Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 6. September 1995
Aktenzeichen: 6 U 53/95
(OLG Köln: Urteil v. 06.09.1995, Az.: 6 U 53/95)
Oberlandesgericht Köln, 6. Zivilsenat, Urteil vom 06.09.1995 - 6 U 53/95 -. Das Urteil ist rechtskräftig. Kurkumin UWG § 1, LMBG § 47a Abs. 4; KäseVO §§ 3 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 3; Zusatzstoff-ZulassungsVO § 6 Abs. 1; Richtlinie 79/112/EG Art. 6; Richtlinie 94/36/EG 1. Eine in Frankreich hergestellte Frischkäsezubereitung, die den in Deutschland z.Zt. nicht zugelassenen Farbstoff Kurkumin enthält, ist auch bei Vorliegen einer freistellenden Allgemeinverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit gem. § 47a LMBG in Deutschland nur verkehrsfähig, wenn die KurkuminZugabe, die die innerstaatlichen (deutschen) lebensmittelrechtlichen Vorschriften verbieten, angemessen kenntlich gemacht wird. Dazu genügt nicht die bloße Angabe ,Kurkumin" in der Zutatenliste auf dem Verkaufsbehältnis. Eine derartige Kennzeichnung entspricht darüber hinaus auch nicht den Anforderungen gem. Art. 6 der Kennzeichnungsrichtlinie 79/112/EG. 2. § 47 a LMBG trägt der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30, 36 EGV Rechnung. 3. Eine noch nicht in nationales Recht umgesetzte EG-Richtlinie entfaltet vor Ablauf der in ihr vorgeschriebenen Umsetzungsfrist im Inland weder unmittelbare noch mittelbare Wirkungen.
Gründe
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig.
Der Senat sieht es aufgrund der Erläuterungen des
erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin im
Termin vom 9. August 1995 als hinreichend glaubhaft gemacht an, daß
das angefochtene Urteil des Landgerichts Köln nicht vor dem 13.
März 1995 in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten eingegangen
ist. Die von der Antragsgegnerin am 11. April 1995 eingelegte
Berufung ist damit fristgerecht gemäß § 516 ZPO.
Die Berufung der Antragsgegnerin ist jedoch unbegründet.
Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß § 1 UWG
i.V.m. § 47 a Abs. 4 LMBG Unterlassung verlangen, wie aus dem
Urteilstenor ersichtlich.
Bei dem Produkt O.L.L. der Gegnerin handelt es sich unstreitig
um eine Frischkäsezubereitung i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 KäseVO.
Dieses Produkt darf deshalb nach derzeit geltendem nationalen Recht
(§§ 3 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 3 KäseVO i.V.m. § 6 Abs. 1
Zusatzstoff-ZulassungsVO und Anlage 6 Liste A Nr. 6 der
Zusatzstoff-ZulassungsVO) entgegen seiner jetzigen Zusammensetzung
nicht den Farbstoff Kurkumin enthalten.
Die in Deutschland noch nicht umgesetzte EG-Richtlinie 94/36 vom
30. Juni 1994 über Farbstoffe, die in Lebensmittel verwendet werden
dürfen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob diese Richtlinie, wie die Antragsgegnerin meint,
hinreichend konkretisiert ist und deshalb auch ohne Transformation
ggfls. unmittelbar einklagbare Rechte des einzelnen Bürgers
begründen kann. Die Richtlinie wendet sich gemäß Art. 11
ausdrücklich an die Mitgliedstaaten, wobei die in Art. 9 bestimmte
Frist zur Umsetzung der Richtlinie (31. Dezember 1995) noch nicht
abgelaufen ist. Erst nach Verstreichen der Umsetzungsfrist kann
sich aber die Frage nach einer eventuell auch ohne Umsetzung
unmittelbaren Wirkung dieser Richtlinie stellen, wie bereits vom
Landgericht zutreffend dargelegt, auf dessen Ausführungen insoweit
gemäß § 543 Abs. 2 ZPO Bezug genommen wird. Aus der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs folgt nichts anderes; auch die
Antragsgegnerin vermochte keine Entscheidung des EuGH anzuführen,
die ihre Ansicht von einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinien
vor Ablauf der Umsetzungsfrist stützen könnte.
