Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 7. Januar 1992
Aktenzeichen: 22 U 150/91

(OLG Köln: Urteil v. 07.01.1992, Az.: 22 U 150/91)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Mai 1991 verkündete Urteil des Landgerichts A. - 42 O 235/90 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,-- DM, die auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer inländischen Großbank, Genossenschafts-bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann, vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Feststellung der

Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen fristlosen

Kündigung seines Anstellungsvertrages.

Die am 1. Juni 1986 gegründete Beklagte

ist ein Unternehmen, das sich mit der Entwicklung, Herstellung und

dem Vertrieb sowie der Ein- und Ausfuhr von Schokoladenerzeugnissen

und sonstigen Süßwaren befaßt. Hauptgesellschafterin (80 %) ist die

Firma L. & S. AG in K./Z./S. ; 20 % des 30.000.000,-- DM

betragenden Stammkapitals hält die deutsche "Beteiligungs- und

Vermögensanlagegesellschaft Prof. L. Unternehmenstreuhand KG A. ".

Bei der Beklagten handelt es sich um eine mitbestimmte GmbH im

Sinne der §§ 77, 106 des Betr-VerfG. Gemäß Artikel 11.1 des

Gesellschaftsvertrages in der derzeit gültigen Fassung vom 15.

Dezember 1987 hat die Gesellschaft einen Beirat, der in allen

wesentlichen Fragen der Unternehmenspolitik entscheidet und das

Recht hat, der Geschäftsführung allgemeine Weisungen zu erteilen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der gesellschaftsvertraglichen

Regelungen wird auf den Gesellschaftsvertrag Anlage B 1 Bezug

genommen.

Der Kläger war seit Beginn des

Bestehens der Beklagten Mitglied der aus drei Personen bestehenden

Geschäftsführung; er war Sprecher der Geschäftsführung. Grundlage

seiner Anstellung war zunächst der Geschäftsführervertrag vom 30.

Juli/16. August/19. August 1985 (Bl. 235 ff d.A.), gültig bis 31.

Dezember 1990, einschließlich des das Wettbewerbsverbot

beinhaltenden Zusatzvertrages vom 15. Dezember 1989. An die Stelle

dieses Vertrages trat mit Wirkung vom 1. Januar 1991 der

Geschäftsführervertrag vom 15. Dezember 1989 (Bl. 20 - 29 d.A.).

Hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Vertragspartner im

einzelnen wird auf den Inhalt der genannten Verträge Bezug

genommen.

Mit Schreiben vom 5. November 1990 (Bl.

30, 31 d.A.) kündigte die Beklagte den Anstellungsvertrag mit dem

Kläger fristlos. Eine vom Kläger verlangte schriftliche Begründung

der Kündigung (vgl. dessen Schreiben vom 12. November 1990, Bl. 32,

33 d.A.) enthielt das von der Beklagten an den Kläger gerichtete

Schreiben vom 14. November 1990 (Bl. 34-37 d.A.). Die Beklagte sah

sich veranlaßt, das Anstellungsverhältnis wegen aus ihrer Sicht

nicht mehr möglicher vertrauensvoller Zusammenarbeit zu kündigen.

Die Erschütterung dieses Vertrauensverhältnisses erblickte die

Beklagte darin, daß der Kläger eine Durchschrift eines an den

Beirat gerichteten Schreibens der Geschäftsführung vom 10.

September 1990 (Anlage B 10) an Herrn Sp , den Vorsitzenden des

Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses sowie

Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Beklagten,

weitergeleitet hatte. Wirtschaftlicher Hintergrund der

Geschehnisse ist folgender:

In der ersten Hälfte des Jahres 1990

wurden im Rahmen des Konzerns, dem die Mehrheitsgesellschafterin

der Beklagten angehört, Óberlegungen angestellt, die

Tafelproduktion aus dem A. er Werk in ein der

Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten nahestehendes Unternehmen

(Tochtergesellschaft) in die P. nach O./F. zu verlegen. Dieser

"Tafeltransfer" bedeutete den Wegfall von 36 Arbeitsplätzen bei der

Beklagten. Óber die wirtschaftliche Bedeutung dieser Maßnahme

fanden eingehende Diskussionen zwischen Beirat und

Geschäftsführung statt. Ebenso kam es in Erfüllung der

betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu Unterredungen

mit dem Wirtschaftsausschuß und dem Betriebsrat, die ihrerseits

Unterstützung der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (" ") in

Anspruch nahmen (vgl. hierzu die Anlagen B 2 bis B 7 zur

Klageerwiderung). Trotz der von der Geschäftsführung vorgetragenen

Bedenken gegen die Verlegung der Tafelproduktion sicherte diese

spätestens im August/September 1990 (vgl. Anlagen B 8 und B 9 zur

Klageerwiderung) "loyale" Durchführung des Projektes zu. Vor der

am 14. September 1990 stattfindenen Sitzung des Beirates, in der

über das Projekt "Tafelverlegung O. " beschlossen werden sollte,

faßte die Geschäftsführung in ihrem an den Beirat gerichteten

Schreiben vom 10. September 1990 ( Anlage B 10 zur Klageerwiderung)

die Gesichtspunkte zusammen, die gegen die Verlegung der

Tafelproduktion sprachen und führte in den Punkten 3. und 8. auch

mögliche Reaktionen der Arbeitnehmerschaft und der Gewerkschaft

auf. Eine Durchschrift dieses Schreibens übergab der Kläger am 13.

September 1990 Herrn Sp , dem Vorsitzenden des Betriebsrates und

des Wirtschaftsausschusses sowie Arbeitnehmervertreter im

Aufsichtsrat der Beklagten. Dies geschah mit dem ausdrücklichen

Hinweis, das Schreiben persönlich und vertraulich zu behandeln.

Nachdem die Gewerkschaft für den 2.

November 1990 wegen der "Tafelverlegung O. " eine Demonstration

bei der Mehrheitsgesellschafterin in K./S. angekündigt hatte, war

dieses geplante Vorhaben auch Gegenstand einer am 22. Oktober

1990 stattfindenden Besprechung des sogenannten G.C. , eines

Gremiums, in dem die engere Geschäftsleitung der

Mehrheitsgesellschafterin und Vertreter der Geschäftsführung ihrer

deutschen, französischen und italienischen Tochter- bzw.

