgegenständlichen Duftwassers "Davidoff Cool Water"
bereits darin sehen will, daß dieses von der in C./Frankreich
situierten Produktionsstätte zu dem im Inland gelegenen
Vertriebslager verbracht worden ist, überzeugt das nicht. Unter dem
"Inverkehrbringen" ist jede Handlung zu verstehen, welche die Ware
Beziehungen außerhalb des Unternehmens zuführt ( BGH GRUR 1969, 479
f -"Colle de Cologne" -). Mangels der folglich erforderlichen
Außenbeziehung liegt ein "Inverkehrbringen" der Ware dann nicht
vor, wenn sich die Warenbewegung lediglich innerhalb eines
Unternehmens oder zwischen zwei oder mehreren zum selben Konzern
gehörigen Unternehmen vollzieht. Da die in C./Frankreich
angesiedelte Produktionsstätte des hier fraglichen Duftwassers
"Davidoff Cool Water" sowie das Vertriebslager im Inland aber
unstreitig in den selben Konzernverbund eingegliedert sind und auch
nicht ersichtlich ist, daß - was nach der vorbezeichneten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings eine abweichende
Beurteilung rechtfertigte - die französische Herstellerin bei der
Abgabe der Duftwässer an das Vertriebslager etwa mit anderen
Herstellerinnen in Wettbewerb stünde, liegt in der Warenverbringung
vom Herstellungsort zum Vertriebslager kein eine Außenbeziehung
begründendes Absatzgeschaft, mithin auch kein die Erschöpfung i. S.
von § 24 Abs. 1 MarkenG auslösendes, von der Zustimung der
Markeninhaberin gedecktes Inverkehrbringen der mit der Marke
gekennzeichneten Ware innerhalb des Gebiets der Europäischen
Union.
Erstmals in den Verkehr gelangte die Ware vielmehr durch die
Belieferung des in Taipeh/Taiwan ansässigen Vertragspartners der L.
Group AG, der Fa. F.F. & Cosmetics Inc., mithin außerhalb des
Gebiets der Europäischen Union oder eines Mitgliedsstaates des
Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWiR). Bei einem
erstmaligen Inverkehrbringen der mit der Marke gekennzeichneten
Ware in einem außerhalb dieser Territorien gelegenen Gebiet greift
aber der nach den Entstehungsmaterialien sowohl des Markengesetzes
( vgl. von Mühlendahl, a.a.O., S. 166/167 ) als auch der
Markenrechts-Richtlinie (vgl. hierzu die Darstellung von
Harte-Bavendamm/Scheller in: WRP 1994,571/574 f) in Abkehr vom
Grundsatz der sogenannten internationalen Erschöpfung territorial
zunächst auf das Gebiet der EG beschränkte markenrechtliche
Erschöpfungsgrundsatz nicht ( vgl auch BGH GRUR 1996, 271/273
-"gefärbte Jeans"-). Dabei bedarf es im Streitfall auch nicht der
Erörterung, ob die Entstehungsgeschichte von Artikel 7 Abs. 1 der
Markenrechts-Richtlinie Ausnahmen von diesem Grundsatz der
territorial auf das Gebiet der EG und des EWiR begrenzten
Erschöpfung des Markenrechts zuläßt, der durch die jüngste
Rechtsprechung des EuGH mit der ausdrücklichen Klarstellung
bekräftigt wurde, daß etwaige Ausdehnungen dieses territorial auf
das Gemeinschaftgebiet begrenzten Erschöpfungsgrundsatzes durch die
nationalen Gesetzgeber der jeweiligen Mitgliedsstaaten mit Art. 7
Abs. 1 der Markenrechts-Richtlinie nicht konform sind (EuGH WRP
1998, 851 ff-"Silhouette"-). Diese Problematik sowie die damit
verbundenen Fragestellungen, ob und unter welchen Voraussetzungen
derartige Ausnahmen überhaupt zulässig sind und welche Stelle
wiederum zur Entscheidung über das Vorliegen der
Ausnahmevoraussetzungen berufen ist (vgl. EuGH a.a.O., S. 852
-"Silhouette"-; vgl. auch Vorlagebeschluß des S-os Handelsret vom
3.12.1997 in der Rechtssache C-4/98 in: Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaft vom 7.3.98; Harte-Bavendamm/Scheller,a.a.O.,S.
