Verwaltungsgericht Münster:
Urteil vom 6. Juni 2006
Aktenzeichen: 6 K 33/06

(VG Münster: Urteil v. 06.06.2006, Az.: 6 K 33/06)

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2005 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Apotheker und betreibt die „ Apotheke A" in T. . In der Apotheke hat der Kläger als Kundenbindungssystem den sogenannten A-Taler eingeführt. Der Kunde erhält den Taler u.a. bei einem Einkauf aus dem Selbstbedienungssortiment im Gesamtwert von mindestens 10 EUR. Nicht ausgegeben werden die Taler beim Kauf von Arzneimitteln, die der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen. Die Taler können einzeln oder gesammelt in der Apotheke A bzw. bei verschiedenen örtlichen Kooperationspartnern eingelöst werden. Die aktuellen Prämien und der entsprechende Talerwert sind einem vom Kläger ausgegebenen Werbeflyer zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2004 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass dieser im Tausch gegen die A-Taler auch nicht apothekenübliche Waren im Sinne des § 25 Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO - ausgebe. Beispielhaft erwähnt seien Regenschirm, Schraubenzieher mit integrierter Wasserwaage, Taschenmesser, Einkaufsroller, Profihaartrockner, Obstschalen sowie Platzteller aus Chrom. Zwar sei die Einführung von Kundenbindungssystemen in Apotheken grundsätzlich zulässig. Unzulässig sei aber die Abgabe nicht apothekenüblicher Waren in der Apotheke.

Der Kläger entgegnete mit Schreiben vom 1. September 2004, sein Verhalten sei nicht zu beanstanden. § 25 ApBetrO bezöge sich nur auf Waren, die entgeltlich in Apotheken veräußert würden.

Mit Bescheid vom 11. Januar 2005 untersagte die Beklagte dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, in der von ihm betriebenen „Apotheke A" bei Einlösung der dort erhältlichen Taler sogenannte Prämienprodukte, bei denen es sich nicht um apothekenübliche Waren im Sinne von § 25 ApBetrO handele, abzugeben, bzw. abgeben zu lassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte die Beklagte dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 EUR an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, § 25 ApBetrO sei auf die gegen Einlösung der Taler in der Apotheke erhältlichen Prämienprodukte anwendbar. Es handele sich um einen entgeltlichen Erwerb. Den Talern komme ein berechenbarer anteiliger Wert zu. Aus der Sicht der Kunden komme der Erwerb der entsprechenden Produkte gegen Einlösung der Taler einem Einkauf gleich. Im Gegensatz zum sonstigen Einzelhandel unterlägen die Apotheken bezüglich der Waren, die neben Arzneimitteln in den Verkehr gebracht werden dürften, Beschränkungen auf Grund der Bestimmung des § 25 ApBetrO. Es sei die gesundheitspolitische Absicht des Verordnungsgebers, durch die Einschränkung des Warenangebots in der Apotheke zu gewährleisten, dass sich der Apotheker in erster Linie seiner Hauptaufgabe, der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung widme. Dadurch solle die Funktion der Apotheke als zentrale Abgabestelle für Arzneimittel gestärkt und die Entwicklung der Apotheke zum Drugstore verhindert werden.

Gegen den Bescheid der Beklagten erhob der Kläger am 17. Januar 2005 Widerspruch und suchte zugleich erfolgreich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach (Beschluss vom 21. März 2005 - 6 L 34/05 -).

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11. Januar 2005 zurück. Die Beklagte bestätigte ihre Auffassung, wonach die Abgabe nicht apothekenüblicher Prämienprodukte gegen § 25 ApBetrO verstoße. Die Taler seien gleichzusetzen mit Rabattmarken, die durch Bezahlung anderer Waren zuvor erkauft worden seien und einen Wert darstellten, der einem bestimmten Geldbetrag entspreche. Um den Taler zu erwerben, müsse der jeweilige Kunde Aufwendungen in Form von Einkäufen in der Apotheke des Klägers vornehmen. Die Abgabe nichtapothekenüblicher Waren im Tausch mit den Talern verstoße überdies gegen die Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen - Lippe - BO -. Nach § 9 Abs. 1 BO sei unlauterer Wettbewerb verboten. Die Abgabe nichtapothekenüblicher Ware sei insbesondere unter dem Gesichtspunkt der unsachlichen Beeinflussung und des übertriebenen Anlockens von Patienten/Kunden sowie im Hinblick auf einen möglichen Arzneimittelfehlgebrauch bzw. Mehrverbrauch unzulässig. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den entsprechenden Artikeln überwiegend um werthaltige Gebrauchsgegenstände handele, werde auf die Kunden ein besonderer Anreiz ausgeübt.

