Bundesgerichtshof:
Urteil vom 2. März 2006
Aktenzeichen: IX ZR 15/05
(BGH: Urteil v. 02.03.2006, Az.: IX ZR 15/05)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. November 2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, begehrt von dem Beklagten, einem Verein französischen Rechts mit Sitz bei Paris, die Zahlung von Honorar für die Vertretung in einem Schiedsverfahren. Die mündliche Verhandlung des Schiedsgerichts, bei der auch eine Beweisaufnahme durchgeführt wurde, fand in London statt. Die Verhandlung wurde von dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Klägerin von seiner Kanzlei aus in München vorbereitet.
Nach Abschluss des Schiedsverfahrens stellte die Klägerin zunächst auf Basis eines Stundenhonorars 26.986,13 DM in Rechnung. Da der Beklagte nicht bezahlte, macht die Klägerin ihre Honoraransprüche mit der Klage entsprechend den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung mit drei Gebühren nach einem Streitwert von 704.454 € in Höhe von 16.778,43 € geltend.
Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat ihr das Berufungsgericht im Wesentlichen stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
Die allein auf fehlende internationale Zuständigkeit des Landgerichts gestützte Revision ist unbegründet.
1. Das Revisionsgericht ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen. § 545 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen (BGHZ 153, 82, 84 f; 157, 224, 227; BGH, Urt. v. 7. Dezember 2004 - XI ZR 366/03, WM 2005, 339, 340).
2. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit bejaht. Diese ergebe sich zwar nicht schon aus einer rügelosen Einlassung gemäß § 39 ZPO bzw. Art. 24 EuGVVO, wohl aber aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO, weil die Dienstleistung für den Beklagten im Schwerpunkt am Kanzleisitz der Klägerin in München erbracht worden sei. Dort habe die Kontaktaufnahme mit dem Beklagten stattgefunden und der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit für Recherchen und Abfassen von Schriftsätzen gelegen. Durch die Inanspruchnahme einer Rechtsanwaltskanzlei in München habe der Beklagte dies bewusst in Kauf genommen. Dahinter trete London als Ort, an dem ein weiterer wichtiger Teil der Dienstleistung erbracht worden sei, zurück.
3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auf den vorliegenden Rechtsstreit die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000, ABl. EG 2001 Nr. 12, S. 1 (im Folgenden: EuGVVO) Anwendung findet. Diese Verordnung ist gemäß Art. 76 am 1. März 2002 für die Mitgliedstaaten der EG mit Ausnahme Dänemarks (vgl. Art. 1 Abs. 3, Erwägungsgründe 21 und 22) in Kraft getreten und gilt gemäß Art. 66 Abs. 1 für alle Klagen, die nach ihrem Inkrafttreten erhoben werden. Da die Klage am 19. Dezember 2002 eingereicht wurde, ist die Verordnung anwendbar. Die Parteien unterfallen nach Art. 1 und 2 den Regelungen der Verordnung. Dies wird von der Revision nicht in Frage gestellt.
b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Zuständigkeit nicht schon durch rügelose Einlassung gemäß Art. 24 EuGVVO begründet wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Beklagte auf die zuvor schriftlich erhobene Rüge nicht verzichtet, vielmehr durch Stellung seines in erster Linie mit der mangelnden internationalen Zuständigkeit begründeten Klageabweisungsantrags aus dem Schriftsatz vom 17. Juni 2003 die Rüge aufrecht erhalten. Dass er sich hilfsweise zur Sache eingelassen hat, ließ nicht die Befugnis entfallen, sich auf die Unzuständigkeit zu berufen (EuGH NJW 1984, 2760, 2761; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. Art. 24 EuGVVO Rn. 10 f m.w.N.).
c) Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich jedoch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO. Hiernach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Erfüllungsort für die Erbringung von Dienstleistungen ist nach Buchst. b Spiegelstrich 2 der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem diese nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
(1) Der Begriff der Dienstleistung ist losgelöst von der lex causae gemeinschaftsrechtlich zu verstehen. Er ist zwar in der EuGVVO selbst nicht definiert. Es können jedoch der entsprechende gemeinschaftsrechtliche Begriff aus Art. 50 EGV, der Begriff der Dienstleistung in Art. 5 Abs. 1 des Römischen EWG-Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie der jeweilige Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Brüsseler EWG-Übereinkommens und des LuganoÜbereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ und LuganoÜbereinkommen) herangezogen werden (vgl. Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 43; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 89). Er ist weit auszulegen (vgl. BGHZ 123, 380, 384 f; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328). Gemäß Art. 50 Abs. 1 EGV sind unter einer Dienstleistung Leistungen zu verstehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit von Personen unterliegen. Gemäß Art. 50 Abs. 2 Buchst. d EGV gehören hierzu insbesondere freiberufliche Tätigkeiten.