Das unstreitig in Frankreich hergestellte Produkt der
Antragsgegnerin wäre jedoch trotz seines Kurkumingehalts in der
beanstandeten Verpackung in der Bundesrepublik bereits jetzt
verkehrsfähig, wenn § 47 a LMBG zu Gunsten der Antragsgegnerin
eingreift, nachdem auf Antrag der Antragsgegnerin am 14. Juli 1995
eine Allgemeinverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit gemäß
§ 47 a LMBG mit folgendem Inhalt ergangen ist:
,Käsezubereitungen aus Frischkäse, die in einem anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem anderen
Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
rechtmäßig hergestellt und rechtmäßig in den Verkehr gebracht
werden oder die aus einem Drittland stammen und sich in einem
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem anderen
Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
rechtmäßig im Verkehr befinden und denen der in der Bundesrepublik
Deutschland nicht zugelassene Zusatzstoff Kurkumin (E 100) in einer
Menge von höchstens 150 mg/kg zugesetzt wurde, dürfen in die
Bundesrepublik Deutschland verbracht werden.
Nach § 47 a des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes
sind bei Lebensmitteln, die von den Vorschriften des Lebensmittel-
und Bedarfsgegenständegesetzes oder den aufgrund dieses Gesetzes
erlassenen Rechtsverordnungen abweichen, diese Abweichungen
angemessen kenntlich zu machen, soweit dies zum Schutze des
Verbrauchers erforderlich ist. Mit dieser Allgemeinverfügung wird
nicht über die Zulässigkeit der Verkehrsbezeichnung der Produkte
entschieden, insoweit empfiehlt sich eine Abstimmung mit den
zuständigen Landesbehörden."
Wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 9.
August 1995 von der Antragstellerin unbestritten behauptet hat, ist
diese Allgemeinverfügung am 2. August 1995 im Bundesanzeiger
bekannt gemacht worden.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Produkt O.L.L. der
Antragsgegnerin den in Absatz 1 der oben angeführten
Allgemeinverfügung entspricht, nachdem sich die Antragstellerin
nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand der letzten mündlichen
Verhandlung vom 9. August 1995 nur noch gegen die Art und Weise der
Kenntlichmachung des in dem Produkt O.L.L. enthaltenen Farbstoff
Kurkumin auf der im Urteilstenor wiedergegebenen Produktverpackung
wendet. Diese Kenntlichmachung beanstandet jedoch die
Antragstellerin zu Recht als nicht ausreichend, denn sie genügt
nicht den Anforderungen des § 47 a Abs. 3 LMBG.
Nach § 47 a Abs. 4 LMBG (der auch in Abs. 2 der
Allgemeinenverfügung des Bundesgesundheitsministeriums vom 14. Juli
1995 angesprochen wird) sind bei Lebensmitteln, die von den
Vorschriften des LMBG oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen
Rechtsverordnungen abweichen, diese Abweichungen angemessen
kenntlich zu machen, soweit dies zum Schutz des Verbrauchers
erforderlich ist. Im Streitfall weicht das Produkt O.L.L. der
Antragsgegnerin wegen seines Kurkumingehalts von dem auf der
Grundlage des LMBG erlassenen § 23 Abs. 1 KäseVO ab (vgl. dazu
Zipfel, Lebensmittelrecht, § 23 KäseVO Rdnr. 18). Diese Abweichung
ist auch gemäß § 47 a Abs. 4 LMBG zum Schutze des Verbrauchers als
eine für die Kaufentscheidung des Verbrauchers relevante Abweichung
(Zipfel a.a.O., § 47 a LMBG, Rdnr. 34) kenntlich zu machen.
Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, daß der Farbstoff
Kurkumin zu den Lebensmittel-Zusatzstoffen gehört, die nach
nationalem Recht (§ 3 Abs. 1 Ziff. 3 LMKV i.V.m. § 6 LMKV, §§ 6 u.
