Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juli 2003
Aktenzeichen: 15 W (pat) 312/02
(BPatG: Beschluss v. 21.07.2003, Az.: 15 W (pat) 312/02)
Tenor
Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:
Patentansprüche 1-8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Sp 1-4, überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Im übrigen wird das Patent widerrufen.
Gründe
I Auf die am 23. Juli 1998 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 198 33 096 (Streitpatent) mit der Bezeichnung
"Verfahren zum Laden eines Akkumulators"
erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 28. März 2002.
Der Patentanspruch 1 gemäß Streitpatent hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Laden eines Akkumulators, insbesondere eines geschlossenen Bleiakkumulators in zwei aufeinanderfolgenden Stufen, wobei in einer ersten Stufe mit einem Ladestrom IL0 bis zum Erreichen einer temperaturabhängigen Ladespannung UBL geladen wird, wobei der Ladestrom IL in einer zweiten Stufe zwischen einem Ladestrom ILa und einem Ladestrom ILp periodisch umgeschaltet wird, bis ein Ladefaktor fL der Gesamtladung einen vorgegebenen Wert erreicht hat und wobei der Ladestrom ILa kleiner und der Ladestrom ILp größer ist als der Ladestrom IL0 während der ersten Stufe, dadurch gekennzeichnet, dass der Akkumulator nach Abschluss der zweiten Ladestufe mehr als 12 Stunden mit dem Ladegerät verbunden bleibt, dass eine Ausgleichsladung durch periodisches Umschalten von dem Ladestrom ILa auf den Ladestrom ILp durchgeführt wird, dass nach Abschluss der Ausgleichsladung die Batteriespannung UB in periodischen Zeitabschnitten gemessen und gespeichert wird und dass insbesondere ein Spannungswert vor dem Abtrennen der Batterie vom Ladegerät gesondert gespeichert und mit einem Spannungswert des vorhergehenden Ladevorgangs verglichen wird."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen die Patenterteilung hat die Firma B... Elektrotechnik und Elektronik GmbH und Co. KG in B1... Einspruch erhoben.
Der Einspruch wurde gestützt auf:
(1) DE 33 28 994 C1
(2) DE 37 32 339 A1
(3) Bedienungsanleitung "Belatron HF" vom 29. April 1997
(4) Interne Beschreibung "Belatron HF" vom 1. April 1996
(5) Technische Anweisung "Belatron HF-Ladegleichrichter" mit DETA LM (Low Maintenance)-Puls Ladekennlinie für FLEX plus-Traktionsbatterien" vom 20. Juni 1997
(6) Prospekt "Belatron HF; perfekte Ladesysteme in getakteter Technik" aus dem Jahr 1997
(7) Kennlinie: "Belatron HF Ionische Elektrolytumwälzung" Ladeprogramm LP 22 Zur Stützung der Behauptung, dass Belatron HF-Ladesysteme mit dem Programm "LP 22 LM-PULS Kennlinie" von der Einsprechenden bereits im Jahr 1996 vertrieben wurden, wird der Zeuge S... genannt.
Die Einsprechende teilt jedoch in der mündlichen Verhandlung mit, der von ihr als möglicher Zeuge benannte S... habe den Termin zur mündlichen Ver- handlung heute nicht wahrnehmen können, deshalb werde seine eidesstattliche Versicherung vorgelegt.
Die Patentinhaber überreichen in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 8. Diese lauten:
"1. Verfahren zum Laden eines Akkumulators, insbesondere eines geschlossenen Bleiakkumulators mit folgenden Stufen, wobei in einer ersten Stufe mit einem Ladestrom IL0 bis zum Erreichen einer temperaturabhängigen Ladespannung UBL im Bereich der Gasungsspannung geladen wird, wobei der Ladestrom IL in einer zweiten Stufe zwischen einem Ladestrom ILa und einem Ladestrom ILp periodisch umgeschaltet wird, bis ein Ladefaktor fL der Gesamtladung einen vorgegebenen Wert erreicht hat und wobei der Ladestrom ILa kleiner und der Ladestrom ILP größer ist als der Ladestrom IL0 während der ersten Stufe, dadurch gekennzeichnet, dass der Akkumulator nach Abschluss der zweiten Ladestufe mehr als 12 Stunden mit dem Ladegerät verbunden bleibt, dass anschließend eine Ausgleichsladung durch periodisches Umschalten von dem Ladestrom ILa auf den Ladestrom ILp durchgeführt wird, dass nach Abschluss der Ausgleichsladung eine Ruhespannung UBR des Akkumulators in periodischen Zeitabschnitten gemessen und gespeichert wird und dass der letzte Spannungswert der Ruhespannung UBR vor dem Abtrennen des Akkumulators vom Ladegerät gesondert gespeichert und mit einem Spannungswert eines vorhergehenden Ladevorgangs verglichen wird und dass bei sinkender Ruhespannung nach gleichen Messzeitpunkten der Ladefaktor fL der Ausgleichsladung angehoben wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Ladestrom ILp auf Werte zwischen 18 bis 25 A/100 Ah Nennkapazität eingestellt wird.