Der Kläger hat am 6. Januar 2006 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Ordnungsverfügung sei bereits wegen der fehlenden Zuständigkeit der Beklagten rechtswidrig und aufzuheben. Soweit die Beklagte einen Verstoß gegen § 25 ApBetrO geltend mache, unterliege die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften der ApBetrO und die Sanktionierung eventueller Verstöße gemäß §§ 64 Abs. 3, 69 Arzneimittelgesetz - AMG - den staatlichen Ordnungsbehörden, hier dem Kreis T. . Dieser sei zu Recht nicht tätig geworden. Berufsrechtliche Regelungen und Konsequenzen ließen sich dem § 25 ApBetrO nicht entnehmen. Die Ordnungsverfügung verstoße ferner gegen das Bestimmtheitsgebot. Zwar führe die Beklagte verschiedene Gegenstände, die nach ihrer Ansicht unter § 25 ApBetrO subsumierbar seien, auf. Die Aufzählung sei jedoch nicht abschließend. Über die Auslegung des § 25 ApoBetrO habe schon vor der Neufassung durch das KV- Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190) Uneinigkeit bestanden. Die Neufassung habe die Unklarheiten nicht beseitigt. So lasse sich trefflich darüber diskutieren, was Mittel und Gegenstände seien, die der Gesundheit des Menschen zumindest mittelbar dienten. Die Verfügung sei auch materiell rechtswidrig. Kundenbindungssysteme würden von Apothekern bundesweit seit etwa Herbst 2002 angeboten. Zum Zwecke der Kundenbindung sei die Abgabe von Wertreklamegegenständen in den Apothekenbetriebsräumen üblich. Bisher sei es unbeanstandet geblieben, wenn die Wertreklamegegenstände nicht unter das Apothekenrandsortiment des § 25 ApBetrO hätten subsumiert werden können. Dies belege der Katalog aus dem Jahre 2004 eines Landesapothekerverbandes, in dem Reklamegegenstände, die in der Apotheke zum Zwecke der Kundenbindung abgegeben werden könnten, angeboten würden. In dem Katalog befänden sich Zugabeartikel wie Gummibärchen, Weihnachtslebkuchen, Kugelschreiber, Handtücher, Fußbälle usw.. Zudem sei auch nach § 9 Abs. 2 Nr. 9. a) BO die Abgabe von Kalendern ausdrücklich zulässig. Ein Verstoß gegen § 25 ApBetrO sei nicht gegeben, weil es an einer entgeltlichen Abgabe fehle. Der Kunde erwerbe die Taler als Zugabe. Bei einer solchen sei anerkannt, dass sie dem Anwendungsbereich des § 25 ApBetrO entzogen sei. Der Taler sei eine freiwillige Leistung, die zu Zwecken der Kundenpflege gewährt werde. Die Aushändigung eines Talers als Zugabe unterscheide sich nicht von der Aushändigung anderer Zugaben. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich bei den Talern auch nicht um Rabattmarken oder Geldwerttaler. Allein der Umstand, dass dem Taler - wie jeder Zugabe - ein gewisser Wert zukomme, lasse nicht auf eine Entgeltlichkeit im Sinne des § 25 ApBetrO schließen. Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides stünden ferner verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Der Apotheker stehe gerade im Bereich des Randsortiments, in dem ein Kundenbindungssystem seine maßgebliche Wirkung entfalte, mit zahlreichen anderen Anbietern, wie Drogerien und Supermärkten, im Wettbewerb. Wolle man einem Apotheker die Einführung eines Kundenbindungssystems, das gerade auch den Einzelhandel vor Ort durch die Einbindung verschiedener Kooperationspartner fördere, verbieten, würde ihn dies in seinen Rechten aus Artikel 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig belasten. Es könne nicht erkannt werden, wie das Kundenbindungssystem die Arzneimittelversorgung oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Apothekers gefährde. Auch die Gefahr, dass sich die Apotheke zum Drugstore entwickele, sei nicht gegeben. Die Prämien, die er, der Kläger, anbiete, seien Allerweltsprodukte, die ein Kunde, wenn er an einem Erwerb interessiert sei, auch in vielen Geschäften oder im Internet erwerben könne. Zudem läge ein übertriebenes Anlocken nach der Rechtsprechung des BGH nur vor, wenn die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund trete. Dabei sei auf den verständigen, durchschnittlich informierten Verbraucher abzustellen. Dass bei diesem die Rationalität der Nachfrageentscheidung beeinflusst werde, sei nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2005 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, der Erlass der angefochtenen Verfügung erfolge im Rahmen der Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 des Heilberufsgesetzes - HeilBerG -. Das Verhalten des Klägers stelle einen Verstoß gegen dessen Berufspflichten dar. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakte 6 L 34/05 und der von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zwar genügt die angefochtene Ordnungsverfügung dem verfahrensrechtlichen Bestimmtheitsgebot, auch ist die angefochtene Verfügung ansonsten in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie erweist sich aber in materieller Hinsicht als rechtswidrig, weil die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. S. 403) in der Fassung vom 1. März 2005 (GV. NRW. S. 148) nicht vorliegen.