8 Zusatzstoff-ZulassungsVO) und nach europäischem
Gemeinschaftsrecht (Art. 6 der Kennzeichnungsrichtlinie 79/112/EWG
vom 18. Dezember 1978, ABl. L 33/1) jeweils kenntlich zu machen
sind, soweit für ein Lebensmittel zugelassen. Es handelt sich
hierbei um Vorschriften, die gerade dem Schutz des Verbrauchers
dienen, indem sie ihn zum Zwecke des vorbeugenden
Gesundheitsschutzes (vgl. Zipfel a.a.O. § 11 LMBG Rdnr. 58) sowie
zur Sicherstellung der Transparenz der angebotenen Produkte durch
genaue Unterrichtung über die verschiedenen Zutaten eines
Lebensmittels in die Lage versetzen sollen, seine Wahl unter den
einzelnen Produkten in Kenntnis der Zusammensetzung der
Lebensmittel zu treffen (vgl. dazu auch die sechste
Begründungserwägung der Richtlinie 79/112/EWG und die zweite
Begründungserwägung der Richtlnie 89/395/EWG vom 14. Juni 1989,
ABl. L 186/17 sowie die zweite Begründungserwägung der
Farbstoffrichtlinie 94/36/EG; vgl. zudem EuGH Urteil vom 14. Juli
1994, Rechtssache C-17/93 ,J.J.J.van der Veldt", Slg 1994/3553 f.,
3563).
Unabhängig von dieser Entscheidung des Gesetzgebers zur
Erforderlichkeit der Kenntlichmachung von Farbstoffen wie Kurkumin
in Lebensmitteln besteht zudem wegen der in den letzten Jahren
immer häufiger auftretenden LebensmittelAllergien ein gesteigertes
Interesse des Verbrauchers an einer Unterrichtung über das
Vorhandensein von Lebensmittelzusätzen, wobei sich dieses Interesse
des Verbrauchers darin widerspiegelt, daß vermehrt Lebensmittel
angeboten werden, die gerade mit dem Fehlen etwaiger Zusatzstoffe
werben.
Hinzu kommt schließlich noch, daß die bislang auf dem deutschen
Markt angebotenen Frischkäsezubereitungen kein Kurkumin enthielten
und - soweit es nicht um solche Produkte geht, die von der o.a.
Allgemeinverfügung des Bundesgesundheitsministeriums vom 14. Juli
1995 erfaßt werden -auch derzeit nicht enthalten, so daß der
deutsche Verbraucher auch aus diesem Grund über die Abweichung des
Produkts Oh LA-LA durch seinen Kurkumin-Gehalt von den ihm
vertrauten Käsezubereitungen unterrichtet werden muß.
Die Notwendigkeit der Kenntlichmachung der
streitgegenständlichen Abweichung des Produkts O.L.L. zum Schutz
des Verbrauchers ist somit - auch bei Berücksichtigung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu Zipfel a.a.O., § 47
a LMBG Rdnr. 34) - ohne weiteres zu bejahen. Offensichtlich
entspricht dies ebenfalls dem Verständnis der Antragsgegnerin, die
den Farbstoff Kurkumin in der Zutatenliste der angegriffenen
Produktausstattung mit der Angabe ,Kurkumin" ausweist und für sich
in Anspruch nimmt, den Verbraucher damit ausreichend und im
Einklang mit den Kennzeichnungsvorschriften zu informieren.
Von einer derartigen ausreichenden Unterrichtung des
Verbrauchers kann aber keine Rede sein. § 47 a Abs. 4 LMBG
verlangt, daß die Abweichung angemessen kenntlich zu machen ist.
Der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30, 36 EWGV, die Grundlage für
die Formulierung des § 47 a Abs. 34 LMBG war (vgl. die amtliche
Begründung zu § 47 a Abs. 4 LMBG, abgedruckt in Zipfel,
Lebensmittelrecht, § 47 a LMBG Rdnr. 8) und der deshalb bei der
Auslegung de § 47 a Abs. 4 LMBG besondere Bedeutung zukommt, läßt
sich hierzu entnehmen, daß die Kenntlichmachung unter Wahrung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der dabei vorzunehmenden
Abwägung zwischen den Zielen der Gemeinschaft einerseits und dem
Verbraucherschutz andererseits zum einen ausreichend sein muß, um
die notwendige Aufklärung des Verbrauchers zu gewährleisten, sie
aber auf der anderen Seite keine übersteigerten Anforderungen
stellen darf, dabei insbesondere auch keine negativen
Einschätzungen für das Produkt zur Folge haben darf (vgl. Zipfel
a.a.O. § 47 a LMBG; EuGH Urteil vom 12. März 1987, Rechtssache
178/94 ,Reinheitsgebot für Bier" Slg 1987/1262, 1271; Zipfel:
Deutsches Lebensmittelrecht in der Europäischen Gemeinschaft, EFLR
1992/179, 195 ff. m.w.N.). Wie im Streitfall die Kenntlichmachung
der Abweichung konkret vorzunehmen ist, ob zum Beispiel auf den in
dem Produkt O.L.L. enthaltenen Farbstoff Kurkumin schon auf der
Deckelfolie hingewiesen werden muß, wie die Antragstellerin geltend
macht, oder ob eine Angabe in der Zutatenliste, wie die
Antragsgegnerin meint, geht aus der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs allerdings nicht hervor (vgl. dazu auch Zipfel:
Deutsches Lebensmittelrecht in der Europäischen Gemeinschaft, EFLR
1992/179, 195 ff.).