3. Verfahren nach zumindest einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Ladestrom IL in der zweiten Ladestufe eine Periodendauer T im Bereich von 4 ² t ² 10 min, vorzugsweise T = 8 min aufweist.
4. Verfahren nach zumindest einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Ladestrom ILa eine Einschaltzeit Ta im Bereich von 2 min ² Ta ² 5 min, vorzugsweise Ta = 5 min und dass der Ladestrom ILp eine Einschaltzeit Tp im Bereich von 2 min ² TP ² 5 min, vorzugsweise Tp = 3 min aufweist.
5. Verfahren nach zumindest einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Ladefaktor fL der Gesamtladung in einem Bereich von fL = 1,05 bis 1,10 liegt.
6. Verfahren nach zumindest einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass bei der Ausgleichsladung vorzugsweise 10 % der Nennkapazität eingeladen werden.
7. Verfahren nach zumindest einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass nach Abschluss der Ausgleichsladung die Batteriespannung UB in periodischen Zeitabschnitten stündlich gemessen wird.
8. Verfahren nach zumindest einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass bei steigender Ruhespannung UBR eine automatische Wassernachfüllung ausgelöst oder ein Signal zur manuellen Wassernachfüllung aktiviert wird."
Die Patentinhaber stellen den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalten 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Die Einsprechende erklärt, dass sie sich zwischenzeitlich mit den Patentinhabern geeinigt habe und ihren Einspruch zurücknehme.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung gemäß § 78 und § 147 Abs 3 PatG.
III 1. Das Streitpatent war mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten, darüber hinaus jedoch zu widerrufen.
2. Die ursprüngliche Offenbarung der geltenden Patentansprüche 1 bis 8 ist gegeben. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 finden sich in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 7, 9 und 10 iVm mit der ursprünglichen Beschreibung Seite 4 Absatz 3, Seite 5 Absatz 5 und Seite 6 Absatz 2. In den erteilten Unterlagen sind diese Merkmale in den Ansprüchen 1 und 8 iVm der Beschreibung Spalte 2 Zeilen 54 bis 62, Spalte 3 Zeilen 54 bis 59 und Spalte 4 Zeilen 27 bis 29 beschrieben. Die Merkmale der geltenden Patentansprüche 2 bis 8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2, 4 bis 6, 8, 9 und 11 und den erteilten Ansprüchen 2 bis 7 und 9.
3. Die Neuheit des nunmehr beanspruchten Verfahrens ist gegeben. Bei dieser Betrachtung soll unterstellt werden, dass Schriftstücke wie (4) Interne Beschreibung "Belatron-HF", (5) Technische Anweisung Belatron HF-Ladegleichrichter und (7) Kennlinie "Belatron HF Ionische Elektrolytumwälzung" vorveröffentlicht sind und auch die eidesstattliche Versicherung des als Zeugen angebotenen Herrn S... den vorgetragenen Stand der Technik korrekt wiedergibt.
Die Neuheit liegt schon allein darin, dass in keinem der entgegengehaltenen Schriftstücke und auch nicht mittels der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung ein Ladeverfahren beschrieben wird, bei dem nach der Hauptladung (2. Stufe) eine Ausgleichsladung derart durchgeführt wird, dass während der Ausgleichsladung ein periodisches Umschalten von einem Ladestrom ILa auf den Ladestrom ILp stattfindet, wobei der Ladestrom ILa kleiner und der Ladestrom ILp größer ist als der Ladestrom IL0 während der ersten Stufe.
4. Die Entwicklung des beanspruchten Verfahrens beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, bei einem Verfahren zum schnellen Vollladen eines Akkumulators, insbesondere eines geschlossenen Bleiakkumulators eine Elektrolytdurchmischung zur Verhinderung einer Säureschichtung durchzuführen. Gelöst wird diese Aufgabe durch das erfindungsgemäße Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1. Der zuständige Fachmann ist ein Ingenieur der Elektrochemie mit besonderen Erfahrungen auf dem Gebiet der Akkumulatoren und Ladegeräte. Diesem Fachmann ist die Entgegenhaltung (1) DE 33 28 994 C1 bekannt, in der ein Ladeverfahren für Akkumulatoren beschrieben ist, das aus zwei Stufen besteht, wobei in der ersten Stufe bis zur Gasungsspannung (2,4 V/Zelle) aufgeladen wird und mittels einer zweiten Ladephase eine weitere Aufladung mit verringertem, aber gepulsten Strom durchgeführt wird, wobei durch den höheren Stromwert die Gasungsspannung deutlich überschritten wird (vgl (1) Anspruch 1). Von einer Ausgleichsladung nach 12 Stunden, die mit gepulstem Strom durchgeführt werden soll, oder dem Speichern bestimmter Werte zur Korrektur nachfolgender Ladevorgänge ist in (1) nicht die Rede.
