Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. Juli 2001
Aktenzeichen: 6 U 73/01

(OLG Köln: Urteil v. 18.07.2001, Az.: 6 U 73/01)

Tenor

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 26. Janu-ar 2001 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 198/00 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das angefochtene Ur-teil insgesamt wie folgt neu gefasst wird: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft von 6 Monaten, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr zum Zwecke des Wettbewerbs wie nachstehend wiedergegeben die Zahlung ei-nes Barbetrages in Höhe von 20,00 DM an Personen mit einem Lebensalter von mindestens 23 Jahren anzukündigen und den angekündigten Betrag zu bezahlen: Die Kosten des Verfahrens tragen zu 3/4 der Antragsgeg-ner und zu 1/4 die Antragsteller. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gründe

Die zulässige Berufung des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg, nachdem die Antragsteller ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 29. Juni 2001 neu formuliert und der konkreten Verletzungsform angepasst haben. Die darin liegende teilweise Antragsrücknahme hat allerdings die aus dem Urteilstenor ersichtlichen Kostenfolgen zu Lasten der Antragsteller.

Zunächst vermag sich der Senat der Auffassung des Antragsgegners, die durch das angefochtene Urteil bestätigte, im Beschlusswege ergangene einstweilige Verfügung des Landgerichts Aachen habe gemäß § 929 Abs. 2 ZPO der erneuten Vollziehung bedurft, nicht anzuschließen. Zwar ist es in tatsächlicher Hinsicht richtig, dass das Landgericht die Beschlussverfügung zunächst mit der Begründung erlassen hat, die Verteilung des im Urteilstenor wiedergegebenen Werbeflyers sei nicht nur wegen übertriebenen Anlockens im Sinne des § 1 UWG, sondern auch unter dem Gesichtspunkt unzulässiger vergleichender Werbung zu unterlassen, während das die Beschlussverfügung bestätigende, mit der Berufung angegriffene Urteil auf den Aspekt der unzulässigen vergleichenden Werbung im Sinne des § 2 UWG n.F. (Bundesgesetzblatt 2000 I, S. 1374) nicht mehr zurückkommt. Gleichwohl wurde dadurch eine neue Vollziehungsfrist nicht in Gang gesetzt. Es entspricht heute nämlich der ganz herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum, dass eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung, die durch das Urteil bestätigt wird, grundsätzlich keiner erneuten Vollziehung bedarf. Eine solche erneute Vollziehung ist vielmehr nur bei einer wesentlichen inhaltlichen Änderung erforderlich (vgl. statt vieler: OLG Hamburg, Urteil vom 02.04.1998, OLGR 1999, 180 ff.; Kammergericht, Beschluss vom 28.01.2000, KGR 2000, 215 ff.; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage 2001, § 25 Rdnr. 61 sowie Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kapitel 55 Rdnr. 48). Das hat seinen Grund darin, dass der Antragsteller bereits durch eine Vollziehungshandlung, nämlich durch die Zustellung der Beschlussverfügung, für den Antragsgegner deutlich sichtbar dokumentiert hat, dass er von der erlassenen einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will. Deshalb ist es gerechtfertigt, eine erneute Vollziehung nur in Ausnahmefällen zu verlangen, und zwar dann, wenn die ursprüngliche Verfügungsanordnung eine wesentliche inhaltliche Änderung erfährt (siehe nur OLG Hamburg, a.a.O., Seite 181 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte). Danach scheidet die Notwendigkeit einer erneuten Vollziehung im Streitfall schon deshalb aus, weil die einstweilige Verfügung durch das angefochtene Urteil wortgleich bestätigt worden ist, eine inhaltliche Änderung oder gar eine Erweiterung also gerade nicht erfahren hat. Dass die Entscheidungsgründe dem Antragsgegner die Fortsetzung des mit der Beschlussverfügung verbotenen Tuns wegen übertriebenen Anlockens und nicht zugleich auch wegen unzulässiger vergleichender Werbung nach § 2 UWG untersagen, ist demgegenüber ohne Belang.