Die Tätigkeit, die ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten erbringt, ist eine Dienstleistung im Sinne dieser Regelungen (Kropholler, aaO Art. 5 EuGV-VO Rn. 43, 44; Geimer in Geimer/Schütze, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 90; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 49 f). Dies wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt.
(2) Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO bestimmt nicht lediglich den internationalen Gerichtsstand für die Klagen bezüglich der vom Rechtsanwalt (Dienstleister) zu erbringenden Dienstleistung. Der für die Dienstleistung ermittelte Erfüllungsort gilt vielmehr auch für die Gegenleistung. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO knüpft nicht an die Erfüllung der streitigen Verpflichtung an, sondern an den Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung. Dies ist dem Wortlaut der Bestimmung zwar nicht deutlich zu entnehmen, ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift. In dem Vorschlag der Kommission für die EuGVVO (KOM (1999) 348 endg.) ist Art. 5 des insoweit unverändert gebliebenen Entwurfs auf S. 9 wie folgt begründet worden:
"Die im Brüsseler Übereinkommen für vertragliche Schuldverhältnisse geltende Regelung wird beibehalten (a). Um jedoch Nachteile durch den Rückgriff durch Regeln des Internationalen Privatrechts des Staates des angerufenen Gerichts ... zu vermeiden, bestimmt Nr. 1 Buchst. b für zwei Arten von vertraglichen Schuldverhältnissen als Gerichtsstand den Ort, an dem die Verpflichtung, die "Gegenstand des Verfahrens" ist, erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Erfüllungsort ist für den Verkauf von Waren der Ort, an dem die Waren vertragsgemäß geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Für die Erbringung von Dienstleis-
tungen ist Erfüllungsort der Ort, an dem die Dienstleistungen vertragsgemäß erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Diese pragmatische Bestimmung des Erfüllungsorts, die auf einem rein faktischen Kriterium beruht, gilt unabhängig davon, welcher Art die streitige Verpflichtung ist, d.h. sie gilt auch, wenn die Verpflichtung in der Zahlung einer vertraglich vereinbarten finanziellen Gegenleistung besteht. Sie ist auch dann anwendbar, wenn mit einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden."
Sinn und Zweck der Regelung ist es, einen einheitlichen Gerichtsstand für sämtliche Klagen aus dem Kauf bzw. Dienstleistungsvertrag zu schaffen (Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 27, 46; Rauscher/Leible, aaO Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 51; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 10; Geimer in Geimer/Schütze, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 89, 132; Zöller/Geimer, ZPO 25. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 4, 7; Thorn, IPrax 2004, 354, 356; Kienle, IPrax 2005, 113).
Der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der für die örtliche Zuständigkeit bei Honorarklagen von Rechtsanwälten nunmehr darauf abstellt, dass Erfüllungsort für das Honorar gemäß § 269 Abs. 1 BGB in der Regel der Wohnsitz des Mandanten ist (BGHZ 157, 20, 23 f; BGH, Urt. v. 4. März 2004 - IX ZR 101/03, NJW-RR 2004, 932) kommt deshalb für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO keine Bedeutung zu (Neumann/Spangenberg, BB 2004, 901, 903; Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl. § 269 Rn. 13).
(3) Anders als nach der Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist der Erfüllungsort nicht mehr nach der lex causae, also mit Hilfe des Internationalen Privatrechts des angerufenen Gerichts zu bestimmen (sog. Tessili-Regel; vgl. EuGH, NJW 1977, 491; NJW 2000, 719; BGH, Urt. v. 31. Januar 1991 - III ZR 150/88, NJW 1991, 3095, 3096; näher hierzu z.B. Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 22, 27; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 ff). Vielmehr wurde mit Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO ein selbstständiger Erfüllungsortbegriff geschaffen (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 27. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 4; Zöller/Geimer, ZPO aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 3). Dieser ist losgelöst von rechtlichen Kategorien der einzelnen Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen (Kropholler, aaO Art. 5 Rn. 42; Geimer in Geimer/Schütze, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 132; Rauscher/Leible, aaO Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 32, 45; Kienle IPrax 2005, 113).