Beteiligungsgesellschaften gemeinsam interessierende Fragen

erörtern. Im Rahmen dieser Zusammenkunft berichtete der Kläger dem

Beiratsvorsitzenden, Herrn R. , davon, daß er Herrn Sp eine

Durchschrift des an den Beirat gerichteten Schreibens der

Geschäftsführung vom 10. September 1990 übergeben habe.

Auf diese Weiterleitung einer

Durchschrift des vorbezeichneten Schreibens an den Beirat vom 10.

September 1990 an Herrn Sp hat die Beklagte ihre fristlose

Kündigung gestützt. Daneben hat sie im Schreiben vom 14. November

1990 (Bl. 34, 37 d.A.) darauf hingewiesen, es handele sich nicht um

den ersten Vorfall dieser Art, sondern er sei symptomatisch für

das Verhalten des Klägers gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin

und dem Beirat.

Der Kläger hat die Auffassung

vertreten, die fristlose Kündigung sei nicht wirksam. Mit der

Weiterleitung einer Kopie des an den Beirat gerichteten Schreibens

habe er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, und zwar

einmal im Hinblick auf die Einbindung der Arbeitnehmervertretung in

das Projekt und die Information des Wirtschaftsausschusses gemäß §

106 Betriebsverfassungsgesetz, zum anderen habe er einer Haftung

der Geschäftsführung für zu erwartende Verluste vorbeugen wollen,

indem darauf hingewiesen worden sei, daß die Geschäftsführung auf

ausdrückliche Weisung des Beirats gehandelt habe. Der Kläger hat

behauptet, er habe am 22. Oktober 1990 Herrn R. von sich aus von

der Weitergabe des Schreibens an Herrn Sp berichtet. Er habe auch

nicht versucht, Herrn R. zu veranlassen, diese Information nicht

weiterzugeben.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das zwischen den

Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch

arbeitgeberseitige Kündigung vom 5. November 1990 beendet ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die fristlose

Kündigung für gerechtfertigt gehalten. Sie hat die Auffassung

vertreten, die unzulässige Weitergabe des Schreibens an Herrn Sp

sei Beweis für einen "Hausmacht-Opportunismus" des Klägers, bei

der er sich die Opposition der Sozialpartner zu der geplanten

Maßnahme zunutze gemacht habe. Ein solches Verhalten stelle einen

schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, der die Vertrauensbasis

zerstört habe und eine weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger

und der Beklagten unzumutbar mache. Daß der Kläger selbst die

Weitergabe des Schreibens als Pflichtverletzung angesehen habe,

ergebe sich daraus, daß er sie erst auf entsprechende Frage des

Beiratsvorsitzenden Herrn R. eingeräumt habe und hierbei sichtlich

erregt gewesen und stark erörtet sei. Schließ-lich habe er Herrn R.

dahingehend zu beeinflussen versucht, er dürfe das Wissen über die

Weitergabe des Schreibens nicht weiterverbreiten .

Durch Urteil vom 10. Mai 1991 hat das

Landgericht festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende

Beschäftigungsverhältnis nicht durch die arbeitgeberseitige

Kündigung vom 5. November 1990 beendet sei. Zur Begründung hat es

ausgeführt, die fristlose Kündigung sei unwirksam, weil ein Grund

für ihren Ausspruch nicht bestanden habe. Die Weiterleitung einer

Durchschrift des an den Beirat gerichteten Schreibens der

Geschäftsführung vom 10. September 1990 an Herrn Sp durch den

Kläger stelle keinen solchen Grund dar. Zwar seien bei der

Bewertung des Verhaltens eines Geschäftsführers, insbesondere eines

Sprechers der Geschäftsführung, strenge Maßstäbe anzulegen. Zu

berücksichtigen sei jedoch, daß es sich bei der Beklagten um eine

mitbestimmte GmbH nach deutschem Recht handele. Trotz der auch in

einer mitbestimmten GmbH grundsätzlich bestehenden

Weisungskompetenz der Gesellschafter könne sich ein Konflikt

zwischen der Folgepflicht des Geschäftsführers und seiner aus dem

Mitbestimmungsgesetz herzuleitenden Verantwortlichkeit gegenüber

dem Unternehmen selbst ergeben. Der vom Kläger im konkreten Fall

für die Lösung dieses Konfliktes eingeschlagene Weg stelle keinen

Grund zu einer fristlosen Kündigung dar. Neben der berechtigten

Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen seien, wie sich aus dem

Inhalt des Schreibens vom 10. September 1990 ergebe, wohl erwogene

Unternehmensinteressen der Beklagten Grund für die Geschäftsführung

gewesen, sich gegen den in Aussicht gestellten Tafeltransfer nach

Frankreich auszusprechen. Diese noch einmal zusammenzufassen,

stelle keinen Widerspruch zu der von der Geschäftsführung und auch

vom Kläger zugesicherten "Loyalität" dar. In der Weitergabe des

Schreibens vom 10. September 1990 an Herrn Sp , dem als

Vorsitzenden der Mitbestimmungsgremien die Gesamtproblematik nicht

nur bekannt, sondern mit dem sie auch erörtert worden sei, könne

ein "Hausmacht-Opportunisumus" nicht gesehen werden. Darin

dokumentiere sich vielmehr die Verantwortlichkeit gegenüber dem

Unternehmen und die unternehmerische Einstellung des Klägers.

Erfolgreiche Intention des Klägers sei es ersichtlich gewesen, mit

der Weiterleitung einer Kopie des an den Beirat gerichteten

Schreibens an Herrn Sp als Vorsitzenden und Vertreter in den

Mitbestimmungsgremien Einfluß auf diese zu nehmen und von diesen

bereits erwogene Gegenmaßnahmen zu verhindern und damit zum Wohle

des Unternehmens auf die Arbeitnehmerschaft Einfluß zu nehmen.

Unerheblich sei, ob der Kläger die Weiterleitung des Schreibens von

sich aus gegenüber dem Beiratsmitglied Herrn R. eingeräumt habe und

in welcher inneren Verfassung der Kläger sich hierbei befunden

habe. Für die Beurteilung der Frage eines wichtigen

Kündigungsgrundes komme es ausschließlich auf den Grund selbst an

und nicht darauf, wie der Betroffene sich später dazu stelle.