577;Sosnitza in: WRP 1998, 951/957 f; Joller in: GRUR Int. 1998,
751/ 754 f/759 ff - jeweils mit weiteren Nachweisen) können hier
deshalb offenbleiben, weil dem Vortrag des Antragsgegners
jedenfalls schon nicht das Vorliegen der Voraussetzungen der als
Ausnahmen vom Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung allein
in Betracht zu ziehenden Fälle entnommen werden kann. Denn
Ausnahmen vom Grundsatz der nur gemeinschaftsweit eintretenden
markenrechtlichen Erschöpfung sollen - wenn überhaupt - nach der
Entstehungsgeschichte der Markenrechts-Richtlinie nur dann
zugelassen sein, wenn im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages
mit einem Drittstaat die Geltung des Erschöpfunsgrundsatzes
vereinbart ist ( vgl. auch EuGH, a.a.O., -"Silhouette" -), oder
aber wenn - ohne einen solchen Vertrag - in besonderen
Ausnahmefällen im Verhältnis gegenüber einem Drittstaat die
Gegenseitigkeit der Anwendung des Grundsatzes der internationalen
Erschöpfung verbürgt ist ( vgl. Harte-Bavendamm/Scheller, a.a.O.,
S. 574 ). Anhaltspunkte dafür, daß vorliegend die Voraussetzungen
dieser möglicherweise berücksichtigungsfähigen Ausnahmetatbestände
im Verhältnis zu Taiwan in Betracht kommen, lassen sich aber weder
dem Vortrag des insoweit darlegungs- und
glaubhaftmachungspflichtigen Antragsgegners, noch dem Sachverhalt
im übrigen entnehmen.
Eine nach alledem nur gemeinschaftsweit in Betracht zu ziehende
markenrechtliche Erschöpfung nach Maßgabe von § 24 Abs. 1 MarkenG/
Art. 7 Abs. 1 Markenrechts-Richtlinie kommt weiter aber auch nicht
etwa deshalb in Betracht, weil von einer seitens der
Markenberechtigten erklärten - konkludenten - Zustimmung zu dem
Reimport der mit der Marke gekennzeichneten Duftwässer durch die in
Taipeh/Taiwan ansässige Vertragspartnerin bzw. die in England
ansässige Importeurin, von der wiederum der Antragsgener die Ware
bezogen hat, auszugehen wäre. Die Antragstellerin hat durch Vorlage
der eidesstattlichen Versicherung der Frau S. E. vom 25.07.1997
sowie des als Anlage zum Schriftsatz vom 25.11.1998 eingereichten
Vertrages zwischen der L. Group AG und der Fa. F.F. & Cosmetics
Inc. in Taipeh/Taiwan, glaubhaft gemacht, daß letztgenanntes
Unternehmen nur innerhalb des vereinbarten Vertragsgebiets Taiwan
berechtigt gewesen sei, Dritte zu beliefern ( vgl. Ziff. 1c und 6 a
der Vereinbarung vom 01.02.1992). Soweit daher die
streitgegenständlichen Duftwässer entgegen dieser Vereinbarung über
die F.F. & Cosmetics Inc. in den europäischen Wirtschaftsraum
bis zur Fa. P. gelangten, von der sodann der Antragsgegner die Ware
bezog, kann von einer - konkludenten - Zustimmung der
Antragstellerin hierzu nicht die Rede sein. Eine abweichende
Würdigung ist auch nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil die
Antragstellerin bzw. die L. Group AG diese vertragswidrige
Belieferung des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWiR) durch die
F.F. & Cosmetics Inc. angeblich kannten. Dabei kann es
dahingestellt bleiben, inwiefern aus einer etwaigen duldenden
Hinnahme des Lieferverhaltens der F.F. & Cosmetics Inc.
überhaupt auf eine - konkludente - Zustimmung der Markeninhaberin
i. S. der Bestimmungen des § 24 Abs. 1 MarkenG/ Art. 7 Abs. 1 der
Markenrechts-Richtlinie geschlossen werden kann oder ob hiernach -
wenn überhaupt - allenfalls eine Verwirkung nach Maßgabe des § 21
Abs. 1 MarkenG/Art. 9 Markenrechts-Richtlinie in Betracht kommt.
Das ist hier deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung,
weil weder dem Vortrag des Antragsgegners, noch dem Sachverhalt im
übrigen konkrete Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, daß
die Antragstellerin bzw. die hinter ihr stehende Markeninhaberin ab
Kenntniserlangung des vertragswidrigen Lieferverhaltens der F.F.