(4) Soweit Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO sowohl darauf abstellt, wo die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist, als auch darauf, wo sie hätte erbracht werden müssen, ist streitig, in welchem Verhältnis der rechtliche zum tatsächlichen Erfüllungsort steht. Zum Teil wird vertreten, es handele sich um eine zeitgebundene Rangfolge; solange noch nicht erfüllt ist, sei nur der rechtliche Erfüllungsort maßgeblich, nach der Erfüllung allein der tatsächliche, auch wenn er vom rechtlichen abweicht (Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 47; Rauscher/Leible, aaO Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 42, 51). Nach anderer Ansicht handelt es sich um nebeneinander stehende, parallele Zuständigkeitsbestimmungen (Geimer in Geimer/Schütze, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 142).
Die Frage kann hier offen bleiben; es ist nichts dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall der vertragliche und der tatsächliche Leistungsort auseinander fallen. Die Klägerin hat ihre Leistungen an den Orten erfüllt, wo sie nach den vertraglichen Vereinbarungen zu erbringen waren. Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung sollte vom Kanzleisitz des sachbearbeitenden Rechtsanwalts in München aus erfolgen, die Teilnahme an der Verhandlung des Schiedsgerichts in London. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.
(5) Ist die Dienstleistung tatsächlich und vertragsgemäß in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten erbracht worden, ist hinsichtlich der einheitlich fällig werdenden Gegenleistung (vgl. § 16 BRAGO, § 8 RVG) maßgebend, wo der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistung war.
Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 19. Februar 2002 (Rs.C-256/00 Besix) bereits zu der Vorläuferregelung in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ festgestellt, dass ein einziger Erfüllungsort zu bestimmen ist. Dies ist grundsätzlich der Ort, zu dem der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist (EuGH, NJW 2002, 1407, 1408 Rn. 32).
Auch für Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO muss ein einziger Erfüllungsort bestimmt werden. Andernfalls wäre das dargelegte Ziel der Verordnung, einen einheitlichen Gerichtsstand für alle Klagen aus dem Dienstleistungsvertrag zu schaffen, nicht zu erreichen. Der Ort, zu dem der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist, ist bei einer Dienstleistung der Ort, an dem der Tätigkeitsschwerpunkt liegt (Rauscher/Leible, aaO Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 55; im Ergebnis ebenso Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 50).
Die Revision meint, bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Vertretung vor einem (Schieds-)Gericht liege der Ort der Dienstleistung immer am Ort des (Schieds-)Gerichts; die vorherige Tätigkeit habe lediglich vorbereitenden Charakter. Diese Auffassung trifft nicht zu. Wie der örtliche Schwerpunkt einer Dienstleistung zu bestimmen ist, die in mehreren Mitgliedsstaaten zu erbringen ist, lässt sich nicht allgemein festlegen.
Wird ein Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung eines Mandats beauftragt, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass er die hierdurch erforderlich werdende Tätigkeit vom Sitz seiner Kanzlei aus erbringt (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 1991 aaO; BayObLG NJW-RR 1996, 52, 53; Drews, TranspR 1999, 193, 194; Heussler/Steinkraus, AnwBl. 1999, 186). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts trifft dies auch im vorliegenden Fall zu. Von der Kanzlei des sachbearbeitenden Rechtsanwalts der Klägerin in München aus wurden die Kontaktaufnahme mit dem Beklagten und die erforderlichen Recherchen und sonstigen Vorarbeiten durchgeführt sowie vorbereitende Schriftsätze gefertigt.
