Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 204/02
(BPatG: Beschluss v. 07.04.2004, Az.: 26 W (pat) 204/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 07. August 2002 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 300 38 697 angeordnet worden ist.
Der Widerspruch aus der Marke 2 099 396 wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der ua für die Waren "Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Saucen, Gewürze (Würzmittel)" bestimmten Marke 300 38 697 ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 2 099 396
"Reiter"
die für die Waren und Dienstleistungen
"Fleisch- und Wurstwaren, Fleischextrakte, Fleisch- und Wurstkonserven, Fleischbrühe in Dosen und Würfeln; Fleischkonserven mit Gemüsebeilagen; Suppenextrakte, Suppenwürfel, Suppenpasten in Dosen und Würfeln, Fertiggerichte, bestehend aus Fleisch, Fleischgelees (Sülzen), Fleischpasteten, Wurst, Bouillon, Kartoffeln, Gemüsen, Hülsenfrüchten, Teigwaren, Reis, Grieß, sämtliche vorgenannten Waren auch als Tiefkühlkost, Fleisch-, Schinken-, Wurst-, Wild-, Geflügel- und Fischsalate, Kartoffelsalat; Verpflegung von Gästen an Imbissständen, Verpflegung von Personen in Form eines Bringdienstes, Partyservice"
eingetragen ist. Der Widerspruch richtet sich nur gegen die genannten Waren der angegriffenen Marke.
Die Markenstelle hat die Löschung der angegriffenen Marke in dem beantragten Umfang angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen dieser und der Widerspruchsmarke, deren Benutzung für die Waren "Fleisch- und Wurstwaren, Fleisch- und Wurstkonserven, Fleischkonserven mit Gemüsebeilagen" glaubhaft gemacht worden sei, bestehe eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer gedanklichen Verbindung. Die Widerspruchsmarke bezeichne eine Person, die reite. Angesichts des fehlenden Bezugs zu den maßgeblichen Waren werde sie überwiegend als Eigenname verstanden werden. Das in der angegriffenen Marke enthaltene Wort "Spitzenreiter" bezeichne eine Person oder Sache in einer Spitzenposition und sei in dieser Bedeutung zur Bezeichnung von Wareneigenschaften geeignet. Da der Begriff "Reiter" in dem Wort "Spitzenreiter" aber noch gut erkennbar sei, entstehe für den Verkehr der Eindruck, dass es sich bei einem mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Produkt um ein Spitzenerzeugnis innerhalb der Produktpalette der Firma "Reiter" handele. Angesichts der Identität bzw Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren bestehe eine erhebliche Verwechslungsgefahr.
Hiergegen wendet sich die Inhaberin der angegriffenen Marke mit der Beschwerde, die sie nicht begründet hat. Sie beantragt sinngemäß die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Widerspruchs.
Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt.
II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH aaO - Canon).
Hiervon ausgehend bedarf es angesichts der teilweisen Identität und teilweisen großen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren zwar eines deutlichen Abstandes der Marken. Dieser wird von der angegriffenen Marke jedoch in jeder Richtung eingehalten, selbst wenn zugunsten der Widersprechenden von einer durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen wird.
In klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die Widerspruchsmarke und das in der angegriffenen Marke enthaltene Wort "SPITZENREITER" schon aufgrund ihrer deutlich unterschiedlichen Wortlänge so erheblich voneinander, dass Verwechslungen in diesen Richtungen ausgeschlossen sind. Zu einem sicheren Auseinanderhalten trägt zudem der unterschiedliche Begriffsinhalt beider Markenwörter bei.
Auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer gedanklichen Verbindung der Marken besteht entgegen der von der Markestelle vertretenen Ansicht nicht. Der mit der angegriffenen Marke konfrontierte Verkehr wird den in ihr enthaltenen Begriff "SPITZENREITER" sofort und ohne weiteres Nachdenken in dem allgemein bekannten und gebräuchlichen Sinne, also als Bezeichnung einer Person oder Sache, die eine Spitzenposition innehat, verstehen. Demgegenüber bedürfte es für das von der Widersprechenden und der Markenstelle in den Raum gestellte Verständnis des Wortes "SPITZENREITER" als Hinweis auf ein Spitzenprodukt der Fa. Reiter oder auf ein besonders hochwertiges Produkt der unter der Marke "Reiter" vertriebenen Waren einer gedanklichen Analyse des Begriffs "SPITZENREITER" unter Vernachlässigung seiner vorrangigen, allgemein bekannten eigenständigen Bedeutung. Eine solche gedankliche Analyse nimmt der Verkehr bei einer ihm begegnenden Marke erfahrungsgemäß aber nicht vor, sondern er nimmt eine Marke regelmäßig so auf, wie sie ihm entgegentritt (BGH GRUR 1995, 269, 270 - U-KEY; GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Die angesprochenen Verkehrskreise werden die angegriffene Marke selbst dann nicht mit der Widerspruchsmarke in Verbindung bringen, wenn sie wissen sollten, dass es sich bei dieser Marke zugleich um die Firma der Widersprechenden handelt; denn zur Kennzeichnung eines Spitzenprodukts aus einem bestimmten Unternehmen ist die Voranstellung des Begriffs "SPITZEN" vor die Firma (wie zB "Spitzenkarstadt, "Spitzenkaufhof" oä) sowohl in der Alltags- als auch in der Werbesprache unüblich.
Da der Widerspruch schon wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken keinen Erfolg haben kann, kann die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke dahingestellt bleiben.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht kein Anlass.
Albert Eder Reker Wf
BPatG:
Beschluss v. 07.04.2004
Az: 26 W (pat) 204/02
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