Es bedarf jedoch keiner Entscheidung, wie im einzelnen bei dem
Produkt der Antragsgegnerin der Gehalt von Kurkumin auszuweisen
ist, denn die beanstandete Kenntlichmachung ist selbst dann nicht
,angemessen" gemäß § 47 a Abs. 4 LMBG, wenn man der Ansicht der
Antragsgegnerin folgt und einen Hinweis auf die Abweichung in der
Zutatenliste der in Rede stehenden Fertigpackung O.L.L. als
ausreichend ansieht. Als ,Mindestanforderung" für eine angemessene
Kenntlichmachung ist jedenfalls zu verlangen, daß der in dem
Produkt der Antragsgegnerin enthaltene Farbstoff Kurkumin zumindest
in der Art und Weise ausgewiesen wird, wie dies nach nationalem
Recht und nach europäischem Gemeinschaftsrecht für die
Kenntlichmachung von zugelassenen Farbstoffen als
Lebensmittelzusätzen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 LMKV i.V.m. § 6 LMKV
und § 8 Zusatzstoff-ZulassungsVO im Einklang mit Art. 6 der
Kennzeichnungsrichtlinie 79/112/EG gefordert wird, um den
Verbraucher entsprechend dem bereits angeführten Sinn und Zweck
dieser Kennzeichnungsvorschriften möglichst genau über den
Zusatzstoff zu informieren. Danach wäre zwar ein Hinweis auf
Kurkumin gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 i.V.m. S. 4
Zusatzstoff-ZulassungsVO in der Zutatenliste der Fertigpackung
O.L.L. ausreichend. Der Angabe ,Kurkumin" müßte dann jedoch gemäß §
6 Abs. 3 Abs. 4 Ziff. 2 LMKV der Klassenname der Zutat
(,Farbstoff") vorangestellt werden; erst dann wird auch derjenige
Verbraucher, dem zum Beispiel der Hinweis ,Kurkumin" nichts sagt,
in die Lage versetzt, diesen Zusatzstoff mit der vom Gesetzgeber
verlangten Genauigkeit einzuordnen. Die entsprechende Forderung für
die Kenntlichmachung nach Gemeinschaftsrecht ergibt sich aus Art. 6
Abs. 5 Ziff. b) Beistrich 2 i.V.m. Anhang II der Richtlinie
79/112/EG (in Verbindung mit der Richtlinie 89/395/EWG).
Erfüllt somit die angegriffene Kenntlichmachung noch nicht
einmal die aufgezeigte ,Mindestanforderung", ist sie bereits aus
diesem Grund nicht angemessen im Sinne von § 47 a Abs. 4 LMBG,
wobei die vorstehenden Erwägungen auch belegen, daß mit dieser
Beurteilung keine im Sinne der Rechtsprechung des EuGH
unverhältnismäßigen Anforderungen an die Kenntlichmachung der
Abweichung gestellt werden.
Dieser Verstoß gegen § 47 a Abs. 4 LMBG begründet zugleich die
Unlauterkeit der beanstandeten Wettbewerbshandlung der
Antragsgegnerin gemäß § 1 UWG. § 47 a Abs. 4 LMBG dient, worauf
auch im Gesetzestext ausdrücklich hingewiesen wird, gerade dem
Schutz des Verbrauchers vor Irreführung und Täuschung durch die
Forderung der Kenntlichmachung für den Verbraucher relevanter
Abweichungen. Die Vorschrift des § 47 a Abs. 4 LMBG stellt damit
ebenso wie §§ 3 LMKV, 1, 14, 23 KäseVO (vgl. dazu Zipfel a.a.O.
