Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. August 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 14/04
(BPatG: Beschluss v. 06.08.2007, Az.: 19 W (pat) 14/04)
Tenor
Der Beschluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. Dezember 2003 wird aufgehoben.
Das Patent 42 24 569 wird widerrufen.
Gründe
I Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 52 - hat das auf die am 24. Juli 1992 eingegangene Anmeldung, für welche die Priorität der Patentanmeldung vom 24. Juli 1991 in Japan (184 705/91) in Anspruch genommen ist, erteilte Patent 42 24 569 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zum Messen von Ebenheit und Walz-Steuervorrichtung" im Einspruchsverfahren durch Beschluss vom 4. Dezember 2003 aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Messen einer Ebenheit eines gewalzten Streifens, das folgende Schritte aufweist:
Fortbewegen eines gewalzten Streifens (40), der sich von einem Walzstand (2) nach außen erstreckt, auf Rolltischwalzen (5,6,7) mit Hilfe einer Antriebswalze (4);
Bewegen eines Ebenheitsstabes (3) von einer unteren Position an eine relativ zu einer Überführungslinie obere Position, wobei der Ebenheitsstab (3) zwischen dem Walzstand (2) und der Antriebswalze (4) vorgesehen ist; und Messen von Ebenheitswerten an einer Vielzahl von Punkten in der Breitenrichtung des gewalzten Streifens unter Verwendung des Ebenheitsstabes (3) auf der Grundlage von Spannungen, dadurch gekennzeichnet, dassder gewalzten Streifen mittels der Antriebswalze an einer Position nach unten bewegt wird, die stromaufwärts zu der zu dem Walzstand benachbarten Rolltischwalze liegt."
Beim Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2 ist jeweils folgendes Merkmal angefügt: ", ohne Klemmen des gewalzten Streifens."
Hinsichtlich der Fassung des nebengeordneten Patentanspruchs 3 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 wird auf die Akten verwiesen.
Es soll die Aufgabe gelöst werden, ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Messen der Ebenheit eines gewalzten Streifens derart zu verbessern, dass die Länge eines Kopfabschnitts des gewalzten Streifens mit schlechter Ebenheitsgenauigkeit so kurz wie möglich ist (S. 2, Z. 43 bis 45 der geltenden Beschreibung).
Die Einsprechende ist der Ansicht, dass das Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag je nach Interpretation des letzten Merkmals aus der deutschen Patentschrift 37 21 746 bekannt sei bzw. sich für den zuständigen Fachmann unter Anwendung seines allgemeinen Fachwissens in naheliegender Weise ergebe. Hinsichtlich des hinzugefügten Merkmals im Anspruch 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2 hat sie Bedenken im Hinblick auf die ursprüngliche Offenbarung.
Die Einsprechende stellt den Antrag, den Beschluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. Dezember 2003 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
Patentansprüche 1 bis 4 sowie geänderte Beschreibung Seite 2, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2007, übrige Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Hilfsweise:
Patentansprüche 1 bis 4 nach Hilfsantrag 1 sowie geänderte Beschreibung Seite 2, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2007, übrige Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Hilfsweise:
Patentansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2007, mit noch anzupassender Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Die Patentinhaberin ist der Ansicht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Haupt- bzw. Hilfsantrag 1 und 2 sei gegenüber dem Stand der Technik neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. Das hinzugefügte Merkmal im Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2 ergebe sich für den Fachmann aus der mit den ursprünglichen Unterlagen übereinstimmenden Figur 4.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerdeführerin ist beschwerdeberechtigt im Sinne von § 74 Abs. 1 PatG.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Beschwerdeführerin mit geänderter Firmenbezeichnung Gesamtrechtsnachfolgerin der Fa. S... AG wurde.
Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2007 vorgelegten Ablichtung des Handelsregisterauszugs vom 22. September 2000 wurde die Firmenbezeichnung der S... AG mit Wirkung zum 2. Septem- ber 1999 wegen der Fusion mit dem Geschäftsbereich Metallurgie der M... AG in S1... AG geändert (vgl. Nr. 45 und 46).
Damit ist die Beschwerdeführerin Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglich einsprechenden S... AG geworden. Zwar wurde dieser Um- stand von der Beschwerdeführerin entgegen der gerichtlichen Verfügung vom 23. Juli 2007 nicht mit einem beglaubigten Auszug aus dem Handelsregister belegt, auf Grund der ergänzend von der Beschwerdeführerin vorgelegten - mit einer Originalunterschrift versehenen - Erklärung des Notars Z... in D... vom 11. Oktober 2002 - dort Ziffern 1, 3 und 4 -, welche die Gesamt- rechtsnachfolge ebenfalls inhaltlich bestätigt, sieht der Senat den Nachweis für die Gesamtrechtsrechtsnachfolge durch die Beschwerdeführerin jedoch als erbracht an, zumal keine Anhaltspunkte von der Beschwerdegegnerin vorgetragen wurden, die Zweifel hieran begründen könnten.