& Cosmetics Inc. so lange mit hiergegen vorgehenden rechtlichen
Konsequenzen gewartet haben, daß hieraus auf eine duldende Hinnahme
des Vekaufs der Ware aus dem Vertragsgebiet Taiwan in den EWiR
geschlossen werden könnte. Daß sich die Antragstellerin im übrigen
das Verhalten der taiwanesischen Vertragspartnerin der L. Group AG
nicht als eigenes zurechnen lassen muß, liegt bereits angesichts
der Vertragswidrigkeit der Vorgehensweise auf der Hand.
Soweit der Antragsgegner schließlich überhaupt bestreiten will,
daß das verfahrensgegenständliche Duftwasser "Davidoff Cool Water"
aus der zunächst an die taiwanesische F.F. & Cosmetics Inc.
gelieferten Warenpartie stammen, vermag das ebenfalls nicht zu
überzeugen. Die Antragstellerin hat durch Vorlage der
vorbezeichneten eidesstattlichen Versicherung der Frau S. E.
glaubhaft gemacht, daß anhand der auf dem Produkt befindlichen
Nummernkennung das genannte taiwanesiche Unternehmen als
Exportkunde - mithin als Destination der entsprechenden
Warenlieferung - ausgemacht werden konnte. Danach ist aber davon
auszugehen, daß die Warenpartie, aus der wiederum das hier in Rede
stehende, sodann vom Antragsgegner erworbene und vertriebene
Produkt stammt, zunächst nach Taiwan und von dort wiederum in den
EWiR gelangt ist. Eine andere Beurteilung
ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsgegner eingewandten
Umstand, daß Angestellte der Antragstellerin sich in der
Vergangenheit unberechtigterweise Warenpartien bemächtigt und diese
im Inland in den Verkehr gebracht haben sollen, die für den Export
bestimmt gewesen seien. Konkrete Anhaltspunkte, daß dies bei der
hier in Rede stehenden Ware der Fall gewesen sei, sind nicht
ersichtlich.
Die Antragstellerin ist bei alledem auch nicht daran gehindert,
die aus der Nummernkennung des Produkts gewonnenen Kenntnisse über
den Vertriebsweg im vorliegenden Verfahren prozessual zu verwerten,
weil dieses Codierungssystem angeblich wettbewerbswidrig sei. Dabei
kann es dahinstehen, ob der vom Antragsgegner in diesem
Zusammenhang angeführten Auffassung des Oberlandesgerichts
Stuttgart ( vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 24.11.1997) zu folgen
ist, wonach sich die Codierung unter dem Gesichtspunkt der
Durchsetzung eines nicht schutzwürdigen Vertriebsbindungssystems
selbst unter Berücksichtigung des Umstandes als wettbewerbswidrig
erweist, daß die Antragstellerin die einen Rückschluß auf den
Vertriebsweg des Produkts zulassende Nummernfolge mit der Codierung
der nach § 4 der KosmetikVO vorgegeben Kontrollangaben verbunden
hat (ablehnend: Senatsurteil vom 07.03.1997 - 6 U 117/96 -) . Die
Antragstellerin macht im vorliegenden Verfahren nicht Verstöße
gegen ihr Vertriebsbindungssystem geltend, sondern beruft sich auf
eine Verletzung der an der Marke "Davidoff" geschützten Rechte, die
nach den obigen Ausführungen darin zu erblicken ist, daß der
Antragsgegner mit der Marke gekennzeichnete Produkte vertreibt, die
nicht von der Markeninhaberin oder mit ihrer Zustimmung durch
Dritte im europäischen Wirtschaftraum in den Verkehr gebracht
worden sind. Ungeachtet der Frage, ob die Antragstellerin über ein
geschlossenes und damit schützenswertes Vertriebsbindungssystem
verfügt, kann sie sich zur Begründung ihrer Rechte aus der Mar-
kenverletzung, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
bildet, jedenfalls auf ihr Nummernsystem stützen. Denn dieses
System wird nicht dadurch unzulässig, daß es auch zur Durchsetzung
einer Vertriebsbindung eingesetzt werden könnte, obwohl es
möglicherweise an den rechtlichen Voraussetzungen fehlt.
Liegen nach alledem die Voraussetzungen des vorerwähnten
markenrechtlichen Verletzungstatbestandes des § 14 MarkenG vor,
konnte die Antragstellerin nach Maßgabe von § 19 Abs. 1 und Abs. 3
MarkenG im Verfahren der einstweiligen Verfügung auch die geltend
gemachte Auskunft verlangen.