Soweit die Beklagte sich darauf berufe, der Kläger habe auch durch

sein früheres Verhalten einen Mangel an Offenheit gezeigt, könne

dieser nicht nä-her konkretisierte Vortrag die fristlose Kündigung

ebenfalls nicht stützen, abgesehen davon, daß eine darauf gestützte

Kündigungserklärung auch verspätet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der

erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Gründe des

erstinstanzlichen Urteils Bl. 130, 136 ff d.A. Bezug

genommen.

Gegen dieses ihr am 16. Mai 1991

zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Juni

1991, eingegangen am 14. Juni 1991 Berufung eingelegt, die sie mit

Schriftsatz vom 6. September, eingegangen am 11. September 1991

nach entsprechender Fristverlängerung begründet hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft

zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie rügt insbesondere,

das erstinstanzliche Urteil habe Vorgeschichte, Begleitumstände

und spätere Rechtfertigung der Weitergabe des Schreibens vom 10.

September 1990 durch den Kläger nicht ausreichend berücksichtigt.

Ob und inwieweit das Vertrauensverhältnis zerstört sei, könne nur

bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände festgestellt werden. Das

erstinstanzliche Urteil habe im übrigen einseitig die vom Kläger

angegebene Motivation, er habe mit der Weitergabe des Schreibens

auf die Mitbestimmungsgremien zum Wohl des Unternehmens mäßigenden

Einfluß nehmen wollen, unterstellt, obwohl die Beklagte dies

substantiiert bestritten habe. Da das Schreiben vom 10. September

1990 nicht Gründe für, sondern ausschließlich gegen die Verlagerung

der Tafelproduktion aufgeführt habe, die unternehmerische

Entscheidung daher in dem Schreiben verworfen werde, sei es nicht

zu vertreten, hierin einen Versuch zu sehen, die

Arbeitnehmerschaft zur Aufgabe ihres Widerstandes zu bewegen. Das

Unterbleiben der geplanten Demonstration der Belegschaft sei im

übrigen nicht der Weiterleitung des Schreibens vom 10. September

1990 zuzuschreiben, vielmehr sei Grund hierfür gewesen, daß in

einem Gespräch am 26. Oktober 1990 in D. strittige Fragen zwischen

Beirat, Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaft hätten

geklärt werden können, weil Beirat und Geschäftsführung u.a. die

Erklärung abgegeben hätten, daß die Verlagerung der W + T- Anlage

auf Anfang 1992 verschoben werde und keine Entlassungen aus diesem

Anlaß erfolgen würden. Entgegen der Auffassung des

erstinstanzlichen Urteils komme es sehr wohl auch auf die innere

Verfassung an, in der der Kläger sich befunden habe, als er die

Weiterleitung des Schreibens vom 10. September eingeräumt habe. Das

hierbei gezeigte Verhalten lasse Schlußfolgerungen darauf zu, daß

der Kläger sich selbst einer Pflichtverletzung schuldig gefühlt

habe. Im übrigen sei hierdurch und durch den Versuch des Klägers,

eine Weitergabe des Vorfalls zu verhindern, das

Vertrauensverhältnis weiter zerstört worden. Angesichts der hinter

dem Rücken des Beirats vertraulich/persönlich erfolgten Weitergabe

des Schreibens sei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände für

die Beklagte keinerlei Vertrauensbasis mehr für eine Weiterarbeit

mit dem Kläger gegeben gewesen, zumal eine fristgerechte Beendigung

des Anstellungsverhältnisses erst zum 31. Dezember 1995 möglich

gewesen sei. Darüber hinaus sei von Bedeutung, daß es sich nicht um

die erste Störung im Vertrauensbereich gehandelt habe. Anfang 1990

habe die Beklagte sich mit dem Problem konfrontiert gesehen, die

ausreichende Belieferung mit Schokoladen-Hohlkörpern für Ostern

1991, (Ostereier, Osterhasen etc.) sicherzustellen. Der Kläger habe

gegenüber Beirat und dem Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin

angegeben, daß der Lohnverarbeitungsvertrag mit der L. Schokolade

GmbH nur bis 1990 laufe und deshalb für 1991 so schnell wie möglich

eine Lösung gefunden werden müsse. Daraufhin seien verschiedene

Alternativen geprüft und es sei in der Geschäftsleitungssitzung am

24. Januar 1990 unter starkem zeitlichen Druck beschlossen worden,

eine neue Hohlkörperanlage zu kaufen. Obwohl der Kläger bereits am

22. Januar 1990 gewußt habe, daß die Firma L. zur Weiterbelieferung

der Beklagten bereit gewesen sei, habe er hiervon erst am 1.

Februar 1990 das Beiratsmitglied Herrn G. informiert. Hierdurch

seien dem Beirat und dem Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin

entscheidungserhebliche Informationen vorenthalten worden. Dies

habe der Präsident des Verwaltungsrates der

Mehrheitsgesellschafterin, Herr Dr. S. , zum Anlaß einer Ermahnung

des Klägers genommen (vgl. Anlage B 11).

Ebenfalls bereits Anfang 1990 habe der

Kläger eigenmächtig das Mandat mit Herrn Rechtsanwalt G. gekündigt,

der der langjährige Markenrechtsanwalt der Beklagten und deren

Mehrheitsgesellschafterin gewesen sei. Hierzu sei der Kläger nicht

befugt gewesen, da die Verantwortlichkeit und die Betreuung der für

die Mehrheitsgesellschafterin eingetragenen Warenzeichen dieser

durch den Dienstleistungsvertrag vom 3. April 1987 (vgl. Bl. 222

ff d.A.) übertragen worden sei. Danach habe der

Mehrheitsgesellschafterin die gesamte Administration der der

Beklagten nach dem Lizenzvertrag (Bl. 325 ff d.A.) obliegenden

Warenzeichenbetreuung sowie die Beratung in den übrigen

Rechtsbereichen oblegen. Erst unmittelbar nach der eigenmächtigen

Kündigung des Mandats von Herrn Rechtsanwalt G. und ohne vorherige

Einschaltung seiner Mitgeschäftsführer habe der Kläger ein

Beiratsmitglied hiervon in Kenntnis gesetzt. Auch dieser Vorfall

sei Ausdruck der Hausmachtpolitik des Klägers, der ganz

offensichtlich versucht habe, Herrn G. , der über einen "guten

Draht" zur Mehrheitsgesellschafterin verfüge, durch einen Anwalt

zu ersetzen, zu dem das Stammhaus keine näheren Beziehungen

besitze, wohl aber der Kläger . Mit Schreiben vom 8. März 1990 an

den Kläger (vgl. Bl. 244 d.A.) habe der Präsident des

Verwaltungsrats der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten, Herr