Der angefochtene Bescheid ist hinreichend bestimmt (§ 37 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NRW -). Die hinreichende Bestimmtheit setzt voraus, dass für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts muss sich allerdings nicht unmittelbar und ausschließlich aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt.

Vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Unterlassungsverfügung OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 - 13 A 1314/06 - und Beschluss vom 17. November 1994 - 5 B 1043/94 -. Hieran gemessen, ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2005 enthält den abstrakten Begriff „apothekenübliche Waren", dessen Inhalt im Einzelfall zwar streitig sein kann. Wie die beispielsweise Aufzählung der Waren in der Verfügung zeigt, geht es der Beklagten aber darum, die Abgabe von naturgemäß nicht abschließend aufzählbaren Waren zu unterbinden, die eindeutig nicht zum apothekenüblichen Randsortiment gehören, wie etwa Schraubenzieher, Platzteller oder Obstschalen. Hierauf kann der Kläger sein Verhalten ohne weiteres einstellen.

Als Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Untersagungsverfügung kommt allein § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG in Betracht. Dieser ermächtigt die Beklagte als zuständige Behörde für die Erhaltung eines hoch stehenden Berufstandes zu sorgen, die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen; hierzu kann sie Verwaltungsakte erlassen. Die Zuständigkeit der Beklagten als berufsrechtliche Standesorganisation beschränkt sich auf die Kontrolle und Einhaltung berufs- und standesrechtlicher Regelungen ihrer Mitglieder, soweit ihr nicht - wie durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen und nach dem Medizinproduktgesetz vom 11. Dezember 1990 (GV. NRW. 1990, S. 659) in der Fassung vom 5. April 2005 (GV. NRW. S. 306) - MPG ZustV NRW - , § 9 Abs. 1 Nr. 5 HeilBerG geschehen - ausnahmsweise weitergehende Befugnisse eingeräumt sind. Unter Hinweis auf einen Verstoß gegen Gesetze und Verordnungen kann die Beklagte daher keine Eingriffsverwaltungsakte erlassen, für die die - ausschließliche - Zuständigkeit anderer staatlicher Stellen gegeben ist. Sie ist insbesondere nicht ermächtigt, an Stelle oder neben der zuständigen Ordnungsbehörde Eingriffe im Bereich der Gefahrenabwehr zu erlassen.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 1997 - 13 B 161/97 -, DÖV 1998, 345; OVG Thüringen, Beschluss vom 27. Juni 2006 - 2 EO 793/05 -, APR 2007, 26; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage 2002, § 13 Rdnr. 4. Eine solche Befugnis hat die Beklagte vorliegend für sich nicht in Anspruch genommen. Der angefochtene Verwaltungsakt zielt, wie auch die Bezugnahme auf § 9 BO zeigt, darauf ab, ein berufswidriges Geschäftsgebaren des Klägers zu untersagen.

