Bundesgerichtshof:
Urteil vom 1. Juni 2011
Aktenzeichen: I ZR 25/10
(BGH: Urteil v. 01.06.2011, Az.: I ZR 25/10)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Dezember 2009 wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Beklagte hat ein Verfahren zur Schädlingsbekämpfung in Getreide-, Reis-, Mais- und Trockengemüsesilos durch den Einsatz von Stickstoff entwickelt, bei dem atmende Schädlinge durch die Erhöhung des Stickstoffgehalts und die gleichzeitige Herabsetzung des Sauerstoffgehalts abgetötet werden.
Die Klägerin zu 1 stellt Phosphorwasserstoff entwickelnde Produkte her. Die Klägerin zu 2 besitzt eine Zulassung für eine gasförmige Phosphorwasserstoff-/Stickstoff-Zubereitung und wendet diese zur Entwesung von Vorratsgütern an.
Nach der Ansicht der Klägerinnen darf der Beklagte sein Verfahren nicht ohne eine ihm vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-1 heit erteilte pflanzenschutzrechtliche Zulassung anbieten und anwenden. Ihre deswegen gegen den Beklagten erhobene Klage, mit der die Klägerinnen zuletzt beantragt haben, den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, das von ihm entwickelte Verfahren für den Einsatz einer Vorrichtung zur Schädlingsbekämpfung in Getreide, Reis, Mais und Trockengemüse, bei dem Vorratsschädlinge durch den Einsatz von Stickstoff abgetötet werden, gewerbsmäßig anzubieten und anzuwenden, ohne dass eine Zulassung durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Braunschweig vorliegt, ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstreben die Klägerinnen weiterhin die Verurteilung des Beklagten nach diesem Klageantrag.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Der mit Hilfe des Verfahrens des Beklagten der Atemluft entnommene und ihr nach seiner Trennung vom Sauerstoff später wieder zugeführte Stickstoff sei nicht bereits deshalb ein pflanzenschutzrechtlich relevanter Wirkstoff im Sinne des § 2 Nr. 9 Buchst. a, Nr. 9a Buchst. a PflSchG, weil er überhaupt in irgendeiner Weise - nämlich durch die Verdrängung des Sauerstoffs in der Luft - wirksam werde und hierdurch den gewünschten Erfolg bei der Abtötung von Schädlingen erziele. Aus der Definition des Begriffs "Wirkstoff" in § 2 Nr. 9a PflSchG im Sinne von "mit Wirkung auf" ergebe sich ebenso wie aus der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 1 und 4 der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln das Erfordernis einer unmittelbaren 4 Wirkung eines Stoffes auf die Schadorganismen, Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse. Dass der in dem Verfahren des Beklagten zur Schädlingsbekämpfung verwendete Stickstoff nicht selbst toxisch auf die Schädlinge wirke, sondern aus der Umgebungsluft entnommen, vom Sauerstoff getrennt und dann wieder in die Umgebungsluft abgegeben werde, spreche daher gegen eine Einstufung als Pflanzenschutzmittel. Die Anlage des Beklagten erzeuge zwar eine Wirkung, nicht aber einen (Wirk-)Stoff. Auch der Sinn und Zweck des Pflanzenschutzgesetzes und der Richtlinie 91/414/EWG sowie die weiteren von den Klägerinnen angeführten Gesichtspunkte sprächen nicht für eine Einstufung des Stickstoffs bei der in Rede stehenden Anwendung als Pflanzenschutzmittel.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den mit der Klage gegen den Beklagten aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Ergebnis zu Recht verneint.
1. Der von den Klägerinnen gestellte Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 46/09 Rn. 10 - Verbotsantrag bei Telefonwerbung).
b) Der Klageantrag ist zwar auslegungsbedürftig. Der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts wird unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Klägerinnen, der zur Auslegung mit heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 29 = WRP 2008, 1104 - Internet-Versteigerung III), noch hinreichend deutlich.