Dr. S. , nochmals sein völliges Unverständnis für das Verhalten

des Klägers zum Ausdruck gebracht und den Kläger ermahnt. Die

Beklagte ist der Ansicht, sämtliche der geschilderten Vorfälle

hätten kündigungsrechtliche Relevanz. Sie könnten zur Beurteilung

des wichtigen Grundes herangezogen werden, weil sie in innerem

Zusammenhang mit den innerhalb der Ausschlußfrist bekannt

gewordenen Vorgängen stünden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des

Landgerichts A. vom 10. Mai 1991 - 42 O 235/90 - die Klage

abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt und vertieft

zunächst sein erstinstanzliches Vorbringen. Er trägt zunächst zu

den Vorfällen Anfang 1990 vor, es sei damals zwischen der

Geschäftsführung der Beklagten und dem Beirat Óbereinstimmung

erzielt worden, den Lohnproduktionsvertrag mit der Firma L.

Schokolade GmbH über die Hohlkörperproduktion vorzeitig zu beenden

und in A. eine eigene Produktionsanlage zu schaffen. Der Präsident

des Verwaltungsrats der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten

habe demgegenüber die Idee verfolgt, die Hohlkörper künftig bei

der italienischen L.-Schwesterfirma produzieren zu lassen. Eine

Weiterführung der Produktion bei der Firma L. sei jedenfalls nicht

erwünscht gewesen. Die kurzfristig während des

Entscheidungsprozesses eingegangene Information seitens der Firma

L. , die Lohnproduktion könne weitergeführt werden, sei daher nicht

relevant für die zu treffende Grundsatzentscheidung gewesen. Dies

sei schon daraus ersichtlich, daß der Beschluß über die

Investition, die noch nicht durchgeführt worden sei, in Kenntnis

der längeren Bezugmöglichkeit von der Firma L. mühelos hätte

wiederrufen werden können, was - unstreitig - nicht geschehen

sei.

Hinsichtlich des Anwaltswechsels sei es

einstimmiger Beschluß der Geschäftsführung der Beklagten gewesen,

einen solchen Anwaltswechsel vorzunehmen. Dies habe auch in der

Kompetenz der Geschäftsführung der Beklagten gelegen, wie sich aus

dem Lizenzvertrag ergebe. Tatsächlich habe auch aufgrund des

Dienstleistungsvertrages die Mehrheitsgesellschafterin nicht die

gesamte Warenzeichenbetreuung und Beratung in den übrigen

Rechtsbereichen für die Beklagte übernommen. Im übrigen sei es zu

einer Verstimmung wegen dieses Vorfalls, ebenso wie wegen der

Angelegenheit Hohlkörperanlage, nur mit dem Präsidenten des

Verwaltungsrats der Mehrheitsgesellschafterin, nicht aber mit den

zuständigen Organen der Beklagten gekommen. Weder der Beirat der

Beklagten noch die Gesellschafterversammlung noch der Aufsichtsrat

hätten Veranlassung gesehen, dem Kläger einen Tadel auszusprechen.

Der Kläger ist im übrigen der Ansicht, seine erheblichen Leistungen

und Erfolge in der Firma der Beklagten seien bei der Bewertung der

Vorfälle zu berücksichtigen.

Zur Weitergabe des Schreibens vom 10.

September 1990 wiederholt der Kläger im wesentlichen sein

erstinstanzliches Vorbringen. Er hebt insbesondere hervor, daß

stets seine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem

Betriebsratsvorsitzenden und das harmonische Verhältnis zwischen

Betriebsrat und Geschäftsführung für die Beklagte günstig gewesen

seien. Das bestehende Vertrauen habe der Kläger dadurch erhalten

und bestätigt, daß er Herrn Spi. vertraulich über den Inhalt des

Schreibens vom 10. September 1990 informiert und damit deutlich

gemacht habe, daß alle Argumente auch des Betriebsrats und des

Wirtschaftsausschusses wirklich zur Kenntnis des zuständigen

Gremiums gebracht worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des

Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien

gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug

genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen

sind.

Gründe

I.

Die form- und fristgerechte eingelegte

und im übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache

keinen Erfolg.

Die Klage ist begründet. Das zwischen

den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis ist nicht durch

die Kündigung der Beklagten vom 5. November 1990 beendet

worden.

Ein wichtiger Grund für die von der

Beklagten ausgesprochene Kündigung unter dem Gesichtspunkt der

Zerstörung des Vertrauensverhältnisses bestand nicht.

Angesichts der hervorgehobenen Stellung

des Klä-gers als Geschäftsführer der beklagten GmbH kann ein

wichtiger Grund zur Kündigung zwar auch in einem schweren

Vertrauensbruch oder einem sonstigen Treueverstoß liegen (vgl.

Baumbach-Zöllner GmbH-Gesetz, § 35 Rdn. 116). Dabei kann je nach

Schwere des Verstoßes nur ein Verstoß genügen, es können aber auch

mehrere Pflichtverletzungen, die zu einem Gesamtverhalten

zusammengefaßt werden können und sozusagen als Glieder einer Kette

anzusehen sind, in ihrer Gesamtheit einen Kündigungsgrund

darstellen. Die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt in

einem derartigen Fall mit dem letzten Vorfall, der ein weiteres und

letztes Glied in der Kette der Ereignisse bildet, die zum Anlaß der

Kündigung genommen werden (Münchener Kommentar - Schwerdner § 626

Rdn. 200, 187).