Vgl. zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Kartellbehörden und der Apothekerkammern BHG, Beschluss vom 19. März 1991 - KVR 4/89 -, NJW-RR 1991, 1067. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG liegen indes nicht vor. Dabei ist, da es sich bei der Untersagungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt und das materielle Recht keinen anderen Zeitpunkt bestimmt, für die Beurteilung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 - 13 A 1314/06 -. Das von der Beklagten beanstandete Verhalten stellt keinen Verstoß gegen Berufspflichten dar. Insoweit wird klarstellend und bezugnehmend auf die Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass Gegenstand der Untersagungsverfügung nicht das vom Kläger betriebene Kundenbindungssystem an sich und auch nicht die Einlösung der Taler in Kooperationsgeschäften ist. Gegenstand der Ordnungsverfügung ist allein die Abgabe nicht apothekenüblicher Waren in der Apotheke des Klägers im Tausch gegen die Taler. Dieses Verhalten verstößt nicht gegen Berufspflichten.

Gemäß § 29 HeilBerG sind die Kammerangehörigen verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Nähere Regelungen zu den Berufspflichten enthält die auf der Ermächtigung der §§ 31, 32 HeilBerG beruhende BO vom 6. Dezember 1995 (MBl. NRW 1996, S. 406) in der Fassung vom 21. Mai 1997 (MBl. NRW 1997, S. 1015). Diese bestimmt in § 3 BO, dass der Apotheker die für die Ausübung des Berufes geltenden Gesetze, Verordnungen und Satzungsregelungen zu beachten hat.

Das von der Beklagten beanstandete Verhalten verstößt nicht gegen Gesetze, Verordnungen oder Satzungsrecht.

Der von der Beklagten geltend gemachte Verstoß gegen Vorschriften der ApBetrO in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1995 (BGBl. I S. 1 zuletzt geändert durch Art. 35 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) liegt nicht vor. Dahinstehen kann daher, ob die ApBetrO überhaupt Berufsausübungsregelungen im Sinne des § 6 HeilBerG, § 3 BO enthält, was jedenfalls deshalb zweifelhaft sein könnte, weil die Vorschriften der ApBetrO nach § 1 Satz 2 ApBetrO primär die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen und die Zuständigkeit zur Beseitigung von Verstößen - als Aufgabe der Gefahrenabwehr - nach § 69 AMG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 MPG ZustV NRW den Kreisen und kreisfreien Städten als zuständige Landesbehörden obliegt.

Ein Verstoß gegen Regelungen der ApBetrO liegt nicht vor, weil die dortigen Vorschriften das beanstandete Verhalten nicht erfassen. § 25 ApBetrO, der selbst keine Verhaltenspflichten enthält, benennt einen abschließenden Katalog apothekenüblicher Waren. Diese darf der Apothekenleiter nach § 2 Abs. 4 ApBetrO nur in einem Umfang anbieten oder feilhalten, der den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke und den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags nicht beeinträchtigt. Nach § 34 Nr. 2. I) ApBetrO handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 25 ApBetrO in Verbindung mit § 2 Abs. 2 und 3 ApBetrO (richtig wohl § 2 Abs. 4 ApBetrO) andere als die dort bezeichneten Waren in den Verkehr bringt oder in den Verkehr bringen lässt.