Das Verfahren des Beklagten, gegen dessen Angebot und Anwendung das Unterlassungsbegehren gerichtet ist, besteht in dem Einsatz von Stickstoff zur Schädlingsbekämpfung in Getreide-, Reis-, Mais- und Trockengemüsesilos. Den Stickstoff produziert und vertreibt der Beklagte allerdings nicht. Er bietet vielmehr ein Aggregat an, das in der Umgebungsluft vorhandenen Stickstoff herausfiltert, und berät die Abnehmer über den Einsatz des Stickstoffs zur Schädlingsbekämpfung. Danach soll Stickstoff in die Silos eingebracht werden, den dort vorhandenen Sauerstoff verdrängen und infolge des zu geringen Sauerstoffgehalts in den Silos atmende Schädlinge abtöten. Die dazu erforderliche hohe Stickstoffkonzentration soll durch das vom Beklagten vertriebene Gerät geschaffen werden. Das beanstandete Verhalten des Beklagten, das Gegenstand des Unterlassungsbegehrens der Klägerinnen ist, besteht danach in dem Angebot des Geräts und in der Anleitung zu dessen Einsatz sowie zu der Anwendung des Stickstoffs zur Schädlingsbekämpfung in Silos.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, den Klägerinnen stünde der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG nicht zu, weil der Beklagte für diese Verhaltensweise keine Zulassung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für ein Pflanzenschutzmittel nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PfSchG benötige, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Klägerinnen haben ihr Unterlassungsbegehren darauf gestützt, dass der Beklagte sein Gerät zur Stickstoffgewinnung vor Klageerhebung am 4. Oktober 2008 angeboten hat. Da der Unterlassungsanspruch auch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Soweit der Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 207/05, BGHZ 175, 238 Rn. 14 - ODDSET).
aa) Das zur Zeit der von den Klägerinnen beanstandeten Verhaltensweise des Beklagten geltende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1414) ist Ende 2008 geändert worden. Die der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dienende Gesetzesänderung ist für den Streitfall im Ergebnis ohne Bedeutung.
Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hat in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt (vgl. Art. 4 der Richtlinie; EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - C-304/08, GRUR 2010, 244 Rn. 41 = WRP 2010, 232 - Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs/Plus Warenhandelsgesellschaft). Sie regelt die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern grundsätzlich abschließend (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - C-540/08, GRUR 2011, 76 Rn. 27 = WRP 2011, 45 - Mediaprint). Allerdings lässt die Richtlinie 2005/29/EG die Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten in Bezug auf Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt (Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2005/29/EG). Dementsprechend ist nach der Richtlinie die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG 12 auf Bestimmungen zulässig, die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln. Das ist hinsichtlich der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG der Fall.
bb) Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG dient dem Schutz der Gesundheit von Verbrauchern. Sie setzt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in gemeinschaftsrechtskonformer Weise um. Die Zulassungsbestimmungen der Richtlinie 91/414/EWG - und mithin auch ihr Art. 3 Abs. 1 - bezwecken den Schutz der menschlichen Gesundheit (vgl. Erwägungsgrund 9 der Richtlinie). Die Anwendung des § 11 PflSchG wird durch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken daher nicht berührt (vgl. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG). Zudem widerspricht eine Geschäftspraxis, die der zwingenden Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG entgegensteht, regelmäßig den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt (vgl. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG). Unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG ist eine derartige Geschäftspraxis daher unlauter.
b) Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG über die Zulassungspflicht von Pflanzenschutzmitteln zählt zu den Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 186/07, GRUR 2010, 160 Rn. 15 = WRP 2010, 250 - Quizalofop). Da die Zulassungsvorschriften des Pflanzenschutzgesetzes und der Richtlinie 91/414/EWG dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher vor den Gefahren von Pflanzenschutzmitteln dienen, ist die Verletzung dieser Bestimmungen zudem geeignet, die Interessen der Verbraucher nicht unerheblich im Sinne von 15 § 3 UWG 2004 und spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG 2008 zu beeinträchtigen.
