Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Mai 2002
Aktenzeichen: 14 W (pat) 61/01

(BPatG: Beschluss v. 07.05.2002, Az.: 14 W (pat) 61/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. Mai 2001 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 23 K des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Futtermittel für Geflügeltiere"

im Umfang des am 16. März 2001 eingegangenen Hauptantrags vom 28. Februar 2001 zurückgewiesen.

Dem Beschluss liegen die am 16. März 2001 eingegangenen Ansprüche 1 und 1a, sowie die am 23. Februar 2000 eingegangenen Ansprüche 2 und 3 zugrunde, von denen die Ansprüche 1 und 1a wie folgt lauten:

1. Geflügelfutter aus pflanzlichen Komponenten und einer bekannten Zusatz-Minaral- und Wirkstoffmischung, mit reduziertem Energie- und Rohproteingehalt, supplementiert mit Methionin, Lysin und Threonin, in dem, bezogen auf den Rohproteingehalt der Futtermischungdie 0,026-fache Menge Methionin, die 0,060-fache Menge Lysin unddie 0,037-fache Menge Threoninin der Futtermischung enthalten sind, wobei die Werte dieser limitierenden Aminosäuren um +/- 15 % schwanken können.

1a. Geflügelfutter aus pflanzlichen Komponenten und einer bekannten Zusatz-, Mineral- und Wirkstoffmischung mit mit reduziertem Energiegehalt, suplementiert mit Methionin, Lysin und Threonin bezogen auf den Rohproteingehalt, wobei die im Futtermittel enthaltene Menge an erstlimitierenden Aminosäuren dadurch ermittelt wird, daß der Rohproteingehalt in % mit einem Faktor (f) multipliziert wird, um dadurch die Gewichtsprozente (Gew.-%) des - Methionins,

- Lysins und - Threoninsim Futtermittel zu erhalten, wobei f(Methionin) = 0,026, f(Lysin) = 0,060 und f(Threonin) = 0,037 ist und die Werte dieser limitierenden Aminosäuren zwischen +/- 15 % schwanken können.

Die Anmeldung gemäß Hauptantrag wurde zurückgewiesen, weil die Ansprüche 1 und 1a gegenüber der ursprünglich offenbarten Anmeldung unzulässig abgeändert seien. Mit dem neuen Anspruch 1 sowie der alternativen Fassung 1a beanspruche der Anmelder ein Geflügelfutter mit reduziertem Energie- und Rohproteingehalt gemäß Anspruch 1 bzw mit reduziertem Energiegehalt nach Anspruch 1a, welches einen anmeldungsgemäß zu ermittelnden Gehalt der drei Aminosäuren Methionin, Lysin und Threonin enthalte. Wie auch vom Anmelder eingeräumt werde, sei in den ursprünglichen Unterlagen ausschließlich vom Hinzufügen erstlimitierender Aminosäuren die Rede, wobei der Zusatz der erstlimitierenden Aminosäuren dadurch zu bestimmen sei, dass der Rohproteingehalt der Aminosäuren enthaltenden Komponenten mit einem anmeldungsgemäßen Faktor (f) multipliziert werde.