Die Beschwerde hat Erfolg, da das Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 und 2 nicht patentfähig ist.
Als zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulabschluss und Erfahrungen in der Konstruktion von Warmwalzwerken und dem Einsatz der entsprechenden Mess- und Steuerungstechnik anzusehen.
1. Patentanspruch 1 nach Hauptantrag Aus der deutschen Patentschrift 37 21 746 ist in Übereinstimmung mit dem Verfahren des Patentanspruchs 1 ein Verfahren zum Messen einer Ebenheit eines gewalzten Streifens 10 bekannt (Sp. 1 Z. 3 bis 8), das folgende Schritte aufweist:
- Fortbewegen eines gewalzten Streifens 10, der sich von einem Walzstand 1 nach außen erstreckt, auf Rolltischwalzen (Rollgang 6) mit Hilfe einer Antriebswalze 3 (Sp. 2 Z. 42 bis 47, 50 bis 56);
- Bewegen eines Ebenheitsstabes (Zugmessrolle 2) von einer unteren Position an eine relativ zu einer Überführungslinie obere Position, wobei der Ebenheitsstab 2 zwischen dem Walzstand 1 und der Antriebswalze 3 vorgesehen ist (Sp. 2 Z. 48 bis 50),
- Messen von Ebenheitswerten an einer Vielzahl von Punkten in der Breitenrichtung des gewalzten Streifens unter Verwendung des Ebenheitsstabes 2 auf der Grundlage von Spannungen (Sp. 2 Z. 14 bis 19).
Unter dem kennzeichnenden Merkmal des Patentanspruchs 1 versteht der Fachmann nicht nur den im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 gezeigten Fall, sondern - wie die Einsprechende ausgeführt hat - auch den Fall, dass mittels der Antriebswalze der gewalzte Streifen an einer Position nach unten bewegt wird, die stromaufwärts zu der zu dem Walzstand benachbarten Rolltischwalze liegt, d. h. dass sich der gewalzte Streifen zwischen Ebenheitsstab und Rolltischwalze in Bewegungsrichtung nach unten bewegt als Folge einer Einwirkung der Antriebswalze auf den gewalzten Streifen. Die Stelle der Einwirkung der Antriebswalze auf den gewalzten Streifen bleibt bei diesem Verständnis des Patentanspruchs 1 unbestimmt und kann somit auch bei einer der Rolltischwalzen sein. Der Stand der Technik nach der deutschen Patentschrift 37 21 746 zeigt genau diesen Fall: mit Hilfe der Antriebswalze 3 wird der gewalzte Streifen 10 zwischen der Zugmessrolle 2 und der ersten Rolltischwalze nach unten bewegt, also an einer Position, die stromaufwärts zu der zu dem Walzstand 1 benachbarten Rolltischwalze liegt (vgl. Fig.).
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist demnach nicht neu.
2. Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2 Das Merkmal "ohne Klemmen des gewalzten Streifens" soll sich nach Ansicht der Patentinhaberin für den Fachmann aus der Figur 4 ergeben. Eine Textstelle in der Beschreibung konnte sie jedoch nicht benennen. Der Senat vermag sich dieser Sicht jedoch nicht anzuschließen, denn die Figur 4 zeigt, dass die Antriebswalze 4 auf den gewalzten Streifen einen Druck ausübt, so dass er aufgrund seiner Steifigkeit auf den Ebenheitsstab 3 und die erste Rolltischwalze 5 gedrückt zu werden scheint. Hierdurch würde aber gerade auch ein "Klemmen des gewalzten Streifens" erfolgen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 und 2 Hilfsantrag geht demnach über den Inhalt der Anmeldung der Fassung hinaus, die beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereicht worden ist.
3. Mit dem Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen 1 und 2 ist auch der hierauf jeweils rückbezogene Patentanspruch 2 nicht gewährbar.
Mit dem Patentanspruch 1 ist auch der nebengeordnete Patentanspruchs1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 nicht gewährbar, da ein Patent nur so aufrechterhalten werden kann, wie es beantragt ist (BGH GRUR 1997, 120 - "Elektrisches Speicherheizgerät"). Mit dem Patentanspruch 3 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 ist auch der auf diesen jeweils rückbezogene Patentanspruch 4 nicht gewährbar.
Das Patent war demnach zu widerrufen.
Bertl Dr. Mayer Dr.-Ing. Kaminski Zimmerer Be
BPatG:
Beschluss v. 06.08.2007
Az: 19 W (pat) 14/04
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