c) Der Beklagte verstößt durch das beanstandete Verhalten jedoch nicht gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG. Nach dieser Bestimmung dürfen Pflanzenschutzmittel in der Formulierung, in der ihre Abgabe an den Anwender vorgesehen ist, nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen sind.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, Stickstoff sei nicht als Pflanzenschutzmittel im Sinne von § 2 Nr. 9, § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG anzusehen. Er wirke selbst nicht toxisch auf die zu bekämpfenden Schädlinge, sondern verdränge nur den von den Schädlingen zur Atmung benötigten Sauerstoff und sei deshalb kein Wirkstoff im Sinne von § 2 Nr. 9a PflSchG. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist rechtlichen Bedenken ausgesetzt.
Nach § 2 Nr. 9 Buchst. a PflSchG sind Pflanzenschutzmittel im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes unter anderem Stoffe, die dazu bestimmt sind, Pflanzen, lebende Teile von Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen. Die Vorschrift setzt Art. 2 Nr. 1.1 der Richtlinie 91/414/EWG in das deutsche Recht um. Nach dieser Bestimmung sind Pflanzenschutzmittel im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG unter anderem Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie an den Anwender geliefert werden, und die dazu bestimmt sind, Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen. Dementsprechend muss ein Pflanzenschutzmittel einen Wirkstoff oder eine Wirkstoffzubereitung enthalten, wobei Wirkstoffe gemäß § 2 Nr. 9a Buchst. a PflSchG unter anderem chemische Elemente oder deren Verbindungen mit Wirkung auf Schadorganismen oder - so die Formulierung in Art. 2 Nr. 4.1 in Verbindung mit Nr. 3 der 17 Richtlinie 91/414/EWG - mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung gegen Schadorganismen sind.
Der Wortlaut der vorstehenden Bestimmungen und der Zweck der Zulassungsvorschriften, Risiken und Gefahren für die Gesundheit von Menschen entgegenzuwirken, könnte dafür sprechen, jede Wirkung eines Stoffes im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie, der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen und damit unter anderem auch vor Tieren schützen soll, die Schäden verursachen (vgl. § 2 Nr. 7 PflSchG, Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 91/414/EWG), als Pflanzenschutzmittel einzustufen. Die Frage, ob Stickstoff, wenn er dazu bestimmt ist, Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen, ein Pflanzenschutzmittel nach § 2 Nr. 9 PflSchG ist, braucht vorliegend jedoch nicht entschieden zu werden.
bb) Auch wenn Stickstoff die Voraussetzungen eines Pflanzenschutzmittels im Sinne von § 2 Nr. 9 PflSchG erfüllt, verstößt der Beklagte nicht gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG, weil er den Stickstoff nicht im Sinne dieser Vorschrift in den Verkehr bringt oder einführt. Da § 11 PflSchG richtlinienkonform auszulegen ist, ist für die Frage des Inverkehrbringens die Definition nach Art. 2 Nr. 10 der Richtlinie 91/414/EWG maßgeblich. Danach ist ein Inverkehrbringen jegliche entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe, ausgenommen die Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft (Art. 2 Nr. 10 Satz 1 der Richtlinie); die Einfuhr eines Pflanzenschutzmittels in das Gebiet der Gemeinschaft wird als Inverkehrbringen angesehen (Art. 2 Nr. 10 Satz 2 der Richtlinie).
Nach diesen Maßstäben bringt der Beklagte das Pflanzenschutzmittel - unterstellt es handelt sich bei Stickstoff um ein Pflanzenschutzmittel - nicht in den Verkehr. Der Beklagte gibt den Stickstoff selbst nicht an Dritte ab, sondern 20 vertreibt nur das Gerät, mit dem sich durch Filterung des Stickstoffs aus der Umgebungsluft die erhöhte Stickstoffkonzentration erzielen lässt, zusammen mit der Anleitung zur Schädlingsbekämpfung. Dies unterfällt nicht der Zulassungspflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG.