Während in § 25 ApBetrO in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung enumerativ und abschließend diejenigen Warengruppen aufgelistet waren, die in Apotheken ausnahmsweise neben Arzneimitteln in den Verkehr gebracht werden durften, weitet die nunmehr gültige Fassung des § 25 ApBetrO das in Apotheken zulässige Warenangebot erheblich aus. Das Angebot ist nicht mehr auf bestimmte Warengruppen beschränkt, sondern nach § 25 Nr. 2 ApBetrO offen für nahezu jede Art von Ware, soweit die jeweiligen Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern. Damit wird den Bedürfnissen der Weiterentwicklungen im Gesundheitswesen Rechnung getragen und dem Apotheker die Möglichkeit eingeräumt, sich in eigener Verantwortung den Marktanforderungen seines Einzugsbereichs anzupassen und in berufsangemessener Weise im Sinne der Begründung zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 2002 - 1 BvR 1236/99 - „im Wettbewerb mit anderen Verkaufsstellen seine Kundenorientierung" herauszustellen. Vgl. amtliche Begründung zu § 25 abgedruckt bei Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, Stand Januar 2005, § 25 sowie bei Pfeil u.a., Kommentar zur Apothekenbetriebsordnung, Stand 7/2005, § 25. Die Regelungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Indem der Gesetzgeber das Warenangebot weiterhin auf bestimmte Warengruppen und Waren mit gesundheitlichem Nutzen beschränkt, greift er in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Die Beschränkung steht im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG, denn sie dient der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Vgl. Cyran/Rotta, a.a.O., § 25 Rdnr. 4 ff. Sie gewährleistet, dass der Apotheker nicht durch ein zu umfangreiches Anbieten oder Feilhalten von Waren in der Apotheke seine Hauptaufgabe - die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (vgl. § 1 Apothekengesetz - ApoG -) - vernachlässigt und sich überwiegend anderen Geschäften zuwendet. Eine derartige Geschäftsgestaltung, die befürchten lässt, dass sich die Apotheke zum Drugstore entwickelt, liegt nicht im gesundheitspolitischen Interesse, wie die Regelung des § 2 Abs. 4 ApBetrO, die den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrages des Apothekenleiters nochmals betont, zeigt.

Vgl. amtliche Begründung zu § 25 a.F. abgedruckt bei Cyran/Rotta, a.a.O., § 25 sowie bei Pfeil u.a., a.a.O., § 25; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. September 2000 - I ZR 216/98 -. Die von der Beklagten benannten Prämienprodukte wie Obstteller, Einkaufsroller, Platzteller sind zwar keine Mittel oder Gegenstände im Sinne des § 25 Nr. 2 ApBetrO, die der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern. Sie fallen aber gleichwohl nicht unter § 25 ApBetrO, weil dieser von „Waren" spricht. Im allgemeinen Rechtsverkehr wird unter „Ware" eine Sache verstanden, die zum Zweck der Erzielung von Einnahmen an den Kunden abgegeben wird, mithin zum (eigentlichen) Gegenstand eines Handelsgewerbes zählt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Handelsgesetzbuch - HGB - in der bis zum 30. Juni 1999 gültigen Fassung). § 25 ApBetrO kommt daher bereits seinem Wortlaut nach nur bei der Abgabe von Gegenständen, die im Rahmen des Hauptgeschäfts gegen Entgelt abgegeben werden, zur Anwendung. Vom Anwendungsbereich nicht erfasst wird damit die kostenlose Abgabe von Zugaben, Zuwendungen und Geschenken, mit deren Hilfe das Hauptgeschäft unterstützt wird.

Vgl. Cyran/Rotta, a.a.O., § 25 Rdnr. 10; Pfeil u.a.; a.a.O., § 25 Rdnr. 3; Scholtissek, Werbeverbot - Ist der freie Apothekerberuf wirklich frei €, GewArch 1992, 264 (266). Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 25 ApBetrO auf unentgeltliche Zugaben, Geschenke und Prämien ist nach dem oben dargelegten Zweck der Regelung auch nicht erforderlich. Die unentgeltliche Abgabe von Zugaben, Zuwendungen und Geschenken lässt weder eine drugstoreähnliche Erweiterung des Verkaufssortiments befürchten, noch rechtfertigt sie die Annahme, dass der Apotheker seine Hauptaufgabe wegen der Führung eines (gewinnträchtigen) unzulässigen Nebengeschäftes vernachlässigt. Bestätigt wird diese Auslegung letztlich auch durch § 9 Abs. 2 Nr. 9. a) BO, in der die Abgabe von Zugaben, Zuwendungen und Geschenken ausdrücklich geregelt und in der die Abgabe eines - unzweifelhaft - nicht apothekenüblichen Kalenders für zulässig erachtet wird.