Vorbem. LMKV Rdnr. 11, § 14 KäseVO Rdnr. 7 sowie Beschluß des
Senats vom 13.4.1994 - 6 U 129/92 -) eine sogenannte wertbezogene
Norm dar, deren Verletzung auch ohne Hinzutreten weiterer
Erfordernisse einen Verstoß gegen die guten Sitten des Wettbewerbs
i.S.v. § 1 UWG begründet (vgl. Baumbach-Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 614, 621).
Art. 30 EWGV steht dem danach aus § 1 UWG i.V.m. § 47 a Abs. 4
LMBG erfolgreichen Unterlassungsverlangen der Antragstellerin nicht
entgegen. Hierbei kann dahinstehen, ob das in Rede stehende
Unterlassungsgebot überhaupt eine Maßnahme gleicher Wirkung wie
eine Einfuhrbeschränkung i.S.v. Art. 30 EWGV im Streitfall
darstellt, nachdem die beanstandete Produktausstattung ersichtlich
ausschließlich für den deutschen Markt konzipiert ist, mag auch das
Produkt in Frankreich in die streitgegenständliche Verpackung
eingefüllt werden. Diese Maßnahme ist jedenfalls gemäß Art. 36 EWGV
gerechtfertigt. § 47 a LMBG, insbesondere auch § 47 a Abs. 4 LMBG,
trägt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 30,
36 EWGV Rechnung, wonach das Gemeinschaftsrecht bis zu der (zur
Zeit noch nicht erreichten) vollständigen Harmonisierung der
Vorschriften über die Zulässigkeit von Lebensmittelzusatzstoffen
einen Mitgliedsstaat nicht hindert, das Inverkehrbringen von aus
anderen Mitgliedsstaaten stammenden Lebensmitteln, denen derartige
Stoffe zugesetzt sind, gemäß Art. 36 S. 1 EWGV aus den Gründen des
vorbeugenden Gesundheitsschutzes zu verbieten, daß jedoch der dem
Art. 36 S. 2 EWGV zugrundeliegende Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit eine Beschränkung des Verbots auf das Maß
dessen verlange, was zur Erreichung der rechtmäßig verfolgten Ziele
des Gesundheitsschutzes erforderlich sei und deshalb das
Inverkehrbringen dieser Erzeugnisse in einem für die
Wirtschaftsteilnehmer leicht zugänglichen Verfahren, wobei die
mögliche Zulassung Gegenstand eines Rechtsakts von allgemeiner
Wirkung sein müsse, zu genehmigen, wenn sich dies mit den genannten
Zielen vereinbaren lasse (vgl. EuGH Rechtssache 74/329 - Muller -
NJW 1987/1136, 1138; EuGH Rechtssache 178/84 ,Reinheitsgebot für
Bier" Slg. 1987/1227, 1274 m.w.N.; vgl. zudem Mitteilung der
Kommission über den freien Verkehr mit Lebensmitteln innerhalb der
Gesellschaft - 89/C 271/03 - vom 24.10.1989). Nach der ständigen
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (z.B. Rechtssache
178/84 ,Reinheitsgebot für Bier" Slg. 1987/1227, 1271) kann dabei
für Lebensmittel aus anderen Mitgliedsstaaten, die von den im
Empfangsland geltenden Anforderungen abweichen, eine angemessene
Kenntlichmachung der Abweichungen gefordert werden, wenn dies zum
Schutz des Verbrauchers notwendig ist. Schließlich genügt die
beanstandete Kennzeichnung des Farbstoffs Kurkumin auf der
Produktverpackung ,O.L.L.", wie bereits erörtert, nicht den
Anforderungen des Art. 6 der Kennzeichnungsrichtlinie 79/112/EWG,
die in ihrer sechsten Begründungserwägung gerade betont, daß jede
Regelung über die Etikettierung von Lebensmitteln vor allem der
Unterrichtung und dem Schutz des Verbrauchers dienen soll, d.h. daß
der Verbraucher die Möglichkeit haben muß, alle verschiedenen
Zutaten eines Lebensmittels, die verwendet wurden, genau zu kennen
(EuGH Rechtssache C - 17/93 ,J.J.J. van der Veldt Slg. 1994/3553,
3563). Erst zusammen mit dem Klassennamen ,Farbstoff" wird jedoch
der Verbraucher zusammen mit dem Hinweis ,Kurkumin" mit der
gebotenen Genauigkeit über die in dem Produkt ,O.L.L." enthaltene
Lebensmittelzutat unterrichtet.