Ein derartiger, angesichts der Stellung

das Klägers notwendige Vertrauensverhältnis erschütternder und die

Beklagte zur Kündigung berechtigender Grund lag jedoch weder in der

Weitergabe des an den Beirat gerichteten Schreibens der

Geschäftsführung vom 10. September 1990 an Herrn Sp für sich

gesehen noch im Zusammenwirken mit den von der Beklagten

vorgetragenen Vorfällen Anfang 1990.

1.)

In der Weitergabe des Schreibens vom

10. September 1990 durch den Kläger an den Vorsitzenden des

Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses kann eine

Pflichtverletzung, die geeignet gewesen wäre, das Vertrauen der

Beklagten zu zerstören, nicht gesehen werden.

Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob

subjektiv die Beklagte, einer ihrer Gesellschafter oder der Beirat

dieses Verhalten als vertrauenszerstörend empfunden hat, vielmehr

ist entscheidend, ob dieses Verhalten objektiv geeignet war, aus

der Sicht der Gesellschaft die Vertrauensgrundlage für eine weitere

Zusammenarbeit mit dem Kläger zu entziehen (vgl. Scholz GmbH-Gesetz

§ 38 Rdn. 52).

a)

Das Verhalten des Klägers war

allerdings, wie das Landgericht zutreffend ausführt, nicht bereits

deshalb gerechtfertigt, weil die Óbergabe des Schreibens an den

Vorsitzenden des Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses durch

den Kläger etwa in Erfüllung der Verpflichtung gegenüber dem

Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuß nach §§ 106, 111

Betriebsverfassungsgesetz erforderlich gewesen wäre. Hiergegen

spricht bereits die persönlich/vertrauliche Aushändigung des

Schreibens an Herrn Sp , die auf eine Information des Betriebsrats

oder des Wirtschaftsausschusses gerade nicht abzielte. Im übrigen

war der Inhalt des Schreibens mit den darin enthaltenen

Informationen bereits Gegenstand der Beratungen mit dem

Wirtschaftsausschuß und dem Betriebsrat gewesen. Auch zur

Vermeidung einer etwaigen Haftung des Klägers konnte die

Weitergabe des Schreibens nicht dienen noch ist ersichtlich, daß

sie zu diesem Zweck erfolgte, wie das Landgericht gleichfalls

überzeugend ausgeführt hat. Unabhängig davon war die Weitergabe des

Schreibens jedoch weder geeignet, der Beklagten einen Nachteil

zuzufügen noch konnte sie berechtigterweise Zweifel der Beklagten

oder eines ihrer Organe an der Loyalität des Klägers wecken noch

den Verdacht der "Kumpanei" mit dem Betriebsrat oder den der

"Hausmacht-Politik" begründen.

Aufgrund des Inhalts des Schreibens vom

10. September 1990 wurden durch dessen Weitergabe dem

Betriebsratsvorsitzenden weder neue Informationen noch zusätzliche

Argumente und Bedenken gegen das Projekt Tafeltransfer übermittelt.

Sämtliche in dem Schreiben enthaltenen Fakten, Argumente und

Bedenken der Geschäftsführung hatte diese nicht nur dem Beirat

gegenüber, sondern auch dem Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuß

gegenüber geäußert bzw. mit diesem besprochen. Insbesondere die in

dem Schreiben angesprochenen zu erwartenden Gegenmaßnahmen des

Betriebsrats bzw. der Belegschaft und die Ausführungen, es sei

nicht gelungen, das Projekt überzeugend darzustellen, stellen

Fakten dar, deren Richtigkeit die Beklagte nicht angegriffen hat.

Die Beklagte hat sich auch nicht, - ebenso wenig wie der Beirat im

Zusammenhang mit der Entscheidung und Vorbereitung des Projekts -,

dagegen gewandt, daß die Geschäftsführung und der Kläger als deren

Sprecher Bedenken gegen die Verlagerung der Tafelproduktion

geäußert und diese mit dem Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuß

erörtert hatten. Insbesondere dem Beirat war aufgrund der

Óbersendung des Protokolls der Sitzung des Wirtschaftsausschusses

mit Telefax vom 12. September 1990 bekannt, daß der Kläger im

Wirtschaftsausschuß Bedenken der Geschäftsführung des A. er

Unternehmens aus rein lokaler Sicht geäußert und mitgeteilt hatte,

daß diese von einer Verlagerung abgeraten habe, wenn es auch andere

Gesichtspunkte gebe, die er vertreten könne und akzeptieren müsse

(Bl. 7 des Protokolls der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses

vom 4. September 1990, Anlage B 7). Diese Bedenken waren auch aus

der Sicht des A. er Unternehmens der Beklagten nicht unberechtigt.

Die - für das A. er Unternehmen - einschneidende Maßnahme lag

ersichtlich jedenfalls in erster Linie im Interesse des Konzerns

bzw. der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten. Demgegenüber war

der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls auch

gehalten, die Interessen der Beklagten im Hinblick auf

Gewinnmaximierung und Erhaltung von Arbeitsplätzen zu

vertreten.

Auch die Aufrechterhaltung der von der

Geschäftsführung geäußerten Bedenken in dem an den

Betriebsratsvorsitzenden weitergegebenen Schreiben vom 10.

September 1990 ließ aus der Sicht der Beklagten vernünftigerweise

keine berechtigten Zweifel an der Loyalität des Klägers zu. Die vom

Kläger bereits Ende August 1990 zugesagte Loyalität bei der

Durchführung einer Entscheidung zugunsten der Verlagerung war

stets und von vornherein unter Aufrechterhaltung der Bedenken

erklärt worden. Sowohl der Entwurf des Klägers über die Fassung des

Protokolls über die spätere Beiratssitzung vom 27. August 1990

(Anlage B 8) als auch der vom Kläger unter dem 6. September 1990

abgestimmte überarbeitete Entwurf der Fassung des Protokolls

(Anlage B 9) enthalten die Feststellung, daß die Geschäftsführung

auch noch zum Zeitpunkt der Beschlußfassung Bedenken gegen den

sogenannten Tafeltransfer geltend gemacht hatte und nehmen, und

zwar insbesondere auch der Entwurf vom 27. August 1990, - Bezug auf

ein von der Geschäftsführung hierzu aufgesetztes Schreiben.