Beim Eintausch der Taler gegen Prämienprodukte findet ein entgeltlicher Warenaustausch im oben genannten Sinne nicht statt. Zwar wirbt der Kläger in seinem Werbeprospekt damit, dass mit dem Taler bei ihm oder bei Kooperationspartnern kostenlos „eingekauft" werden könne. Eine Entgeltlichkeit ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Leistungsempfänger Aufwendungen tätigt, um Leistungen zu erhalten. Der Kunde erwirbt den Taler aber weder unmittelbar als Gegenleistung eines Einkaufs, noch erwirbt er bei der Einlösung der Taler entgeltlich Prämienprodukte, weil er - jedenfalls bei einer Gesamtschau - für den Erhalt der Produkte keine eigenen, sich vermögensmindernd auswirkenden Aufwendungen zu tätigen hat. In der Abgabe der Taler bzw. in dem Eintausch dieser Taler ist auch keine Entgeltminderung zu sehen. Der Taler wird vielmehr zusätzlich als freiwillige Abgabe aus Anlass des eigentlichen Leistungsaustausches zur Kundenpflege übergeben. Der Käufer schuldet unabhängig von der Einlösung des Talers den vollen Kaufpreis. Unerheblich ist, dass dem Taler bezogen auf die Prämien ein berechenbarer anteiliger Wert zukommt. Dies rechtfertigt insbesondere nicht die Annahme, der Käufer habe die Prämienprodukte selbstständig neben dem eigentlichen Hauptgeschäft entgeltlich erworben.

Der von der Beklagten behauptete Verstoß gegen § 9 BO liegt ebenfalls nicht vor. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet es zunächst, dass die Beklagte ihre Verfügung erst im Widerspruchsbescheid ergänzend auf einen Verstoß gegen § 9 BO gestützt hat. Ein berufswidriges Verhalten des Klägers ist tatbestandsmäßig zwingende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die angefochtenen Bescheide. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das Gericht unabhängig davon zu klären, ob die Beklagte sich auf sämtliche, das berufswidrige Verhalten begründende, Umstände gestützt hat. Überdies ist anerkannt, dass es der Behörde nicht verwehrt ist, die Begründung eines Verwaltungsakts sogar über den Abschluss des Widerspruchsverfahrens hinaus im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen oder zu ändern. Eine solche grundsätzlich auch ohne § 45 Abs. 2 VwVfG NRW zulässige Nachbesserung begegnet rechtlichen Bedenken nur dann, wenn durch sie der Verwaltungsakt in seinem Wesen verändert wird. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 B 20/02 - mit weiteren Nachweisen. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Beklagte das den Beteiligten bekannte streitgegenständliche Verhalten des Klägers im Widerspruchsverfahren lediglich einer weitergehenden rechtlichen Bewertung zugeführt hat. Ein berufswidriges Werbeverhalten lässt sich nicht feststellen. Nach § 9 Abs. 1 BO ist Wettbewerb verboten, wenn er unlauter ist. Nicht erlaubt ist eine Werbung, die irreführend oder nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirkt, sowie eine Werbung, die einen Mehrverbrauch oder Fehlgebrauch von Arzneimitteln begünstigt. Die Werbung der Apotheker darf ihrem beruflichen Auftrag, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, nicht widersprechen. Die Bevölkerung soll darauf vertrauen dürfen, dass die Apothekerin und der Apotheker - obwohl auch Gewerbetreibende - sich nicht von Gewinnstreben beherrschen lassen, sondern ihre Verantwortung im Rahmen der Gesundheitsberufe wahrnehmen. In diesem Sinne sollen die Werbeverbote dem Arzneimittelfehlgebrauch entgegenwirken und die ordnungsgemäße Berufsausübung stärken. Insbesondere soll das Vertrauen der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheke erhalten und gefördert werden. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 9 BO, ist vorbehaltlich einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles unter besonderer Berücksichtigung des Abs. 1 nicht erlaubt