Der Auskunftsverpflichtung des Antragsgegners betreffend die
Herkunft und den Vertriebsweg der verfahrensbefangenen Duftwässer
stand dabei von vorneherein nicht etwa entgegen, daß es sich bei
den im Wege des Reimports in den EWiR gelangten und sodann dort
vertriebenen Produkten um "Originalware" handelte. Durch die in §
19 Abs. 1 MarkenG aufgenommene Formulierung, wonach der Verletzer
Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der "widerrechtlich
gekennzeichneten Gegenstände" schuldet, soll keine Einschränkung
dahingehend erfolgen, daß nur Markenverletzungen gemeint seien, die
in einer tatsächlichen Kennzeichnung der Ware durch den Verletzer
selbst begründet sind. Vielmehr sind unter "widerrechtlich
gekennzeichneten Gegenständen" alle diejenigen zu verstehen, deren
Vertrieb eine Markenverletzung darstellt ( vgl. Fezer, a.a.O., Rdn.
7 zu § 19 MarkenG ). Es liegt dabei weiter auch - wie in § 19 Abs.
3 MarkenG gefordert - ein Fall der "offensichtlichen
Rechtsverletzung" vor. Eine Rechtsverletzung ist dann
offensichtlich im Sinne der genannten Vorschrift des § 19 Abs. 3
MarkenG, wenn über den für eine Glaubhaftmachung zu verlangenden
Grad hinaus ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine
Rechtverletzung
besteht ( Fezer, a.a.O., Rdn. 19 zu § 19 MarkenG ). Angesichts
des Umstandes, daß die weitgehend sogar unstreitigen Tatsachen aus
den vorstehend dargelegten Gründen den Verletzungs- und
Auskunftstatbestand der §§ 14, 19 Abs. 1 MarkenG ergeben, konnte
hieran im Streitfall kein Zweifel bestehen.
Die geltend gemachte Auskunftsverpflichtung erwies sich weiter
auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil der Antragsgegner
den von der Fa. P., Jersey/Channel Islands erworbenen Duftwässern
angeblich nicht habe "ansehen" können, daß es sich hierbei um
vertragswidrig in den EWiR veräußerte und gelieferte Ware handelte.
Allein der Umstand, daß die Markenverletzung anhand des einzelnen
Duftwassers selbst für den Antragsgegner nicht erkennbar war,
berechtigte ihn nicht, die Produkte unter Verletzung fremder
Markenrechte weiter zu vertreiben. Im Hinblick darauf, daß die
Duftwässer - wie unstreitig ist - nicht von einem seitens der
Antragstellerin autorisierten Händler, sondern auf dem sog. "grauen
Markt" bezogen wurden, oblag es dem Antragsgegner und war es ihm
zumutbar, durch Rückfrage bei seinem Lieferanten oder andere in
Betracht kommende Maßnahmen sicherzustellen, daß die von ihm
vertriebenen Produkte nicht unter Verletzung der vorliegend
betroffenen Markenrechte auf den Markt gebracht worden sind. Das
gilt ungeachtet der Frage, ob das Vertriebsbindungssystem der
Antragstellerin als solches rechtlichen Schutz genießt. Denn dem
Antragsgegner wird durch die im vorliegenden Verfahren geltend
gemachten Ansprüche nicht generell das Recht bestritten, auf dem
grauen Markt Ware zu beziehen. Gegenstand der im vorliegenden
Verfahren anhängig gemachten Ansprüche war lediglich die
Beanstandung des Vertriebs von Waren durch den Antragsgegner, die
vorher nicht von der Antragstellerin oder einer mit ihr
konzernverbundenen Gesell-
schaft im europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebrbacht
worden sind.
Die Unverhältnismäßigkeit des Auskunftsverlangens ergab sich
schließlich auch nicht etwa daraus, daß die Antragstellerin im
Hinblick auf die von ihr unschwer zu decodierende Nummernkennung
auf dem Duftwasser ohne weiteres selbst die Herkunft und den
Vertriebsweg des Produkts entschlüsseln könne. Dies mag allenfalls
für die Nachvollziehbarkeit des Weges der Produkte zu der in
Taipeh/Taiwan ansässigen Fa. F.F. & Cosmetics Inc. gelten. Eine
Information über die hier aber interessierenden weiteren Stationen
des Vertriebs der Duftwässer bis hin zum Antragsgegner konnte die
Antragstellerin der auf dem Produkt angebrachten Codierung jedoch
gerade nicht entnehmen.
Beschwerdewert: Summe der gerichtlichen und außergerichtlichen
Kosten des ersten Instanz.
OLG Köln:
Beschluss v. 28.10.1998
Az: 6 W 15/98
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