Das Inverkehrbringen von Geräten zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln ist im Pflanzenschutzgesetz - anders als das Inverkehrbringen von Geräten zum Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln im Sinne von § 2 Nr. 11 PflSchG (Pflanzenschutzgeräte) - nicht geregelt. Zudem ist für Pflanzenschutzgeräte nach näherer Maßgabe des § 25 PflSchG auch nur eine Erklärung gegenüber dem Julius Kühn-Institut und keine Zulassung vorgesehen. Soweit der Beklagte die Abnehmer seiner Vorrichtung über deren Anwendung berät, hat er diese Tätigkeit allenfalls gemäß § 9 PflSchG der zuständigen Behörde anzuzeigen.
3. Das Unterlassungsbegehren ist auch nicht insoweit begründet, als es gegen die Anwendung des Verfahrens gerichtet ist. Allerdings dürfen Pflanzenschutzmittel nach § 6a Abs. 1 Satz 1 PflSchG nur angewandt werden, wenn sie zugelassen sind. Eine Ausnahme hiervon sieht § 6a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 PflSchG für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu Forschungs-, Untersuchungs- und Versuchszwecken vor. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Beklagte Stickstoff zur Schädlingsbekämpfung in einer gegen § 6a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 PflSchG verstoßenden Weise angewandt hat. Die Revision rügt insoweit auch keinen Vortrag der Klägerinnen als übergangen.
Soweit Dritte das Verfahren des Beklagten zur Schädlingsbekämpfung einsetzen, ist eine denkbare Teilnahme des Beklagten durch Anstiftung oder Beihilfe an der Anwendung eines nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels 23
- unterstellt es handelt sich bei Stickstoff um ein Pflanzenschutzmittel - von dem Unterlassungsantrag nicht umfasst.
4. Der Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 12a ChemG. Nach der Bestimmung des § 12a Satz 1 ChemG, die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten umsetzt, dürfen Biozid-Produkte im Inland mit Ausnahme der in § 12a Satz 2 ChemG angeführten Produkte und Grundstoffe nur in den Verkehr gebracht und verwendet werden, wenn sie von der Zulassungsstelle zugelassen sind. Dass die Anwendung gasförmigen Stickstoffs zur Schädlingsbekämpfung die Voraussetzungen eines Biozid-Produkts nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 ChemG erfüllt und der Beklagte selbst diesen Stickstoff außerhalb einer verfahrensorientierten Forschung und Entwicklung (§ 12a Satz 2 Nr. 3 ChemG) verwendet hat oder ein entsprechendes Verhalten droht - ein Inverkehrbringen im Sinne von § 3 Nr. 9 ChemG liegt ohnehin nicht vor (dazu II 2 c bb) -, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
5. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, weil sich im Streitfall keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen des Unionsrechts stellen, die eine Vorlage erfordern. Die Frage, ob Stickstoff ein Pflanzenschutzmittel ist, wenn er zum Schutz von Pflanzenerzeugnissen vor Schadorganismen verwendet wird, ist nicht entscheidungserheblich. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs des Inverkehrbringens eines Pflanzenschutzmittels oder Biozid-Produkts bestehen im Streitfall keine vernünftigen Zweifel, so dass auch insoweit eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 Rn. 16 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 26 15. September 2005 - C-495/03, Slg. 2005, I-8151 Rn. 33 - Intermodal Transports).
III. Danach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Büscher Pokrant Schaffert Koch Löffler Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 29.05.2009 - 6 O 71/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 30.12.2009 - 13 U 109/09 - 28
BGH:
Urteil v. 01.06.2011
Az: I ZR 25/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/104344e48274/BGH_Urteil_vom_1-Juni-2011_Az_I-ZR-25-10