a) das Gewähren von Zugaben und Zuwendungen mit Ausnahme von apothekenüblichen Kunden- und Kinderzeitungen oder -zeitschriften sowie Kurzinformationen mit beratendem Inhalt, ...... c) Zuwendungen und Geschenke an Kunden, Angehörige anderer Heilberufe oder nichtärztlicher Heilberufe. Die Regelungen sind, da sie kein generelles Zugaben- und Zuwendungsverbot enthalten, sondern eine einzelfallbezogene Bewertung ermöglichen, einer dem Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung tragenden verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. September 1996 - 1 BvR 461/92 -, BGBl. I, S.17; BHG, Beschluss vom 19. März 1991 - KVR 4/89 -, NJW-RR 1991,1067 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit eines generellen Verbots der Abgabe von Zugaben und Zuwendungen in einer Berufsordnung für Apotheker. Dabei unterliegt die Entscheidung, welche Werbeform als üblich, als angemessen oder als übertrieben zu bewerten ist, zeitbedingten Veränderungen. Hier ist dem Wandel im Werbeverhalten des Handels Rechnung zu tragen. Denn durch dieses Verhalten ändern sich Wahrnehmungsfähigkeit und Wahrnehmungsbereitschaft der Verbraucher und damit auch die Beurteilung der Frage, welche Werbung unlauter ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 u.a. -, BVerfGE 94, 372, NJW 1996, 3067. Bei der Beurteilung, ob eine unlautere und deshalb berufswidrige Werbung vorliegt, ist ferner zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht das apotheken- oder verschreibungspflichtige Warensortiment bewirbt, das nach § 78 AMG einer Preisbindung unterliegt, sondern das sogenannte Randsortiment, mit dem er als Kaufmann im Wettbewerb bestehen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach, vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 u.a.-, a.a.O., vom 12. September 1996 - 1 BvR 461/92 -, a.a.O., sowie vom 8. November 1996 - 1 BvR 1033/94 -, juris, entschieden, dass Apotheker als Angehörige eines freien Berufes - im Gegensatz zu anderen freien Berufen - auch Kaufleute sind, die hinsichtlich der apothekenfreien Arzneimittel und des Randsortiments im allgemeinen Wettbewerb stehen. Es besteht daher ein gewichtiges anzuerkennendes Interesse des Apothekers, im Wettbewerb mit anderen Verkaufsstellen seine Kundenorientierung herauszustellen und mittels Werbe- oder Marketingstrategien in berufsangemessener Weise um das Vertrauen der Bevölkerung zu werben. Werbung, die zwangsläufig dazu führt, die Entscheidung eines Kunden für oder gegen eine Apotheke zu beeinflussen, ist nicht grundsätzlich unzulässig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs. Auch Konkurrenzschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen stellen vor diesem Hintergrund keine legitimen Zwecke dar, die die Einschränkungen der Berufsfreiheit rechtfertigen könnten. Verfassungsrechtlich tragfähig sind lediglich Werbeverbote, die die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern und das Vertrauen darauf gewährleisten, dass der Apotheker sich nicht maßgeblich an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientiert. Nur insoweit sind sie auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar und durch Gemeinwohlbelange gedeckt. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 u.a. - , a.a.O.. Ausgehend hiervon ist das Werbeverhalten des Klägers nicht zu beanstanden. Die vom Kläger eingeführte Werbemaßnahme führt neben einer Anwerbung von Neukunden zu einer Kundenbindung, indem es die Kundentreue belohnt. Ein solches Talersystem ist - soweit nicht der Preisbindung unterliegende Arzneimittel erfasst werden - grundsätzlich zulässig.