Gegen diesen Beschluss vom 8. Mai 2001 richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er macht in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen geltend, dass in den ursprünglich offenbarten Unterlagen zwar von einem Zusatz und hinzugefügt die Rede wäre, aber bei verständiger Würdigung des Gesamttextes und Vorhabens dieses Teils der Erfindung immer nur die Gesamtmenge an limitierenden Aminosäuren gemeint sein könne. Denn Sinn und Zweck der Erfindung sei es von Anfang an gewesen, die optimalen Bedarfsmengen an limitierenden Aminosäuren zu ermitteln, die notwendig seien, den vorhandenen Rohproteingehalt optimal zu verwerten. Insbesondere die Angabe in der Offenlegungsschrift, dass die Höhe der Aminosäurezusätze sich aus dem Gehalt an Aminosäuren in den verwendeten Körnerarten ergäbe, stütze diese Interpretation. Dies bedeute nämlich, dass bereits eine gewisse Menge an Aminosäuren enthalten sei und zur optimalen Verwertung ein ergänzender Zusatz erforderlich sei. Daher sei es aus den ursprünglichen Unterlagen ableitbar, dass mittels der vom Anmelder gefundenen Faktoren die Gesamtmenge an den drei im Hauptanspruch gemäß Hauptantrag genannten Aminosäuren festgelegt werde, dh dass diese Aminosäuren im Futtermittel enthalten seien. Zum Beleg hierfür legt der Anmelder ein Berechnungsbeispiel anhand einer Futtermischung vor, woraus hervorgehe, dass nur unter diesen Voraussetzungen ein optimales Futtermittel bereitgestellt werden könne. Sollten hingegen die Aminosäuren entsprechend den mit den Faktoren ermittelten Mengen zugesetzt werden, ergäbe sich gemäß diesem Berechnungsbeispiel ein über das Optimale hinausgehender Gehalt an diesen Aminosäuren im Futter, der zu einer unwirtschaftlichen Ernährung mit einem erhöhten Stickstoffgehalt der Tierausscheidungen führe. Diese Lesart des ursprünglich Offenbarten widerspräche auch der anmeldungsgemäßen Aufgabe den Stickstoffgehalt im Kot zu senken. Der Anmelder legt außerdem einen gutachtlich zu wertenden Sonderdruck eines Artikels von Frau Uta Müller aus "Die Welt" vom 30. Juni 2001 vor, der belege, dass der Fachmann die Angaben in der Offenlegungsschrift so verstehe, dass der Gesamtgehalt an den supplementierten Aminosäuren gemeint sei und nicht der zugesetzte Gehalt, wie im Zurückweisungsbeschluss dargelegt werde. Es könne daher kein Zweifel an der Offenbarung des Anspruchs 1 bzw des alternativen Anspruchs 1a gemäß Hauptantrag bestehen.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent aufgrund des zurückgewiesenen Hauptantrags zu erteilen.

Ferner regt er die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu folgender Frage an:

"Ist die Erfindung unzulässig dadurch erweitert, wenn von zwei möglichen Interpretationen die für den Anmelder günstigere Variante gewählt wird, wobei die ungünstigere Variante zumindest einem Ziel der Erfindung widersprechen würde"

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig (PatG § 73); sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen.

Die gültigen Ansprüche 1 oder 1a gemäß Hauptantrag sind formal nicht zulässig, denn sie lassen sich nicht aus den ursprünglichen Unterlagen ableiten.

Mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beansprucht der Anmelder ein Geflügelfutter aus pflanzlichen Komponenten mit reduziertem Energie- und Rohproteingehalt bzw mit dem alternativen Anspruch 1a mit reduziertem Energiegehalt, welches mit Methionin, Lysin und Threonin supplementiert ist, und in dem durch bestimmte Faktoren ermittelte Mengen an diesen Aminosäuren enthalten sind. Wie auch der Anmelder im Verlauf des Prüfungsverfahrens und in der mündlichen Verhandlung einräumt, ist aber in den ursprünglichen Unterlagen immer von einem Zusatz zum Geflügelfutter die Rede, dessen Menge durch die in den Ansprüchen 1 bzw 1a angegebenen Faktoren bestimmt wird. So geht aus den ursprünglichen Ansprüchen 1-4 zweifelsfrei hervor, dass dem Futtermittel gemäß Faktoren vorbestimmte Mengen an Methionin, Lysin und Threonin hinzugefügt werden. Aus der ursprünglichen Beschreibung lässt sich nichts anderes ableiten. Dies gilt auch für die vom Anmelder in der mündlichen Verhandlung besonders herausgestellten Textstellen auf S 2 Z 21-25, 34-38, S 3 Z 5-9 und S 4 Z 6-9 der Offenlegungsschrift, die den ursprünglichen Unterlagen entspricht, in denen durchgehend von einem Aminosäure-Zusatz und nicht von einer Gesamtmenge an Aminosäuren, die im Futtermittel enthalten ist, die Rede ist. Die Angaben, dass die Tiere beim Stoffwechsel nur die Aminosäuren nutzen, die dem Körper- oder Feder-Eiweiß entsprechen (S 2 Z 21-25), oder dass die Bedarfsmenge täglich zugeführt werden muss (S 2 Z 34-36), oder dass Aufzuchtversuche mit unterschiedlichen Futtermischungen durchgeführt wurden, um das Optimum an Nähr- und Wirkstoffen zu erreichen (S 2 Z 37-38), können auch nicht belegen, dass die bestimmten Aminosäuren in den Mengen gemäß Anspruch 1 bzw 1a im Futtermittel enthalten sind und entgegen der Lehre der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 4 nicht zugesetzt werden sollen. Die verständige Würdigung der ursprünglichen Unterlagen ergibt also eindeutig, dass die Aminosäuren in den im Anspruch angegebenen Mengen in Abhängigkeit vom Rohproteingehalt zuzusetzen sind und lässt keine andere Interpretation zu.