Offenbar in der sicheren Erwartung, daß die Verlagerung der

Tafelproduktion und der Produktionsanlagen von A. nach O. trotz

der Bedenken vom Beirat beschlossen werden würde, beinhalten die

Protokollentwürfe am Ende die Zusicherung der Geschäftsführung, das

beschlossene Projekt loyal und zügig durchzuführen. Angesichts

dessen konnte es für die Beiratsmitglieder in keiner Weise

überraschend sein, daß die Geschäftsführung in einem Schreiben

ihre Bedenken nochmals zusammenfassen würde. Eine Aufgabe der

Bedenken der Geschäftsführung konnte die Beklagte neben der

zugesagten Loyalität nicht verlangen und hat sie, wie die

Abstimmung des Protokolls mit dem Beirat gezeigt hat, auch nicht

erwartet.

Angreifbar könnte das Verhalten des

Klägers daher nur unter dem Aspekt sein, daß durch die Weitergabe

des Schreibens vom 10. September 1990 an den

Betriebsratsvorsitzenden diesem deutlich gemacht wurde, daß die

Geschäftsführung ihre Bedenken auch in der entscheidenden Sitzung

des Beirats aufrechterhalten hatte. Aber auch unter diesem

Gesichtspunkt ist weder der Verdacht der Illoyalität noch der der

"Kumpanei" mit dem Betriebsrat und des Versuchs des Klägers, sich

zusammen mit dem Betriebsrat eine "Hausmacht" zu verschaffen,

berechtigt. Auch ohne die Weitergabe des entsprechenden Schreibens

bestand weder für den Betriebsratsvorsitzenden noch für den

Betriebsrat oder den Wirtschaftsausschuß Anlaß zu der Annahme, die

Geschäftsführung werde bei einer etwaigen Entscheidung für die

Verlagerung der Produktion über die von ihr stets bekundete

Loyalität hinaus ihre Bedenken aufgeben. Vielmehr konnte die

Weitergabe des Schreibens vom 10. September 1990 durch den Kläger

aus der Sicht des Betriebsratsvorsitzenden offensichtlich

lediglich als Beleg dafür dienen, daß der Kläger entsprechend

seiner Zusage in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 4.

September 1990 die dort erörterten Bedenken auch tatsächlich in der

Beiratssitzung vorgetragen hatte. Sinn der Weitergabe des

Schreibens war bei objektiver Würdigung sämtlicher Umstände

erkennbar die Stärkung des Vertrauens des Betriebsratsvorsitzenden

in die Redlichkeit der Geschäftsführung. Hieran mußte und durfte

der Kläger, der bereits bei der Abstimmung des Protokolls über die

entscheidende Beiratssitzung davon ausging, daß die Verlagerung der

Tafelproduktion beschlossen werden würde, auch im Interesse des

Wohlergehen des Unternehmens der Beklagten ein erhebliches

Interesse haben. Die Durchführung der Verlagerung der

Tafelproduktion mit ihren einschneidenden Auswirkungen auf die

Belegschaft, insbesondere wegen des hiermit verbundenen Wegfalls

von Arbeitsplätzen, oblag (auch) der Geschäftsführung. Eine

Konfrontation mit der Belegschaft bzw. dem Betriebsrat, die

bereits einschneidende Gegenmaßnahmen angekündigt hatten, zu

vermeiden, war nicht nur im Interesse der Geschäftsführung und des

Klägers geboten, sondern auch und gerade im Interesse der

Beklagten. Die Weitergabe des Schreibens an den

Betriebsratsvorsitzenden war jedenfalls bei objektiver

Betrachtungsweise eher geeignet, mäßigend auf den

Betriebsratsvorsitzenden und mittelbar über diesen auf den

Betriebsrat und die Belegschaft einzuwirken und diese von etwa

geplanten Aktionen abzuhalten. Dabei konnte der Kläger durch die

vertraulich/persönliche Weitergabe des Schreibens an den

Betriebsratsvorsitzenden davon ausgehen, daß das Schreiben im

Betriebsrat oder Wirtschaftsausschuß nicht Anlaß zu agitatorischen

Maßnahmen geben wurde. Die persönlich/vertrauliche Óbergabe des

Schreibens deutet demgegenüber nicht etwa auf eine Kumpanei des

Klä-gers mit dem Betriebsratsvorsitzenden hin, sondern diente nach

den gesamten Umständen ersichtlich nur der Beschränkung des

Empfängerkreises. Aus der Sicht der Beklagten bestanden aufgrund

der Weitergabe des Schreibens an den Betriebsratsvorsitzenden

keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger sich mit dem

Betriebsratsvorsitzenden verbünden wollte, um - entgegen seiner

Zusicherung - eine zügige und loyale Durchführung des Projekts zu

verhindern oder zu erschweren.

Es ist auch nicht ersichtlich, daß der

Beklagten tatsächlich ein Nachteil durch die Weitergabe des

Schreibens entstanden ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß

die Planungen zu der Demonstration in Kilchberg hierdurch initiiert

oder auch nur bestärkt worden sind. Ob - im Gegenteil - das

Verhalten des Klägers und das Vertrauen des

Betriebsratsvorsitzenden in diesen zur Verhinderung der

Demonstration mit beigetragen hat, kann demgegenüber

dahinstehen.

b)

Auch in Verbindung mit der von der

Beklagten behaupteten Reaktion des Klägers in der Sitzung vom 22.

Oktober 1990 kann der Vorgang der Weitergabe des Schreibens an den

Betriebsratsvorsitzenden nicht als wichtiger Grund zur fristlosen

Kündigung angesehen werden. Die Richtigkeit des Vortrags der

Beklagten unterstellt kann hierin bei objektiver Betrachtungsweise

kein Schuldeingeständnis gesehen werden, sondern allenfalls der vom

Kläger zum Ausdruck gebrachte Wunsch, die Angelegenheit nicht

ausufern zu lassen. Eine hierin möglicherweise aus der Sicht der

Beklagten liegende Ungeschicklichkeit des Klägers rechtfertigt auch

in Verbindung mit den übrigen Umständen jedenfalls keine fristlose

Kündigung.

2.)