Danach kann kein Zweifel sein, daß das von der Antragstellerin
angestrebte Unterlassungsgebot gemäß Art. 36 S. 1 EWGV aus den
zwingenden Gründen des Verbraucherschutzes erforderlich ist, ohne
daß dem Art. 36 S. 2 EWGV entgegensteht.
Eine Begrenzung des Unterlassungsgebots für die Zeit bis zum 31.
Dezember 1995 kam entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht in
Betracht. Dies gilt schon deshalb, weil die beanstandete
Kenntlichmachung des in dem Produkt der Antragsgegnerin enthaltenen
Farbstoffs Kurkumin aus den angeführten Gründen selbst bei einer
Zulassung von Kurkumin für Frischkäsezubereitungen in Deutschland
nach dieser Zeit aus den angeführten Gründen nicht ausreichend
wäre. Die am 31. Dezember 1995 ablaufende Frist für die Umsetzung
der EG-Farbstoff-Richtlinie 94/36 ist somit ohne Bedeutung für das
in Rede stehende Unterlassungsgebot, denn die Frage der
Kennzeichnung der Farbstoffe wird in dieser Richtlinie nicht
geregelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 a Abs. 1
ZPO.
Eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO zugunsten der Antragsgegnerin
kam nicht in Betracht. Zwar hat die Antragstellerin erstmals mit
der Berufungserwiderung die nicht ausreichende Kennzeichnung von
Kurkumin auf der Produktverpackung beanstandet. Dies geschah jedoch
vor dem Hintergrund, daß die Antragsgegnerin erst in der
Berufungsinstanz die Allgemeinverfügung des
Bundesgesundheitsministers gemäß § 47 a Abs. 2 LMBG erwirkt hat und
die Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt zu Recht u.a. der
Ansicht war, die Frischkäsezubereitung ,O.L.L." der Antragsgegnerin
sei schon wegen ihres Kurkumingehalts in Deutschland gemäß § 47
Abs. 1 LMBG i.V.m. §§ 1, 23 KäseVO, 11 Abs. 1 Nr. 2 LMBG sowie § 1
UWG in Deutschland nicht einfuhr- und verkehrsfähig. Auf § 47 a
Abs. 1 S. 1 LMBG konnte sich die Antragsgegnerin zu diesem
Zeitpunkt wegen § 47 a Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 LMBG nicht mit Erfolg
berufen, denn das Produkt O.L.L. entspricht wegen des in ihm
enthaltenen Farbstoffs Kurkumin nicht den Vorschriften über die
zulässige Zusammensetzung einer Frischkäsezubereitung, wobei es aus
den bereits angeführten Gründen dabei um eine Abweichung der
Zusammensetzung des Produkts von Rechtsvorschriften geht, die im
Sinne von § 47 a Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 LMBG den Gründen des
vorbeugenden Gesundheitsschutzes dienen. Art. 30 EWGV gebot
entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin keine andere Beurteilung,
und zwar selbst dann nicht, wenn zugunsten der Antragsgegnerin
davon ausgegangen wird, daß das Produkt O.L.L. in Frankreich
rechtmäßig mit Kurkumin hergestellt und in den Verkehr gebracht
worden ist. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen
hingewiesen, wonach § 47 a LMBG auch hinsichtlich des dort
genannten Erfordernisse der Erwirkung einer Allgemeinverfügung,
soweit es um Lebensmittelabweichungen i.S.v. § 47 a Abs. 1 S. 2
Ziff. 2 LMBG geht, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
zu Art. 30, 36 EWGV entspricht. Die Antragstellerin begehrte damit
zumindest bis zu der erst am 14. Juli 1995 erlassenen und am 2.
August 1995 bekanntgemachten Allgemeinverfügung des
Bundesministeriums für Gesundheit von der Antragsgegnerin zu Recht,
daß diese es unterläßt, das Produkt O.L.L. (ungeachtet der
Etikettierung der Produktverpackung) in Deutschland in den Verkehr
zu bringen.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in erster Instanz zu der
Frage der Verkehrsbezeichnung des Produkts O.L.L. übereinstimmend
in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren die Kosten
gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO aus den zutreffenden Erwägungen der
angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit der Verkündung
rechtskräftig.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Antragsgegnerin vom
03.09.1995 (eingegangen am Nachmittag des 05.09.1995) haben
vorgelegen.
11 - -
OLG Köln:
Urteil v. 06.09.1995
Az: 6 U 53/95
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