Zu einer anderen Interpretation des Offenbarungsgehalts der ursprünglichen Unterlagen kann auch das in der mündlichen Verhandlung überreichte Berechnungsbeispiel nichts beitragen. Daraus geht zwar hervor, dass naturgemäß unter Einbeziehen des bereits im Rohprotein vorhandenen Aminosäuregehalts an Methionin, Lysin und Threonin ein höherer Gesamtgehalt an diesen Aminosäuren im Futtermittel vorliegt, wenn die mittels den Faktoren ermittelten Mengen an diesen Aminosäuren zugesetzt werden, als unter Abzug des im Rohprotein vorhandenen Aminosäuregehalts von der mittels den Faktoren ermittelten Menge. Diese Vorgehensweise, die zum Gegenstand nach Anspruch 1 bzw 1a gemäß Hauptanspruch führen würde, findet aber, wie vorstehend dargelegt, keine Stütze in den ursprünglichen Unterlagen. Der Hinweis im Berechnungsbeispiel, dass die mittels den Faktoren ermittelten Mengen als zugesetzte Mengen offensichtlich zu hoch seien, da der Stickstoffgehalt der Tierausscheidungen enorm ansteigen würde, führt auch zu keiner anderen Würdigung der ursprünglichen Offenbarung. Der Anmelder hatte sich zwar unter anderem die Aufgabe gestellt, ein Futtermittel bereitzustellen, das den Stickstoffgehalt im Kot senkt (S 2 Z 3-5, Z 60-62). Die Aufgabe wird aber bereits durch die anmeldungsgemäße Reduzierung des Rohproteingehalts gelöst. Dass von den Zusatzmengen gemäß den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 4 die bereits im Rohprotein enthaltenen Aminosäuregehalte in Abzug gebracht werden müssten, um ein optimales Geflügelfutter zu erhalten, ist eine Erkenntnis, die in den Erstunterlagen keinerlei Niederschlag gefunden hat.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte gutachtlich zu wertende Sonderdruck eines Artikels aus "Die Welt" vom 30. Juni 2001 trägt zwar den Titel "Aminosäuren können Tiermehl ersetzen", es fehlt aber ein Hinweis auf die Offenlegungsschrift DE 195 28 076 A1. Schon aus diesem Grund kann dieser Artikel nicht zur verständigen Wertung des Offenbarungsgehalts der Offenlegungsschrift herangezogen werden.

Nach alledem sind also die Ansprüche 1 und 1a nach Hauptantrag gegenüber den ursprünglichen Unterlagen gemäß § 38 Satz 1 unzulässig erweitert. Diese Ansprüche sind daher nicht gewährbar.

Da über den Antrag des Anmelders nicht teilweise entschieden werden kann, fallen die weiteren Ansprüche 2 bis 3 mit den nicht gewährbaren Ansprüchen 1 bzw 1a gemäß Hauptantrag.

Die Beschwerde des Anmelders war daher zurückzuweisen.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 100 Abs 2 PatG) ist nicht veranlasst, da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert. Insbesondere besteht vorliegend hierzu keine Veranlassung, da, wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, die ursprüngliche Offenbarung der Anmeldung nur eine Interpretation zulässt und sich somit die vom Anmelder formulierte Rechtsfrage gar nicht stellt.

Für eine ausnahmsweise Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen - wie schriftsätzlich angeregt - besteht kein Anlass, zumal es hierfür an jeglichem Vortrag des Anmelders fehlt, und Gründe für eine nicht ordnungsgemäße Sachbehandlung durch das DPMA nicht ersichtlich sind.

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BPatG:
Beschluss v. 07.05.2002
Az: 14 W (pat) 61/01


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