Vgl. VG Weimar, Beschluss vom 27. Januar 2003 - 6 E 1740/02.We -, vgl. zur Unzulässigkeit der Abgabe von „Talern" bei verschreibungspflichtigen, preisgebundenen Medikamenten LG Hanau, Urteil vom 31. August 2004 - 6 O 68/04 -, juris -. Diese Beurteilung trägt dem Umstand Rechnung, dass die werbemäßige Gewährung von Rabatten und Zuwendungen nach der Anhebung der Zugabeverordnung durch Gesetz vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1661) und des Rabattgesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I. S. 1663) an Bedeutung gewonnen hat, was zugleich zur Konsequenz hat, dass Sachverhalte, die in der Vergangenheit unter die Zugabeverordnung fielen, nicht unverändert als Wettbewerbsverstöße nach § 1 UWG verfolgt werden können. Vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 - I ZR 173/01 -, NJW 2002, 3403; Bonussysteme in Apotheken darstellend: „Prämienjagd und Kundenfang" in Akzente, Magazin für EDV und Marketing in der Apotheke, 2005, 4. ff. Die grundsätzliche Zulässigkeit wird letztlich auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Ist danach die Abgabe von unentgeltlichen Prämien, Zuwendungen und Geschenken grundsätzlich zulässig, ist eine weitergehende Differenzierung des Werbeverhaltens nach der Apothekenüblichkeit der abgegebenen Prämien nicht geboten. Die Differenzierung ist insbesondere nicht zum Schutz der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erforderlich. Soweit die Beklagte eine Anlockwirkung behauptet, vermag das Gericht eine solche nicht zu erkennen. Die Beklagte selbst hat bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Rationalität der Kaufentscheidung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. September 2001 - 13 A 2814/99 -, NWVBl. 2002,193, wegen der Abgabe nicht apothekenüblicher Produkte in der Apotheke erheblich beeinflusst werden oder gar in den Hintergrund treten könnte.

Vgl. zur Anlockwirkung BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 - I ZR 173/01 -, a.a.O., speziell zur Anlockwirkung durch die Gewährung von Bonuspunkten für die Rückerstattung der Praxisgebühr durch einen Apotheker: eine solche verneinend: OLG Rostock, Urteil vom 4. Mai 2005 - 2 U 54/04 - , juris, sowie LG Frankfurt, Urteil vom 11. November 2004 - 2/3 O 241/04 -, NJW-RR 2005, 405. Der Annahme einer übermäßigen, die Kaufentscheidung unsachlich beeinflussenden Anreizwirkung steht überdies entgegen, dass es sich bei den angebotenen nichtapothekenüblichen Prämien um Allerweltsprodukte handelt. Die Anreizwirkung wird letztlich auch nicht durch den Ausgabeort - hier die Ausgabe in der Apotheke - bestimmt. Maßgeblich für die Anlockwirkung ist vielmehr die Attraktivität des angebotenen Produkts. Soweit die Beklagte auf die Werthaltigkeit der Produkte verweist, trifft dies allenfalls auf einzelne, nicht aber auf jedes nicht apothekenübliche Produkt zu. Überdies erfasst dieses Kriterium nicht lediglich die nicht apothekenüblichen Produkte, sondern auch diejenigen des apothekenüblichen Randsortiments.

Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Abgabe nicht apothekenüblicher Prämien - nicht aber die Abgabe apothekenüblicher Produkte - mit der Gefahr eines Medikamentfehlgebrauchs einhergehen könnte, bestehen ebenfalls nicht. Dass der Kunde durch die Zuwendungen zu unnötigem oder unüberlegtem Kauf von Medikamenten veranlasst werden könnte, ist wenig wahrscheinlich, zumal sich die Prämiengewährung nicht auf bestimmte oder bestimmt abgrenzbare Arzneimittel bezieht, sondern das breite Selbstbedienungssortiment erfasst. Der Kunde kann überdies weiterhin frei entscheiden, auf welches rezeptfreie Medikament er sein Interesse lenken will, sodass die Anreizwirkung damit weit gestreuter ist als bei einer Werbung für ein bestimmtes Erzeugnis.

Eine Störung des Vertrauens in die Integrität des Klägers wegen der Abgabe nicht apothekenüblicher Produkte ist weder von der Beklagten substantiiert behauptet worden, noch bestehen hierfür konkrete Anhaltspunkte. Überdies ist auch nicht nachvollziehbar, warum eine solche Gefahr bei der Abgabe nicht apothekenüblicher Gegenstände anzunehmen sein sollte, eine solche aber bei der Abgabe apothekenüblicher Gegenstände zu verneinen wäre.

Erweist sich damit die Grundverfügung als rechtswidrig, kann die diesbezügliche Zwangsgeldandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.






VG Münster:
Urteil v. 06.06.2006
Az: 6 K 33/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1161529551ad/VG-Muenster_Urteil_vom_6-Juni-2006_Az_6-K-33-06




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