Die von der Beklagten vorgetragenen

Vorfälle Anfang 1990 im Zusammenhang mit der Hohlkörperproduktion

und der Kündigung des Mandats von Herrn Rechtsanwalt G. stellen

weder für sich gesehen noch im Zusammenhang mit der Weitergabe des

Schreibens vom 10. September 1990 einen Grund für die angebliche

Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der

Beklagten bzw. dem Beirat dar, der eine weitere Zusammenarbeit mit

dem Kläger unzumutbar gemacht hätte.

a)

Das Vorbringen der Beklagten

unterstellt, ist nicht ersichtlich, daß im Zusammenhang mit der

Beschlußfassung über die Anschaffung der Anlage zur

Hohlkörperfertigung die Information durch den Kläger über die

Möglichkeit der Weiterbelieferung durch die Firma L. Schokolade

GmbH relevant war oder aus der Sicht des Klägers hätte sein können.

Daß der Beirat etwa davon ausgegangen wäre, die Belieferung durch

die Firma L. durch Abschluß eines neuen Vertrages sei nicht möglich

oder dies überhaupt nur in Betracht gezogen hat, ist nicht

ersichtlich. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es nahegelegen, die

Geschäftsführung mit der Abklärung dieser Möglichkeit zu

beauftragen und die Entscheidung hiervon abhängig zu machen. Daß

die Möglichkeit des Abschlusses einer neuen Vereinbarung mit der

Firma L. Schokolade GmbH und eine frühere Information durch den

Kläger tatsächlich Einfluß auf die Entscheidung gehabt hätte,

insbesondere die Produktion nicht in A. übernommen worden wäre,

trägt die Beklagte nicht vor. Hiergegen spräche im übrigen auch

entscheidend, daß der entsprechende Beschluß des Beirats über die

Anschaffung der Produktionsanlage für A. in der Folgezeit nach

Erhalt der entsprechenden Information durch den Kläger nicht

widerrufen worden ist. Angesichts der ersichtlichen

Bedeutungslosigkeit der Information kann in dem Verhalten des

Klägers jedenfalls keine Pflichtverletzung von Gewicht gesehen

werden, die berechtigterweise das Vertrauen der Gesellschaft in die

Zuverlässigkeit des Klägers hätte beeinträchtigen können. Dem

entspricht, daß weder der Beirat der Beklagten noch ein sonstiges

Organ der Beklagten dem Kläger im Zusammenhang mit diesem Vorgang

irgendwelche Vorhaltungen gemacht hat. Diese stammten vielmehr

ausschließlich von dem Präsidenten des Verwaltungsrats der

Mehrheitsgesellschafterin.

b)

Zu keiner anderen Beurteilung führt

auch der vom Kläger am 5.3.199O vorgenommene Entzug des Mandats

Herrn Rechtsanwalt G. gegenüber. Weder für sich gesehen noch im

Zusammenwirken mit dem Vorfall "Hohlkörperproduktion" und/oder der

Weitergabe des Schreibens vom 1O.9.199O an den

Betriebsratsvorsitzenden Sp konnte dies zu einem

Vertrauensverlust der Beklagten führen, der ihr eine weitere

Zusammenarbeit mit dem Kläger als Sprecher der Geschäftsführung

unzumutbar machte. Die Handlungsweise des Klägers im Zusammenhang

mit diesem Vorfall stellt sich weder als Anzeichen für mangelnde

Loyalität des Klägers noch als gegen die Interessen der

Gesellschaft gerichtet dar, sondern als der - wenn auch

möglicherweise unzweckmäßige und ungeschickte - Versuch des

Klägers, die Beurteilung wettbewerbsrechtlich relevanter und die

Haftung der Beklagten betreffende Fragen durch einen Anwalt

seines Vertrauens klären zu lassen.

Eine Óberschreitung der rechtlichen

Kompetenzen des Klägers ist nach Auffassung des Senats nicht

feststellbar. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts für die

Beklagte und der Entzug eines entsprechenden Mandats lag in der

Kompetenz der Beklagten und nach deren gesellschaftsvertraglicher

Regelung in der Zuständigkeit der Geschäftsführung.

Nach dem zwischen der Beklagten und

ihrer Mehrheitsgesellschafterin geschlossenen

Dienstleistungsvertrag vom 3.4.1987 hat zwar die

Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten die der Beklagten nach dem

zwischen ihrer Rechtsvorgängerin, der Firma L.M. AG und der

Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten geschlossenen Lizenzvertrag

obliegende Warenzeichenbetreuung sowie die Beratung der Beklagten

in den übrigen Rechtsbereichen übernommen. Diese vertragliche

Regelung kann jedoch nicht dahin ausgelegt werden, daß die Beklagte

zur Prüfung ihrer rechtlichen Angelegenheiten in

wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht selbst berechtigt und

verpflichtet war und zu diesem Zweck einen Rechtsanwalt ihrer Wahl

beauftragen durfte. Im geschäftlichen Verkehr verantwortlich,

insbesondere für ihre Werbung, war die Beklagte, die daher zwar

nach dem Dienstleistungsvertrag die Beratung durch die

Mehrheitsgesellschafterin in Anspruch nehmen konnte, die

anstehenden Rechtsfragen aber selbständig prüfen mußte und durfte.

Daß sie sich hierbei nicht der Hilfe eines Rechtsanwalts ihrer Wahl

bedienen durfte, ist dem Dienstleistungsvertrag weder ausdrücklich

noch konkludent zu entnehmen. Auch eine Beschränkung der

Geschäftsführungsbefugnis für derartige Maßnahmen ist weder den

gesellschaftsvertraglichen Regelungen noch dem

Geschäftsführervertrag zu entnehmen, insbesondere bedurfte eine

derartige Maßnahme nicht der Zustimmung des Beirats der Beklagten.

Die Beklagte hat zwar behauptet, der Kläger habe entgegen der ihm

erteilten Gesamtvertretungsmacht vor der Kündigung des Mandats

gegenüber Herrn Rechtsanwalts G. seine Mitgeschäftsführer nicht

eingeschaltet, daß diese aber mit der Maßnahme, jedenfalls im

Nachhinein, nicht einverstanden gewesen wären oder der Kläger mit

ihrem Einverständnis nicht hätte rechnen können, ist nicht

ersichtlich.