In der Sache selbst hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass die werbliche Ankündigung des Antragsgegners in Form des von ihm verteilten Flyers wegen übertriebenen Anlockens im Sinne des § 1 UWG unlauter und daher zu unterlassen ist. Dieser Tatbestand, der bereits für sich genommen das Unwerturteil des § 1 UWG nach sich zieht, ohne dass es darauf ankäme, ob im Anschluss daran psychologischer Kaufzwang im Sinne des § 1 UWG ausgeübt wird (allgemeine Meinung: vgl. nur Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 91 a), setzt ein Werbeverhalten voraus, bei dem der mit dem in Aussicht gestellten Vorteil verbundene Anlockeffekt so stark ist, dass das Publikum von einer sachgerechten Prüfung des Waren- oder Leistungsangebotes abgelenkt wird. Auf diese Weise wird der Kunde schon im Vorfeld eines Geschäftsabschlusses von einer sachgerechten Prüfung der verschiedenen Angebote nach Qualität und Preiswürdigkeit abgelenkt, wodurch der Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber verfälscht wird, die in unzumutbarer Weise um die Chance gebracht werden, ihrerseits das Publikum wirksam anzusprechen und ihrer Leistung Geltung zu verschaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und auch des Senats (vgl. etwa BGH WRP 1998, 727, 728 "Schmuck-Set" sowie im Zusammenhang mit Gewinnspielen BGH WRP 2000, 724, 725/726 "Space Fidelity Peep-Show" und BGH WRP 1998, 724, 725 "Rubbelaktion" einerseits und Senat, zuletzt Urteil vom 30.03.2001 in dem Rechtsstreit 6 U 140/00 anderseits) tritt dieser Effekt aber ein, wenn durch das Anlocken mit übermäßigen Vorteilen eine so starke Anziehungskraft auf den Umworbenen ausgeübt wird, dass er sich mit dem Angebot der Mitbewerber nicht (mehr) befasst, sondern gleichsam magnetisch in die Geschäftsräumlichkeiten des Werbenden gezogen und damit in eine Situation gebracht wird, in der sich die Aussichten auf Geschäftsabschlüsse erhöhen.

So liegt es hier. Unter den im Streitfall obwaltenden Umständen erreicht der Antragsgegner durch seine Werbeankündigung, dass der potenzielle Versicherungskunde auf jeden Fall seine und nicht die in unmittelbarer Nähe befindlichen Büroräume der Antragsteller aufsucht, weil der werblich angesprochene, einem Versicherungswechsel nicht abgeneigte Kunde nämlich aus seiner Sicht nur "gewinnen" kann. Denn entweder bekommt er die Bestätigung, dass er ohnehin bereits günstig versichert ist, und erhält überdies dafür noch 20,-- DM in bar, oder er sieht sich überzeugt, dass das von dem Antragsgegner vermittelte Angebot ihm Vorteile bringt. Aufgrund des Versprechens des Antragsgegners, auf jeden Fall 20,-- DM in bar auszuzahlen, wenn sich infolge des Aufsuchens seines Versicherungsbüros (wider Erwarten) erweise, dass der Kunde bereits zu einem Versicherungstarif versichert ist, den ihm die P.-Versicherung nicht bieten kann, wird der wechselwillige Kunde im Zweifel nicht mehr das in unmittelbarer Nähe, nämlich auf der C.-M.-Str. 32 gelegene Versicherungsbüro der Antragsteller, sondern das auf der C.-M.-Str. 16 in Ü.-P. gelegene Büro des Antragsgegners aufsuchen, um sich dort beraten zu lassen. Dann aber tritt infolge der Werbung des Antragsgegners genau der Effekt ein, wie er durch den Tatbestand des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG verhindert werden soll, dass nämlich der (potenzielle) Kunde die Büroräumlichkeiten des Antragsgegners nur deshalb aufsucht, weil er weiß, dass er auf jeden Fall in den Genuss eines Bargeschenks von 20,-- DM bekommt, wenn und soweit es dem Antragsgegner nicht gelingt, ihn davon zu überzeugen, dass sich ein Versicherungswechsel lohnt.

Soweit der Antragsgegner im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Frage aufgeworfen hat, ob der hiernach gegebene Unterlassungsanspruch der Antragsteller möglicherweise verjährt ist, und hierin zugleich die Erhebung der Verjährungseinrede erblickt werden könnte, kann in tatsächlicher Hinsicht offen bleiben, ob gemäß § 21 UWG tatsächlich Verjährung eingetreten ist. Denn mit Rücksicht darauf, dass der Antragsgegner seine Werbung als rechtsmäßig verteidigt und für sich in Anspruch nimmt, auch künftig wie geschehen werben zu dürfen, berühmt er sich nämlich des Rechts, auch in Zukunft Handlungen der beanstandeten Art vornehmen zu dürfen. Dann aber liegt rechtlich Begehungsgefahr vor, aus der jedenfalls ein vorbeugender Unterlassungsanspruch der Antragsteller erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 Abs. 1 und § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Ein Teil der im einstweiligen Verfügungsverfahren entstandenen Kosten war den Antragstellern aufzuerlegen, weil sie ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch die Neuformulierung des Verfügungsantrags und seine Anpassung an die konkrete Verletzungsform im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 29.06.2001 teilweise zurückgenommen haben. Um eine bloße Klarstellung des Unterlassungsbegehrens handelt es sich nicht. Vielmehr war der gestellte Unterlassungsantrag, auf den die Fassung der Beschlussverfügung zurückgeht, von vornherein zu weit gefasst, weil er zum Beispiel auch Fälle erfassen würde, in denen die Auszahlung des Betrages von 20,-- DM erfolgt, obschon der Umworbene die Büroräumlichkeiten des Antragsgegners nicht aufsucht.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 18.07.2001
Az: 6 U 73/01


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