Muss der Anwalt einen Teil seiner Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat erbringen, sind für die Bestimmung eines einheitlichen Erfüllungsortes Zeitaufwand und Bedeutung der Tätigkeitsanteile abzuwägen. Die Tätigkeit bei einem (Schieds-)Gericht führt nicht zwingend dazu, dass in jedem Fall der Ort der mündlichen Verhandlung als Schwerpunkt der gesamten Leistungserbringung anzusehen ist. Der bei Warenlieferungen für die Bestimmung des Erfüllungsortes maßgebliche Gesichtspunkt der Sach- und Beweisnähe des Gerichts (vgl. z.B. Kienle, IPrax 2005, 113, 114) kann zwar auch bei Dienstleistungsverträgen, etwa bei Bau- oder Architektenverträgen, eine Rolle spielen. Für den Streit um die Vergütung eines Rechtsanwalts ist dieser Gesichtspunkt aber regelmäßig ohne Bedeutung. Der Ort der Verhandlung eines Schiedsgerichts, der von den Parteien frei vereinbar ist, knüpft häufig nicht an eine besondere örtliche Gebundenheit des Streitgegenstandes an. Dafür ist auch hier nichts ersichtlich. Entscheidend für die Ortswahl ist vielmehr häufig die gute Erreichbarkeit für alle Beteiligten, wenn sie - wie hier - aus weit von einander entfernt liegenden Orten zusammenkommen müssen. Maßgebend für die Feststellung des Erfüllungsortes kann deshalb regelmäßig nur sein, welche Bedeutung der Terminswahrnehmung und den sonstigen Tätigkeiten, insbesondere der Fertigung vorbereitender Schriftsätze und weiterer vor der Verhandlung zu erbringender Leistungen, in einer Gesamtschau zukommt.
Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass ein wichtiger Teil der Dienstleistung in London erbracht wurde. Es hat gleichwohl, vor allem im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand, den Schwerpunkt der Tätigkeit am Kanzleisitz des bearbeitenden Anwalts gesehen. Obwohl im vorliegenden Fall von vorneherein feststand, dass die Sache vor einem Schiedsgericht in London zu verhandeln war, beauftragte der bei Paris ansässige Beklagte die Klägerin, weil er besonderen Wert gerade auf die Bearbeitung der Sache durch den später sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Klägerin legte, der seinen Kanzleisitz in München hat. Der Beklagte hat damit bewusst in Kauf genommen, dass der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit des sachbearbeitenden Rechtsanwalts in München lag. Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Schwerpunkt der Tätigkeit in tatrichterlicher Würdigung in München gesehen und damit die internationale Zuständigkeit des Landgerichts bejaht hat. Demgegenüber ist bedeutungslos, dass die international tätige Klägerin ihren Sitz in Berlin hat und zur Zeit der Beauftragung auch ein Büro in London unterhielt, weil beides für die Abwicklung des Mandats keinerlei Bedeutung besaß.
4. Eine Vorlage gemäß Art. 234 EGV an den Europäischen Gerichtshof ist nicht angezeigt. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag besteht dann nicht, wenn das letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm schwebenden Verfahren feststellt, dass die betreffende entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig ist, und damit für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982, Rs. 283/81 - C.I.L.F.I.T.-Slg. 1982, 3415, 3430 Rn. 16; vgl. BGHZ 109, 29, 35; BGH, Urt. v. 28. März 2001 - VIII ZR 72/00, WM 2001, 1264, 1265 f; v. 24. Oktober 2003 - V ZR 48/03, WM 2004, 693, 695; v. 10. Oktober 2005 - II ZR 148/03, NJW 2006, 371, 373; BVerfG NJW 1988, 1456). So liegt der Fall hier. In dem zitierten Urteil vom 19. Februar 2002 (aaO) hat der Europäische Gerichtshof bereits zur Vorgängerregelung in Art. 5 EuGVÜ festgestellt, dass ein einziger Erfüllungsort nach dem Gesichtspunkt zu bestimmen ist, zu welchem Ort der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist. Dies gilt zweifellos auch für Art. 5 EuGVVO. Darüber herrscht auch zwischen den Parteien kein Streit. Die hiernach vorzunehmende Beurteilung im Einzelfall obliegt vornehmlich dem Tatrichter.
Dr. Gero Fischer Dr. Ganter Vill Lohmann Dr. Detlev Fischer Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 21.04.2004 - 3 O 22978/02 -
OLG München, Entscheidung vom 09.11.2004 - 18 U 3331/04 -
BGH:
Urteil v. 02.03.2006
Az: IX ZR 15/05
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