Vorzuwerfen ist dem Kläger im

Zusammenhang mit der Kündigung des Mandats daher allenfalls, daß

ihm hätte bewußt sein müssen, daß diese Maßnahme auf Widerstand der

Mehrheitsgesellschafterin und der von ihr entsandten

Beiratsmitglieder stoßen würde. Eine vorherige Abstimmung der

Maßnahme jedenfalls mit dem Beirat wäre daher unter diesem

Gesichtspunkt, insbesondere angesichts der in der Gesellschaft

bestehenden Mehrheitsverhältnisse, geboten gewesen. Dabei ist dem

Kläger aber zugute zu halten, daß zum damaligen Zeitpunkt im

Zusammenhang mit der Frage, ob bei einer Verlagerung der

Tafelproduktion in die P. eine "Alpenmilchtafel" im deutschen

Verkehr noch als solche bezeichnet werden könne, erhebliche

Haftungsfragen für die Beklagte in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht

anstanden und das Ergebnis des von Herrn Rechtsanwalt G.

vorgelegten Gutachtens, dies sei unbedenklich, den Kläger nicht

überzeugte. Diese Sicht des Klägers erscheint dem Senat zumindest

als gut vertretbar. Ohne das Ergebnis des dem Senat inhaltlich

nicht bekannten Gutachtens von Herrn Rechtsanwalt G. in Frage

stellen zu wollen, erscheint es jedenfalls nicht als unzweifelhaft,

ob die Bezeichnung einer in den P. hergestellten Schokolade als

Alpenmilchschokolade eine irreführende werbliche Angabe nach § 3

UWG darstellt. Diese Frage zweifelsfrei zu klären, lag objektiv im

Interesse der Beklagten. Wenn der Kläger daher die

gesellschaftlichen Strukturen und Mehrheitsverhältnisse bei seiner

Vorgehensweise unrichtig einschätzte, läßt sich dieses Verhalten

jedenfalls weder als ein Mangel an Loyalität der Beklagten

gegenüber noch als eine "Hausmacht-Politik" qualifizieren. Die sich

darin möglicherweise äußernde Ungeschicklichkeit des Klägers war

jedenfalls bei einer Gesamtwürdigung der Umstände und angesichts

der sonstigen - unbestrittenen - Fähigkeiten und Verdienste des

Klägers als Geschäftsführer der Beklagten nicht von derartigem

Gewicht, daß das Vertrauen der Beklagten in den Kläger in einem

Maße hätte tangiert sein können, daß eine Zusammenarbeit mit ihm

nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Kündigungsrechtliche Relevanz

hatte der Vorfall weder für sich gesehen noch als "Glied in der

Kette" der von der Beklagten vorgetragenen weiteren Vorfälle.

Nach Auffassung des Senats gilt dies im

übrigen auch dann, wenn man der Auffassung der Beklagten folgte,

die Kündigung des Mandats gegenüber Herrn Rechtsanwalt G. habe in

der Kompetenz der Mehrheitsgesellschafterin gelegen, der Kläger

habe seine Kompetenzen daher überschritten. Auch in diesem Fall

wäre dem Kläger allenfalls eine - nach der jedenfalls nicht klaren

vertraglichen Regelung entschuldbare - Fehleinschätzung seiner

Kompetenzen und der Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft

vorzuwerfen, die weder zu einem Schaden für die Beklagte geführt

hat noch unter Berücksichtigung der konkreten Situation und des

übrigen Verhaltens des Klägers eine fristlose Kündigung

rechtfertigendes Gewicht haben kann.

Im übrigen ist auch insoweit zu

berücksichtigen, daß eine Reaktion auf diesen Vorfall nicht durch

eines der Organe der Beklagten, sondern nur durch die Vorsitzenden

des Verwaltungsrats der Mehrheitsgesellschafterin erfolgte, der

hierbei jedenfalls für den Kläger nicht erkennbar gemacht hat, daß

er seine Kritik etwa auch in Namen der Beklagten oder eines ihrer

Organe äußerte.

3.)

Selbst wenn das dem Kläger vorgeworfene

Verhalten entgegen der Auffassung des Senats entweder in seinem

Zusammenwirken oder jeder Vorfall für sich gesehen geeignet gewesen

wäre, zu einem Vertrauensverlust der Beklagten zu führen, fehlte

es jedenfalls an einer Abmahnung durch die Beklagte. Eine Abmahnung

vor dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist nur dann

entbehrlich, wenn das Vertrauen derart zerstört ist, daß die

Prognose für die Zukunft, nämlich die Frage der Zumutbarkeit der

weiteren Zusammenarbeit, aufgrund des Maßes der Zerstörung des

Vertrauens ohne weiteres negativ und eine Abmahnung daher sinnlos

ist. Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die genannten

Vorfälle, insbesondere die von der Beklagten zum Anlaß der

fristlosen Kündigung genommene Weitergabe des Schreibens vom

1O.09.199O durch den Kläger an den Vorsitzenden des Betriebsrats

konnten bei vernünftiger, objektivierter Sicht der Beklagten die

Grundlagen der Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht in einem Maße

berühren, daß die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger der

Beklagten gänzlich unzumutbar erscheinen konnte. Insbesondere

angesichts der unbestrittenen erheblichen Verdienste des Klägers,

die sich dieser als Geschäftsführer der Beklagten und ihrer

Rechtsvorgängerin um das Unternehmen erworben hat, wäre es der

Beklagten zuzumuten gewesen, den Kläger abzumahnen und sein

weiteres Verhalten in der Folgezeit abzuwarten. Daß im

Geschäftsablauf über einen längeren Zeitraum hinweg Differenzen

zwischen der Geschäftsführung und den übrigen Organen der

Gesellschaft auftreten können, liegt in der Natur der Sache. Ein

langjähriges Vertrauen können derartige Differenzen, auch wenn sie

auf einer objektiven Pflichtwidrigkeit im Einzelfall beruhen,

nicht ohne weiteres gänzlich zerstören.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen

beruhen auf §§ 97, 7O8 Nr. 1O, 711 ZPO.

Streitwert und Wert der Beschwer für

die Beklagte: 1.440.000,-- DM.






OLG Köln:
Urteil v. 07.01.1992
Az: 22 U 150/91


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1072c6d5cffa/OLG-Koeln_Urteil_vom_7-Januar-1992_Az_22-U-150-91




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