Aus der Entgegenhaltung (2) DE 37 32 339 A1 ist ein dreistufiges Ladeverfahren für Akkumulatoren bekannt, bei dem jedoch kein gepulster Strom eingesetzt wird. Entgegenhaltung (3) ist die Bedienungsanleitung "Belatron-HF" vom 29. April 1997. Das darin beschriebene Gerät wurde ua mit einem Ladeprogramm "LP 22 LM-PULS Kennlinie" betrieben (vgl (3) S 15). Für den Vertrieb vor dem Anmeldetag wurde der Zeuge S... genannt (vgl dessen eidesstattliche Erklärung vom 18. Juli 2003). Über die Art der angesprochenen Kennlinie wird in Entgegenhaltung (3) keine Aussage gemacht. Die Entgegenhaltung (4) ist die interne Beschreibung Belatron-HF vom 1. April 1996. Auf den Seiten 36 und 37 wird die Kennlinie näher beschrieben. Zwar ist daraus ersichtlich, dass dort während der Ausgleichsladung gepulster Strom verwendet wird, es wird jedoch der Strom bei Überschreiten der Ausgleichsspannung nicht auf einen niedrigeren Wert eingestellt, sondern ganz abgeschaltet, um erst dann wieder eingeschaltet zu werden, wenn eine bestimmte Spannung unterschritten wird (vgl (4) S 37 Abs 2). Den vertriebenen Belatrongeräten selbst hätte der Fachmann keine weitergehenden Merkmale als die in Entgegenhaltung (4) offenbarten entnehmen können.
Die Entgegenhaltung (5) Technische Anweisung "BELATRON HF-Ladegleichrichter mit DETA LM (Low Maintenance)-Puls Ladekennlinie für FLEX plus-Traktionsbatterien" vom 20. Juni 1997, wurde ausweislich des auf der Titelseite wiedergegebenen Verteilers erst einen Monat vor dem Anmeldetag an einen begrenzten Kreis von internen Betrieben verteilt. Darin wird ausgeführt, dass bei einer bestimmten Ladekennlinie während des Ladens keine Luft durch den Elektrolyten gepumpt wird, sondern durch Stromimpulse in der Nachladephase am Ladeende der Elektrolyt verwirbelt und vergleichmäßigt wird. Allerdings sei dieses Verfahren keine vollwertige Alternative zum Elektrolytumwälzsystem mit Luft (vgl (5) S 1 Abs 5-9). Auch in dieser Schrift gäbe es keine Aussage über eine erfindungsgemäß durchgeführte Ausgleichsladung sowie das Speichern und Verwerten von Daten.
Die Entgegenhaltung (6) betrifft das das Prospekt Belatron-HF und behandelt "Perfekte Ladesysteme in getakteter Technik". Nach den Druckangaben ist es im Januar 1997 gedruckt worden. Dort wird auf eine geringe Stromwelligkeit und damit einen geringeren Anstieg der Batterietemperatur während der Ladung (vgl zB (6) 2. Blatt, letzter Abs) und auf die Elektrolytumwälzung durch relativ starke Gasung bei anderen Geräten verwiesen (vgl (6) 4. Blatt, eingerahmter Text am Ende des Blattes). Weitere Aussagen bezüglich der Merkmale des Patentgegenstandes sind diesem Prospekt nicht zu entnehmen.
Die Entgegenhaltung (7) Kennlinie "BELATRON HF Ionische Elektrolytumwälzung", Ladeprogramm LP 22, ohne Zeitangabe, zeigt einen Kennlinienverlauf des Geräts Belatron-HF mit ionischer Elektrolytumwälzung. Die Durchführung einer erfindungsgemäßen Ausgleichsladung ist diesem Blatt nicht zu entnehmen, genauso wenig wie das Speichern von Daten und deren Verwendung für die Steuerung nachfolgender Ladevorgänge.
Da die entgegengehaltenen Schriften, weder einzeln noch in der Zusammenschau den Schritt der erfindungsgemäßen Ausgleichsladung mit anschließender Speicherung und Auswertung von Daten beschreiben oder nahe legen, beruht die Entwicklung des beanspruchten Verfahrens auf einer erfinderischen Tätigkeit. Damit ist der Patentanspruch 1 gewährbar. Die Unteransprüche 2 bis 8 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Patentanspruchs 1 und sind daher ebenfalls gewährbar.
Kahr Jordan Klante Kellner Na/Fa
BPatG:
Beschluss v. 21.07.2003
Az: 15 W (pat) 312/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1137393f0efd/BPatG_Beschluss_vom_21-Juli-2003_Az_15-W-pat-312-02